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Gespensterfluch – 5 Romantic Thriller
Gespensterfluch – 5 Romantic Thriller
Gespensterfluch – 5 Romantic Thriller
Ebook668 pages7 hours

Gespensterfluch – 5 Romantic Thriller

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Gespensterfluch – 5 Romantic Thriller

von Alfred Bekker & Ann Murdoch & Carol East

 

 

Dramatische Romantic Thriller in einem Band: Dunkle Geheimnisse, übernatürliche Bedrohungen, mysteriöse Begebenheiten - und eine Liebe, die sich dem Grauen widersetzt. Darum geht in diesen packenden romantischen Spannungsromanen.

 

Dieses Buch enthält folgende Romane:

Carol East: Die Braut des Geisterpiraten

Alfred Bekker: Die Gruft des bleichen Lords

Ann Murdoch: Briefe aus dem Totenreich

Ann Murdoch: Geheime Wege ins Verderben

Alfred Bekker: Das Geheimnis des Tempels

LanguageDeutsch
Release dateAug 21, 2021
ISBN9798201344429
Gespensterfluch – 5 Romantic Thriller
Author

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Gespensterfluch – 5 Romantic Thriller - Alfred Bekker

    Gespensterfluch – 5 Romantic Thriller

    Alfred Bekker et al.

    Published by Alfred Bekker präsentiert, 2021.

    Inhaltsverzeichnis

    Title Page

    Gespensterfluch – 5 Romantic Thriller

    Copyright

    Die Braut des Geisterpiraten

    Die Gruft des bleichen Lords

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    Briefe aus dem Totenreich

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    Geheime Wege ins Verderben

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    Das Geheimnis des Tempels

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    Gespensterfluch – 5 Romantic Thriller

    von Alfred Bekker & Ann Murdoch & Carol East

    ––––––––

    Dramatische Romantic Thriller in einem Band: Dunkle Geheimnisse, übernatürliche Bedrohungen, mysteriöse Begebenheiten - und eine Liebe, die sich dem Grauen widersetzt. Darum geht in diesen packenden romantischen Spannungsromanen.

    Dieses Buch enthält folgende Romane:

    Carol East: Die Braut des Geisterpiraten

    Alfred Bekker: Die Gruft des bleichen Lords

    Ann Murdoch: Briefe aus dem Totenreich

    Ann Murdoch: Geheime Wege ins Verderben

    Alfred Bekker: Das Geheimnis des Tempels

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author / COVER FIRUZ ASKIN

    © dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

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    Alles rund um Belletristik!

    Die Braut des Geisterpiraten

    von Carol East

    Es herrschte Windstille auf dem offenen Meer, und dennoch fegten Nebelfetzen vorbei, wie von unsichtbaren Verfolgern gejagt.

    Sara Perres beobachtete sie verwirrt. Sie schüttelte ihr üppiges Blondhaar zurück, weil eine Strähne drohte, ihr ein wenig die Sicht zu nehmen, und blies die Wangen auf. Das sah ja gerade so aus, als würde es nicht mit rechten Dingen zugehen: Was trieb die Nebelfetzen eigentlich an? Und es wurden immer mehr. Dabei wuchsen sie heran, quirlten in sich, als hätten sie ein gespenstisches Eigenleben, veränderten ständig ihre Form.

    Sara schaute nach rechts, von wo sie kamen, diese Nebelfetzen, die beinahe zu so etwas wie Nebelkreaturen geworden waren. Aber sie konnte zunächst nichts Bedeutsames erkennen. Irgendwo in der Ferne schien ihr Ursprung zu sein. So jedenfalls ihr erster Eindruck. Aber als sie länger in diese Richtung schaute, erkannte sie einen regelrechten Nebelberg, der allmählich aus dem Meer heranwuchs.

    Auf einmal stockte ihr der Atem. Sie begann endlich zu begreifen: Nein, nicht die Nebelgebilde bewegten sich, sondern in Wahrheit... das Schiff, auf dem sie stand.

    Ganz vorn befand sie sich, seitlich versetzt, so daß rechterhand von ihr die Spitze des Schiffes sich befand. Sagte man nicht Bug dazu? Und sagte man nicht Steuerbord anstatt rechts? Oder war das umgekehrt und war Steuerbord im Gegenteil links und jetzt müßte sie Backbord sagen?

    Sara hatte keine Ahnung von der sogenannten christlichen Seefahrt. Dennoch wunderte sie sich vorerst keine Sekunde lang darüber, daß sie sich an Bord eines Schiffes befand, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie sie überhaupt hierhergelangen konnte. Sara hatte nur Augen für die Nebelgebilde und dann vor allem für ihren Ursprung.

    Um erneut die Feststellung zu machen: Nein, nicht die Nebelgebilde bewegten sich, sondern eben... ihr Schiff. Es pflügte mit recht hoher Geschwindigkeit durch die beinahe brettebene See, die aufgrund der Windstille nur von eher unscheinbarem Wellengang geprägt war. Auch wuchs der Nebelberg nicht aus dem Meer hervor, wie zunächst angenommen, sondern er kam einfach nur näher, weshalb dieser Eindruck entstand. Und wenn nicht endlich mal jemand auf die Idee kam, das Schiff zu verlangsamen, stießen sie mitten hinein, ohne zu wissen, was sie innerhalb des Nebelberges erwartete. Eine Katastrophe könnte das für sie bedeuten.

    Aufgeregt schaute sie nach links, um sich zu orientieren. Das war eine ziemlich große Segelyacht. Ihr Blick fiel auf das Steuerrad, zu dem man ihres Wissens nach Ruder sagte. Dort hätte jetzt jemand stehen müssen, um die Yacht zu lenken, aber der Platz am Ruder war leer.

    Ihr Blick wanderte weiter hinauf. Sämtliche Segel fehlten. Die Masten und vielen Seile, die für Sara in einer geradezu verwirrenden Art und Weise angeordnet waren, ragten kahl in die Höhe. Segel hätten bei dieser Windstille ja auch gar nichts genutzt. Aber wenn das Schiff einen starken Motor hatte, der es auf eine solche Geschwindigkeit bringen konnte, hätte Sara ihn doch jetzt hören müssen, nicht wahr? Aber sie hörte überhaupt nichts, noch nicht einmal den Fahrtwind. Genauso wenig spürte sie ihn.

