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Elayne (Band 3): Rabenschwur
Elayne (Band 3): Rabenschwur
Elayne (Band 3): Rabenschwur
Ebook322 pages

Elayne (Band 3): Rabenschwur

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About this ebook

Wo die Nacht den Tag berührt,
suchst du den Pfad, der hinter die Nebel führt.
Schlafe tief, lass dich gleiten
und dir durch schwarze Schwingen den Weg geleiten.

Zwölf Jahre sind ins Land gezogen. Zwölf Jahre, in denen Elayne und Lancelot an der Nordküste Britanniens zur Ruhe kamen. Ihr Glück wird allerdings von düsteren Neuigkeiten überschattet, als ein alter Freund mit trauriger Kunde aus dem Zauberwald zurückkehrt. Zudem steckt König Artus in Schwierigkeiten und Lancelot begibt sich nach Camelot, wo ihn eine gefährliche Mission erwartet. Elayne zieht es indes zurück in ihre alte Heimat Corbenic. Doch ist sie für die Geheimnisse ihres Großvaters tatsächlich schon gewappnet?
LanguageDeutsch
Release dateOct 1, 2021
ISBN9783038962205
Elayne (Band 3): Rabenschwur

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    Book preview

    Elayne (Band 3) - Jessica Bernett

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Landkarte

    Stammbäume und Verwandtschaften

    1 - DYCHWELIAD – Rückkehr

    2 - HERBIS ET HOSTIBUS – Kräuter und Feinde

    3 - DIN GUARIE

    4 - TEULU – Familie

    5 - LUCTUS – Trauer

    6 - Y DWYMYN – Das Fieber

    7 - CAMELOT

    8 - BREUDDWYDION – Träume

    9 - CONSILIUM SAPIENS – Weiser Rat

    10 - ILYSAU A GWIN – Kräuter und Wein

    11 - CORBENIC

    12 - AVALON

    13 - SECRETA – Geheimnisse

    14 - PORTA PATET – Das Tor steht offen

    15 - COR MAGIS – Das Herz noch mehr

    16 - HERES – Die Erbin

    17 - EPISTULAE ANTIQUAE – Alte Briefe

    18 - ARWR – Helden

    19 - Y CYNLLUN – Der Plan

    20 - OCHR AN OCHR – Seite an Seite

    21 - FUTURUM REGEM – Zukünftiger König

    22 - Y GWAREDWR – Die Retterin

    23 - GWERRA – Vergeltung

    24 - CLWYF DWFN – Tiefe Wunden

    25 - SANATIO – Heilung

    26 - TRWY'R NIWLOEDD – Durch die Nebel

    Anmerkungen der Autorin

    Jessica Bernett

    Elayne

    Band 3: Rabenschwur

    Historische Fantasy

    Elayne (Band 3): Rabenschwur

    Wo die Nacht den Tag berührt,

    suchst du den Pfad, der hinter die Nebel führt.

    Schlafe tief, lass dich gleiten

    und dir durch schwarze Schwingen den Weg geleiten.

    Zwölf Jahre sind ins Land gezogen. Zwölf Jahre, in denen Elayne und Lancelot an der Nordküste Britanniens zur Ruhe kamen. Ihr Glück wird allerdings von düsteren Neuigkeiten überschattet, als ein alter Freund mit trauriger Kunde aus dem Zauberwald zurückkehrt. Zudem steckt König Artus in Schwierigkeiten und Lancelot begibt sich nach Camelot, wo ihn eine gefährliche Mission erwartet. Elayne zieht es indes zurück in ihre alte Heimat Corbenic. Doch ist sie für die Geheimnisse ihres Großvaters tatsächlich schon gewappnet?

    Die Autorin

    Jessica Bernett wurde an einem sonnigen Herbsttag im Jahr 1978 als Enkelin eines Buchdruckers in Wiesbaden geboren. Am liebsten würde sie die ganze Welt bereisen und an jedem Ort einige Monate verbringen. Aktuell lebt sie mit ihrem Mann, ihren beiden Kindern und zwei Katzen in Mainz.

