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Der Brandner Kaspar
Der Brandner Kaspar
Der Brandner Kaspar
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Der Brandner Kaspar

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About this ebook

Dass man den Tod überlisten kann und weiterleben darf, ist mehr als eine bayerische Geschichte; es ist ein uralter Menschheitstraum. Der Brandner Kaspar behandelt ein ewiges und großes Thema: Der Kaspar liebt seine Heimat so sehr, dass er sich nicht vorstellen kann, sie je zu verlassen. Als ihm aber vergönnt wird, ins Paradies zu schauen, erkennt er, dass im Jenseits das Spiegelbild der Seligkeit des Diesseits zu finden ist. Der Trost, der von dieser Vorstellung ausgeht, ist vielleicht ein Grund für die Faszination und den anhaltenden Erfolg der Geschichte vom Brander Kaspar. Kurt Wilhelm legt hier die umfangreiche Romanfassung des beliebten Stoffes vor.
LanguageDeutsch
Release dateNov 17, 2021
ISBN9783475549120
Der Brandner Kaspar

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    Der Brandner Kaspar - Kurt Wilhelm

    Die Jagd

    Der Tag, an dem der Brandner Kaspar hat sterben sollen, war einer von jenen, an denen die Natur behaglich zu schmunzeln scheint, wo poetische Seelen davon schwärmen, wie schneeweiß die Wolken sind, wie angenehm frisch das Elf-Uhr-Lüftl von den Bergen herab weht, wie die Mittagssonne nicht gar so heiß sticht, wie die Wälder widerhallen vom bunten, emsigen Lärmen der Vögel, wie es zirpt und summt in Wiesen und Gründen, und Schmetterlinge zuhauf über die Blüten hin schaukeln.

    Am Mittag noch war der Kaspar gänzlich gesund und springlustig und hat so viel Lazzi und G’spaß gemacht, dass ihn der Flori gefragt hat:

    »Was ist denn, du bist ja heut gar so fidel? Gibt’s einen Anlass?«

    »Grad den«, war die Antwort, »dass mich’s Leben unbändig g’freut. Des g’langt doch!«

    Die kleine weite Welt um den See ist von stiller Beständigkeit. Das Altbewährte wird sorgsam bewahrt, das Neumodische argwöhnisch beäugt, ob man es überhaupt braucht und für was es gut sein soll. Ein jeglicher hat seinen Platz, ein jegliches Tun und jegliches Ding seinen einfachen Sinn.

    Ein Durcheinander und elendes Lärmen gibt es in dieser Zeit der neuen Maschinen und Eisenbahnen nur in den Städten. Ja, vier Stunden entfernt, in München drin, da rasseln die Fuhrwerke, eines am anderen, und fahren einander in die Quere, da schreien und fluchen die Kutscher wie die Kutscher, plärren Hausierer, streiten Bettelweiber, gießt man Unrat aus den Häusern in die Rinnsteine, hämmern und wuchten Handwerker an ihrem Zeug den lieben langen Tag und die halberte Nacht, und unaufhörlich tappen Leute scheinbar ziellos hierhin und dorthin, mit schallenden Sohlen über die buckligen Kopfsteinpflaster. Uhren und Glocken schlagen von den Türmen eine jegliche Viertelstunde, das Militär marschiert mit klingendem Spiel, es ist ein ständiges Schwätzen und Hasten, und immer gibt es etwas zum Schauen, zum Hören, nie ist Ruh, und man muss sich seine Behaglichkeit suchen.

    Am Tegernsee rasselt halt ein-, zweimal am Tag ein Stellwagen oder ein Landauer von Gmund aus mit trabenden Rössern die Uferstraße entlang und bringt ein paar Sommergäste nach Bad Kreuth hinter zur Molkenkur. Es ist rundum so still, dass man am Ufer die Stimmen der Fahrgäste draußen über das Wasser vernehmen kann, wenn das kleine Dampfboot auf dem See herum schinakelt.

    Freilich krähen die Hähne sich von aller Herrgottsfrüh an heiser, brüllt vor dem Füttern und Melken das Vieh, hört man den Hufschlag der einzelnen Reiter oder gar einer Kavalkade weithin. Fuhrwerke knirschen auf sandigen Wegen, beim Marmorbruch am Lohbach, hinten am Ringberg, kracht dann und wann eine Sprengung, deren Echo lange durchs Tal rollt, und auf dem Sixtnhof bei Finsterwald drüben quietscht gottserbärmlich die alte Wasserpumpe, wenn man die Tröge füllt für die Fackein, das Vieh und die großen Gemüsebeete. Aber sonst, und abgesehen davon, herrscht eine weite Stille. Die Einheimischen sind sie gewohnt, und den Stadtfräcken ist sie ein Labsal. Dann und wann freilich wird’s lauter, so wie heute, wo eine Hofjagd die Idylle verscheucht. Da sind alle versammelt, die es angeht, die teilnehmen und helfen, und sie wuseln voll Eifer durcheinander.

