Postille
By Eugen Brikcius and Raija Hauck
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About this ebook
Postille ist ein Roman aus 36 Minutenromanen über den Roman und das Leben des Autors. 36 Texte, die vor Lebendigkeit und (Sprach-)Witz sprühen. Post illa verba erhellt der Autor ausgewählte Gedanken, Ereignisse, Erlebnisse, stellt sie zu neuen Collagen zusammen – immer wieder staunend über die unerwarteten Zusammenhänge im Leben. "Das Schlimmste zum Schluss: Jedem kann es passieren, dass die Leute glauben, er spielte sein Double. Dann tauchen zwingend Zweifel auf, ob ich zum Beispiel ich bin. Im Übrigen könnte auch ich sie haben, entweder als mein Double oder als angeblich reales Ich."
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Book preview
Postille - Eugen Brikcius
BRIKCIUS • POSTILLE
Zur Aussprache tschechischer Buchstaben mit diakritischen Zeichen:
EUGEN BRIKCIUS
Postille
Roman
Mit einem Vorwort von Radim Kopáč
und einem Nachwort von Tomáš Kubíček
Illustrationen von Ellen Jilemnická
Aus dem Tschechischen
von Raija Hauck
Die Herausgabe dieses Buches wurde vom Kulturministerium der Tschechischen Republik unterstützt.
Originaltitel: Postila
© Pulchra, Praha 2016
KLAGENFURT/CELOVEC • WIEN • LJUBLJANA • BERLIN
A-9020 Klagenfurt/Celovec, 8.-Mai-Straße 12
Tel. +43(0)463 370 36, Fax. +43(0)463 376 35
office@wieser-verlag.com
www.wieser-verlag.com
Copyright © 2021 bei Wieser Verlag GmbH,
Klagenfurt/Celovec
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Josef G. Pichler
ISBN 978-3-99029-451-2 (Print Ausgabe)
ISBN 978-3-99047-113-5 (Epub)
Inhalt
Vorwort
Postille I–XXXVI
Nachwort
Namen und Anmerkungen
Vorwort
Die Postille als Beweis
Siehe, ein einzigartiger Mann in seiner einzigartigen Welt! (Viktor Šlajchrt in »Mysteria a mystifikace Eugena Brikciuse«)
Leben und Werk von Eugen Brikcius in seiner ersten Heimat vorzustellen, also der Tschechischen Republik, deren Synekdoche Prag ist, käme dem sprichwörtlichen »Eulen nach Athen tragen« oder »Wasser in den Rhein tragen« oder gar »Bier nach Budweis bringen« (natürlich nicht nach München) gleich. In Prag ist Eugen Brikcius nämlich am 30.8.1942 geboren, über Prag und seine kulturell-gesellschaftlichen Veränderungen über das 20. Jahrhundert hinweg schreibt er, in Prag lebt er; bei Prager Verlegern kommen (fast alle) seine Bücher heraus, in Prag organisiert er seit den 60er Jahren seine Happenings (aktuell unter dem Titel »literarische Ausflüge« oder »literarische Ökumenen«) und nicht zuletzt ist er hier freundschaftlich eingebunden in dionysisches Vergnügen und apollinische Diskussionen.
Was aber für Brikcius’ erste Heimat gilt, gilt nicht in der zweiten, in Wien, beziehungsweise Österreich, wohin der Autor zu Beginn des Jahres 1980 aus politischen Gründen ging. Prag wurde damals für ihn, wie er es nannte, von einer »mütterlichen Stadt« zu einer »stiefmütterlichen«. Österreich bot ihm nicht nur freundlich Asyl an, sondern brachte vor allem auch die Freiheit zurück: Die Freiheit, erfolgreich die philosophischen Studien im prestigeträchtigen University College in London abzuschließen (begonnen schon Ende der 60er, Anfang der 70er, und gekrönt durch eine Arbeit über den Gottesbeweis, deren Meilensteine Anselm von Canterbury, Thomas von Aquin und Norman Malcolm sind), die Freiheit, sich in vollem Umfang als Dichter, Prosaiker, Essayist und Aphoristiker auszuleben (obwohl es bei Brikcius nie am Genre hing, er formatierte seine Texte immer nach eigenem Gusto, wie eine private Synthese aller vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Genreversuche) – aber auch die Freiheit, die gedachte Grenze zwischen Wort und Körper zu überschreiten, zwischen poetischem Handeln im Leben und seinem Abdruck im nicht weniger poetischen Text (erst in Wien entwickelte sich die eigentümliche Leidenschaft für sportliche Leistungen ausgewählter Meister im Fußball, Basketball oder Hockey, Meister der Bälle und Pucks, von Antonín Panenka über Magic Johnson bis Phil Esposito, zum Beispiel).