    Sie liebt starke Frauenfiguren, die sie in spannende Geschichten verwickelt, und tobt sich in allen Bereichen der Fantasy aus, von historischer Fantasy über Urban Fantasy bis hin zur Science Fantasy.

    Wenn sie nicht gerade mit ihren Kindern in Abenteuern versinkt, schreibt oder von neuen Geschichten träumt, tummelt sie sich mit Vorliebe auf Conventions, um sich mit Gleichgesinnten über Lieblingsserien, Filme und Bücher auszutauschen.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, Oktober 2021

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2021

    Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

    Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Martina König

    Korrektorat 2: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-219-9

    ISBN (epub): 978-3-03896-220-5

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Für die wertvollsten Schätze, die das Leben mir geschenkt hat.

    Ihr funkelt in unterschiedlichen Facetten,

    doch beide seid ihr so einzigartig, so wunderbar …

    Ich bin stolz, eure Mutter zu sein.

    1 - DYCHWELIAD – Rückkehr

    Britannien hatte sich verändert.

    Gawain erkannte es mit jeder Stunde, die sie weiterkamen. Er sah verlassene Dörfer, befestigte Hügel und brachliegende Felder.

    Fünf Sommer und so vieles war anders.

    Er selbst war anders.

    »Vater, wann sind wir da?«, drängelte der kleine Junge in seinen Armen.

    Gawain konnte es ihm nicht verübeln. Seit Tagen saßen sie im Sattel. Der lange Ritt war auch für ihn ungewohnt nach all der Zeit, die er im Wald verbracht hatte. Er spürte jede Meile in seinen Knochen.

    »Es kann nicht mehr lange dauern«, besänftigte er Glyn und drückte ihm einen festen Kuss auf das silbrige Haar. »Bald schon breitet sich vor uns eine Ebene aus und dann sehen wir das Meer und einen Felsen. Dann sind wir fast dort.«

    »Wie sieht das Meer aus?«, fragte sein kleiner Sohn. Er hatte diese Frage bestimmt schon hundertfach gestellt, da er das große Wasser noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte.

    »So weit wie die Unendlichkeit«, antwortete Gawain geduldig.

    »Treffen wir dort auf Mama?«

    Die Hoffnung in der Stimme des Kleinen ließ Gawains Herz krampfen. Ein heftiger Schmerz, den er nicht zulassen durfte.

    »Noch nicht«, sagte er leise und versuchte, sich auf den Weg zu konzentrieren.

    Sein Pferd Wurzel schnaubte und warf den Kopf unruhig nach hinten. Gawain zügelte das Ross und sah sich aufmerksam um. Die Sonne stand hoch am Himmel und schickte genügend Licht durch das Blätterdach, damit er seine Umgebung deutlich erkennen konnte.

    Der Pfad, dem sie folgten, war breit und eben, was bedeutete, dass er oft benutzt wurde. Vögel zwitscherten fröhlich ihr Frühlingslied, als sei in der Nähe keine Gefahr auszumachen. Irgendwo hinter diesem Wald musste ihr Ziel sein.

    Als sich der erste Schatten in ihren Weg stellte, wusste Gawain, dass das sichere Gefühl trog. Zwei weitere Gesellen begaben sich hinter den ersten, ihre Äxte gezückt, aber locker an der Seite haltend.

    Es wirkte mehr wie eine Einschüchterung, kein Zeichen eines direkten Angriffs. Sie trugen Umhänge, deren Farben sie mit dem Wald verschmelzen ließen, die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen.

    Sicher hatten sie ihn schon länger beobachtet, doch Gawain hatte sie nicht bemerkt. Er war zu lange fort gewesen, seine Sinne waren nicht mehr die alten.

    »Halt«, rief der Erste überflüssigerweise, denn Gawain hatte Wurzel längst zum Stehen gebracht. »Wohin willst du?« Die Stimme des Sprechers klang überraschend jung und brach beim letzten Wort.

