Die schöne Unbekannte
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Die schöne Unbekannte - Hedwig Courths-Mahler
Hedwig Courths-Mahler
Die schöne Unbekannte
Saga
Die schöne Unbekannte
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1926, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726950199
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
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Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Der Nizzaer Karneval war vorüber. Die Strassen waren von dem bunten Konfetti gereinigt worden, und die Blumenfeste sollten beginnen. Schon im Karneval hatten deren einige stattgefunden, gewissermassen als Vorläufer, allein sie waren noch ein wenig kümmerlich ausgefallen, ohne den Glanz vollerblühter, südlicher Blumenpracht.
Auf der mit scharlachrotem Tuch bekleideten, auf der Mitte der Korsobahn belegenen Tribüne hatte eine freudig erregte Menge Platz genommen. Die Damen waren fast alle in die neuesten, duftigsten Frühjahrstoiletten gekleidet und wirkten darin selbst wie mehr oder minder schöne grosse Wunderblumen. Auch die Herren bevorzugten lichte Kleidung, um nicht als Schatten in dem farbenfreudigen Bild zu erscheinen. Überall sah man die flachen, mit Blumen gefüllten Körbe, ohne die ein Blumenfest in Nizza undenkbar ist.
Endlich ertönten vom Jardin Public her, von dort, wo der gläserne Pavillon des Jeténkasinos ins Meer hineinragt, die Klänge des Musikkorps, das den Zug der blumengeschmückten Wagen anführt. Unbeschreiblich, sinnverwirrend schön war der Anblick dieser geschmückten Wagen, die langsam hintereinander herrollten.
Auf einem Balkon eines der vornehmsten Hotels stand eine schlanke, junge Dame, in ein duftiges, aber schlichtes, weisses Kleid gehüllt, hinter dem Sessel, in dem eine weisshaarige Greisin mit einem müden, fahlen Gesicht Platz genommen hatte.
„Wie schön — wie wundervoll! " rief die junge Dame entzückt und schaute wie gebannt auf den farbenprächtigen Zug herab.
Mit teilnahmslosen, starren Augen sah die Greisin hernieder.
„Ist es so schön, Fräulein Hardy? fragte sie mit ihrem gebrochenen, heiseren Organ. „Ich weiss nicht mehr, ob es schön ist. Zu oft habe ich es schon gesehen. Alle Jahre das gleiche. Ich habe mich müde daran gesehen, wie am ganzen Leben.
Mitleidsvoll blickten die jungen, tiefblauen Augen auf die alte Dame herab.
„O, wie bedaute ich Sie, Frau Gräfin, dass Sie diese Schönheit nicht mehr empfinden. Auf mich wirkt sie wie ein herrliches Wunder."
„Wohl Ihnen, Kind. All meinen Reichtum gäbe ich willig für Ihre genussfrohe Aufnahmefähigkeit, für Ihre Jugend. Ich tauschte sofort mit Ihnen."
Hardy von Rosen schauerte leicht im warmen Sonnenlicht zusammen. Nein — wenn sie auch nur die arme Gesellschafterin dieser reichen, vornehmen Dame war, um keinen Preis hätte sie mit ihr tauschen mögen. Sie atmete tief auf. Leuchtend flogen ihre schönen Augen wieder hinunter zu den geschmückten Wagen, nach der lebensfrohen, jauchzenden Menge.
Die Autos, die mit edeln Pferden bespannten Equipagen verschwanden fast unter der Blütenfülle. Die Herren und Damen in diesen Wagen beteiligten sich sitzend oder stehend an der fröhlichen Blumenschlacht. Sie warfen duftende Grüsse in die Menge und fingen wieder solche auf. Und manch heisser Blick, manch verstohlenes Lächeln flog zwischen den Blumen herüber und hinüber.
In einem sehr apart geschmückten Wagen, dessen Dekoration aus geschmackvoll angeordneten Narzissen und Veilchen bestand, sassen zwei Herren, sehr vornehme, aristokratische Erscheinungen, etwa in der Mitte der Dreissig. Beide hatten glattrasierte Gesichter, deren charakteristische Linien nicht durch einen Bart verhüllt wurden. Es waren zwei kraftvolle, sehnige Gestalten, mit tiefgebräunten, fast bronzefarbenen Gesichtern, an denen manches Frauenauge wohlgefällig haften blieb.
