AlleinSein:: Impulse für das Ich
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About this ebook
Doch Trennung, Krankheit, Tod und Alter lassen Menschen häufig allein zurück.
Wer gezwungen ist, alleine zu leben, lehnt sich auf oder erträgt es still.
Demgegenüber stellt Dorothee Boss heraus, dass es nicht darum geht, Alleinseinnur auszuhalten und zu ertragen. Es geht darum, es konstruktiv zu deuten und produktiv zu nutzen: als Raum der Begegnung mit sich, mit anderen und mit Gott. Bewusst allein zu sein bietet Ressourcen, sich selbst wieder zu fühlen und daraus Kraft fürs Leben zu schöpfen. Spirituelle Impulse können diesen Weg unterstützen.
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Book preview
AlleinSein: - Dorothee Boss
Einleitung
Das Alleinsein hat einen ambivalenten Ruf. Auf der einen Seite gilt es seit jeher als Raum für Selbstfindung und Reflexion über das Eigene; auf der anderen Seite umweht es die herbe Aura des Mangels und einer bedrohlichen Einsamkeit. Manche Menschen fürchten das Alleinsein und insbesondere das Alleinleben, weil es rasch mit dem Bild von Leere, Isolation, Ausweg- und Sinnlosigkeit verknüpft wird. Anscheinend von allen verlassen, fristet der Mensch, der alleine lebt, ein ungesichertes, trauriges und einsames Dasein mitten in der Gesellschaft. Von selbst kann er sich nicht daraus befreien; er scheint von anderen abhängig, die auf ihn zugehen und ihn aus dieser misslichen Lage herauslösen.
Hinter dieser Vorstellung steht ein Missverständnis: Tatsächlich sind kleine Kinder, wenn sie von ihren Eltern oder anderen Bezugspersonen allein gelassen werden, in ihrer Existenz bedroht. Sie sind weder in der Lage, sich selbst zu ernähren noch ihren Lebensunterhalt zu sichern. Gefahren können sie nicht selbstständig abwehren. Sie können kaum Türen öffnen, um Hilfe für sich zu holen. Sie benötigen notwendigerweise erwachsener Zuwendung und Unterstützung und sind lange Zeit auf diese existentiell angewiesen.
Dagegen ist ein erwachsener Mensch in der Regel in der Lage, sein Leben aktiv zu steuern. Er kann auf andere Menschen zugehen und mit ihnen kommunizieren. Er kann seine Bedürfnisse mitteilen und Hilfe suchen. Er kann sich selbst ernähren und pflegen. Er ist nicht zur Passivität verdammt und hilflos von anderen abhängig, um leben zu können. Bedrohungen kann er abwehren und sie bewältigen. Er hat die Fähigkeiten, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Ihm stehen viele Möglichkeiten im Leben offen. Das Alleinsein hat für den Erwachsenen stets Türen nach draußen, die er nur zu öffnen braucht.
Von dieser Prämisse geht dieses Buch aus. Es will Leser ansprechen, die ihr Alleinsein bzw. ihre Situation des Alleinlebens aus einer erwachsenen Haltung heraus begegnen möchten. Es ist dabei unerheblich, ob diese Situation freiwillig oder unfreiwillig auf sich genommen wurde, erwünscht und bewusst gewählt oder durch menschliche Beziehungen oder biographische Einflüsse bewirkt wurde.
Sicher ist: Alleinsein und Alleinleben stellen kein unabwendbares, unbeherrschbares und düsteres Schicksal dar. Aber nicht von außen wird sich das Alleinsein zu einer erfüllenden Lebensform wandeln, sondern in erster Linie von innen – aus mir selbst – heraus.
Das Buch möchte deshalb Menschen ansprechen, die sich aus unterschiedlichen Beweggründen mit dem Alleinsein und Alleinleben beschäftigen und Impulse zum Nachdenken zu diesem Thema suchen.
Es geht hier allerdings nicht darum, jeweils das Alleinleben oder das Leben in einer Paarbeziehung/Familie als die ideale Lebensform zu propagieren. Dieses Buch versteht Alleinsein nicht als anspruchsvolle Kunst, sondern als Erweiterung der Perspektiven und Möglichkeiten, das eigene Ich, das Aufspüren und Gestalten von bislang unerkannten inneren und äußeren Räumen zu finden, um von dort aus ein einfühlsamerer, verständnisvollerer und reiferer Mensch unter Menschen zu werden.
