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Hamburger Mörderwaffen: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 13
Hamburger Mörderwaffen: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 13
Hamburger Mörderwaffen: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 13
Ebook321 pages3 hours

Hamburger Mörderwaffen: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 13

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About this ebook

Dieser Band enthält folgende Krimis um Kommissar Uwe Jörgensen von der Kripo Hamburg:

Kommissar Jörgensen und der programmierte Mord
Eine ultramoderne Hightech-Waffe gerät in falsche Hände und bringt Tod und Verderben. Ihr genialer Schöpfer wird in Hamburg ermordet und scheint einer Verschwörung großer Verbrecherorganisationen zum Opfer gefallen zu sein. Nur ein einsamer Ermittler ahnt die unfassbare Wahrheit ...

Kommissar Jörgensen und der Schalldämpfer
Gangs bekriegen sich in Hamburg im erbarmungslosen Kampf um Anteile im Drogengeschäft. Aber die Hintermänner sitzen ganz woanders ...
Eine Waffe spielt die Schlüsselrolle, denn die Ermittler wissen genau: Nur über diese Waffe führt die Spur zum Killer ...

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton Reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

LanguageDeutsch
Release dateDec 10, 2021
ISBN9783753200415
Hamburger Mörderwaffen: Zwei Fälle für Kommissar Jörgensen 13

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    Book preview

    Hamburger Mörderwaffen - Alfred Bekker

    Kommissar Jörgensen und der programmierte Mord

    1

    Mein Name ist Uwe Jörgensen und ich bin Kriminalhauptkommissar in Hamburg. Zusammen mit meinem Freund und Kollegen Roy Müller gehöre ich einer Sondereinheit an, die sich vor allem mit den sogenannten großen Fällen beschäftigt, worunter meistens nichts anderes als die sogenannte organisierte Kriminalität zu verstehen ist.

    Kriminalpolizeiliche Ermittlungsgruppe des Bundes, so nennt sich die Abteilung.

    Einmal im Monat gehe ich auf den Schießstand, um mich in der Handhabung meiner Dienstwaffe zu üben.

    Ja, ich gebe zu: auch ich schieße manchmal daneben.

    Im Ernstfall könnte das ein Menschenleben kosten.

    Entweder mein eigenes oder das eines Kollegen oder einer Geisel… Da lassen sich viele verhängnisvolle Situationen konstruieren. Noch schlimmer wäre, wenn man im Einsatz den Falschen trifft - und auch sowas kommt vor. Oder man trifft jemanden, die Kugel durchschlägt den Körper und tötet am Ende noch jemand anderen, der völlig unbeteiligt ist. Auf das Problem von Querschlägern will ich an dieser Stelle gar nicht erst eingehen.

    Schießereien, bei denen nur das getroffen wird, was getroffen werden soll, gibt es nur im Film.

    Und selbst da geht manchmal was daneben.

    Also wäre es doch eigentlich schön, wenn es Munition gäbe, die sich ihr Ziel selber sucht.

    Munition, die ihr Ziel nicht verfehlen kann, egal wie schlecht oder unvorsichtig der Schütze ist.

    Munition, die programmiert werden kann und das Ziel verfolgt.

    Fast so, wie eine Drohne - nur viel kleiner.

    Glauben Sie mir: Das wäre ein Albtraum.

    Aber es wird längst daran gearbeitet, ihn wahr werden zu lassen.

    *

    Lee Jiang betrat mit seinem Gefolge das Nobellokal 'Schlemmertempel' in der Saarlandstraße. Der kahlköpfige Mann mit den asiatisch-starren Gesichtszügen wurde von einem Dutzend Männern in dunklen Maßanzügen begleitet. Die meisten von ihnen trugen MPis im Anschlag. Sie flankierten ihren Chef von allen Seiten.

    Lee Jiang selbst trug eine kugelsichere Kevlar-Weste unter dem Jackett.

    Der große Boss aus St Pauli blieb stehen, fixierte mit seinem Blick die Männer, die bereits an der langen Tafel Platz genommen hatten.

    Es handelte sich um Mario Savoca und seine kalabrischen ‘Ndrangheta-Leute. Blitzschnell gingen auch bei ihnen die Hände zu den Waffen. Ein Dutzend Mündungen von MPis und automatischen Pistolen zeigten in Richtung der Chinesen.

    Der Kellner wartete erstarrt neben dem Buffet.

    Sekundenbruchteile lang herrschte Stille.

    Dann murmelte Lee Jiang einen knappen Befehl auf Kantonesisch. Seine Männer senkten die Waffen. Das Gesicht des Chinesen blieb völlig unbewegt.

    »Verstehen Sie so einen Empfang etwa als Ausdruck Ihrer Gastfreundschaft, Herr Savoca?«, fragte er in makellosem Deutsch.

    Mario Savoca war noch keine dreißig. Ein fast zierlich wirkender Mann, mit kinnlangem, schwarzblauem Haar und dünnem Knebelbart, bis auf den Millimeter genau rasiert. Eine dunkle Sonnenbrille verdeckte seine Augen. Er zögerte noch eine Sekunde, machte dann seinen Leuten ein Zeichen.

    Auch die senkten jetzt die Waffen, die Lage entspannte sich.

    »Setzen Sie sich!«, bot Savoca an.

