Die permanente Krise: Der Aufstieg der Finanzoligarchie und das Versagen der Demokratie
Von Marc Chesney
()
Über dieses E-Book
Der Titel dieses Buches überrascht vielleicht. Von einer ständigen Krise zu sprechen, während in den Medien
sehr häufig vom Wiederaufleben des Wirtschaftswachstums die Rede ist, scheint paradox. Dass dieses Wirtschaftswachstum vor allem auf einer Explosion der weltweiten Schulden basiert und deswegen künstlich ist,
wird nicht erwähnt. Kursanstiege an den Börsen werden durch die Zentralbanken erzeugt, die astronomische
Summen in den Finanzsektor einschießen, sowie durch die riesigen Aktienrückkäufe von großen Unternehmen. Der Finanzsektor koppelt sich zunehmend nicht nur von der Realwirtschaft ab, sondern dominiert auch die Volkswirtschaft und die Gesellschaft. Eine zentrale Rolle spielen in diesem Prozess die Großbanken und spekulativen Fonds.
Marc Chesney zeigt Auswege, die weder auf deregulierten Märkten noch auf einem Staat, der die Wirtschaft kontrolliert und lenkt und die Individuen überwacht, basieren. Seine Lösungen setzen auf aktive Bürgerinnen und Bürger, die ihr Schicksal selber in die Hand nehmen.
Ähnlich wie Die permanente Krise
Ähnliche E-Books
Tauschnetze und Alternativwährungen: Wert, Währungen und Werte im Kontext ökonomischen Handelns Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenInvestitionsbericht 2022/2023 – Ergebnisüberblickhave: Resilienz und Neustart in Europa Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAnwendungsmöglichkeiten von inflationsgekoppelten Finanzinstrumenten im modernen Portfoliomanagement Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMakroökonomie für Dummies Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenArbeitslosigkeit in der Bundesrepublik: Öffentlicher Umgang mit einem Dauerproblem Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVielen Dank für Ihren Einkauf: Konsumkultur aus Sicht von Design, Kunst und Medien Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Makroökonomie Lehrbuch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDirektinvestitionen in Indien: Steuerrechtliche Konsequenzen von Outboundinvestitionen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWirtschaft zum Glück: Solidarisch arbeiten, heute, weltweit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWaxtumGlück: Reingelegt und reingefallen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Erfassung verschiedener Wachstumsfaktoren im Unternehmensbewertungskalkül Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Corona-Schock: Wie die Wirtschaft überlebt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZukunft der Arbeit - Arbeit der Zukunft: Trends und Erwartungen in der Druckindustrie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKeystroke-Kapitalismus: Ungleichheit auf Knopfdruck Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenM & A - Transaktionen am europäischen Kapitalmarkt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWissenschaft leicht verständlich: „Politische Ökonomie - die uns alle angeht“ Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Vergötterung der Märkte: Warum die Natur zum Mittelpunkt der Ökonomie werden muss Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTechnische analyse leicht gemacht: Wie Sie Diagramme zur technischen Analyse erstellen und interpretieren, um Ihre Online-Handelsaktivitäten zu verbessern Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Einfluss der Anlagestrategie im Pensionsmanagement auf den Unternehmenswert Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Entstehung des transzendenten Kapitalismus Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Märchen vom grünen Wachstum: Plädoyer für eine solidarische und nachhaltige Gesellschaft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchwarzbuch Geldsystem Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVermögenssicherung im Euro-Desaster Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMilliardär wider Willen: Kaum 100 Jahre von der einen bis zur nächsten Katastrophe. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUnternehmensanalyse mit Bilanzkennzahlen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVom Parteienstaat zum Bürgerstaat – 4.3 Die Wirtschaft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Die permanente Krise
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Die permanente Krise - Marc Chesney
Einleitung
Der Untergang der Zivilisation unter dem Vorwand ihrer Rettung
Am Abend des 1. August 1914, einem Samstag, bereiten sich französische wie deutsche Familien auf eine schmerzliche Trennung vor. Soeben wurde die allgemeine Mobilmachung durch Aushänge angeordnet. Lange läuten die Glocken in den Städten und Dörfern. Sie verkünden die gefürchtete Nachricht des Kriegsausbruchs und werfen bereits die Schatten künftiger Ängste und Leiden voraus. Der erste Tag der Mobilmachung wird Sonntag, der 2. August, sein. Schon am frühen Morgen wird der Gare de l’Est in Paris voller Soldaten in Begleitung ihrer Familien sein. Das gleiche Bild bietet sich am Anhalter Bahnhof in Berlin. Unter dem Vorwand der Rettung der Zivilisation werden die Soldaten zu Vollstreckern und Opfern ihres Untergangs.