Ein konstruktiver Umgang mit dem Alleinsein ist für Erwachsene stets möglich. Dies gilt für Krisenzeiten wie für den Alltag. Durch aufmerksame Wahrnehmung seiner selbst und mithilfe einfacher Maßnahmen lassen sich die vorhandenen eigenen Kräfte finden und bündeln; das Defizitäre am Alleinsein lässt sich durchaus positiv wandeln, indem Energien und Kraftquellen genutzt werden, um diese Situation aktiv zu bewältigen.
Dabei kann es helfen, den Umgang mit dem Alleinsein/Alleinleben als individuellen Entwicklungsweg zu verstehen. Das Bild des Weges hat großes Potenzial für eine lebensbejahende Sichtweise; denn es wirkt dynamisch und lebendig: Ein Weg kann in unterschiedlichen Weisen und Geschwindigkeiten begangen werden. Ungeahnte Wendungen und unverhoffte Begegnungen sind möglich. Wege bergen Risiken, aber auch Potentiale. Sie fordern zu bewussten Entscheidungen auf – will ich jenen Abschnitt gehen oder diesen?
In der Rückschau eröffnen sich möglicherweise Sinnperspektiven auf Vergangenes, Erfüllendes und Schmerzhaftes. Findet sich Sinn im Alleinsein, kann dies ein besseres Verständnis für sich selbst und das je eigene Handeln, aber auch für das von anderen Menschen ergeben. Selbstmitgefühl, Empathie und Klarheit können wachsen.
Alleinsein und Alleinleben – verstanden als Entwicklungsweg – öffnen die Perspektiven in verschiedene Richtungen. Dieser lädt zur kreativen Gestaltung und Entfaltung des Lebens ein. In einer solchen Sichtweise ist diese Situation nicht mehr eine bedrohliche Sackgasse, aus der kein Weg mehr herausführt, sondern eine Möglichkeit, seine eigene Lebensrichtung bewusst für sich selbst zu bestimmen. Das Leben wird zu „meiner" Reise. Obwohl Alleinsein und Alleinleben manchmal Angst und Unsicherheit auslösen können, bieten sie doch Platz für Neugier, Spannung und Lebenslust.
Aus solchen Erfahrungen und Einsichten ist dieses Buch entstanden.
Glaube und Religion, Literatur, Kunst und Musik sind seit jeher bedeutsame Ressourcen für Menschen, um bestimmte biographische Anforderungen zu bearbeiten und zu bewältigen. Sie bieten Erkenntnisse an, die vielen Menschen Halt, Selbsterkenntnis und Reifungsprozesse ermöglicht haben. Wir werden in diesem Buch einige Beispiele kennen lernen.
Auch der christliche Glaube ist eine solche Ressource, die wertvolle Impulse für Selbstfindung in und angesichts des Alleinseins und Alleinlebens bietet. In Bibel und Christentum finden sich zahlreiche Beispiele von Menschen, die sich erst im Alleinsein ihrer selbst und ihrer Beziehung zu Gott und anderen Menschen bewusst wurden. Dort fanden sie – manchmal ungewollt, manchmal geplant – Kraft und Energie für ihre Aufgaben und kehrten gestärkt in ihren Alltag zurück. Suchende, Verlassene, Wissende und Aussteiger in der Bibel, allein oder zu mehreren, haben das Alleinsein nicht nur als Bedrohung, sondern besonders auch als Raum der inneren Freiheit erlebt.
Wer bin ich, wenn ich allein lebe? Wer bin ich für mich selbst, wenn ich mich nicht (mehr oder für eine gewisse Zeit) durch eine Paarbeziehung, Familie, Gruppe definiere? Im Alleinsein – im Alleinleben kann sich ein eigener Raum für sich selbst eröffnen. Es kann ein Raum des Erwachsenwerdens und der inneren Reife sein und ein Ort, an dem sich die eigene Gottesbeziehung vertiefen kann.
Vorab seien jedoch Folgendes bemerkt:
Die vielen Seiten des Alleinseins
Allein oder einsam?
Die beiden deutschen Begriffe „allein und „einsam
ähneln sich und enthalten beide die Silbe „ein. Laut Duden bezieht sich „einsam
auf eine einzelne Person. „Allein bzw. „alleine
ist dagegen ein zusammengesetztes Adjektiv aus dem althochdeutschen „all (ausgewachsen, alt) und „ein
. Es bedeutet eher „einzig oder „einzigartig
, drückt demnach auch etwas Unverwechselbares aus.
Obwohl beide Begriffe im Deutschen nicht trennscharf verwendet werden und ihre Bedeutungen im Alltag ineinanderfließen, wird inhaltlich meist