Krank sein reicht nicht: Patientenkompetenz entwickeln bei Krebs und anderen chronischen Erkrankungen
Von Edith Hersping
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Über dieses E-Book
Edith Hersping
Edith Hersping, Lehrerin & Kunsttherapeutin, erhielt ihre erste Krebsdiagnose mit Mitte dreißig und setzt sich seit nunmehr vier Jahrzehnten mit den Themen rund um diese Erkrankung intensiv auseinander. Sie absolvierte diverse psychoonkologische Aus- und Fortbildungen, war sowohl in der klinischen als auch ambulanten Krebsberatung und Sterbebegleitung tätig. Um andere Betroffene zu unterstützen, gründete sie eine ehrenamtliche Krebsberatungsstelle sowie mehrere Selbsthilfegruppen und stellte ihr Wissen mit ihrer Vortragsarbeit zur Verfügung. Ihre gesammelten Erfahrungen hat sie nun in diesem Buch zusammengetragen.
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Buchvorschau
Krank sein reicht nicht - Edith Hersping
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
Patientenkompetenz – der eigene Beitrag zur Genesung
Mein „Doktor" und ich – eine besondere Beziehung
Eigenverantwortlich informiert sein
Selbstbestimmte Entscheidungen treffen
Aktiv an der Behandlung mitwirken
Die unglaubliche Diagnose
Den Schock verkraften
Wer bin ich?
Die erschütterte Identität
Veränderte Lebenssituation
Selbstmitgefühl entwickeln
Kann positives Denken Ihre Krankheit beeinflussen?
Wege aus der Einsamkeit
Alleinsein als Übungsweg
Sprachlosigkeit überwinden
Solidarität und Selbsthilfe
Möglichkeiten der Selbsthilfe
Stigmatisierung überwinden
Brustkrebs – eine besondere Herausforderung
Das Selbstwertgefühl stärken
Mut zum Tabubruch
Einen neuen Sinn entdecken
Eine Melodie der Freude komponieren
Intimität und Sexualität
In der Partnerschaft
Scham, das hässliche Gefühl
Single?
Lust?
Dem Innern Bilder geben – das Heilende in der Kunst
Der Preis des Überlebens
Der liebe Gott wird‘s schon richten, oder?
Glaube und Spiritualität
Dankbarkeit und Empathie
Vertrauen als Basis
Dem Tod begegnen
Was ist Sterbefasten?
Die Patientenverfügung
Was bedeutet Sterbehilfe?
Was ist ein Hospiz?
Abschied nehmen als Lebensprozess
Die Endgültigkeit erkennen
Abschied und Rituale
Die Würde wahren
Ausblick
Nachwort
Checkliste zur Patientenkompetenz
Arzt und Patient/Patientin
Der innere Bereich
Der Körper
Kreativität
Kontakt nach Außen
Sterben, Tod und Trauer
Patientenverfügung verfassen
Glauben und Spiritualität
Literatur
Vorwort
„Die Sorge ist das Verhältnis zum Leben"
(Søren Kierkegaard)
In der heutigen Zeit hat der Gesundheitswahn nahezu den Rang einer Ersatzreligion gefunden und ein erfülltes Leben wird in jeder Hinsicht nur noch als in einem gesunden Körper möglich erachtet. Kein Wunder, wenn die Diagnose einer Krebserkrankung für die Betroffenen wie eine Verdammnis erscheint. Sie tritt sie meist auch unverhofft, wie es Edith Hersping in ihrem wichtigen Buch an dem Bild des Spaziergangs auf dünnem Eis bei prächtigstem Winterwetter deutlich macht. Plötzlich bricht man ein, und mit dem Untertauchen kommen Angst und Verzweiflung.
Wir Ärzte können mittlerweile Behandlungserfolge aufweisen, die noch vor der Jahrhundertwende als unvorstellbar erschienen. Tatsächlich ist inzwischen eine klinische Heilung in vielen Fällen möglich, so im Bereich der Frauenheilkunde bei der frühzeitig erkannten Krebserkrankung der weiblichen Brust. Aber auch bei anderen Krebserkrankungen wird aus der akut lebensbedrohlichen Erkrankung eine chronische Erkrankung, mit der die Betroffenen lange und gut leben können, selbst wenn eine klinische Heilung aufgrund eines fortgeschritteneren Stadiums nicht mehr möglich sein sollte. Um es für sich möglich zu machen, mit der Krankheit gut zu leben, muss die Patientin oder der Patient erkennen, dass ihre „Erlösung" nicht in einem überhöhten Kult des gesunden Körpers gefunden werden kann, und einsehen, dass Krankheiten zum menschlichen Leben dazugehören.