Dem deutschsprachigen Publikum stellte sich Eugen Brikcius erst im Jahr 2018 in Buchform vor. In der Reihe Tschechische Auslese (in Zusammenarbeit der Verlage Větrné mlýny und Wieser realisiert), die zehn ausgewählte tschechische Autoren nach 1989 vorstellt, erschien eine schmale Auswahl seiner Prosa, die in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis in die Nullerjahre des jetzigen zu beliebten Motiven aus Franz Kafka, Karel Poláček oder Pavel Šrut entstanden. In diesen Texten, und zwar vor allem in »Ein Tag im Leben des Eugen Brikcius« und »Gott Mittwoch – und fort mit dem Bösen«, ist trotz ihres bescheidenen Umfangs alles Wesentliche enthalten: Der Leser kann sich sowohl ein Bild von der Art und Weise machen, in der der Autor seine fiktive Welt aufbaut, als auch von den wesentlichen Stützpfeilern und Meilensteinen dieser Welt. Brikcius serviert, aphoristisch gesagt, witzige Kommentare zu ernsthaften Dingen, mischt Komödie und Tragödie, körperliche Genusssucht mit scharfem Intellekt, sprachliche Lust und situatives Leiden, kollektives Gedächtnis und persönliche Erinnerung. Für seinen idealen Ausdruck nimmt er immer von überallher und alles: Verse in Latein, Deutsch, Englisch oder Tschechisch, Handlungsprosa und Nicht-Handlungsprosa, »reinen Humor ohne Witz«, der durch philosophische Mediation ausgeglichen wird. Nach außen hin ein Lehrbuch, innen der einzigartige Autor selbst.
Und dann der Titel dieses Büchleins: Und das Fleisch ward Wort. Offensichtlich handelt es sich um einen Verweis auf Brikcius’ tausendseitiges gesammeltes Werk unter demselben Titel, das 2013 erschien und den renommierten Jaroslav-Seifert-Preis (2015) erhielt. Was das deutschsprachige Bändchen im Kleinen enthält, gibt es hier im Großen – detaillierter, übersichtlicher, klarer. Wieder ein überbordender Reigen unterschiedlichster Formen, die Avantgarde der ersten Republik zitierend, das poetische Experiment der 60er Jahre und den Konzeptualismus der 70er und 80er – und im konzentrierten Kern dann 101 kleines und großes Abenteuer, Vorkommnisse, Geschichtchen, dramatische Situationen, groteske Bilder, die sich immer um das eine, respektive dreifaltige drehen: Autor-Erzähler-Held. Brikcius’ Opus magnum erzählt die Geschichte von Brikcius’ Leben und Werk. Genauer gesagt erzählt es die Geschichte eines Lebens, das als Kunstwerk realisiert ist. Stilisiert, hyperbolisiert, geschichtet ironisch. Aber immer maximalistisch, nach dem Muster »der Autor nimmt alles«; ähnlich wie der kanonische Grimmelshausen in seinem Abenteuerlichen Simplicissimus oder um ein paar Jahrhunderte später Jáchym Topol in seinen Romanen Nachtarbeit (Noční práce) und Zirkuszone (Kloktat dehet). Das Konzept des Autors gestaltet in diesen Fällen nicht nur das Subjekt um, es versucht auch, sich das Objekt zu unterwerfen: Die Welt und ihre Mythen sind die süßeste Nahrung für die Bildung von Eigenlegenden und Eigenmythen.
Eugen Brikcius weiß jedenfalls, wo er nehmen kann. Er wurde im schlimmsten Jahr des Zweiten Weltkriegs geboren, ein paar Monate nach dem Attentat auf Heydrich. Als er sechs Jahre alt war, packte etwas neues Totalitäres die Tschechoslowakei am Kragen: der Kommunismus. Brikcius hatte zum Glück in seinen Eltern eine Stütze, sie standen auf der anderen Seite der Barrikade, der Vater musste sogar für eine gewisse Zeit ins Gefängnis – und der Sohn beteiligte sich an den illegalen Aktivitäten der Wasser-Pfadfinder. Am Ende der 50er Jahre entstand das Interesse an der Philosophie, und weil es keine offizielle Möglichkeit gab, bildete sich Brikcius im Selbststudium. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre weiteten