    Sara wurde es ganz klamm um das Herz. Dieses unangenehme Gefühl breitete sich aus und nistete sich so stark in der Bauchgegend ein, dass ihr prompt übel wurde. Was, um alles in der Welt, ging hier vor? War sie denn allein auf dieser Yacht irgendwo auf hoher See? Und was war das für seltsamer Nebel?

    Hallo, ist da wer? wollte sie rufen. Ja, wollte, denn kein Laut drang über ihre Lippen. Alles blieb so stumm, als habe sie ihr Gehör verloren.

    Sie erschrak: Ja, das war eine Möglichkeit: Sie hörte deshalb nichts, weil ihre Ohren... Doch eines sprach dem entgegen: Sie konnte ja auch keinen Fahrtwind spüren, obwohl bei dieser Geschwindigkeit ein solcher obligatorisch gewesen wäre.

    Rätsel über Rätsel, und sie versuchte noch einmal den Ruf: Hallo, ist da wer? Aber wo nichts zu hören war, gab es auch keine Antwort.

    Ein Blick wieder voraus: Der Nebelberg war bereits bedrohlich nah. Sie wußte ja nicht, wie groß er in Wirklichkeit war, deshalb konnte sie auch nicht abschätzen, wie weit er noch weg war vom Schiff - oder umgekehrt: Wie weit das Schiff noch entfernt war von ihm. Vielleicht hatte sie ja doch noch eine Chance?

    Sie setzte sich endlich in Bewegung und lief leichtfüßig hinüber zum Ruder. Dabei umschmeichelte das dünne Gewand ihren schlanken, hochgewachsenen Körper. Das machte sie stutzig, und noch bevor sie ihr Ziel erreicht hatte, schaute sie an sich herab:

    Mein Gott, ich habe ja ein Nachthemd an - und sonst nichts! Im Nachhinein wußte sie nicht zu sagen, ob es ihr wirklich gelungen war, diese Worte laut auszusprechen. Kein Wunder, denn es beschäftigte sie vielmehr der Inhalt dieser Aussage: Der war für sie nämlich in doppelter Hinsicht ungewöhnlich, denn sie haßte Nachthemden seit ihrer frühesten Kindheit und außerdem... im Nachthemd mitten auf einem ihr unbekannten Meer und auf einem noch unbekannteren Schiff? Wie passte denn das überhaupt zusammen?

    Sie erreichte das Ruder und griff in die Speichen. Zwar rückte in ihr jetzt endlich doch noch die Frage in den Vordergrund, was sie überhaupt hier sollte, aber wichtiger blieb zunächst, die Hochseeyacht auf einen anderen Kurs zu bringen, an dem drohenden Nebelberg vorbei. Sie war sich jetzt nämlich hundertprozentig sicher, dass der Nebelberg eine Insel verbarg, und sie würde mit der Yacht in voller Geschwindigkeit dort auflaufen. Das würde nicht nur die Yacht zerstören, sondern diesen Aufprall konnte sie unmöglich überleben.

    Sie drehte das Ruder, jetzt voller Panik. Egal, ob rechts und links Steuerbord oder Backbord hießen, sie wollte ganz einfach nur die Yacht an der Insel vorbeilenken.

    Und tatsächlich, ihre Bemühungen versprachen Erfolg. Zwar wendete sich der Bug des Schiffes nur geringfügig vom Zentrum des Nebelberges ab, driftete dann auch noch ein zusätzliches Stückchen weiter nach rechts, doch im gleichen Maße wuchs der Nebelberg mächtig heran. Wenn er die Größe eines echten Berges hatte, war die Entfernung höchstens noch zwei- bis dreihundert Meter. Dafür war die Richtungskorrektur zu geringfügig. Die Geschwindigkeit des Schiffes war einfach zu hoch.

    Die ersten Schweißperlen erschienen auf Saras Stirn. Nicht nur von der Anstrengung herrührend, sondern vor allem der Angst. Diese war ja durchaus begründet. Wenn sie es nicht doch noch schaffte, war sie rettungslos verloren. Dabei war es zunächst einmal wahrlich gleichgültig, wieso sie sich allein auf einer so großen Yacht befand.

    Wie verrückt drehte sie am Ruder. Schon stach es bedrohlich in ihrer Lunge, doch es ging um Leben und Tod, da durfte sie sich nicht einen Sekundenbruchteil der Schwäche gönnen.

    Sie drehte und drehte - und tatsächlich, das Schiff schwenkte jetzt rascher nach rechts, obwohl sie den Eindruck hatte, als würde es dabei gleichzeitig noch schneller werden - immer noch von keinem Wind und auch von keinem Motor getrieben. Als wäre es der Nebelberg selber, der es wie an unsichtbaren Fäden herbeizog.

    Jetzt spürte sie plötzlich einen deutlichen Widerstand beim Drehen des Ruders, als wollte eine unsichtbare Macht verhindern, dass ihr Vorhaben gelang und das Schiff an dem Nebelberg vorbeisauste.

    Überhaupt wunderte sie sich in ihrem tiefsten Innern, dass sie die ganze Zeit über drehte, wobei dies völlig unsinnig erschien: Normalerweise konnte man ihres Wissens nach ein Ruder nur bis zum Anschlag bewegen. Das genügte dann auch, um ein Manöver einzuleiten. Aber was war hier, in ihrer Situation, schon normal?

    Inzwischen gelang es ihr trotz des immer stärker werdenden Widerstandes, das Boot tatsächlich mit dem Bug an dem Nebelberg vorbeizulenken. Und dann war dieser auch schon heran. Die Yacht fetzte durch die äußeren Nebelschleier, die wie Geisterhände nach ihr zu greifen schienen, bewegte sich weiter - und wurde im nächsten Moment seitlich angesaugt, um von einem Augenblick zum anderen in dem wallenden und undurchdringlich erscheinenden Nebel zu versinken.

    Es gibt keine Aussicht auf Flucht! sagte in diesem Moment jemand deutlich hinter ihr.