Edith Hersping zeigt nicht nur, dass jeder Mensch über die Kompetenz verfügt, mit Krankheit umzugehen, sondern auch, wie es gelingen kann, diese Fähigkeit freizulegen und in vollem Umfang einzusetzen. Die Autorin markiert in der für Betroffene abrupt veränderten und zunächst unübersichtlichen Lebenssituation die wesentlichen Stationen, um zu innerer Klarheit kommen und selbstverantwortlich über alle Maßnahmen entscheiden zu können. Aus ihrer eigenen persönlichen Erfahrung zeigt sie Möglichkeiten auf, trotz und gerade mit der Erkrankung ein erfülltes Leben – bis hin zu einem erfüllten und friedlichen Sterben – führen zu können. Ein lesenswertes Buch, oder besser, ein sehr wichtiges Buch zur rechten Zeit.
Prof. Dr. med. Ricardo Felberbaum (Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und Leiter des Interdisziplinären Brustzentrums Kempten)
Einleitung
Stellen Sie sich einmal vor, Sie gehen auf einem zugefrorenen See spazieren. Der See hat eine dicke Eisschicht, da der Frost schon lange andauert. Sie können also diese wunderbare weiße, glitzernde, von der Sonne beschienene Fläche begehen. Sie fühlen sich sicher, gehen hin und her, genießen die kalte, prickelnde Luft und spüren die Kälte wie ein Erfrischungsgetränk der Natur. Doch plötzlich brechen Sie ein. Sie haben das dünne Eis wegen des Schnees nicht gesehen. Ihre Gedanken rasen, Panik und Todesangst nehmen Ihnen die Luft. Sie tauchen kurz unter, kommen japsend wieder hoch. Sie können sich gerade noch an dem Rand des Eises festklammern und laut um Hilfe schreien. Andere Spaziergänger hören Sie, rennen zu Ihnen, und bald darauf liegen Sie auf der Eisfläche, immer noch geschüttelt von Angst, aber lebend und nahe der Sicherheit des Ufers.
Nach solch einer Situation und Gesprächen mit anderen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, werden Sie eine andere vorsichtigere Einstellung gegenüber Eisflächen entwickeln. Sie werden sich vielleicht zukünftig von Eisflächen eher fernhalten oder sich dort achtsamer und bewusster bewegen. Das Spüren und Wahrnehmen der Angst kann Ihnen zeigen, welche Panik Sie erleben, wenn es um Ihr Leben geht. Vielleicht werden Sie auch über die Dauer des Lebens und ein eventuell unerwartetes Ende nachdenken. Es kann auch sein, dass Sie ein neues Lebens- und Glücksgefühl erfüllt, dankbar für den guten Ausgang. Auf jeden Fall haben Sie erlebt, wie brüchig die vermeintliche Lebenssicherheit oft ist und wie wenig Sie darauf vorbereitet sind.
Mein eigener „Einbruch" liegt nun schon viele Jahre zurück und hat mein Leben total auf den Kopf gestellt. Meine Krebsdiagnose vor fast vier Jahrzehnten machte mich zur chronischen Patientin. Seither konnte ich bahnbrechende Entwicklungen in der Medizin, der Psychologie und der Bewusstseinsforschung erleben. Aus dem Bestreben heraus, mit meinen Erfahrungen und Erkenntnissen anderen Betroffenen zu helfen, absolvierte ich zusätzlich verschiedene Aus- und Fortbildungen, und war damit in der Krebsberatung sowohl in der Klinik wie auch ambulant tätig. Ich gründete mit anderen Betroffenen eine Krebsberatungsstelle, mehrere Selbsthilfegruppen, hielt Vorträge und möchte Sie nun mit diesem Buch unterstützen.
Ich hoffe, dass Ihnen das Buch hilft zu verstehen, dass eine Krebserkrankung, auch durch die immer längere Überlebenszeit, tief greifender, verändernder und heilender sein kann, als Sie es vielleicht bislang für möglich gehalten haben.
