Meeresgemüse und Algen. Kompakt-Ratgeber: Gesunde Lebensmittel aus dem Ozean
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Der hohe Gesundheitswert der Meerespflanzen gründet auf ihrem Reichtum an Ballaststoffen, Jod und mehrfach ungesättigten Fettsäuren sowie ihrem außergewöhnlich hohen Gehalt an Mineralstoffen.
Der Kompakt-Ratgeber stellt die verschiedenen Algen in ausführlichen Porträts vor und legt den Schwerpunkt auf authentische Zubereitungen aus den Ländern, in denen Meeresgemüse traditionell zu den alltäglichen Lebensmitteln gehören:
- Inhaltsstoffe und Geschichte der jahrhundertealten Nahrungsquelle
- Gesundheitswert und Heilwirkung der Meerespflanzen
- Feine Rezepte für schmackhafte Gerichte
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Book preview
Meeresgemüse und Algen. Kompakt-Ratgeber - Barbara Rias-Bucher
Algen-Know-how
Kleine Algenbiologie
Algen zählen zu den ältesten Lebewesen unseres Planeten und machen etwa 95 Prozent der Meeresvegetation aus. Genau wie Landpflanzen gehören sie verschiedenen Gattungen an, die sich stark voneinander unterscheiden: mikroskopisch klein die einen, von gewaltigen Ausmaßen die anderen. Riesentange wie Kelp können bis zu 60 Meter Länge erreichen.
Mikroalgen bilden unter anderem mit Bakterien, Einzellern, Minikrebsen und Fischlarven das Plankton, eine frei im Meer treibende »Wolke« lebender Organismen, von der sich zum Beispiel Wale ernähren. Besteht diese Lebensgemeinschaft vorwiegend aus Mikroalgen und Cyanobakterien (Blaualgen), spricht man von Phytoplankton (→ auch Seite 27), das sowohl zur Nahrungskette von tierischen Kleinstlebewesen als auch Fischen gehört.
Zum eigentlichen Meeresgemüse zählen nur Makroalgen, die man in drei Hauptgruppen einteilt:
Braunalgen (Phaeophyceae) enthalten ein bestimmtes Carotinoid (Fucoxanthin). Dieses orange-gelbe Pigment ergibt in Kombination mit Chlorophyll den bräunlichen Farbton. Es sind mächtige Pflanzen, zu denen auch Kelp oder Kombu zählt. Braunalgen wachsen fast ausschließlich im Salzwasser: Manche als dichte Wälder auf dem Meeresgrund; sie bilden Blasen, die mit Gas gefüllt sind, sodass sie schwimmen oder aufrecht im Wasser stehen können. Andere, wie die Gattung Sargassum, treiben im Meer; sie haben der Sargassosee im Atlantik den Namen gegeben. Die meisten Braunalgen aber gedeihen am besten auf felsigen Küsten, und nur wenige vertragen starke Brandung.
Rotalgen (Rhodophyta) gelten manchen Botanikern als das »rote Pflanzenreich«. Vier Pigmente bestimmen die Farbgebung, deren Menge sich nach der Lichtintensität richtet. Deshalb wechseln Rotalgen je nach Wassertiefe den Farbton: Carrageen (Chondrus crispus) zum Beispiel, das nahe an der Wasseroberfläche wächst, ist hellgrün. Im tiefen Wasser reichert es rotes Phycoerythrin an, weil dieses auch schwaches Licht absorbiert und so die Fotosynthese unterstützt.
Grünalgen (Chlorophyta) gibt es in außerordentlich großer Arten- und Formenfülle von Einzellern wie Chlorella und bis zu Vielzellern wie Meersalat mit langen »Blättern« (botanisch korrekt: Thalli). Nur etwa 13 Prozent sind Meeresbewohner, die restlichen wachsen in Flüssen, Seen, im Gartenteich und im Aquarium, sogar an Steinen und Baumstämmen. Grünalgen gleichen Landpflanzen: Vorherrschendes Pigment ist das Blattgrün Chlorophyll, und die durch Fotosynthese gewonnene Energie wird in Form von Kohlenhydraten gespeichert.