    Sara fuhr mit einem Aufschrei herum: Ja, sie hörte nicht nur die Stimme, sondern auch ihren eigenen Aufschrei: Niels Orsted, ihr Freund, stand unmittelbar hinter ihr. Er hielt die Augen geschlossen. Sein Gesicht war bleich, aber entspannt, als würde er schlafen. Noch einmal murmelte er: Es gibt keine Aussicht auf Flucht... Es klang, als würde er im Schlaf fantasieren. Und dann fügte er hinzu: ...wenn der Geisterpirat dich ruft!

    Und dann verschwand alles um sie herum und machte Platz... ihrem Schlafzimmer!

    Sara saß aufrecht und in Schweiß gebadet in ihrem Bett. Ihr Blick hetzte hin und her. Das Fenster stand offen, und der pralle Vollmond schickte sein Licht ungehindert herein. So konnte sie alle Details recht gut erkennen: Ja, tatsächlich, es handelte sich zweifelsfrei um ihr Schlafzimmer.

    So ein doofer Traum! meinte sie kopfschüttelnd: Ich und auf einer solchen Hochseeyacht? Wie sollte ich jemals zu einer Seefahrt auf einer solchen Luxusyacht kommen, was mich sowieso noch nie interessiert hat? Und dann auch noch im Nachthemd? Sie schüttelte abermals den Kopf und schaltete das Licht ein, um damit die Angst zu vertreiben, die immer noch in ihr hockte, obwohl ihr in Wirklichkeit nicht die geringste Gefahr drohte - niemals drohen würde, wie sie in diesem Moment noch fest glauben wollte.

    *

    Trotz des Traumes konnte sie später wieder ruhig weiterschlafen. Aber als sie erwachte, konnte sie sich an jedes noch so winzige Detail erinnern. Sehr ungewöhlich für einen Traum. Nicht nur, dass er so realistisch erschienen war, jetzt diese lückenlose Erinnerung? Das hatte sie noch nie zuvor erlebt. Für gewöhnlich wußte sie gar nicht, ob sie überhaupt nachts träumte. Immer dann, wenn ihr Freund Niels Orsted ihr von seinen eigenen Träumen erzählte, zog er sie damit auf, weil sie überhaupt nichts dergleichen zu erzählen wußte.

    Diesmal war alles völlig anders.

    Als wäre es überhaupt kein echter Traum gewesen, sinnierte sie laut und erschrak über ihre eigene Stimme, als sie das Bad ihres winzigen Apartments betrat. Dabei wurde ihr wieder einmal bewußt, wie oft schon Niels ihr vorgeschlagen hatte, daß sie zusammenzogen. Sie zu ihm, das schloß sie sowieso kategorisch aus, weil er immer noch im Haus seiner Eltern wohnte. Das konnte sie nicht leiden, obwohl sie nichts in dieser Hinsicht sagte, um des lieben Friedens willen. Er zu ihr scheiterte allein schon am mangelnden Platzangebot. Also bliebe noch eine gemeinsame Wohnung sozusagen auf neutralem Boden. Aber aus einem Grund, den Sara gar nicht näher benennen konnte, scheute sie vor diesem Schritt zurück. Sie hatte den Verdacht, es müßte mit ihrer letzten Beziehung zusammenhängen. Diese war ein einziges Desaster gewesen, und sie hatte verzweifelt nach einem Ausweg suchen müssen. Ihre viel zu kleine Wohnung hier, das war der Ausweg gewesen, um nicht zu sagen: der Fluchtweg. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie sich nicht im Geringsten leisten können, etwa wählerisch zu sein. Dennoch waren ihr die eigenen vier Wände inzwischen irgendwie ans Herz gewachsen. Sie fühlte sich sehr wohl in dieser Enge, die eben nicht nur beengte, sondern gleichermaßen Geborgenheit versprach. Die Wände waren schallisoliert, so daß sie kaum etwas von den Nachbarn mitbekam. Zwar bedeutete das eine gewisse Anonymität, aber sie hätte lügen müssen, um darin einen Nachteil zu sehen. Sie hatte jedenfalls auf Dauer ihr Ruhe.

    Niels sah alles dies naturgemäß anders und hatte bereits ungezählte Vorschläge gemacht, was das Zusammenziehen betraf. Sara hatte gottlob bis jetzt immer eine glückliche Ausrede gefunden. Lange jedoch, so fürchtete sie inzwischen, würde sie ihn nicht mehr hinhalten können. Dann mußte sie sozusagen Farbe bekennen und ihm ganz konkret mitteilen, daß sie ein Zusammenziehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eben noch nicht wünschte. Ganz klar, dass er das niemals verstehen würde. Sicherlich würde er alles andere als positiv reagieren in seinem Unverständnis. Darauf war Sara gefaßt, deshalb wagte sie es ja auch nicht, ihm sobald die Wahrheit zu sagen.

    Alle diese Gedanken gingen ihr blitzartig durch den Kopf, wie fast jeden Morgen, wenn sie das Bad betrat. Das war sogar stärker als die Erinnerung an das nachts Erlebte, bei dem sie sich weigerte, es einfach nur als dummen Traum abzutun. Doch dadurch provozierte sie erneut die zentrale Frage: Wenn kein Traum - was war es dann gewesen?

    Geisterpirat? fiel ihr ein Wort ein. Niels hatte es benutzt. Noch nie im Leben zuvor hatte sie es gehört. Da war sie ziemlich sicher, weil sie grundsätzlich keine gruseligen Geschichten mochte - und welche, in denen etwa Geisterpiraten eine Rolle spielten, erst recht nicht.

    Und überhaupt: Wie sollte ich auf so eine teure Yacht kommen? Zwar waren die Eltern von Niels als erfolgreiche Geschäftsleute einigermaßen betucht, aber das würde sogar deren Möglichkeiten überschreiten. Zumal Niels noch niemals zuvor erwähnt hatte, daß seine Eltern überhaupt an Seefahrt interessiert waren. Wenn sie es recht bedachte, hatte auch Niels selber genauso wenig Interesse daran wie sie, Sara.