    »Mein Sohn und ich sind auf dem Weg, unsere Freunde zu besuchen«, erklärte Gawain ruhig. Dass er ein Kind dabeihatte, würde den Wächtern wohl zeigen, dass er nichts Böses im Schilde führte. Die achtsame, aber wenig feindselige Haltung der Gesellen zeigte ihm, dass sie wirklich Wächter und keine Räuber waren.

    »Wer sind die Männer?«, wollte Glyn wissen und drückte sich fester an ihn.

    »Sie tun uns nichts«, versicherte Gawain seinem Sohn, behielt die Fremden dabei aber im Blick.

    »Wer sollen diese Freunde sein?«, wollte der Erste nun wissen.

    »Sie leben hier seit einigen Jahren. Soweit ich weiß, haben sie sich ein Zuhause auf dem Felsen am Meer erbaut.«

    Der Mann, der ihn gefragt hatte, zog nun die Kapuze zurück und goldfarbenes Haar glänzte im Schein der Sonne. Er trug es zu einem Zopf gebunden, wie Stammeskrieger es taten. Einzelne geflochtene Zöpfe hatten sich gelöst.

    Gawain hatte recht damit gehabt, dass der Recke noch sehr jung war. Womöglich nicht älter als fünfzehn Sommer. Seine Züge waren weich, ließen aber bereits die Kanten eines Mannes erahnen. Seine Statur überragte die seiner Mitstreiter. Gawain zog die Brauen zusammen, als er ihm in die Augen sah. Strahlend blau waren sie, so wie er es bisher nur bei drei Menschen gesehen hatte.

    Einer war ein alter König mit einem lahmen Bein im Westen. Der andere war sein guter Freund und Waffenbruder Percival. Und die dritte war eine junge Frau mit dem schwarzen Haar eines Raben, Gawains Nichte Elayne.

    Falsch, er erinnerte sich an die vierte Person mit diesen blauen Augen. Ein kleiner Junge, der heute kaum älter als sieben sein konnte.

    War dieser Fremde entfernt mit dem Königshaus von Corbenic verwandt? Es lag an der westlichen Küste, das wäre etwas weit von hier.

    Die anderen beiden Männer waren älter als der Junge, wie Gawain nun erkannte, als sie ihre Kapuzen zurückzogen. Sie wiesen ähnliche Frisuren und die Kleidung der Stämme mit den einfachen Stoffhosen und karierten Tuniken auf.

    »Und wer genau soll das sein, den du zu besuchen gedenkst?«, wollte der Junge mit dem goldenen Haar nun wissen. Auch er musterte Gawain aufmerksam.

    Dieser musste sich räuspern, bevor er antworten konnte. »Elayne von Corbenic und ihr Gemahl, Lancelot vom See.«

    Der Junge packte den Griff seiner Waffe fester und straffte die Schultern. »Dann verrate mir deinen Namen und ich werde dich zu ihnen führen.«

    Der Stolz und die Erhabenheit, mit welcher der Junge sprach, brachten Gawain zum Schmunzeln. Er hatte nichts Trotziges an sich, doch zeigte er sehr deutlich, dass er sich seiner Stellung bewusst war. Sie erinnerten ihn an seine eigene Jugend und all die Recken, die er in Camelot ausgebildet hatte.

    »Wie wäre es, wenn du mir sagst, ob ich mich auf dem richtigen Weg befinde?«, schlug Gawain gutmütig vor. »Und dann verrätst du mir deinen Namen.«

    Der junge Stammeskrieger verengte die Augen und schien abzuschätzen, was er von ihm halten sollte. »Wer bist du?«

    »Oh, so direkt also?« Gawain grinste und kratzte sich am Bart, was ihn daran erinnerte, dass er sich länger nicht rasiert hatte.

    Der Junge amüsierte ihn, doch es war Vorsicht geboten. Die derzeitige politische Lage war ihm nicht bekannt. Wenn er seinen Namen nannte, konnte er in eine Falle geraten.