    Das zweite Treiben ist am Spätnachmittag. Die Hunde haben das Wild bestätigt, verbellen und kreisen es ein, Jagdhörner tönen rundum, die es zum See lenken müssen, und der Kaspar spürt und weiß es, diesmal kommt der Hirsch nicht mehr aus, wie heut in der Früh, wo ein paar Deppen nicht Obacht gegeben haben, und er ist ihnen hinaus durch die Kette und hinauf in das Dickicht, versteckt und verloren für den Moment.

    Das war eine böse Blamage, wo er doch dem alten, schon etwas wackligen König angesagt und versprochen war. Der Prinz Carl hat recht unglücklich dreingeschaut, und der Herr Königliche Advokat Dr. Senger hat den Brandner beiseite genommen:

    »Was meinen S’, derwisch ma den noch?«

    »Man müsst suchen«, hat der Kaspar erwidert. »Ich kunnt mir eppa scho denken, wo dass er naus is.«

    »Tun Sie uns den Gefallen? Wenn einer ihn findet, dann Sie mit Ihrem tüchtigen Söllmann.«

    Da ist der Kaspar in der Mittagszeit, während die Herrschaften zum Picknick gelagert waren, mit seinem Leithund, dem Söllmann, über die Holzeralm den Kogel hinauf. Er hat fleißig geschaut, wo Zweigerln von dem fliehenden Hirschen geknickt worden waren, der Söllmann hat bald die Witterung gehabt und die Fährte lautlos verfolgt, bis er mit einem kurzen Bellen angesprochen hat. Der Brandner hat sich niedergebeugt und das frische Fädlein betrachtet, den dünnen Erdstreifen, der zwischen den Schalen des Hirsches emporgedrückt wird. Kein Zweifel, der Tritt war noch jung, der Hirsch ist ausgemacht, er muss in der Nähe sein. Der Brandner war nicht grad begeistert, dass der fremde König den Napoleon bekommen sollte, aber um der Herrschaft die Freud nicht zu verderben, hat er es unten gemeldet und angezeigt, wo man die Treiberkette erneuern und frisch aufstellen kann.

    Gegen Abend zu ist dann der Hirsch aus dem Dickicht gescheucht. Er stürmt talzu, verfolgt vom Bellen der Meute und den Rufen ›Tajo!‹ und ›Harro!‹ der Treiber, die sein Kommen ankünden. Jeden Augenblick muss er im Blickfeld des Brandner auftauchen, an ihm vorbei hinunter zur Fürlege hetzen, wo die Jagdgesellschaft schussbereit harrt. Der ist so gut wie Halali.

    Weiter oben brechen zwei Schüsse. Kann es da einer nicht derwarten, wo der Schuss doch dem König der Belgier gebührt, keinem sonst? Der Brandner tritt ärgerlich aus dem Gebüsch auf die Lichtung, will nach dem Rechten sehen, läuft ein paar Schritte –

    Da geschieht es. Das soll der Moment seines Todes sein. Er hört den Schuss schallen, ganz nah, eh er ihn wie ein Peitschenschlag am Kopf trifft und ihn umwirft. Im Fallen vermeint er, es dauere eine Ewigkeit, bis er den Boden erreicht, und während des schnellen, langsamen Sturzes jagen allerhand Bilder aus seinem Leben vorbei. Dann wird es ihm gänzlich schwarz vor dem Blick. Er liegt auf seinem Gesicht, seine Augen sind zu, und doch erkennt er ganz deutlich, wie und wo er da liegt, so, als stünde er aufrecht daneben und blicke von oben auf sich hinab. Zwischen ihm und der Welt sind auf einmal dicke gläserne Wände errichtet, die alles verzerren, verziehen, und durch die kein Laut dringt. Mit dem Peitschenschlag ist es um ihn stumm und still, starr und betäubt, und vor seinem unwahren Blick regt sich kein Ast und kein Blattl.

    Doch – etwas bewegt sich! Eine schwarze Gestalt erhebt sich in der Entfernung aus dem Dicket und schreitet langsam herzu. Ein Jäger in dunkler Livree will sich forschend über ihn beugen, über ihn, der vermeint, sich selber da liegen zu sehen.

    Der Kaspar möchte ihn anschreien: »Schaug net so loami, tu was und hilf«, da schwindet ihm diese unwirkliche Sicht von oben auf sich herab, wird blass und vergeht. Er kann seine wahren Augen wiederum öffnen, und sie sehen ganz nah vor sich die Steine, Gräser und das Moos des Waldbodens, auf den er gestürzt ist.

    Er ist wieder bei Sinnen, er versucht aufzustehen, dreht den Kopf und erkennt über sich, schattenhaft gegen den weiß-blauen Himmel, wie ein Etwas einen schwarzen Mantel aufhebt, um ein Gesicht zu verbergen, und gleich sich auflöst und fort ist, als sei da niemand gewesen, sondern nur ein Schatten, ein Schemen, sonst nichts.