    Abermals schüttelte sie den Kopf und erledigte endlich ihre Morgenroutine, obwohl sie die Gedanken an das nächtliche Erlebnis dabei leider nicht abstellen konnte.

    Am Ende sah sie sich vor dem großen Spiegel in der winzigen Ecke, die sie Flurgarderobe nannte, was nichts anderes war als der schmale Bereich unmittelbar hinter der Eingangstür. Wenn man die Tür öffnete, war der Bereich praktisch verschwunden - und wenn man wirklich Garderobe hinhängte, konnte man letztlich die Tür gar nicht mehr öffnen.

    Aber wenigstens für den großen Spiegel hatte sie ein Plätzchen gefunden. Sie drehte sich davor und war mit ihrem Outfit halbwegs zufrieden. Heute war ihr letzter Bürotag. Morgen begann der Urlaub. Die Semesterferien von Niels, der Geschichte studierte, hatten bereits begonnen. Ursprünglich hatten sie hinunter ins sonnige Kalifornien fliegen wollen, aber nach erfolgtem Kassensturz hatte Sara ablehnen müssen. Gut, Niels, mit seinen Eltern im Hintergrund, hätte sie finanziell unterstüzen können, aber das war etwas, was ihr noch mehr gegen den Strich ging als eine gemeinsame Wohnung. Sicherlich war es der Wunsch nach einer gewissen Unabhängigkeit von ihrem Freund, der sie zu ihrer ablehnenden Haltung bewog. Schuld daran war eindeutig ihr Exfreund. Dem hatte sie sich leichtsinnigerweise regelrecht ausgeliefert, und das hatte sie später bitter bereuen müssen.

    Gewaltsam verdrängte sie die Erinnerung an all die unerfreulichen Dinge, die sie damals hatte über sich ergehen lassen müssen, und konzentrierte sich wieder auf Niels: Er mußte es einfach einsehen, daß sie ein gebranntes Kind und deshalb vielleicht übervorsichtig war. Wenn sie sich mal lange genug kannten und sie endlich auch gefühlsmäßig begriffen hatte, daß Niels ein völlig anderer Mensch war als ihr Exfreund... Ja, dann sah sicher alles ganz anders aus.

    Oder ich habe bis dahin Niels für immer vergrault! sagte sie plötzlich skeptisch. Sie schürzte die Lippen und streckte ihrem Spiegelbild kurz die Zunge heraus. Nicht gerade damenhaft zwar, aber es amüsierte sie so sehr, dass sie darüber sogar vorübergehend das nächtliche Erlebnis vergaß.

    Wesentlich besser gelaunt als noch vor einer Minute verließ sie ihr Apartment und ging zum Fahrstuhl. Fast hätte sie ihn erreicht, als sich die Tür öffnete und ein abgehetzt wirkender junger Mann ihn verließ: Niels Orsted, ihr Freund.

    Überrascht blieb Sara stehen. Was machte denn Niels um diese Zeit hier bei ihr? Das war doch überhaupt nicht verabredet gewesen? Und wieso hatte er vorher nicht angerufen?

    Uff! machte er. Bin ich froh, daß ich dich noch erwischt habe.

    So? machte sie mißtrauisch. Und dein Telefon hast du so geschickt verlegt, daß es unauffindbar ist oder wie?

    Er schaute sie verduzt an. Dann winkte er lachend ab. Ach was, ich habe dich deshalb nicht angerufen, weil ich unbedingt persönlich mit dir reden muss.

    Ihr Mißtrauen blieb. Was ist denn so wichtig, daß du persönlich hier erscheinst - und gleichzeitig so unwichtig, daß du es nicht schon längst per Telefon gesagt hast?

    Er schielte zu ihrer Wohnung hinüber. Äh, könnten wir nicht kurz...?

    Nein, ich habe es eilig. Bin sowieso schon reichlich spät dran. Bei dem Betrieb dauert es eine Ewigkeit, bis ich im Büro bin, und heute ist mein letzter Tag vor dem Urlaub. Soll ich denn zu spät kommen?

    Ich fahre dich mit dem Auto.

    Na, toll, noch schlimmer: Meinst du, nur die S-Bahn ist überfüllt? Die Straße etwa nicht?

    Immerhin bin ich rechtzeitig bis hierher zu dir gekommen, versuchte er einzuwenden. Das Lachen, das er dabei auch noch versuchte, ging kläglich schief, denn er erkannte das Mißtrauen von Sara und konnte das nicht verstehen. Was ist denn eigentlich los mit dir, Sara? Ich bin's, dein Freund Niels Orsted! Der Mann, den du liebst und der seinerseits auch dich liebt. Schon vergessen? Du schaust ja gerade so, als sei ich dein Todfeind, von dem du das Schlimmste befürchten mußt.

    Jetzt wurde es Sara selber klar, und sie mußte lachen. Also gut, komm mit herein, aber fasse dich bitte superkurz. Du weißt ja nun warum.

    Tu ich: So kurz wie es eben geht! versprach er hoch und heilig und hob dabei die Rechte wie zum Schwur.

    Sara sperrte eilig auf und schlüpfte in ihre Wohnung. Niels folgte ihr dichtauf. Sie ging in der Wohnung unwillkürlich auf Distanz und wich sogar beinahe seinem Begrüßungskuß aus. Was war denn eigentlich los mit ihr? Das fragte sie sich inzwischens selber. Wieso verhielt sie sich mißtrauisch und abweisend gegenüber ihrem Freund? Gestern abend war doch noch alles in Ordnung gewesen zwischen ihnen beiden.

    Der Traum! erkannte sie plötzlich. Falls es überhaupt ein Traum war und nichts anderes: Jedenfalls sah sie unwillkürlich das bleiche Gesicht ihres Freundes, als er die Worte mit dem Geisterpiraten von sich gegeben hatte, wie ein Schlafwandler. Ein Bild, das sich jedesmal über den Anblick des realen Niels Orsted schob und sie zurückschrecken ließ.

    Also, ganz kurz: Als ich heute morgen mit meinen Eltern frühstückte, kam der Anruf. Du weißt doch, sie wollten ebenfalls Urlaub machen...

    Ja, wollten sie? unterbrach ihn Sara, weil sie sich nicht erinnern konnte. Hatten sie überhaupt darüber gesprochen oder hatte es sie ganz einfach nicht interessiert?

