Und Pippa tanzt!
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Book preview
Und Pippa tanzt! - Gerhart Hauptmann
Gerhart Hauptmann
Und Pippa tanzt!
Ein Glashüttenmärchen
Saga
Und Pippa tanzt!
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1906, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726956849
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
www.sagaegmont.com
Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.
Dramatis Personae
Tagliazoni, italienischer Glastechniker
Pippa, seine Tochter
Der Glashüttendirektor
Der alte Huhn, ein ehemaliger Glasbläser
Michel Hellriegel, ein reisender Handwerksbursche
Wann, eine mythische Persönlichkeit
Wende, Wirt in der Schenke im Rotwassergrund
Die Kellnerin in der gleichen Schenke
Schädler, Glasmalermeister
Anton, Glasmalermeister
Waldarbeiter
Jonathan, Diener bei Wann, stumm
Einige Glasbläser und Maler, Gäste bei Wende
Ein kropfiger Okarinspieler
Das Märchen spielt im schlesischen Gebirge zur Zeit des Hochwinters.
Erster Akt
Das Gastzimmer in der Schenke des alten Wende im Rotwassergrund. Rechts und im Hintergrund je eine Tür, die letztere auf den Hausflur führend. Im Winkel rechts der Kachelofen, links das Schenksims. Kleine Fensterchen, Wandbänke, dunkle Balkendecke. Drei besetzte Tische links. Den ersten, am Schenksims, nehmen Waldarbeiter ein. Sie trinken Schnaps und Bier und rauchen Pfeifen. Um den zweiten Tisch, mehr nach vorn, sitzen besser gekleidete Leute: die Glasmalermeister Schädler und Anton, einige andere und ein Italiener von etwa fünfzig Jahren, namens Tagliazoni, der sehr verwegen aussieht. Sie spielen Karten. Am vordersten Tisch hat sich der Glashüttendirektor niedergelassen: ein hoher Vierziger mit kleinem Kopf, schlank und schneidig in der Erscheinung. Er trägt Reitstiefel, Reithose und Reitjackett. Eine halbe Flasche Champagner steht vor ihm und ein feines, vollgeschenktes Spitzglas. Daneben auf dem Tisch liegt eine Reitpeitsche. Es ist nachts nach zwölf. Draußen herrscht starker Winter. Einige Lampen verbreiten karges Licht. Durch die Fenster dringt Mondschein in den dunstigen Raum. Der alte Wirt Wende und eine ländliche Kellnerin bedienen.
Wende, grauhaarig, von unbeweglich ernstem Gesichtsausdruck. Noch eine Halbe, Herr Direktor?
Direktor. Was denn sonst, Wende? – Ganze! – Ist die Stute gut abgerieben?
Wende. War selber dabei. So'n Tier verdient's! sah wie'n Schimmel aus, so voller Schaum.
Direktor. Stramm geritten!
Wende. Staatspferd.
Direktor. Hat Blut! Stak manchmal bis an den Bauch im Schnee. Immer durch!
Wende, schwach ironisch. Treuer Stammgast, der Herr Direktor.
Direktortrommelt auf den Tisch, lacht flott. Eigentlich sonderbar, was? Januar, zweistündiger Ritt durch den Wald, alter Kerl – spaßhafte Anhänglichkeit! Sind meine Forellen schon im Gang?
Wende. Gut Ding will Weile!
Direktor. Jawoll, woll, woll! werden Sie bloß nicht ungemütlich! – Kann ich was dafür, daß Sie hier in dieser halb böhmisch, halb deutschen verlassenen Kaschemme sitzen, Wende?
Wende. Das nich, Herr Direktor! Höchstens wenn ich raus muß!
Direktor. Sie oller Griesgram, reden Sie nich!
Wende. Gucken Se mal zum Fenster naus.
Direktor. Weiß schon, die olle, verfallene Konkurrenzhütte. Die wird mal nächstens auf Abbruch verkauft, bloß daß Sie nich immer wieder von anfangen. – Was klagen Sie denn? Es geht doch sehr gut! Sie kommen doch zwei, drei Stunden her und lassen das Geld sitzen, haufenweise.
Wende. Wie lange wird denn der Rummel dauern? Als die Glashütte hier nebenan ihre zwei Öfen noch brannte, da war das'n ruhiges, sicheres Brot – jetz is man uf Schweinerei angewiesen.
Direktor. I, Sie Querkopp! machen Sie mal, daß ich Wein kriege! Wende entfernt sich achselzuckend. An dem Spielertisch ist ein Wortwechsel entstanden.
Tagliazoni, heftig. No, signore! no, signore! impossibile! ich haben ein Goldstück hingelegt. No, signore! Sie täuschen sich! no, signore ...
Meister Schädler. Halt! verpuchte Liega sein doas!
Tagliazoni. No, signore! per Bacco noch mal! Ladri! Ladri! assassini! ti ammazzo!
Meister Anton, zu Schädler. Do leit ju dei Geld!
Meister Schädlerentdeckt das gesuchte Goldstück. Das war dei Glicke, verdammter Lausigel!
Direktor, zu den Spielern hinüber. Na, ihr Lüdriane! wann hört ihr denn auf?
Meister Anton. Wenn der Herr Direktor nach Hause reit't.
Direktor. Da könnt ihr ja nackt hinterm Gaule herlaufen! Bis dahin habt ihr doch's Hemde vom Leibe verspielt!
Meister Anton. Das wollen wir doch erst mal sehn, Herr Direktor!
Direktor. Das kommt davon, daß euch der Graf so sündhaft viel Gelder verdienen läßt. Ich wer euch mal müssen das Stücklohn herabsetzen. Je mehr ihr habt, je mehr bringt ihr durch!
Meister Anton. Der Graf verdient Geld, der Direktor verdient Geld, die Malermeester wolln ooch nich verhungern!
Tagliazonihat die Karten gemischt, beginnt ein neues Spiel. Neben jedem Spieler liegen veritable Goldhäufchen. Basta! incominciamo adesso.
Direktor. Dove è vostra figlia oggi?
Tagliazoni. Dorme, signore! È ora, mi pare.
Direktor. Altro che!
Er schweigt unter Zeichen leichter Verlegenheit. Inzwischen setzt ihm Wende selbst die Forellen vor und leitet die Kellnerin an, die gleichzeitig die Flasche Sekt und Kartoffeln herbeibringt.
Direktor, mit einem Seufzer. Scheußlich langweilig ist's heute bei Ihnen, Wende! man läßt sich's was kosten und hat nichts davon.
Wendestockt in dem eifrigen Bemühen um seinen Gast und sagt grob. Da gehn Se doch künftig anderswohin!
Direktorkehrt sich und guckt durch das Fensterchen hinter seinem Rücken. Wer kommt denn da noch übern Schnee geklimpert? – wie über Scherben trampelt ja das!
Wende. Scherben gibt's woll genug um die Glasbaracke.
Direktor. Ein riesiger Schatten! wer ist denn das?
Wendehaucht gegen das Fenster. Höchstens der alte Glasbläser Huhn wird das sein. Auch so'n Gespenst aus der alten Glashütte, das weder leben noch sterben kann! – Haben Se mit Ihrer Sophienau die Geschichte schon mal kaputt gemacht, warum führen Sie se nich als Filiale weiter?
Direktor. Weil's nischt bringt und'n riesigen Deibel kost't. Immer noch durchs Fenster blickend. Achtzehn Grad! klar! hell wie am lichten Tag! zum Wahnsinnigwerden der Sternenhimmel! blau, alles blau! Er wendet sich über seinen Teller.