    Wäre er allein unterwegs, hätte er es wohl gewagt, sich zu offenbaren. Immerhin steckten seine beiden Schwerter einsatzbereit am Sattel. Doch mit Glyn auf dem Schoß musste er achtsamer und zurückhaltender sein.

    »Hör mir zu, Junge. Ich gehe davon aus, dass du nicht der Anführer einer Räuberbande bist. Also bring mich zum Dorf, oder wo auch immer du lebst, und lass mich mit deinem Clanführer sprechen.«

    »Übergib uns deine Waffen, dann werden wir dich zum Dorf führen.«

    Entrüstet prustete Gawain. »Ich werde einem Rotzlöffel wie dir ganz gewiss nicht meine Schwerter übergeben.«

    Die Miene des jungen Mannes verfinsterte sich. »Wenn du sie uns nicht freiwillig übergibst, werden wir sie dir abnehmen. Wir haben den Befehl, niemanden bewaffnet ins Dorf zu lassen.«

    Dorf also. Gut. Wenn er erst einmal mit dem Dorfältesten gesprochen hatte, würde man ihn gehen lassen.

    Gawain straffte sich und stieg von Wurzels Rücken. Ruckartig hatten der Junge und seine Begleiter ihre Waffen gezogen.

    »Ruhig Blut«, meinte Gawain amüsiert, obwohl er innerlich ebenfalls angespannt war. »Ich möchte nur mein Pferd bei den Zügeln nehmen.« Er hob die leeren Hände zum Beweis und fasste nach den geflochtenen Bändern.

    »Pa?«, wimmerte Glyn auf Wurzels Rücken.

    »Alles wird gut«, versprach Gawain ihm.

    Der junge Krieger ließ seine Waffe sinken. Gawain erkannte, dass es eine außergewöhnlich schöne Klinge war. Sie musste von einem Meister seines Handwerks gefertigt worden sein. Glücklicher Bursche, dass er irgendwo diese Beute gemacht hatte, denn in den Dörfern der Stämme fand man eine solche wohl kaum.

    »Also gut«, lenkte der Junge ein. »Ich werde dich ins Dorf führen. Meine Männer laufen hinter uns her, für den Fall, dass du dich doch noch entscheiden solltest, die Waffen zu ziehen.«

    Gawain nickte. »Danke, junger Krieger.«

    »Folge mir.«

    Immer wieder warf der Blondschopf einen Blick über die Schulter. Und immer wieder grinste Gawain ihm zu. Dabei war er tatsächlich nicht angetan davon, von einem Jüngling behandelt zu werden, als sei er ein Räuber.

    Sollte er ihn fragen, woher er die Waffe hatte? Oder würde der Junge es als zusätzliche Provokation ansehen?

    Gawain beschloss, den Mund zu halten, was ihm sehr schwerfiel. Erst recht, als sie den Wald verließen und sich vor ihnen eine Ebene bis hin zum Meer eröffnete. Das Dorf lag zwischen dem Waldrand und einem Felsen, der nah über dem Meer aufragte. Darauf thronte eine Festung, die im Schein der Sonne sehr neu und noch nicht ganz fertig wirkte. Das musste Lancelots Festung sein.

    Gawains Herz wurde leichter. Er war dem Ziel so nah. Er musste nur noch den Jungen abschütteln, der meinte, ihn rumkommandieren zu können.

    »Sag mal«, meinte er vergnügt, »gibt es hübsche Mädchen im Dorf?«

    Der Junge blieb stehen und sah ihn verwirrt an. »Wieso fragst du?«

    »Nur so. Ich war lange fort und könnte die Nähe eines Weibes gebrauchen.«

    Wie erwartet färbten sich die Wangen des Jungen rötlich. »Lass deine Finger bei dir, wenn du deine Schwerter weiterhin führen willst.«

    Gawain schnaubte belustigt. »Verzeih, hast du ein Keuschheitsgelübde abgelegt wie die Vestalinnen in Rom?«

    Das Kerlchen wandte sich ab und schritt weiter. »Nein.«

    »Also bist du einfach noch zu jung?«

    »Klappe«, knurrte der Bursche.