Patientenkompetenz – der eigene
Beitrag zur Genesung
Doch was genau ist es, was Sie erfahren und lernen können? Um zu mehr Wissen und Fakten zu kommen, können zunächst Bücher und bedingt auch „Mr. Google weiterhelfen. Ich möchte Sie aber auf ein anderes Thema aufmerksam machen, das viel weitreichender und vielschichtiger ist und Sie stärker und bewusster im Umgang mit Krebs macht: Ihre eigene Kompetenz. Während einer schweren und eventuell Monate andauernden Krankheit bezeichnen sich die Betroffenen oft selbst als Patienten, weil sie sich in den langen und intensiven Behandlungs- und Genesungsphasen mit dieser Rolle identifizieren, besonders im medizinischen Kontext. Die Bezeichnung „Patient
schützt sie auch in gewisser Weise, denn sie zeigt offiziell ihren Behandlungs- und Betreuungsbedarf an. Insofern ist der Patientenstatus eine wichtige Ausgangsposition. Aber, haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, wie es wäre, wenn Sie einer bestimmten Behandlung nicht zustimmen oder diese sogar abbrechen? Wenn Sie eine andere Behandlungsrichtung einschlagen wollen, vielleicht sogar die Klinik wechseln, verschiedene Ärzte zurate ziehen? Was passiert, wenn Sie selbst vollumfänglich über Ihre Behandlung oder auch Nicht-Behandlung entscheiden?
Solche Überlegungen behalten die meisten für sich, weil sie sie einerseits nach außen für provokativ halten und andererseits selbst als verunsichernd erleben. Sie verhalten sich lieber kooperativ-fügsam in dem Beziehungsgeflecht mit Ärzten, Behandlern und Pflegern, fragen wenig nach und widersprechen selten. Eine Abgrenzung – als eigenständiger und selbstverantwortlicher Mensch – fällt ihnen deshalb oft sehr schwer. Als „chronische Patienten" stecken sie oft sogar lebenslang in diesem Abhängigkeitsverhältnis im Rahmen der Nachsorge. Das bietet zwar vorrangig ein Netz der Sicherheit, im Sinne der Behandlung und Versorgung, bindet die Betreffenden aber auch an dieses Rollenmuster und ignoriert die Möglichkeit, sich selbst bewusst und aktiv an allen Entscheidungen zu beteiligen. Schon allein das komplexe Verwaltungsprozedere automatisiert diese Rollenaufteilung.
Neben der Arzt-Patienten-Beziehung wirkt sich auch das eigene Verhältnis zur Erkrankung aus: Sie bestimmt oft den Tagesablauf, beschäftigt Gefühle, Gedanken und Beziehungen und übernimmt so die Kontrolle über das alltägliche Leben. Die Gesundheit dient dann oft nur dazu, diese Bedrohung des eigenen Lebens in Schach zu halten, was wiederum allmählich zum alleinigen Inhalt des weiteren Lebens werden kann. Es stellen sich dann die Fragen: Wer bin ich, wenn ich mich nicht als Patient/in fühle? Was füllt mein Leben außerhalb der Krankheit? Gibt es noch eine Lebendigkeit, die nichts mit der Krankheit zu tun hat? Welche Haltung nehme ich gegenüber dem Leben ein? Konsumiere ich hauptsächlich, oder gestalte ich?
Ich möchte Ihnen im Folgenden zeigen, welche Möglichkeiten und Chancen es gibt, Ihre Kompetenz – mit mehr Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein – zu entwickeln. In vielen Büchern wird vor allem die Leidensgeschichte betroffener Menschen dargestellt. Sie sind entweder „Hoffnungsbringer, wenn es „gut
ausgegangen ist, oder „Trauerhilfe" im anderen Fall. Für mich geht es deshalb um einen erweiterten Blickwinkel und die Auseinandersetzung mit einer hoch differenzierten Medizin aus der persönlichen Sicht der Betroffenen. Die eigene Rolle in diesem Kontext zu überprüfen und neu zu definieren, stellt für die meisten das zweitgrößte Problem dar, gleich nach der Sorge um das eigene Leben. Über Krankheitsbilder, wie bspw. Herz- und Stoffwechselerkrankungen, Multiple Sklerose oder Amyotrophe Lateralsklerose, Rheuma usw., und über Behandlungskonzepte wird in erster Linie nicht allgemeinverständlich, also für ein Laienpublikum, publiziert. Die verfügbaren Informationen dazu sind häufig in Fachartikeln herausgegeben, als von Ärzten für Ärzte geschrieben. Das Internet bietet zwar eine Menge Informationen für Laien, doch was fängt ein betroffener Mensch damit an?