    »Was is mir denn g’schehn? Warum hat’s mi hing’haut?«, will der Kaspar in seiner Wirrnis fragen und rufen: »Heda, ich bräuchert an Beistand!« Doch aus der Kehle kommt nur Gurgeln und Pfeifen, und gleich darauf fällt wieder Dunkel um ihn, seine Glieder strecken sich leer und schlaff, und der Söllmann, der ihn ängstlich umkreist hat, stupst den Leblosen mit der Schnauze und winselt.

    An diesem Morgen hatte man sich früher versammelt als sonst bei Hofjagden mit erlauchten Gästen, denn die meisten der Teilnehmer waren nicht Sonntagsjäger, die den Schießprügel nur gelegentlich auf gut Glück handhaben, sondern des edlen Waidwerks Kundige. Jagdherr und Gastgeber war der Feldmarschall und Generalinspektor der Armee, Prinz Carl, der Halbbruder des gewesenen Königs, ein Reiter vor dem Herrn, der es an Jagderfahrung mit einem jeden aufnehmen kann. Mit von der Partie waren Mannsbilder, die gleich ihm das Leben in freier Natur der Stadtluft allezeit vorziehen:

    Graf Arco-Zinneberg mit seinem Freund Franz von Kobell, Professor für Mineralogie. Der Advokat Dr. Senger, der sich oberhalb der ehemals gefürsteten Benediktinerabtei Tegernsee ein protziges Lustschlössl erbaut hat. Die Herren von Krempelhuber, von Stegmaier und Reichenbach aus dem Münchener Kaufherrenstande, Herr von Wydenbruckh und der Lord Ponsby, kurz alle jene, die in den letzten Jahrzehnten am Tegernsee, nahe der Gnadensonne des lange betrauerten ersten Königs von Bayern, Max des Ersten Joseph, und seiner sanften Gemahlin Caroline von Baden ein Sommer- und Jagddomizil sich errichtet hatten.

    Die Jagd war zu Ehren Leopolds I., des bald sechzigjährigen Königs der Belgier. Der hohe Besuch, ein Spross des befreundeten Hauses Sachsen-Coburg-Gotha, war ein viel bewunderter, gerechtsamer Herr, ein wichtiger Mann unter den Herrschern Europas. Von großem Einfluss auf seine Nichte Victoria, die englische Königin, dem Hause Frankreich verwandt und den Bayern gewogen. Der Witwer war mit seiner siebzehnjährigen Tochter auf der Reise nach Wien, wo sie dem österreichischen Erzherzog Maximilian verlobt werden sollte. Der alte Herr war, bei allem Wohlwollen, nicht grad als ein exzellenter Schütze zu preisen. Man bot ihm daher nicht eine Pirsch wie einem echten Jäger, sondern eine jener althergebrachten Treibjagden, bei denen man sich nicht echauffieren muss, weil einem gewiss etwas vor die Flinte gebracht wird.

    »Es wird eh a Trauerspiel«, hatte Graf Arco schon in aller Herrgottsfrüh beim hastig getrunkenen Kaffee zu Kobelln gesagt.

    »Na, was denn. Ma kann ihm bloß brav zutreiben. Kommt daher, was mag, wir selber dürfen nix treffen, aus Höflichkeit.«

    »Jedenfalls nicht, bis er einigermaßen a Strecke beinand hat, der Belgierpoldl.«

    Kobell machte schmale Augen unter seinen großen, buschigen Brauen: »Das Beste wird sein, ich halt mich in seiner Näh, und wenn er abdruckt, schieß ich im selben Moment mit, damit wenigstens hie und da irgendwas umfallt. Er wird gewiss nit lang fragen, ob’s meine Kugel war oder die seine.«

    »Hauptsach, er bringt überhaupts eine Strecke z’amm, na is er schon glücklich.«

    »Stehen tät gnua im Revier. Ich hab gestern den alten Brandner gebeten, dass er vorsucht. Könnt sein, am End kommt sogar der Napoleon daher.«

    Graf Arco musste lächeln. ›Napoleon‹ hatte der Brandner einen alten, rauflustigen Zwölfender getauft, der so unberechenbar war wie einst der Franzosenkaiser.