    Eine zierliche Gestalt näherte sich ihnen auf dem Pfad. Ein Mädchen mit langem schwarzen Haar, wie Gawain aus der Ferne erkennen konnte.

    »Als hätten wir nicht gerade darüber gesprochen.«

    Der Junge hob die Klinge und hielt sie in Gawains Richtung. »Wirst du wohl endlich still sein, du komischer Vogel?«

    Nun musste Gawain wirklich lachen und tat es lauthals.

    »Das ist meine Schwester«, grummelte der Bursche. »Bleib stehen.«

    »Gewiss«, höhnte Gawain und verbeugte sich. »Sprich mit deiner ›Schwester‹.«

    »Ich sage die Wahrheit!« Der Junge presste fest die Lippen aufeinander und wandte sich ruckartig von ihm ab.

    Gawain sah zu seinem Sohn, der vergnügt die Umgebung betrachtete. Alles war neu für ihn. Doch seine Neugier war größer als seine Angst.

    Gawains Herz erwärmte sich. Glyn kam nach ihm, in so vielerlei Hinsicht. Genau deswegen war es richtig gewesen, den Zauberwald und die tylwyth teg zu verlassen. Aber er hatte es nicht nur getan, um seinem Sohn die große weite Welt zu zeigen …

    Er sah wieder zu dem Jungen, der gerade mit seiner Schwester diskutierte. Wenn sie noch etwas lauter zankten, würde Gawain sogar verstehen, um was es ging. Verwunderlich, dass sie Geschwister sein sollten. Sein Haar war so golden wie die Sonne, ihr Haar so schwarz wie …

    Gawains Herz setzte aus. Nein, seine Gedanken waren zu wirr. Das konnte nicht sein. Es war die Nähe seiner Freunde, die ihn so denken ließ, ganz gewiss. Aber etwas an der Gestalt des Mädchens erinnerte ihn sehr an Elayne, nicht nur das rabenschwarze Haar.

    Langsam schritt er voran, die Stirn gerunzelt, die Kinder fest im Blick.

    »Hab ich nicht gesagt, dass du warten sollst?«, fuhr der Junge ihn an.

    Das Mädchen indes musterte ihn neugierig. »Wer ist das?«

    Ihr Gesicht war zart und blass, was durch die Kaskaden ihres Haares noch betont wurde. Doch am faszinierendsten waren ihre Augen, das eine hellblau wie die ihres Bruders, das andere so dunkel, dass es fast schwarz wirkte.

    Gawain schnappte nach Luft und sah wieder den jungen Krieger an, so hochgewachsen, dass er älter wirkte, als er war, und zugleich viel älter, als er sein sollte. Doch die leicht spitze Nase und die Gestalt erinnerten ihn an …

    Lancelot.

    »Gal?«, fragte er mit heiserer Stimme, weil die Vorstellung, er könnte recht haben, ihm die Kehle zuschnürte. »Bei allen Göttern, wie kann das sein?!«

    »Wie bitte?« Der Junge runzelte die Stirn.

    Gawain schüttelte den Kopf. »Es kann nicht sein«, wiederholte er und grinste gleichsam vor Erstaunen. »Es kann einfach nicht sein.«

    Der junge Krieger wich nicht zurück, doch Zweifel lagen in der Falte zwischen seinen Augenbrauen. Vermutlich hätte Gawain sich wirklich rasieren sollen, bevor er seine Reise angetreten hatte. Er grinste noch breiter und plötzlich weiteten sich Gals Augen erkennend.

    »Gawain? Gawain, der Lichtfalke?«

    »Richtig. Und du musst der kleine Galahad sein. Aber wie kann das sein? Als ich dich das letzte Mal sah, warst du ein Welpe, den ich auf meinen Schultern herumtrug. Und jetzt bist du größer als ich.«

    Wieder sah er das Mädchen an. Kurz bevor er seine Ragnelle geheiratet hatte, hatte Elayne ihm gesagt, dass sie ein Kind erwartete. War das Mädchen dieses Kind?