    Na, jedenfalls, sie können nicht. Beziehungsweise, Vater kann nicht, aus geschäftlichen Gründen. Und Mutter will jetzt natürlich nicht ohne ihn... Sag mal, Sara, hörst du mir überhaupt zu? Ich denke, ich soll mich kurz fassen?

    Na, dann tu es auch! entgegnete sie schärfer als beabsichtigt.

    Also gut, Sara: Vater hat mich gefragt, ob wir beide denn nicht einspringen könnten.

    Einspringen? Wobei? wunderte sich Sara ehrlich.

    Na, es geht doch um einen wichtigen Geschäftspartner. Der hat sie eingeladen, und wenn Vater ihm jetzt einen Korb gibt, wo doch alles für morgen schon vorbereitet ist... Das würde ihm geschäftlich mit Sicherheit gewaltig schaden. Es ist sowieso schon eine besondere Ehre, daß er meine Eltern überhaupt...

    Wovon, um alles in der Welt, redest du eigentlich die ganze Zeit? regte sich Sara auf und schielte zur Wanduhr. Also, wenn sie sich jetzt nicht endlich auf den Weg machte, war ihr ein Donnerwetter vom Chef gewiß, und sie würde in echte Erklärungsnot geraten.

    Ich rede von dem Segeltörn oder wie das heißt! rief Niels Orsted aus. Habe ich dir gar nicht davon erzählt, dass dieser Geschäftsfreund eine Hochseeyacht der Superlativen besitzt, so richtig mit eigener Besatzung und so, weil er ja selber wenig Ahnung hat vom Führen eines solchen Schiffes? Was ist denn jetzt wieder los mit dir, Sara? Er wirkte erschrocken, und das nicht ohne Grund, denn Sara hatte bei seinen Ausführungen plötzlich das Gefühl bekommen, den Boden unter den Füßen zu verlieren.

    Der Traum, der möglicherweise mehr war als das - und jetzt diese Eröffnung von Niels? Sollten sie etwa...? Du meinst, wir beide sollen jetzt anstelle deiner Eltern...?

    Ja, das hat nir Vater vorgeschlagen - und wir würden ihm damit auch noch einen riesigen Gefallen tun, glaube mir! Oh, ich weiß, du bist nicht so für Segeltörns oder ähnliches, ich ja selber nicht. Aber in diesem speziellen Fall... würden wir uns sozusagen zu Gunsten von Vater opfern. Ein Opfer, das es sicherlich wert wäre. Wir müssen ja nicht groß die sieben Weltmeere besegeln, sondern suchen uns irgendwo ein schönes Plätzchen in einem Yachthafen und machen das Beste daraus. Na, was hältst du davon?

    Er hatte wie ein Wasserfall geredet, als müsste er besonders schnell alles loswerden, ehe Sara auf die Idee kam, etwa ihm zu widersprechen. Das hatte Sara jedoch regelrecht schwindlig gemacht, und die letzten Worte bekam sie schon gar nicht mehr mit, denn sie stürzte haltlos zu Boden, ehe es Niels verhindern konnte.

    Um Gottes Willen! stammelte er und beugte sich über sie. Aber da kam sie auch schon wieder zu sich.

    Sie blinzelte verwirrt, und dann bat sie ihn inständig: Bitte, sag, daß dies alles nur ein blöder Scherz ist und niemals dein Ernst sein kann!

    *

    Niels half seiner Freundin auf die Beine. Sie nahm seine Hilfe dankbar an.

    Wieso? machte er und schüttelte den Kopf.

    Ein blöder Scherz, nichts weiter! ermunterte sie ihn.

    Aber ganz und gar nicht, protestierte Niels verdattert. Es ist so, wie ich sagte: Wir tun Vater einen riesigen Gefallen und müssen ja nicht wirklich weit hinaussegeln und so...

    Also doch! sagte Sara entmutigt. Da kommst du daher gerauscht mit einer solchen Eröffnung. Und was ist mit Bedenkzeit und so? Gleich morgen oder habe ich mich verhört?

    Ja, gleich morgen, aber du hast doch ab dann sowieso Urlaub, und ich...

    Nein, ohne mich, Niels. Also, wirklich! Das ist nichts für mich. Ich und auf einer teuren Luxusyacht, was ich mir sowieso nie leisten könnte?

    Aber gerade deshalb wird es uns besonders Spaß machen oder meinst du, ich könnte mir das normalerweise leisten? Und meine Eltern auch nicht. Dieser Geschäftspartner ist so etwas von reich. Wenn Vater dem erzählt, daß nichts daraus wird, ist er bei dem untendurch. Das verzeiht Vater mir nie.

    Ja, sage einmal, bist du denn der Notnagel für deine Eltern oder was? Sie winkte mit beiden Händen ab. Ach, egal, wie auch immer: Das ist deine Sache. Anscheinend hast du schon zugesagt. Also mußt du die Suppe auch allein auslöffeln, die du dir eingebrockt hast. Ich jedenfalls setze keinen Fuß auf irgendein Schiff und insbesondere nicht auf eine Hochseeyacht der Luxusklasse. Sie schaute ihren Freund an und sah deutlich sein bleiches Gesicht aus dem Traum. Geisterpirat? Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre blonde Mähne flog, und bekräftigte noch einmal: Ohne mich! Dann drängte sie sich an ihm vorbei hinaus. Wenn du mir jetzt endlich gestatten würdest, ins Büro zu gehen? Ist zwar sowieso zu spät, aber übertreiben muss ich es ja nun doch nicht. Gottlob komme ich nur selten später und bin ansonsten meistens eine der ersten. Vielleicht hat mein Chef ein Einsehen und ist nicht allzu erbost...

    Er ging nicht von allein. Erst als Sara ihn hinauszerrte. Und auch da gehorchte er nur widerwillig.

    Dein letztes Wort? fragte er brüchig.

    Genau! Sie hauchte ihm ein flüchtiges Küßchen auf die Wange und eilte zum Fahrstuhl, der seltsamerweise immer noch offenstand. Glück gehabt, dachte sie, als sie sich hineinstellte und wartete, bis sich die Tür schloss.