Am Freitag, dem 1. August 2014, also hundert Jahre später, bereiten sich viele französische und deutsche Familien auf ihren Urlaub vor. Am nächsten Tag werden der Gare de Lyon in Paris und der Berliner Hauptbahnhof mit TGVs und ICEs vollkommen überlaufen sein. In Frankreich wird die Autobahn nach Süden wie gewöhnlich verstopft sein. Diesmal zieht es die Menschenmengen gen Süden zu den Stränden, und nicht mehr an die Ostfront die einen und an die Westfront die anderen, wie vor einem Jahrhundert. An die Stelle des Albtraums vom langen Weltkrieg tritt der Traum von Sonne und Meer. Es geht nicht mehr um das Wohl der Zivilisation, sondern eher prosaisch um eine wohltuende Auszeit, während die finanzielle und ökonomische Lage weiterhin instabil bleibt. In der Sommersaison dominiert in Europa nunmehr das Tourismusbusiness; das lenkt die Aufmerksamkeit der Bevölkerung von den wirtschaftlichen Ungleichgewichten ab, welche das Finanzkasino schafft, und es baut vorübergehend die Spannungen ab, die damit einhergehen. Die Massengräber des Ersten Weltkriegs verschwinden aus dem kollektiven Gedächtnis, die Erosion ist am Werk.
Das monumentale Gemälde im Pariser Gare de l’Est erinnert uns an die Tragödien des Ersten Weltkriegs. Ist es vergleichbar mit den Wandmalereien in der Höhle von Lascaux – Spuren einer fernen Vergangenheit, deren Einfluss sich bereits in grauer Vorzeit verliert?
Die Höhle von Lascaux, die sich im französischen Departement Dordogne befindet, ist eine der bedeutendsten Fundstätten prähistorischer Höhlenmalerei.
Kapitel 1
Gestern und heute
Ein Jahrhundert ist es nun schon her, seitdem die europäische Jugend auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs geopfert wurde. Hundert Jahre, das scheint eine lange Zeit zu sein – obwohl es sich eigentlich nur um wenige Generationen handelt.
Die Gesellschaft von 1914 ist der heutigen sehr ähnlich mit ihren Universitäten, Bibliotheken, Opernhäusern, Theatern und ihrer Literatur, mit ihren Parlamenten, ihren Gerichten und nicht zuletzt mit ihren Großunternehmen und Banken. Der Westen konnte sich damals seiner wirtschaftlichen, sozialen, wissenschaftlichen sowie demokratischen Errungenschaften durchaus rühmen.