    Waren diese fast erwachsenen Menschen Lancelots und Elaynes Kinder?

    »Ach du … Schande«, entfleuchte es Galahads Mund und er schüttelte ungläubig den Kopf. »Du warst so lange fort.«

    »Sechs Jahre«, nickte Gawain.

    Verwundert ging Gal auf ihn zu, bis er ganz nah bei ihm war, als könne er seinen eigenen Augen nicht trauen. »Sechs? Gawain … es ist länger her, dass wir uns sahen.«

    »Nein, ich weiß es ganz genau. Sechs Jahre ist es her.« Gawain lachte auf. »Oh, warte, ich muss dir jemanden vorstellen.«

    Er trat neben sein Ross und packte seinen kleinen Sohn, der sich bereitwillig herunternehmen ließ. Er setzte ihn auf seine Hüfte und trat auf Gal zu.

    »Galahad, dies ist dein Vetter Glyn. Glyn, dies ist Galahad, der Sohn des besten Kriegers von ganz Britannien. Und seine Schwester, deine Base.«

    Ihm fiel auf, dass er ihren Namen noch gar nicht kannte.

    Glyn schmiegte schüchtern sein Gesicht an Gawains Schulter und wagte es kaum, den jungen goldhaarigen Mann anzusehen.

    Dessen Blick wiederum war weiterhin auf Gawains Gesicht geheftet. »Onkel …« Ihm brach die Stimme. »Es sind keine sechs Jahre. Es sind zwölf. Zwölf Sommer haben wir dich nicht gesehen.«

    »Unmöglich.«

    Sein Sohn war genau zehn Monde nach der Hochzeit geboren worden. Glyn war vier Sommer alt. Also war er fünf Sommer fort gewesen.

    Gal winkte das Mädchen herbei und legte ihm einen Arm um die Schultern. »Das ist meine Schwester, sie ist elf Sommer alt. Du hast sie noch nie gesehen.«

    Gawains Hals war wie zugeschnürt. »Es kann einfach nicht sein.«

    Gal schritt zu Gawains Pferd und nahm es an den Zügeln. »Onkel, ich glaube, es ist doch besser, wenn ich dich direkt zu meinen Eltern bringe.«

    Gawain nickte, unfähig, noch etwas zu sagen. Dann bemerkte er den Blick des Mädchens, der neugierig und doch … anders war. Es sah ihm direkt in die Augen und wich seinem nicht aus, als könne es tief in seine Seele blicken.

    Nur wenige Menschen waren dazu in der Lage, so wie es seine Schwester Cundrie gewesen war, Elaynes Mutter.

    »Er glaubt es wirklich«, stellte das Mädchen fest. »Für ihn sind nur sechs Jahre vergangen.«

    Gawains Knie wurden weich und sein Verstand drehte sich im Kreis.

    Das Mädchen musste etwas bemerkt haben, denn es streckte die Hände nach Glyn aus. »Na, mein Kleiner, möchtest du zu mir kommen? Ich könnte dir eine Geschichte erzählen, wenn du möchtest. Und später zeige ich dir das Meer.«

    »Jaaa!«, rief Glyn aus und streckte seine kleinen Ärmchen in ihre Richtung.

    Gawain übergab ihn, denn er hätte ihn nicht viel länger halten können.

    »Hui, du bist ja schon groß«, lachte das Mädchen. »Und viel schwerer, als ich gedacht habe. Dein Name ist also Glyn?«

    Sein Sohn nickte und Gawain konnte immer noch nicht reden.

