Das Oktoberhaus
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Über dieses E-Book
Ich habe mir meine Familie nicht ausgesucht - oder mein Leben.
Seit Generationen sammeln wir Geister.
Geben ihnen ein Zuhause.
Betreuen sie.
Bewachen sie.
Wir schützen die Menschheit vor Dingen, an die die meisten von ihnen nicht einmal glauben.
Es ist ein einsames Leben.
Und die Menschen, die mich besuchen kommen, führen nicht immer nur Gutes im Schilde.
Diandra Linnemann
Kein Wunder, dass Diandra phantastische Geschichten schreibt - ist sie doch schon in einem bespukten Haus aufgewachsen! In ihrer Familie ist es normal, mit Geistern zu sprechen oder den Wind um einen Gefallen zu bitten. Dennoch führt sie ein erstaunlich gewöhnliches Leben. Ihre größte Extravaganz besteht darin, Geschichten zu erfinden, bei denen die Leute sich fragen, ob sie wahr sind oder nicht. Und da man nie wirklich wissen kann, ob es Hexen, Außerirdische und Gespenster wirklich gibt ...
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Buchvorschau
Das Oktoberhaus - Diandra Linnemann
Inhaltsverzeichnis
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
Danksagung
EINS
EIN VERTRAUTES KICHERN ertönte aus dem Regal über der Spüle. Dann ertönte die Wanduhr im Flur. Und gleich darauf hörte ich die Glocke am Gartenzaun läuten. In diesem Haus gab es einfach keine Überraschungen.
Ich sah durch die offene Küchentür den Flur entlang. Über die Arbeit musste ich mal wieder das Gefühl für Zeit verloren haben. Oder der Paketbote war heute früher dran als sonst. Ich wusste, dass er das Grundstück nicht freiwillig betreten würde, und ich hatte keine Lust, die Sendungen morgen auf dem Postamt abholen zu müssen. Also legte ich rasch den hölzernen Löffel beiseite und wischte mir die Hände an der altmodischen Schürze ab. Trat ich hinaus auf die hölzerne Plattform vor der Eingangstür, von der aus eine steile Treppe zur Einfahrt hinabführte. Mein Vater hatte ihr vor zwei Jahren ihren letzten Anstrich verpasst. Die Farbe blätterte allmählich ab. Das Wetter setzte ihr zu. Nächstes Jahr würde ich mich darum kümmern müssen. Jetzt, so kurz vor dem Winter, war es sinnlos.
Es war ein schöner Oktobertag. Man konnte den Herbst in der Luft spüren. Raschelndes Laub bedeckte die Einfahrt. Während ich die Eingangstreppe hinunterging, nahm ich die Schürze ab und hängte sie, unten angekommen, über das hölzerne Geländer. „Guten Morgen!", rief ich dem Paketboten entgegen, auch wenn ich seine Reaktion bereits vorausahnte.
Er hob dann auch nur unwillig den Kopf – ein stämmiger Mann mit schütterem grauem Haar und rotem Kopf, der seit Jahren täglich herkam. Dennoch sah er mich nicht direkt an und erwiderte meinen Gruß auch nicht. Mit einer Sackkarre schob er einen wackligen Stapel Kartons bis gerade eben über die Grundstücksgrenze und setzte sie dicht am Zaun ab.
„Ist das alles?", fragte ich, obwohl ich mir sicher war, dass er nicht antworten würde.
Und ich hatte Recht. Er brummte nur irgendwas, verstaute die Sackkarre und stieg wieder in seinen Wagen. Nicht einmal eine Unterschrift wollte er von mir haben. Als der Motor röhrend zum Leben erwachte, stieg eine blaugraue Abgaswolke aus dem Auspuff auf und schwebte auf der Brise davon. Ich sah ihm hinterher. Mit jedem Mal, dass er mich belieferte, verschwand er nach getaner Arbeit etwas schneller. Als könne er meine Anwesenheit nicht länger als unbedingt nötig ertragen.
Ob er meinen Eltern gegenüber wohl genauso unfreundlich gewesen war?
Vergeblich versuchte ich, mich zu erinnern.