    »Is der vom Fockenstoa abi zum Kogel g’wechselt?«

    »Ja, die vorige Woch’.«

    Bei der gestrigen Behangzeit am Abend hatte der Brandner mit seinem Söllmann die Abtritte des Napoleon ausgemacht und für die Treiber mit Verbruch aus Zweigen bezeichnet. Der gerissene alte Hirsch war nicht von jener edlen Rasse, die Graf Arco vor einiger Zeit angesiedelt hatte. Er hatte als Spießer und Gabler frühzeitig gelernt, die Jäger nicht zu fürchten. Sie taten ihm nichts, weil er damals nicht jagdbar war, und so fühlte er sich allezeit sicher. Wurde er gestellt, hoffte er stolz eine Weile nach allen Seiten, wendete sich in kräftigem Bogen, keineswegs übereilt ins Unterholz, vollführte dort ein paar Wiedergänge und streckte sich endlich ins Dickicht, bis sich die Jagd und die Hörner entfernten. Er spielte sich auf als Platzhirsch, bewachte sein Wildbret gegen jüngere und stärkere Achter, indem er sie zornig ansprach, drohend gegen sie schritt und sie endlich in Sprüngen in die Flucht trieb. Dabei verblieben nicht selten einige Schmaltiere aus dem Harem des Jüngeren achtungsvoll beim Napoleon.

    Derzeit stand er oberhalb von der Holzeralm. Dem lautlos witternden Söllmann nachhängend, hatte der Brandner sein Bett in einer Feuchte gefunden und ihn am Schlosstritt erkannt, mit dem Hirsche beim Erheben mitten in ihrer Lagerstatt den Abdruck der Schalen hinterlassen. In der Nähe wuchs eine Leibspeise des Rotwilds, ein wilder Jasmin. Der allein gehende Napoleon hatte den Platz schon nahezu abgeäst, doch gab es unterhalb noch mehr davon, und so würde er gewiss heute wechseln. Dort war das Unterholz spärlich und licht, von dort aus konnte man ihn leicht vor die Büchsen der Hofjäger treiben als ein Prunkstück für den belgischen Gast.

    Obwohl er drüben daheim war, am anderen Ufer des Sees, am Albach, oberhalb von Kloster und Ort Tegernsee, zwischen Wester- und Pfliegelhof, noch ein Stück höher droben, kannte der Brandner sich auch auf dieser Seite recht gut aus. Auch wenn er selten in dieses Revier kam, sein sechster Sinn für jegliches Wild machte seine Wahrnehmungen verlässig. Dafür hatte ihn noch ein jeder Jagdherr belobigt. Instinkt, Erfahrung und seine lebenslange Leidenschaft für die Jägerei ließen ihn den Jungen in allen Stücken über sein.

    Der Haller Simon, Hofjäger in Diensten des Prinzen Carl, zog ungern auf eine große Jagd, wenn der Brandner nicht mit von der Partie war. Manchmal zahlte er ihm sogar aus der eigenen Tasche einen Sold als Jagdhelfer, weil er wusste, dass er in heiklen Situationen ohne den Alten aufgeschmissen war.

    Der Kaspar war weithin beliebt und geachtet. Wenn er so daherkam, spottlustig, mager, zäh und ein bissei krummhaxert, mit der verschmitzten Freundlichkeit auf dem in tausend Falten gegerbten Gesicht, verströmte er eine Sicherheit, die Vertrauen einflößen musste.

    In der Frühe hatte sich die Gesellschaft nahe dem prächtigen Königsgut Kaltenbrunn versammelt. Die Gäste genossen gebührend den weiten Blick über den See auf die Blauberge, hinter denen der Unnütz im Tiroler Achental hervorragte. Zum Betrachten reichte man ihnen die neueste Attraktion der Naturschwärmer, farbige Gläser, durch die das Panorama überraschende Varianten gewann.

    Dann waren die Herren zu Pferde, der Belgier und die Damen in Wagen, am Finnerhof vorbei zum Rohnbognerhof hinaufgezogen, neben dem das Gebäude der Ölkapelle steht. Während die Treiber von den Hofjägern auf ihre Plätze gewiesen wurden, zeigte man den Belgiern die Erdölquelle, die der heilige Quirinus aus der Erde hat sprudeln lassen, wie die Legende behauptete.

    Majestät Leopold erfuhren, und waren höflich beeindruckt darob, dass schon im 15. Jahrhundert ein dunkelgrünes, dickliches Bergnaphtha dem Boden entquoll, das auf Wasser schwamm, leicht entzündbar war und dem Heilkräfte nachgesagt wurden. Prinzessin Maria Charlotte kräuselte während der Erläuterung durch einen Ingenieur des Hofes die Nase ob des penetranten Geruches und begehrte ins Freie.

    Dort harrte der Rohnbogner im Kreise seiner zahlreichen, sauber gewaschenen, gekämmten, geschnäuzten Familie, um mit tiefer Verneigung, halsig um ein verständliches Schriftdeutsch bemüht, den hohen Gästen ein Fläschchen voll Öl als Souvenir zu verehren.