    »Freut mich, Glyn. Mein Name ist Nimue und ich denke, wir werden uns gut verstehen.«

    2 - HERBIS ET HOSTIBUS – Kräuter und Feinde

    Der Waldboden war bedeckt mit frischem Moos und jungem Gras. Elaynes Schritte wurden gedämpft und doch war sie sich sicher, dass jedes Wesen des Waldes bereits wusste, dass sie hier war. Der Ruf eines Vogels in der Nähe, das Rascheln zwischen den Blättern und das leise Flüstern des Windes sprachen jedoch von Frieden.

    Es roch nach Morast, Laub und Nebel, der aus den nahen Sümpfen herbeizog.

    Elayne zog die Kapuze zurück, schloss die Augen und genoss diesen Moment des Friedens. Der Winter war noch nicht ganz vergangen, das spürte sie vor allem jetzt in dem Schatten der Bäume. Dennoch fror sie nicht. Eine Bundhose unter dem Gewand, Stiefel und ihr Wolltuch waren Schutz genug vor den frischen Böen.

    Zufrieden seufzte sie, raffte den Rock und schritt weiter zwischen den Baumstämmen umher, den Blick gen Boden gerichtet. Sie war auf der Suche nach Löwenzahn, Frühlingspilzen und anderen Früchten, die der Wald zu bieten hatte, um die Vorräte wieder aufzufüllen. Besonders der Löwenzahn würde ihre vom Winter geschwächten Kräfte stärken, hatte die Dorfheilerin ihr erklärt.

    Elayne erinnerte sich, dass auch Brisen oft sofort in den ersten Frühlingstagen losgezogen war, um ihre Kräutervorräte aufzufüllen. Auch wenn die Auswahl noch nicht sehr groß war, konnte man schon so einiges finden, wenn man die Augen offen hielt.

    Ein Schatten löste sich von einem Ast rechts von ihr und sie schrak zurück. Das rötliche Wesen hielt inne, starrte sie kurz an und kletterte sodann den nächsten Baum hinauf.

    Elayne kicherte. »Wohl denn, Eichhörnchen, mir scheint, wir sind in der gleichen Mission unterwegs.«

    An einem der Äste knabberte es an den Knospen und verschwand rasch wieder.

    Bevor sie aufgebrochen war, hatte sie überlegt, die Dorfheilerin Carys um Begleitung zu bitten. Die weise Dame war etwa zehn Sommer älter als sie und verfügte über ein Kräuterwissen, das einer Priesterin Avalons ebenbürtig gewesen wäre. Aber Elayne hatte den Drang verspürt, allein zu sein, einmal nicht reden zu müssen, einfach nur … Ruhe zu erfahren. Hier im Wald konnte sie durchatmen und für ein paar Momente dem Gewusel der Festung und des Dorfes entgehen.

    Ein weiterer Schatten lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie rechnete mit einem Reh, das sich hinter den Bäumen verborgen hielt. Doch als sie genauer hinsah, erkannte sie die Spitze eines Speeres.

    Abrupt blieb Elayne stehen und hielt die Waffe im Blick.

    Befand sich einer der Jäger des Dorfes hier im Wald? Aber südlich der Festung jagten sie selten, der Boden war sumpfig und zu gefährlich.

    »Hallo?«, machte sie sich bemerkbar, um nicht versehentlich für Wild gehalten zu werden.

    Der Speer zuckte und wurde hinter dem Baum versteckt.

    Jemand verbarg sich dort.

    Jemand, der nicht von ihr gesehen werden wollte.

    Elaynes Herz schlug schneller und der Griff ihres Korbes wurde rutschig in den feuchten Handflächen. Sie trug keine Waffe bei sich außer dem kleinen Messer, das sie für Kräuter und Pilze verwendete.

    Sie setzte einen Fuß nach hinten, den Baumstamm im Blick behaltend. Dann noch einen. Wenn sich etwas dort rührte, würde sie den Korb fallen lassen, sich umdrehen und losrennen.

    Die Krieger des Dorfes würden den Wald nach den Räubern durchsuchen. Sie konnten es sich nicht leisten, ihre mühevoll aufgefüllten Vorräte zu verlieren. Sie hatten Kinder und Alte, die den Winter nur

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