Das frische, frohe Wesen der beiden Herren verriet nichts von müder Blasiertheit. Mit fast jungenhaftem Eifer beteiligten sie sich vielmehr an der Blumenschlacht.
Und jetzt erblickte der eine der Herren dort oben auf dem Balkon die reizende Hardy von Rosen, deren liebliches Gesicht selbst wie eine Rose blühte, und deren tiefblaue Augen wie glücksuchend auf das frohe Treiben zu ihren Füssen niederblickten. Im selben Moment tauchten die beiden jungen Augenpaare ineinander und blieben wie gebannt eine Weile aneinander hängen.
Ein Aufleuchten in dem Antlitz des jungen Mannes bewies sein Entzücken über die reizende Erscheinung. Dann griff er in den Blumenkorb neben ihm. Seine Gestalt reckte sich, und sicher gezielt flog ein Rosenstrauss, über den Kopf der Greisin hinweg, der jungen Dame an die Brust. Sie fasste danach wie im Traum und konnte ihre Augen nicht von den seinen lösen, trotzdem sie unter seinem Blick erglühte. Mechanisch steckte sie die Rosen, die er ihr zugeworfen hatte, in den Gürtel; sie tat es willenlos, wie bezwungen durch eine magische Gewalt.
Und hell leuchteten die Männeraugen auf. Er verneigte sich, ehrerbietig dankend für diese Auszeichnung. Und seine Blicke liessen nicht von ihr, bis ihn sein Begleiter anrief und ihn auf etwas jenseits der Strasse aufmerksam machte.
Fast widerwillig wandte er sich einen Moment von ihr ab. Aber sogleich kehrten seine Augen zurück zu dem lieblichen, süssen Mädchenbild auf dem Balkon. Noch einmal fasste er in den Korb, berührte mit seinen Lippen einen Rosenstrauss und warf auch diesen der jungen Dame wieder zu.
Hardy von Rosen fing ihn auf und erglühte noch viel tiefer. Ihre Hand zitterte leise, und ihre tiefblauen Augen erschienen in der Erregung fast schwarz. In den Mienen dieser beiden jungen Menschen lag ein Ausdruck, der verriet, dass die flüchtige Luft dieser Stunde jäh von einem schicksalsschweren Ernst abgelöst wurde.
Aber das bunte Treiben da unten wollte keinen Ernst gelten lassen. Einige Herren Hatten jetzt ebenfalls die reizende junge Dame da oben entdeckt. Zahlreiche duftende Wurfgeschosse suchten sie als Ziel, als Huldigung ihrer Jugend und Schönheit. Hardy merkte es kaum. Sie achtete gar nicht einmal auf alle, diese ihr dargebrachten spontanen Huldigungen. Sie hielt den zweiten Strauss des jungen Fremden, den er mit den Lippen berührt, krampfhaft fest in ihrer bebenden Hand, und ihr junges Herz klopfte gegen den ersten Strauss, den er ihr heraufgeworfen hatte, und der in ihrem Gürtel steckte. Ihre Augen folgten ihm, gebannt durch seinen Blick, der nicht von ihr liess.
„Es ist ein Traum — ein wonniger Blütenrraum — etwas, das ich nie mehr erleben werde, und das verwelken wird, wie diese Blüten — weil es schön und vergänglich ist, wie sie," dachte sie und seufzte tief auf.
Nun war sein Wagen schon weit entfernt, sie konnte sein Gesicht nicht mehr erkennen. Aber er winkte noch einen Gruss zurück, und sie neigte leise das Haupt. Zwei Menschen grüssten sich so, deren Schicksalsfäden durch diese flüchtige Begegnung so stark miteinander verwoben wurden, dass sie sich nie mehr entwirren konnten.
„Da fuhr das Glück an mir vorbei — es lässt sich nicht halten," dachte Hardy traumverloren.
Die Blumengrüsse, die zu dem schönen Mädchen emporflogen, mehrten sich immer noch.
Da machte die Greisin eine abwehrende Bewegung.
„Mir scheint, man will mich hier ganz begraben unter den Blumen, die Ihrer Schönheit gelten, Fräulein Hardy. Ich komme mir vor wie eine Dissonanz in dieser Blütenpracht. Es ist doch immer dasselbe — ein närrisches Schauspiel. Ich habe genug davon," sagte sie und erhob sich.
Hardy reichte ihr, aufschreckend aus ihrem Traum, den Arm.