    »Glauben S’ as, Majestät, bal S’ an Wehdam ham, ich mein, eine Schmerzlichkeit, a Halsweh oder a Reißerts, schmieren S’ es unverzagt drauf. I sag ’s Ihna, des hilft auf der Stell, besser wie a jegliche Kräuterhex. Nix tut so guat, wie meine Familie beweist, wenn Sie ’s o’schaun mögen, ich meine geruherten, da, wie ’s dastehngan, allesamt g’sund zum Verrecka.«

    Unter der Holzeralm war dieses Tages Fürlege. Dort fassten die Jäger in weitem Halbkreis Posto und erwarteten den Zutrieb. Die Strecke des Vormittags war erfreulich. Dass der versprochene Napoleon entwischte, ließ die Gastgeber sich vielmals entschuldigen, beratschlagen und den Eifer verdoppeln. Die Hofjäger, unter ihnen der Haller Simmerl, wurden instruiert, beim Treiben am Nachmittag sich so zu postieren, dass sie durch absichtsvoll daneben gezielte Schüsse den Napoleon, wenn man seiner habhaft werden und ihn herleiten könne, vor die Flinte des Königs jagten.

    Durch besonderen Eifer im Bedienen der Herrschaft tat sich wieder einmal der Kaufmann Senftl buckelnd hervor. Seines Amtes als Stellvertreter des Bürgermeisters war es, den Verlauf von Festlichkeiten sorgfältig zu arrangieren.

    »Schau nur, der G’schaftlhuber, wie er wieder rumfuhrwerkt«, flüsterten Treiber, und manch einer stellte sich bei seinen Befehlen grad extra recht dumm an, damit der Gockel vor Ärger rot anlief.

    Der Senftl Alois war weiß Gott nicht beliebt, doch kam keiner ohne ihn aus. Sein Kaufhaus, in dem es alles gab, was man brauchte, Werkzeug, Stoffe, Geräte, Gewürze, Spezereien, Petroleum, Waffen, Pulver, Wagenschmier und Heiligenbilder, beherrschte den Markt. Sein Eheweib regierte den großen Hof nahe der Tuftn, während er nebsbei Geschäfte machte mit Holz, mit Vieh und Getreide, Rüben, Kartoffeln und Saatgut, Gründe vermittelte und Häuser und Höfe, Boote und Wagen verlieh an reisende Gäste, kurz, in allem und jedem seine gierigen Finger drin hatte.

    Seine Tüchtigkeit war ebenso respektabel wie unangenehm. Nach der Napoleonzeit ein armer Schlucker, der vazierend mit Graffel und Glump von Hof zu Hof zog, hatte er es verstanden, sich beim gutmütigen König Max in derart schmieriger Weise einzuschmeicheln, dass er zum Gespött wurde, und wehe, es wagte heute noch jemand, ihn daran zu erinnern. Dank der königlichen Förderung und seiner Gerissenheit brachte er es zu Vermögen und Einfluss. Weil er auch Geld auf Zinsen verlieh, war die Zahl seiner Schuldner erheblich. Kleine und größere Bauern, Fischer, Fuhrleut und Handwerker waren abhängig von seiner Gnade und durften nichts gegen ihn sagen oder gar unternehmen. Hohen Herrschaften gegenüber war er stets hilfreich, süß und devot, aber auch sie trauten ihm nicht über den Weg.

    Er war es, der an diesem Mittag in triefendem Eifer dem Brandner befahl:

    »Es geht um die Wurscht, wir müssen a Ehr einlegen, hoppauf, geh zu mit dei’m Söllmann und find ihn uns schleunigst, den Malefizhirschn, den gottsverreckten.« »Warum akkrat mir diese Ehr?«, tat der Kaspar gleichmütig und verriet nicht, dass er nach der Bitte des Dr. Senger ohnehin auf dem Wege war, den Napoleon zu suchen. »San net Jager g’nua da, vom Hof und die Forstämter, was sollt da a armes Mannderl wie ich ausrichten, noch dazu ganz allein?«

    Der Senftl war zu humorarm, um den Hohn zu erkennen. »Du kennst dich am bessern aus, alter Wilderer, g’stell di net so! Des weißt du genau, dass ich verantwortlich bin für den heutigen Erfolg, und drum tust du des auf der Stell, und zwar für mich, sonst – mehra brauch i ja wohl nimmer sagen, oder?«

    »Naa, drohen brauchst wahrlich net, damit i der Herrschaft einen Gefallen erweis«, hatte der Brandner erwidert. Als der Senftl mit seinen glühenden Augen über der Vogelnase in dem hageren Gesicht noch weiter scharf und unangenehm keifte, ihn ja nicht zu hintergehen und womöglich nicht fleißig zu suchen, und ihm dabei immer wieder mit dem Zeigefinger auf die Brust stach, hatte er ihm einfach den Rücken gekehrt und war, den Hund an der Leine, pfeifend davongeschlendert.

    »Dich muss ma ermahnen, weil du bist und bleibst a Hallodri, dir kann ma net trauen«, hatte der Senftl ihm nachgerufen, so laut, dass es andere hören mussten.