Über Krebs findet man relativ viel Wissen in den Online-Medien, und bis heute hat sich die Wissensverbreitung enorm gesteigert. Man kann sich die Frage stellen: Warum hat Krebs in unserem Bewusstsein und in der Öffentlichkeit einen solch besonderen, um nicht zu sagen prominenten Stellenwert bekommen? Krebs und seine Behandlungsmöglichkeiten sind mittlerweile Thema zahlloser Zeitschriften und Publikationen. Unsere Gesellschaft altert zunehmend, und als Folge der höheren Lebenserwartung steigt auch die Krebsrate – trotz einer hochwertigen Ernährung, extrem hygienischer Lebensbedingungen, einer Hochleistungsmedizin und -chemie. Wir müssen uns mit den Fakten Leben, Krankheit, Sterben und Tod zukünftig anders auseinandersetzen als bisher, alternative Möglichkeiten schaffen und neue Schwerpunkte setzen, um damit bewusster umzugehen. Gegenwärtig halten wir den Hauptfokus auf berufliche Leistung und wirtschaftliches Wachstum, während Krankheit und Sterben gerne ignoriert oder wenigstens aus dem Alltagsbewusstsein verdrängt werden. Deshalb wird auch die Frage nach der Lebensqualität mit Krebs oder einer chronischen Erkrankung, im Übrigen genauso wie mit einer Behinderung oder einem Handicap, als ein Randthema behandelt. Selbst die Älteren, die das Arbeitsleben bereits hinter sich gelassen haben, planen ihren Alltag so, als gebe es kein Lebensende. Kein Wunder also, dass auch sie die Diagnose Krebs überrascht und überwältigt. Plötzlich ist kein Ausweichen mehr möglich und sie müssen sich in irgendeiner Weise als Patient/in zu dieser bedrohlichen Tatsache verhalten.
*
Während ich dieses Buch zu Ende schreibe, erschüttert gerade ein Virus (Corona) die ganze Welt und bedroht alle Systeme. Das plötzlich für alle Menschen aufflackernde Thema „Tod" lähmt global gesehen fast alle Lebensbereiche. Unser Konsumverhalten, unsere Beziehungen, unsere Politik und Wirtschaft, es gibt kaum etwas, das nicht betroffen ist. Viele Inhalte und Aspekte dieses Buches erfahren durch diese Pandemie unerwartet öffentliche Bedeutung.
Wenn unser Leben bedroht ist, sei es durch Krebs, eine chronische Erkrankung oder eine Pandemie, müssen Werte und Prioritäten, die Würde des Menschen, gemeinschaftlich praktikable Lösungen und eigene individuelle Möglichkeiten zur Bewältigung neu definiert werden.
Zu diesem Prozess möchte ich durch dieses Buch generell einladen – und jetzt erweitert sich sogar die Zielgruppe, denn wir sind alle betroffen. Ich möchte Sie ermuntern, Ihr Lebenskonzept einmal hinsichtlich der Frage zu überprüfen, ob es ausreichend auf dem Vertrauen in Ihre eigene Kraft und auf Ihrer Liebe zu sich selbst gründet.
Mein „Doktor" und ich – eine besondere Beziehung
Ärzte und Ärztinnen sind unsere ständigen Begleiter, auch wenn sie nicht immer direkt an unserer Seite sind oder wir sie konkret „brauchen". Ihre Aufgabe beginnt bereits vor unserem Dasein mit der Feststellung der Schwangerschaft und endet irgendwann mit der Ausstellung des Totenscheins, der offiziell bescheinigt, dass unser Leben beendet ist. Im gesamten Raum zwischen diesen beiden Ereignissen bewegen wir uns mit ihnen mehr oder weniger häufig durch Untersuchungen, Diagnosen, Unfallbehandlungen, Krankheits- und Genesungsphasen und letztlich den Zeitraum unseres Sterbens. Angenommen, wir wechseln nie unseren Hausarzt, dann kann diese Beziehung wesentlich länger währen als bspw. eine Ehe oder sogar die Verbindung zwischen Eltern und Kindern.
Unser Leben und unsere Gesundheit scheinen oft von Medizinern abhängig zu sein, denn diese entscheiden in einer sehr machtvollen Position und Funktion darüber mit. Und wir unterstützen ihr Wirken durch unser Vertrauen in ihr Wissen und ihre Kompetenz. In der Mythologie früher Kulturen, z. B. der Griechen, stellten sie die Vermittler zwischen Gott und den Menschen dar. In ihrer Person verband sich medizinisches Wissen und spirituelle Ausrichtung; der „Gott-Arzt Asklepios ist wohl am bekanntesten. Seine Spuren finden wir noch heute im sogenannten Asklepiosstab (auch: Äskulapstab), der am Eingang von Apotheken oder Kliniken prangt, als Symbol des ärztlichen und pharmazeutischen Standes. Der Name Asklepios steht für den Beginn einer Heilkunde, die den Menschen als untrennbaren Teil des Kosmos behandelte. Der „Arzt
war also mehr als nur ein Mediziner, denn seine Hinwendung zum Patienten erfasste diesen in seiner Ganzheit, d. h. als Körper, Geist und Seele.
Erst im 16. Jahrhundert begann sich