    Niels blieb draußen. Er stand vor der verschlossenen Tür ihrer Wohnung wie ein begossener Pudel. Beinahe tat er Sara leid, aber nur beinahe, denn sie mußte wieder an das nächtliche Erlebnis denken und an... den Geisterpiraten! Nein, was immer das zu bedeuten hatte, sie wollte gar nicht wissen, was dahintersteckte. Ganz im Gegenteil: Sie wollte dies alles möglichst schnell wieder vergessen und zwar total. Selbst wenn sie den ganzen Urlaub über auf Niels verzichten mußte, der dann ohne sie auf See schipperte.

    Als sie unten aus dem Fahrstuhl stieg, um zur Haustür zu laufen, kamen ihr plötzlich doch noch Bedenken: Wenn Niels wirklich ohne sie die Yacht benutzte... Was würde mit ihm geschehen? Dann war sie zwar in Sicherheit, aber was war mit Niels? Konnte sie denn einfach so tun, als sei das heute nacht gar nicht passiert und würde es keine wirkliche Gefahr geben, weder für sie noch für Niels? Aber wenn es keine Gefahr gab, wieso weigerte sie sich dann überhaupt, mitzureisen?

    Diese Fragen verwirrten sie zutiefst. Beinahe wäre sie beim Hinauslaufen gestolpert, weil sie die niedrige Stufe vor dem Eingang vergessen hatte. Gerade noch konnte sie ihren Sturz verhindern und taumelte weiter.

    Hoppla! machte ein älterer Herr, der zufällig vorbeikam, amüsiert. So früh und schon so stürmisch? Nur weiter so, meine Arme sind für jede Schönheit offen.

    Sara mußte über die Bemerkung lachen. Entschuldigen Sie, aber ich bin nur gestolpert.

    Ach - und ich dachte schon, es sei meinetwegen. So eine Enttäuschung aber auch! Sein Lachen strafte diese Worte Lügen.

    Noch einen schönen Tag! wünschte Sara gespielt fröhlich und beeilte sich, in Richtung S-Bahn-Station davonzulaufen.

    Ihnen auch - und nicht wieder stolpern, rief er ihr hinterher. Es wäre doch schade um die hübschen Beine, die Sie sich dabei brechen könnten.

    Schon war der Abstand groß genug. Weitere Worte konnte sie nicht mehr verstehen. Sara begann jetzt sogar zu rennen. Das war auch nötig. Normalerweise haßte sie es, zur Bahn zu hetzen, und ging lieber eine Viertelstunde zu früh aus dem Haus, aber heute morgen schien alles schiefzugehen - und das nur, weil Niels mit diesem unmöglichen Vorschlag gekommen war.

    Unmöglicher Vorschlag? Wie hätte sie denn eigentlich reagiert - ohne diesen Traum letzte Nacht?

    Beinahe wäre sie erschrocken stehengeblieben. Im letzten Augenblick besann sie sich und verringerte ihr Tempo nur geringfügig. Das war auch gut so, denn in der Nähe der S-Bahn-Station begann schon gleich das Gedränge. Noch ein paar Meter, dann konnte sie es endgültig vergessen, sich zu beeilen. Gerade jetzt begann der Hauptbetrieb. Sie mußte sogar noch Glück haben, um einen Stehplatz in der S-Bahn zu ergattern. Vielleicht hätte sie doch besser den Vorschlag ihres Freundes angenommen und hätte mit ihm das Auto benutzt? Aber wenn sie auf die Straße schaute, sah es dort eher schlimmer aus als vor dem Eingang zur S-Bahn. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als endlich zu akzeptieren, daß sie an ihrem letzten Tag vor dem Urlaub hoffnungslos zu spät in das Büro kam.

    Da fiel ihr etwas ein: Wenn sie jetzt vielleicht bei ihrem Chef anrief und sich entschuldigte? Dann wurde es sicher nicht ganz so schlimm. Sie kramte im Weitergehen in ihrer Handtasche. Drinnen war doch irgendwo ihr Telefon...? Nein, war es nicht! Sie konzentrierte sich kurz. Ja, genau, sie hatte es gestern Abend an das Kabel gehängt, um den Akku aufzuladen - und dort hing es immer noch.

    Mist! entfuhr es ihr. Eine ältere Dame schaute sie dabei erschrocken an. Sara ignorierte sie und bahnte sich einen Weg weiter durch das Gedränge, bis zu ihrer S-Bahn. Zwar fand sie dort nach kurzer Wartezeit einen Stehplatz, aber nur, weil sie dabei ihre Platzangst unterdrückte. Wäre sie früher gefahren, wie jeden Morgen und auch wie für heute geplant, wäre alles nur halb so schlimm gewesen. Jetzt kam sie nicht nur zu spät, sondern mußte auch noch das Martyrium durch dieses Gedränge ertragen. Wieviel freier war man da doch auf einem Schiff, draußen auf dem Meer... Das mußte sie unwillkürlich denken, obwohl gleichzeitig wieder dieses Wort in ihr auftauchte: Geisterpirat! Klang das nicht schrecklich? Und sie sah vor ihrem geistigen Auge das bleiche Gesicht von Niels Orsted, der vor sich hin murmelte, es gäbe kein Entrinnen oder so.

    Niels Orsted?

    Ihre hübschen, schmalen Augenbrauen verengten sich plötzlich: War das wirklich Niels, ihr Freund, gewesen? Sie sah das bleiche Gesicht jetzt so deutlich, als würde es sich direkt vor ihr befinden. Im Traum hatte es die Augen geschlossen gehalten. Jetzt öffnete es die Augen auf einmal - und sie erkannte, dass es nicht die Augen ihres Freundes waren. Ja, es gab zweifelsohne eine starke Ähnlichkeit, aber das war nie und nimmer ihr Freund Niels.