    Da hatte der Brandner sich umgedreht und ebenso laut zurückgerufen:

    »Aber gell, dir traut blindlings a jeder, du glücklicher Mensch, du gute, kreuzbrave Seel’«, und im Fortgehen einige genüsslich kichern gehört. Nein, mit dem Senftl war kein Auskommen, und die Schulden, die er bei ihm hatte, bedrückten den Brandner mitunter recht sehr.

    Gegen den Abend zu nahm die Jagd auf den Napoleon einen Verlauf, den niemand erwartet hatte.

    Als der Brandner nach dem Schuss leblos lag, brach der flüchtige Hirsch an ihm vorbei. Der königliche Gast wartete schon in einiger Spannung, das Gewehr schussbereit an die Wange gelehnt, denn er wollte sich vor den erfahrenen Jägern keine Blöße gestatten. Kobell, halb hinter ihm stehend, legte, für alle Fälle, bedächtig zum Parallelschuss an.

    Das Kläffen der Hunde, das Lärmen der Treiber, die Gasse der Hörner und lenkenden Schüsse der Hofjäger hetzten das Tier der Fürlege zu. Es tauchte auf, der Belgier zog durch, der Schuss brach, der Napoleon stürzte im vollen Lauf, rutschte ein Stück ins Gebüsch und blieb liegen.

    Triumph!

    Die Gesellschaft applaudierte dieser Krönung der Jagd und schenkte dem übrigen Getier, das im Gefolge des Lärms noch vorbeikam, keine Beachtung mehr. Prinz Carl gab dem Hornisten das Zeichen, und es erscholl das stolze ›Hirsch tot‹. Der König bekam einen Kuss seiner Tochter und nahm die Glückwünsche der Gastgeber huldvoll lächelnd entgegen.

    Dann begab man sich zu der gefällten Beute. Der Napoleon lag reglos mit offenen Lichtern, der Lecker hing ihm aus dem Maul. Man reichte dem König den Gnicker, das Jagdmesser, bog die hindernden Buschen beiseite, in die der mächtige Körper gestürzt war, Majestät beugten sich nieder –

    – da, kaum hatte der Herrscher der Belgier die Luser gepackt, um waidgerecht zu genicken, fuhr Lebendigkeit in die Kreatur, sie rangelte und riss sich empor auf die Läufe und fegte so kraftvoll, als sei sie niemals getroffen, bergauf und davon. Majestät machten einen erschrockenen Satz rückwärts und bargen sich bei der Prinzessin, und noch ehe einer der verblüfften Umstehenden für einen Nachschuss die Waffe ergreifen konnte, war der Napoleon schon im Unterholz verschwunden.

    »Was is des für e Gwerch …?«, stöhnte der König, ins Fränkisch der Jugendtage verfallend.

    »Qu’est-ce que c’est?«, rief die Prinzessin, »Ca c’est tellement incroyable. C’etait mort, bien sûr mort!«

    »A Prellschuss, Kreuzdividomine, gibt’s denn des aa!«, rief Graf Arco.

    »Alle heilige Zeiten kommt sowas vor«, sagte Prinz Carl entschuldigend, »ich hab ’s selber noch niemals erlebt bis auf heut.«

    »Prellschuss?«, begehrte der König zu wissen, und Kobell wusste ihm Antwort: »Es ist immer bedenklich, wenn der Schuss einen Hirschen so niederwirft auf dem Fleck. Oft ist da nur das Kreuz geprellt oder unter dem Rückgrat, wie man sagt, ›hohl‹ durchgeschossen.«

    »Aber er ist doch verletzt und muss eingehen. Er bleibt irgendwo liegen, man kann ihn doch finden«, rief der geprellte Jäger, voll Empörung, dass die Jagdtrophäe, die sein Brüsseler Schloss zieren zu helfen bestimmt war, so eigenwillig am Leben geblieben sein sollte.

    »Net amal das ist gewiss, Majestät, mit Verlaub. Meistens erholt so einer sich bald, weil die Wunde nur klein und glatt durchgängig ist. Ich befürchte, den ham ma verloren, zumindest für heut …«

    »Die Hund’ hinterher, trotzdem. Man soll die Suche aufnehmen«, befahl Prinz Carl seinen Jägern. »Wer kennt sich aus? Wo ist der Brandner mit seinem Söllmann …?«

    Der liegt noch wie tot auf dem Bauch, als ihn einer der Treiber, der junge Florian Högg, im Vorüberlaufen entdeckt, weil der Söllmann neben ihm tänzelt und Laut gibt. Der Flori erschrickt, ruft ein hilfloses, halblautes »Heda – da liegt einer« ins Leere, läuft herzu, kniet nieder und wendet den Alten um. Der ist gar nicht tot, seine Augenlider flattern. Der Flori richtet ihn auf und bringt ihn zu sich.