„Ich führe Sie hinein, Frau Gräfin."
„Nein, nein, bleiben Sie ruhig, so lange es Ihnen gefällt. Vielleicht sehen Sie das nie wieder. Ich lege mich inzwischen ein wenig nieder. Ich habe wieder Schmerzen."
„Dann will ich doch bei Ihnen bleiben und Ihnen Kompressen machen, das schafft Ihnen immer Erleichterung."
„Sie brauchen nur meine Kammerfrau zu rufen. Die kann mir Kompressen machen. Sie hat dies Treiben schon oft gesehen. An die zwanzigmal ist sie mit mir hier in Nizza gewesen. Sie sollen das Schauspiel bis zum Schluss geniessen."
„Sie sind so sehr gütig, Frau Gräfin," sagte Hardy und führte sorglich die alte Dame hinein.
„Ich muss Ihnen doch das Leben an der Seite einer mürrischen, kranken, alten Frau leidlich erträglich machen, sonst laufen Sie mir davon. Und ich möchte mich nicht noch einmal an eine andre Gesellschafterin gewöhnen müssen."
Hardy küsste der Gräfin Herdern die Hand.
„Ich habe es doch so gut bei Ihnen, Frau Gräfin."
Mit einem müden Lächeln sank diese in einen Sessel.
„Sie sind ein sehr bescheidenes Gemüt, liebes Kind. Nun klingeln Sie meiner Kammerfrau, und dann gehen Sie wieder hinaus."
Hardy klingelte und wartete, bis sie ihre Herrin in der Obhut ihrer Kammerfrau wusste. Dann kehrte sie auf den Balkon zurück.
Ihre Augen folgten auch jetzt noch dem bunten Treiben da unten mit warmen Interesse. Aber ihr Herz war nicht mehr dabei. Das flog dem fremden Manne nach, dessen Blumen sie im Gürtel trug.
Die herrlichsten geschmückten Wagen zogen unten vorüber. Soeben passierte der Wagen einer bekannten russischen Fürstin, deren Extravaganz viel von sich reden machte. Sie sass zwischen lichtblauen Levkoien in einem Kleid und einem Hute, der genau in den Farben dazu passte. Selbst die Räder ihres Wagens, waren mit diesen Blumen so dicht umwunden, dass man sie nicht mehr sah.
Diesem Wagen folgte der eines italienischen Prinzen, dessen gelbliches, kleines Gesicht kaum über die langstieligen Lilien hinausragte, die seinen Wagen schmückten. Eine gefeierte Künstlerin, deren Schönheit auf der Bühne nicht weniger wirkte als ihre Kunst, folgte in einer Woge von rosa Nelken. Im nächsten Wagen, der wie eine Laube aus Margueriten gebildet war, sassen zwei junge, bekannte. Aristokratinnen aus Wien, und daran schloss sich ein langes, scheinbar aus weissen Levkoien und Mimosen gebautes Auto, das einem reichen Finanzmann gehörte.
Auch Wagen, die durch den Blumenschmuck allerlei phantastische Gestalten angenommen hatten, zum Beispiel ein Tempel, eine Gondel, ein Riesenkorb und dergleichen, belebten den Zug. Auch ein wimpelgeschmücktes Blumenschiff, in dem sich eine Anzahl kleiner Knaben und Mädchen befanden, ward sichtbar.
Und nun flog auch noch oben im Äther ein Aeroplant, aus dem Blumen auf die festlich frohe Menge hernieder fielen.
Allein alle diese sinnverwirrenden Bilder vermochten aus Hardys Seele nicht das des jungen Mannes zu verdrängen, dessen Blumen sie trug. Immer wieder fragte sie sich, warum er einen so tiefen Eindruck auf sie gemacht habe, und weshalb sie nichts andres denken konnte, als an ihn. Was war das?
„Liebe auf den ersten Blick?" fragte sie sich, vor sich selbst errötend.
Sie hatte von solcher Liebe wohl schont gehört, aber stets daran gezweifelt, dass es solch eine Liebe gäbe. Und sie wollte es auch jetzt nicht zugestehen, trotzdem ihr Herz in einer schmerzlich-süssen, sehnsüchtigen Pein klopfte. Und sie war zum erstenmal in ihrem Leben traurig, dass sie nicht zu den Glücklichen gehörte, die sorglos auf den Höhen des Lebens wandeln.
Sie war die Waise eines Offiziers, der ihr