Nahrung aus dem Meer
Essbare Algen als Grundnahrungsmittel nutzen die Menschen in China, Polynesien, auf Hawaii und in den Inselregionen des Fernen Ostens vermutlich schon seit etwa 10.000 Jahren. Ostasiens lange Küsten mit ungeheuer reichhaltiger und vielfältiger Meeresflora sicherten die kostenlose Versorgung mit diesen proteinreichen Pflanzen, die wesentliche Mineralstoffe und Vitamine enthielten und wenig Fett, doch wertvolle Fettsäuren. Auch in Europa waren Algen immer traditionelles Lebensmittel für Küstenbewohner: Laitue de mer (Meersalat) und Haricot de mer (Meeresspaghetti) in Nordfrankreich, Laver (Nori) und Kelp (Kombu), Carrageen (Irisch Moos) und Dabberlocks (Wakame) in Irland, Wales und Schottland. So war getrocknete Dulse nahrhafter Snack für irische Fischer und schottische Highlander; Archäologen zufolge gehörte Dulse bereits vor der Zeitenwende zur alltäglichen Nahrung der Küstenbewohner der britischen Inseln. Das traditionelle irische Sodabrot kann Dulse enthalten, und auch Carrageen wurde zu Brot verarbeitet. Laverbread (→ Seite 114) dagegen hat nichts mit Brot zu tun, sondern ist ein spinatähnliches Püree aus Nori. Es wird entweder zu Lamm serviert oder mit Haferflocken vermischt wie Frikadellen in Speckfett gebraten; die Rezepte finden Sie auf Seite 66 ff. Haricot de mer, in Butter geschwenkt, ist in England und Frankreich Beilage zu Fisch und Meeresfrüchten. In frischer Laitue de mer werden Jakobsmuscheln gewickelt und als Spießchen mit Tomaten gebraten.
Doch während im Westen Algen seit jeher mehr dazu beitrugen, das knappe Nahrungsangebot aufzustocken, und folglich als Lebensmittel der kleinen Leute galten, die sich Fisch nicht leisten konnten, schätzte man im Fernen Osten die Pflanzen aus dem Meer schon immer sehr: Algen waren fester Bestandteil der edlen Teezeremonie: Mit Agar-Agar (japanisch: tengusa) – »himmlisches Gras« – werden zum Beispiel süße Gelees zubereitet, die zu Matcha-Tee passen.
Asiens Klosterküche
Die vegetarische Shojin-Küche, von Zen-Mönchen entwickelt, ist Ausdruck des Strebens nach Harmonie. Kein Tier wird dafür getötet, der Koch arbeitet höchst konzentriert im Einklang mit der Natur, die ihm alle Schätze des Pflanzenreichs zur Verfügung stellt, die im Wasser und in der Erde wachsen. Man verwendet keinerlei Fertiggerichte oder Saucen, die heutzutage auch in Japan das alltägliche Kochen so erleichtern. Grundlage für Suppen und Saucen der Klosterküche ist selbst gekochter Fond aus Kombu, und, um der Reinheit willen, wird diese Dashi (→ Seite 67) nur schwach gewürzt. Aus der Edo-Zeit (1603–1868) stammt ein Kochbuch, das Rezepte für 21 unterschiedliche Algenarten enthält – Zeichen dafür, dass Meeresgemüse auch in der bürgerlichen Küche so wichtig war wie Gartengemüse.
Produktion und Ernte
Algenerzeugung gehört bereits seit den 1980er-Jahren zu den Schlüsselindustrien Japans, und die Gewinnung von Algen als Handelsware reicht bis ins Mittelalter zurück. Nori zum Beispiel hat man damals bereits in geschützten Flachwassergebieten kultiviert: In der Bucht von