    Und jetzt wußte sie auch, wieso ihr die Stimme gleich so seltsam vorgekommen war: Weil es eben nicht die Stimme von Niels gewesen war! Aber wieso hatte sie diesen Fremden überhaupt mit Niels verwechseln können? Wie war das denn nur möglich? Sie schloß ihre Augen und sah dennoch das Gesicht des Fremden vor sich. Diese Nähe. Diese Vertrautheit - irgendwie... Als würde sie ihn kennen, in- und auswendig, wie ihren Freund. Dasselbe Gefühl beinahe. Sie liebte Niels, auch wenn es ihr noch davor graute, mit ihm zusammenzuziehen. Das hatte nichts mit ihren tiefen Gefühlen für ihn zu tun. Aber dieser Fremde? Wie kam sie dazu, für ihn etwas zu empfinden, wo sie ihn doch noch niemals zuvor gesehen hatte - und jetzt auch nur in diesem gruseligen Traum? Das Gedränge, der Lärm, das Rütteln des Waggons... Alles glitt von ihr zurück. Nur noch dieses Gesicht blieb, mit den offenen Augen, die sie unendlich traurig musterten. Es gibt keine Aussicht auf Flucht..., sagte er, und diese unendliche Trauer schwang auch in seiner Stimme mit. Jedes seiner Worte klang gepreßt, als würde es ihn unermeßlich viel Mühe bereiten, ...wenn der Geisterpirat dich ruft!

    Schlagartig war das Gesicht weg und das Gedränge, der Gestank und der Lärm wieder da. Es traf sie wie der sprichwörtliche Keulenschlag. Sie wäre jetzt zu Boden gestürzt, aber die Umstehenden standen so dicht zu ihr, daß allein dies es verhinderte. Gottlob schaute sie jetzt niemand an. Jeder tat so, als wären die anderen gar nicht da. Eine typische Situation, die eigentlich jedem unangenehm war, so dicht gedrängt stehend mit all den wildfremden Menschen darum herum.

    Selten zuvor war sie so froh gewesen über diese Anonymität in der Menge, denn wenn sie jetzt jemand angesprochen hätte, Sara wußte nicht, wie sie das noch hätte verkraften können. Der Boden schwankte unter ihr, nicht nur wegen der rasanten Fahrt. Sie hoffte inbrünstig, daß sie sich von diesem Schwächeanfall erholt hatte, wenn der Zug stoppte und sie aussteigen mußte. Das waren nur ein paar Minuten noch, und diese vergingen im wahrsten Sinne des Wortes wie im Flug.

    Am Ende hatte sie gar keine andere Wahl, als den Waggon zu verlassen: Sie wurde von dem Gedränge einfach mitgespült. Erst draußen kam sie halbwegs zu sich. Sie mußte sich mühsam orientieren, um zu erkennen, in welche Richtung sie weiterzugehen hatte, obwohl sie doch diesen Weg jeden Morgen ging.

    Wie betäubt taumelte sie über den Bahnsteig, hoffend, daß es die richtige Richtung war.

    Wie, Herr im Himmel, soll ich diesen Tag überhaupt überstehen? fragte sie sich unterwegs und hatte dabei keine Ahnung, ob sie das nur gedacht oder laut ausgesprochen hatte.

    *

    Ähnliches fragte sich Sara auch, als dieser Arbeitstag für sie zuende war: Wie ist es mir überhaupt gelungen, diesen Tag bis jetzt zu überstehen? Sie konnte sich kaum noch erinnern, vor allem nicht an Einzelheiten. Wie in Trance hatte sie ihre Arbeit erledigt. Das einzige, was in ihrem Gedächtnis haften geblieben war, neben den diversen Anrufen von Niels, war die Unterredung mit ihrem Chef. Gott, sie hatte das Schlimmste befürchtet. Wahrscheinlich deshalb, weil sie selber es besonders haßte, wenn jemand zu spät kam. Sie hatte schon geglaubt, weil sie sich das selbst nicht verzeihen wollte, würde ihr Chef zwangsläufig genauso denken. Deshalb war sie schnurstracks erst zu ihm gegangen, um sich zu entschuldigen.

    Ihr Chef hatte sie ganz verdattert angesehen und dann auf die Uhr geschaut. Dann hatte er gesagt: Tatsächlich, Sie sind später dran als sonst, Sara. Wäre mir gar nicht aufgefallen. Er überlegte kurz, dann beeilte er sich zu versichern: Äh, nicht daß Sie das jetzt falsch verstehen, Sara, ich habe Sie nicht deshalb nicht vermißt, weil sie im Team unwichtig sind, sondern einfach, weil ich bei Ihnen weiß, daß ich nicht auf die Uhr zu schauen braiche. Sie sind stets überpünktlich... Ach was, wenn ich alle Minuten zusammenrechne, die Sie schon zu früh gekommen sind, müßte ich Ihnen dafür sogar Urlaub geben. Also, wenn es Ihnen nichts ausmacht: Wir verrechnen das einfach miteinander, einverstanden? Er hatte gelacht wie über einen besonders gelungen Scherz, und sie hatte überhaupt nicht gewußt, wie sie sich verhalten sollte.

    Ganz verlegen war sie dann an ihren Schreibtisch gegangen, und er hatte sich auch noch im Nachhinein über ihre Bedenken amüsiert. Das hatte er anfangs der Mittagspause sogar noch einmal angesprochen: Sara, daß Sie mir ja nicht zu spät aus der Pause kommen!

    Weil sie erschrocken reagierte, entschuldigte er sich bei ihr für den Scherz und meinte: Ehrlich, Sara, bei Ihrer sprichwörtlichen Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sollten Sie eigentlich Feierabend machen und auf den Rest des Arbeitstages verzichten. Schließlich haben Sie ab morgen Urlaub. Na, was halten sie denn davon?

    Sie druckste erst herum, ehe sie sich wagte, zu widersprechen: Das ist sehr großzügig von Ihnen, und ich würde es liebend gern annehmen, aber leider habe ich noch eine Menge Arbeit auf dem Schreibtisch liegen. Ich glaube kaum, daß unsere Kunden oder auch die Kolleginnen, die dann für mich einspringen müßten, Verständnis dafür hätten, wenn ich alles einfach so liegenlassen würde. Bitte, ich weiß Ihr Angebot wirklich zu schätzen und bedanke mich auch dafür, aber ich hätte ein dermaßen schlechtes Gewissen, wenn Sie erlauben...