Natürlich war dies lange bevor es das Internet gab, doch das Radio war bereits erfunden und die Printmedien waren schon weit entwickelt, vermutlich vielseitiger und weniger kontrolliert als heute. Kommerzielle Flüge existierten noch nicht, aber man war dank Zügen und Autos bereits sehr mobil. Es war eine gebildete und zivilisierte Gesellschaft, in der zwei Länder in ihrer Blütezeit, Frankreich und Deutschland, beide christlich geprägt und mit den gleichen Grundprinzipien, einen verheerenden Krieg unter Einsatz der Massenvernichtungswaffen jener Zeit begannen. Die Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand, dem Thronfolger Österreich-Ungarns, am 28. Juni 1914 in Sarajewo war der Funke, der Europa in Brand setzte und es in ein Räderwerk der Zerstörung stürzte, in dem eine ganze Generation geopfert wurde. Nicht nur materiell, sondern auch moralisch wurde die Zivilisation zugrunde gerichtet, und das zu ihrem angeblichen Wohl. Eine großangelegte Manipulation riss die Massen in die Barbarei, alles unter dem Vorwand der Rettung der Demokratie oder der Nation. Dies bezeugt insbesondere eines der wichtigsten Werke jener Zeit, Die Thibaults, in dem der Autor Roger Martin du Gard seinen Helden sagen lässt:
«Nie zuvor ist die Menschheit so tief erniedrigt, ihre Intelligenz so rücksichtslos unterdrückt worden!»¹
Ebenso aufschlussreich für diesen Niedergang der Menschheit ist folgendes Zitat aus dem Roman Im Westen nichts Neues von Erich Maria Remarque. Der Protagonist seines Romans, ein deutscher Soldat, erzählt:
«Wir sind verbrannt von Tatsachen, wir kennen Unterschiede wie Händler und Notwendigkeiten wie Schlächter. […] Wir sind fürchterlich gleichgültig. […] Wir sind roh und traurig und oberflächlich – ich glaube, wir sind verloren.»²
Verloren waren sie in ihren Schützengräben – in einem grauenvollen und sinnlosen Kampf. Sind wir es heute nicht auch? Gleichgültigkeit, Verrohung, Tristesse und Oberflächlichkeit können ebenfalls die heute lebenden Generationen charakterisieren, besonders die Söldner des Finanzkrieges.
Der Trader, Söldner des 21. Jahrhunderts
Der nachfolgende SMS-Dialog zwischen zwei dieser jungen Söldner unserer Zeit ist in dieser Hinsicht lehrreich:
– hallo
– hallo
– wir sind tot
– David von CS hat wegen der skew trades angerufen
– Ich sage dir, die werden uns fertig machen […], heute Abend hast du minimum 600m
Was kann wohl diese sowohl kriegerische als auch fast schon derbe Sprache zwischen zwei vorgeblich gebildeten Personen bedeuten? Wird hier auf den Tod angespielt? Wessen Tod? Steht 600m für 600 Mordopfer? Nein, es geht um den finanziellen Tod. Die 600m stehen für 600 Millionen Dollar Verlust, der aber im vorliegenden Fall letztendlich circa 6 Milliarden betragen wird. Und sind skew trades Massenvernichtungswaffen? Diese Finanzwetten mit komplexen Derivaten ähneln solchen Waffen tatsächlich nur allzu oft.
Im Handelsraum der Londoner Bank J. P. Morgan erkennen der Händler Bruno Iksil – wegen des gewaltigen Ausmaßes seiner Finanzspekulationen auch «Wal von London» genannt – und sein Assistent Julien Grout am 23. März 2012, dass ihre gigantischen Finanzwetten dieser Bank Verluste einbringen. Ihr SMS-Austausch drückt ihre Verzweiflung aus. 2011 hatte Iksil noch erfolgreich auf den Konkurs mehrerer amerikanischer Unternehmen gewettet. Diese Wetten sollen J. P. Morgan Gewinne in Höhe von 400 Millionen Dollar beschert haben, davon Boni von 32 Millionen Dollar für Iksil und zwei seiner Vorgesetzten.
Der Fall Tourre ist ein weiteres Indiz für die Geisteshaltung, die im Milieu der Investmentbanken vorherrscht. Als Absolvent der École Centrale und der Stanford University wurde Fabrice Tourre im Alter von zweiundzwanzig Jahren von der Bank Goldman Sachs eingestellt. Einige seiner E-Mails verwendete die US-Finanzaufsicht SEC im Verfahren gegen die Geschäftsbank, der sie unzulässige Bereicherung auf Kosten der von ihnen getäuschten Kunden vorwarf: Goldman Sachs hatte Kunden zum Kauf von Schuldverschreibungen verleitet, die mit besonder