    »Brandnervater, geh zua, mach keine G’schichten, wach doch auf! Was is dir denn g’schehn?«

    Der wälzt und ringt sich aus der Betäubung, und als er endlich die Augen aufgebracht hat, stöhnt er:

    »Herrschaftszeiten … der Flori! Bist du der sell Schwarze?«

    »Was für a Schwarzer? Bist net am Zeug? A Schuss hat dich g’striffen, da am Schädel, am Ohr. Es bliat no …« Die Kugel ist sichtbar am Filz des alten verbeulten Hutes abgeglitten, hat ihn aufgerissen und den oberen Rand vom Ohrwaschel erwischt. Da läuft helles Blut aus der Wunde. Der Flori tastet vorsichtig.

    »Ouh, du, des war haarscharf! Da kannst fei a Kerzen stiften zum Dank. Oa Alzerl daneben, und du wärst nimmermehr da.«

    Der Alte ist noch ganz dasig.

    »Einen Schuss in der Näh hab ich grad noch vernommen, aber was danach g’wesen is, Flori … des war mehra wie g’spaßig«, murmelt er und rappelt sich mühsam empor auf die Füß. Er beutelt den Schädel, tappt sich ans Ohr und schaut kopfschüttelnd auf das Blut an den Fingern.

    »G’spürst was? Is dir net extra? Draht sa si vor deine Augen oder so eppas?«, fragt der Flori besorgt.

    »Naa naa, nixi. I bin aufm Posten, es tut net amal weh. Grad so a g’spaßiges Singen und Zirpen hab i im Schädel«, erwidert der Brandner wie in Gedanken, fingert sein Sacktuch heraus und presst es aufs Ohr.

    »Wer schießt da auf mich und verschwindt … und warum? I kann mir des all’s net so recht z’ammadipfin …«

    »Hast den Schützen denn g’sehen?«

    »Ja. Nein. Glaub scho. I bin mir net g’wiß.«

    »Hast ’n net ’kennt?«

    »I moan, net. A ganz a schwarz ang’legter Kerle könnt’s g’wen sein.«

    »A Jager, a fremder, von die Belgischen einer?«

    »Wär gut möglich.«

    »Solchene Lalli g’hörert a Lehre verpasst für den Leichtsinn! Schießen, wenn Leut davor san!«

    Von unten tönt soeben das Hornsignal ›Hirsch tot‹ und danach das wilde Geschrei und Getön. Ein Vieh bricht in der Nähe durchs Holz, läuft bergan, Schüsse fallen, und gleich darauf schreit wer:

    »Hö, wer strawanzt da umanander im Schussfeld!«

    Der Brandner horcht auf:

    »Des is doch der Simmerl –«

    »Der sell Jager vom Prinzen? No, von dem is’ bekannt, dass er schießt wie a Wildsau, wenn sich wo was rührt. Ob ’s am End der war, der dich derwischt hat?«

    Ein Fehlschuss des eifrigen Haller Simon? Gewiss, der schwarzschädlerte Bursch war ständig bemüht, durch besondere Tüchtigkeit sich beliebter zu machen, als dies seinem verschlossenen, etwas groben Wesen beschieden war. So brav er auch war und obwohl er sich nie einen Tadel verdiente, er hatte es immer schwer gehabt, Freunde zu finden und fröhlich zu sein. Er musste sich eine jegliche Anerkenntnis sauer erringen. Gut möglich, dass er im Eifer und um sich hervorzutun blindlings dem flüchtigen Hirschen nachgeschossen und dabei den aufrecht stehenden Brandner übersehen hatte.

    »Der Simmerl?«

    Ein winziges Lächeln zieht um den Mund des Alten. Er schaut listig zum Florian hin:

    »Du meinst, dem sollt ma auf alle Fälle die Lehre erteilen?«

    »Dem ganz g’wiß. Wurscht, ob er ’s war oder net. Eh ’s ’n zerreißt, vor lauter Bedeutung, die er sich einbild’t.«

    Der Brandner, das Schlitzohr, von dem allbekannt ist, dass er keine Gelegenheit vorbeigehen lässt, jemandem einen Streich zu spielen, feixt:

    »Guat, tratz ma ’n a bissei. Pass gut auf und spiel mit. Des gibt a Gaudi!«

    Er reckt das Ohr hin und fragt: »Bliat ’s noch?« Und als der Flori nachschaut und nickt, zwinkert er zufrieden, legt sich gestreckterlängs auf den Boden und beginnt recht zu jammern: »Ah ah – au au«, und, als sei er eingeweiht und spiele mit, hebt der Söllmann wiederum herzzerreißend zu winseln an und tänzelt mit krummem Rücken um ihn.

    Der Simmerl taucht am Rande der Lichtung auf, schreit herüber: »Seids ihr denn narrisch, dass ihr im Schussfeld …«, erblickt die Gestalt auf dem Boden und rennt erschrocken herzu:

    »Brandner, was is denn?«

    Der Flori zieht die Augenbrauen recht weit hinauf: »Taat er noch fragen. Statt dass er a Brillen aufsetzert, ehvor dass er ’s Gewehr in die Hand nimmt.«

    »I hab bloß dem Hirschen hinterhergschossen«, stammelt der Simmerl.