    Das war kein falscher Schmus von ihr, und er wußte das, sonst hätte er nicht kopfschüttelnd entgegnet: Wieso wundert mich das eigentlich nicht bei Ihnen, Sara? Also, da muß ich mir wirklich etwas anderes einfallen lassen... Dabei beließ er es vorerst. Sara war ihm auch dafür dankbar.

    Und jetzt stand sie vor dem hohen Bürogebäude, das unter anderem die Firma beherbergte, für die sie arbeitete, und erwachte wie aus einem Traum.

    Was hatte sie eigentlich aufmerksam gemacht? Sie schaute sich irritiert um: Niels Orsted, ihr Freund. Er hatte ihren Namen gerufen. Erst jetzt wurde ihr das bewußt.

    Komm schnell, Sara, ich stehe im absoluten Halteverbot. Besser, wenn wir uns beeilen.

    Du holst mich ab mit dem Auto?

    Ja, freust du dich denn nicht?

    Nachdem er sie mit seinen Anrufen regelrecht genervt hatte, war sie ziemlich patzig gegen ihn geworden, indem sie ihm unmißverständlich erklärt hatte, er solle es unterlassen, sie im Büro anzurufen, weil das verständlicherweise nicht erwünscht sei. Das hatte gewirkt. Er hatte jedenfalls nicht weiter angerufen. Und jetzt stand er mit betretener Miene vor ihr, als wollte er sich entschuldigen und hätte nur noch nicht die richtigen Worte gefunden.

    Ach, Niels, natürlich freue mich mich. Ich bin halt nur überrascht.

    Wieso denn, Liebes? Es ist doch nicht das erste Mal, daß ich dich am Feierabend abhole, auch ohne es vorher mit dir abzusprechen.

    Ich muß mich echt bei dir entschuldigen, Niels. Das war wirklich nicht so gemeint von mir. Auch das am Telefon. Ich könnte verstehen, wenn du jetzt sauer wärst auf mich, aber es ist tatsächlich so, daß private Anrufe...

    Er unterbrach sie lächelnd und mit einer wegwerfenden Handbewegung. Schwamm drüber, Liebes! Er beugte sich vor zum Kuß, und Sara tat ihm den Gefallen. Ihre Lippen berührten sich. Aber im nächsten Augenblick hatte sie das Gefühl, das wäre gar nicht ihr Freund Niels Orsted, sondern ein... Fremder! Es war dasselbe Gefühl in ihrer Brust, wie bei ihrem Freund. Er war ihr vertraut, und sie wünschte sich, er würde sie hier, vor den Augen aller Leute, fest in die Arme nehmen und sie mal ordentlich drücken, damit sie endlich wieder zu Sinnen kam. Seit jenem unseligen Traum... Aber gleichzeitig schreckte sie zurück, weil zu dem Vertrauten irgend etwas... Fremdes hinzukam. Fremd und unerklärlich. Aber nicht erschreckend. Deshalb widerstand sie dem Impuls, Niels von sich zu stoßen. Das hätte er ihr wahrscheinlich nie verziehen - und er brauchte es auch nicht. Denn jetzt nahm er sie tatsächlich in seine starken Arme, um sie fest an sich zu drücken. Sie spürte seine Nähe und genoß sie, wie immer. Er war Niels, der Mann, den sie aus ganzem Herzen liebte, aber irgendwie... war er nicht nur Niels. Da war irgend etwas - oder irgend jemand? - anderes. Niels hatte damit gar nichts zu tun. Er spürte es noch nicht einmal selber. Sara war sich darin völlig sicher. Nur sie spürte es - und jenes Fremde, das dominieren wollte, wie ein Erzrivale von Niels. Nicht gegenständlich, sondern aus dem Unsichtbaren, Unwägbaren heraus. Spürbar, aber im wahrsten Sinne des Wortes unbegreiflich.

    Niels drückte sie so fest, daß sie fast keinen Atem mehr bekam - und bemerkte nicht den Widerstreit ihrer Gefühle. Die feste Nähe gab ihr Kraft und weckte ihre Sinne, um diesen unseligen Traum endlich nicht mehr länger über sich triumphieren zu lassen. Gleichzeitig jedoch war da jenes Fremde, das sie sowohl erschreckte als auch für sich einnahm. Ein Zwiespalt, der sie schier zur Verzweiflung trieb, weil sie nicht verstand, was da vor sich ging. Und als Niels sie endlich wieder losließ und auf Armlänge von sich wegschob, um ihr lachend in die Augen zu schauen, war der Zwiespalt mit einem mal wie weggeblasen. Vor ihr war nur noch Niels, der Mann, den sie so sehr liebte - und er umgekehrt sie genauso. Das Fremde war nicht mehr da. Nur noch das Vertraute, das von Niels ausging. Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte sie so stark empfunden wie bei Niels. Er war der Mann ihres Lebens. Umso unverständlicher war es für sie selbst, wenn sich alles in ihr dagegen sträubte, fest mit ihm zusammenzuwohnen. War es wirklich nur wegen ihrem Exfreund und den traurigen Erfahrungen, die sie mit diesem hatte machen müssen? Aber was sonst? Sie war sich doch völlig seiner sicher. Niels und kein anderer. Für immer. Aber dennoch mußte sie sich jetzt an das andere Gefühl erinnern, an das Unerklärliche, das sie mit magischer Gewalt anzog. Seit dem Traum. Seit diesem Fremden, der Niels nicht wirklich so sehr ähnelte. Es war nur beinahe dasselbe Gefühl gewesen. Jetzt war sie sich völlig darüber im klaren.

    Niels redete auf sie ein, aber Sara hatte davon kein einziges Wort aufgenommen. So sehr hatten sie ihre eigenen Gedanken verwirrt. Zwar hatte ihr Niels die Kraft zurückgegeben, die sie dringender als alles andere brauchte, aber die Erinnerung an den Traum und an diesen Widerstreit ihrer Gefühle hatten es trotzdem geschafft, sie wieder zu beherrschen, um sie von der Wirklichkeit abzulenken.

    "...nicht böse deshalb, wirklich, Sara. Ich habe das Vater gesagt, daß du nicht mitkommen willst -

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