Nun gut, es änderte sowieso nichts an der Sache. Ich bewegte die Schultern gegen die Verspannung, die sein Besuch immer hinterließ, und hob das erste Päckchen hoch. Es war ziemlich groß, aber nicht sehr schwer.
Kein Absender.
Auch das war nicht ungewöhnlich. Die meisten Leute wollten nicht, dass wir sie noch einmal kontaktieren konnten. Es war schon Glück, wenn sich in den Paketen neben dem eigentlichen Objekt ein Zettel mit einer Erklärung fand. Meist waren wir bei Bewertung und Einordnung dessen, was uns geschickt wurde, komplett auf uns allein gestellt.
Ich sage die ganze Zeit wir, dabei bin ich inzwischen allein. Meine Eltern waren nicht reich gesegnet – nur eine Tochter, und das zu einem Zeitpunkt, als schon niemand mehr damit gerechnet hatte. Sie starben, kaum dass ich volljährig war, als hätten sie insgeheim nur auf diesen Augenblick gewartet. Endlich frei. Zurück blieben einige unbezahlte Rechnungen, ein Haus voller Gespenster – und eine neunzehnjährige Tochter, deren Lebensweg darin bestand, die Tradition hochzuhalten.
Und auch heute war ich auf mich allein gestellt. Es gab zwar nur wenige Passanten hier an der Straße in den Wald, doch wenn ich die Pakete zu lange vorne am Zaun stehen ließ, wuchs das Risiko, dass jemand sich an ihnen zu schaffen machte. Mutproben und so. Wäre nicht das erste Mal. Zum Glück dauerte es nicht lange, alles die Treppe hinauf und in den Flur zu schaffen. Ich setzte die Pakete hinter der Trennwand in der Garderobe ab und lief schnell in die Küche zurück, um das Gas unter dem Kochtopf abzudrehen. Keine Sekunde zu früh – das Apfelmus hatte bereits begonnen, am Topfboden anzusetzen. Ich rührte noch einmal und schob den Topf dann nach hinten, um mehr Platz zu haben. Rasch füllte ich mehrere Einmachgläser mit dem stückigen Mus und stellte sie zum Auskühlen auf den Kopf. Dann begann ich, die Pakete zu öffnen.
In den meisten Fällen war das, was die Leute uns schickten, in Wahrheit harmlos, und das ungute Gefühl, das es bei ihnen auslöste, erwies sich lediglich als ein Bestandteil ihrer eigenen Psyche. Schuldgefühle taten so etwas manchmal. Nicht, dass ich irgendwen verurteilte.
Ich stellte einen kleinen Spielzeugaffen mit Trommel auf die Anrichte und betrachtete ihn gründlich.
Plötzlich schepperte er los.
Ich zuckte zurück.
Seine Ärmchen bewegten sich wie von selbst. Winzige Trommelstöcke klapperten unrhythmisch auf die Plastiktrommel.
So etwas hatte ich schon das eine oder andere Mal miterlebt. Wahrscheinlich nur ein loser Draht in seinem Innern. Ich drehte ihn um und zog den roten Uniformstoff seines Oberteils beiseite. Der Klettverschluss gab ratschend nach. Darunter befand sich ein Batteriefach. Natürlich war es nicht leer.
Was dachten die Leute sich eigentlich dabei?
Vorsichtig hebelte ich die Batterien aus ihrer Halterung und legte sie beiseite. Dann drehte ich den Affen in den Händen und lauschte. Besser erklären konnte ich es nicht. Es war ein Talent – das Familienerbe, sozusagen. Aber diesmal blieb alles ruhig. Ich konnte nichts erspüren.
Eigentlich war der Affe ja ganz niedlich. Wenn man ihn abstaubte, könnte man ihn vielleicht noch spenden. Das tat ich mit den meisten Dingen, von denen keine Gefahr ausging. Ich hatte Kontakte für solche Fälle – Leute, die diese Dinge für mich erledigten. Ich brauchte Vermittler, wenn ich etwas Gutes tun wollte, denn man misstraute unseren Gaben. Nicht einmal Gold und Silber hätten die meisten Menschen von meiner Familie genommen, wenn sie geahnt hätten, woher es stammt.
Eine Weile hatte ich nach dem Tod meiner Eltern versucht, mein Einkommen mit Flohmarktständen aufzubessern. Sie hätten dieses