    »– und an alten Dackel getroffen, au au.«

    Der Simmerl kniet und betrachtet die Wunde: »Da ham ma, scheint’s, grad noch a Massl g’habt. Schlimm schaut’s net her.«

    »Aber schwindlig is mir, so vui schwindlig«, wimmert der Alte und rollt in gespieltem Schmerz den Kopf hin und her.

    Der Simmerl ist einen Atemzug lang ratlos. Dann wirft er den Rucksack von seiner Schulter: »Wart, ich verbind dich«, zieht ihn auf, kramt herum und bringt Leinzeug und Charpie heraus.

    »Gell«, feixt der Flori gelinde, »so a ganz a sicherer Schütz hat allerweil a Verbandszeug im Sack, is ’s net so?«

    »Du musst mi ausspotten, du Ratschenbertl, du windiger Treiber«, knurrt der Simmerl, hebt eine helle, eckige Glasflasche aus dem Sack, korkt sie auf, schüttet ein wenig über das Linnen und tupft damit auf der Wunde herum. Ein zarter Duft breitet sich aus.

    »Ui, is des wahrhaftig a Kerschgeist?«, fragt der Brandner und windet sich nicht mehr und ächzt auch nicht weiter.

    »Freili. Des Beste, dass die Wunde sich schließt.«

    »Geh, aber äußerlich is es doch ewig schad um a selchterne Kostbarkeit. Gebertst mir besser a Schlückerl für einwendig, zu meiner Stärkung, gegen mein’ Schwindel, verstehst.«

    »Von mir aus.«

    Der Kaspar schnuppert, ehe er trinkt, und bezeigt Überraschung: »Uh, der is aber was ganz was Rar’s, kimmt mir für. An sowas kommt unsereins sonst net so leicht. Wo hast denn den her?«

    »A Wurzer-Burgl’scher is’, a G’schenk vom Prinz Carl.«

    »An dich?«

    »Ja, an mich.«

    »Da schau her. Für Verdienste am End?«

    Der Simmerl bemerkt nicht den Spott, sondern ist stolz: »Ja, für die heutige Jagdausrichtung.«

    »Na mach i mei’ Gratulation und dank dir, dass du die Kostbarkeit teilen willst mit mir. Vergelt’s Gott, Simmerl.«

    »G’segen’s Gott.«

    Er verbindet mit Sorgfalt den Schädel und merkt in der Pflicht nicht, wie viel auf einen einzigen Zug, grinsend, genüsslich, der Alte aus seiner Flasche heraustrinkt. Im Eifer entgeht ihm auch noch, dass hinter seinem Rücken der Flori einen gewaltigen Zug tut, eh er dem Kaspar die Flasche zurückreicht. Der setzt abermals an, um sich noch mehr zu vergönnen, da schreit schon der Simmerl: »Hö – net a so viel! Der ist kostbar! Und b’suffa bal dich die Herrschaften finden –«

    Der Flori macht recht kummervolle Augen her und derbleckt den Jäger im Jammerton: »Simmerl, bedenk doch, wie groß dass der Schwindel vom Kaspar is, vermutlich durch deine eigene Schuld –«

    Das ist zu viel. Da fährt er auf und rückt ihm nah auf den Leib: »Du, sei net so frech, du Lauser, und schmatz da net so a Zeugs umanander. Lauf lieber ’nunter zur Gesellschaft und vermeld, dass ich aufg’halten bin, für den Moment!«

    Der Flori nickt und heuchelt Gehorsam:

    »Weil du wen ang’schossen hast, sag ich.«

    Da packt ihn der Simmerl hart am Schlafittl und zieht ihn sich nah vors Gesicht:

    »Untersteh dich und sag des! Es is net erwiesen, dass des mei Schuss war! Wehe, du probierst es, dass d’ mich blamierst vor die Herrschaften, Bürschei!«

    »Guat«, grinst der Flori und schaut ihn treuherzig an. »Na lüg i was z’amm, und du tust es beichten, hernach.«

    Jetzt merkt es sogar der Simmerl, dass man ihn ausspottet, und löst den harten Griff an Floris Gewand, während er drohend erwidert:

    »Schau du nur drauf, dass du dei’ eigene Hoffart derbeichtst, und bekümmmer dich net um mein Seelenheil. Schieb ab!«

    Wenn zwei so junge Burschen einander nicht grün sind, ist meistens ein Weiberts dran schuld. Der Brandner weiß nur zu gut, wer es ist, sein eigenes Enkelkind nämlich, die Marei, die zusammen mit ihm das klein gewordene Anwesen bewirtschaftet.

    Sie kennt den Haller Simon schon, seit sie ein halbertes Kind war, weil der Simmerl sich immer beim Kaspar Rat geholt hat. Erst hat er sie wenig beachtet, aber dann,

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