    Lee Jiang nickte. Zusammen mit einem Teil seines Gefolges trat er an die Tafel heran, während sich der Rest im Raum verteilte. Jemand zog für den Chef den Stuhl zurück, Jiang setzte sich.

    »Ein schönes Lokal haben Sie für dieses Treffen ausgesucht«, sagte der Mann anerkennend.

    Savoca grinste schief, kicherte, wischte sich mit dem Ärmel über den Mund.

    »Seit kurzem gehört es mir«, erklärte er.

    »Mein Respekt.«

    »Ihre Gorillas können hier ruhig herumschnüffeln, soviel sie wollen! Meinetwegen auch in der Küche! Ich habe nichts dagegen.«

    »Ich gehe davon aus, dass Sie ein Ehrenmann sind, Herr Savoca.«

    »Ach, ja?«

    Savoca grinste.

    Lee Jiangs Gesicht blieb unbeweglich wie eine Maske.

    »Sollte sich etwas anderes herausstellen, gibt es keinen Ort auf der Welt, an dem Sie noch sicher wären. Ich - oder mein Nachfolger - würden sich dann nicht nur damit begnügen, Sie einfach zu töten ...«

    Savocas Gesichtsausdruck wurde hart.

    »Wollen Sie mir drohen?«

    »Ich möchte das Geschäft mit Ihnen neu ordnen.«

    »Es wird uns niemand dabei stören«, erklärte Savoca.

    »Wie Sie sehen, haben wir diesen Nobelschuppen heute für uns ganz allein.«

    »Es gab in der Vergangenheit einige Unstimmigkeiten, die wir aus der Welt schaffen sollten. Einen Krieg können wir uns im Moment beide nicht leisten.«

    Savoca bleckte die Zähne.

    »Ich teile Ihre Analyse, Herr Jiang.«

    Einer der Bodyguards, die Jiang begleiteten, hatte sich an der großen Fensterfront postiert. Er blickte hinaus. 'Schlemmertempel' lag im 10. Stock. Man hatte eine traumhafte Aussicht auf den Stadtpark.

    Der Bodyguard genoss sie einige Augenblicke lang. Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck.

    Es verzog sich zu einer Maske des Entsetzens.

    Er trat einen Schritt zurück, schrie ein paar Worte auf Kantonesisch.

    Die Chinesen an der Tafel wirbelten herum.

    Auch Savocas Männer starrten jetzt zur Fensterfront.

    Das Glas zersprang.

    Pfeilschnell drang ein Geschoss ins Innere des 'Schlemmertempel’'.

    Sekundenbruchteile danach gab es eine gewaltige Detonation, der einen Moment später noch eine zweite und dritte folgte.

    Die Todesschreie gingen im Lärm der Explosionen unter.

    Eine mörderische Druckwelle breitete sich aus, ließ menschliche Körper wie Puppen durch den Raum fliegen. Innerhalb von Sekunden verwandelte sich 'Schlemmertempel' in eine grausame Flammenhölle.

    2

    Die Saarlandstraße war durch die zahllosen Einsatzfahrzeuge völlig blockiert. Wagen der Polizei und der Feuerwehr befanden sich dort. Außerdem mehrere Krankenwagen, Fahrzeuge von Notärzten, Einsatzwagen des Kriminalpolizei und dem zentralen Erkennungsdienst aller Hamburger Polizeieinheiten.

    Ich stellte den Sportwagen am Stadtpark ab. Roy und ich stiegen aus.

    Einige hundert Schaulustige hatten sich angesammelt. Die Kollegen der Polizei hatten ihre Mühe, sie davon abzuhalten, näher an den Tatort heranzugehen.

    Wir starrten die Fassade des Hochhauses hinauf. In Etage 10 war es geschehen. Die Folgen der gewaltigen Explosion, die sich ereignet hatte, waren auch von außen nicht zu übersehen. Eine Rauchsäule hing über dem Stadtpark. Aber es quoll nichts mehr aus der zerstörten Fensterfront der 10. Etage heraus. Offenbar war der Brand gelöscht.

    Ein gewaltiger Rußfleck verdunkelte die Fassade auf einer Fläche von mindestens zwanzig Quadratmetern.

    Roy und ich zeigten den Kollegen unsere Dienstausweise, nachdem wir uns durch die Schaulustigen gedrängelt hatten. Ein Polizist winkte uns weiter.

    Wir erreichten das Foyer.

    Die Security-Leute wirkten ziemlich hektisch. Der Einsatzleiter der Feuerwehr gab über Walkie-Talkie seine Befehle.

    Wir mussten noch einmal unsere Ausweise vorzeigen. Der Einsatzleiter wurde auf uns aufmerksam.

    »Kriminalpolizei?«, fragte er. »Ihre Kollegen vom Erkennungsdienst sind schon oben.«

    »Haben Sie eine Ahnung, was hier passiert ist?«, fragte Roy.

    »Fragen Sie mich Leichteres. Es sieht aus, als hätte jemand eine Handgranate durchs Fenster geworfen!«

    »In den 10. Stock?«, hakte Roy nach.

    »Ich sagte ja nur, dass es so aussieht. Wenn Sie wollen, können Sie hinauf, aber Sie müssen über das Treppenhaus. Die Aufzüge sind noch nicht wieder in Betrieb.«

    Ich atmete tief durch. Das hatte ich schon befürchtet.

    Aber das war bei jedem Hochhausbrand die eiserne Regel: Nie die Fahrstühle benutzen! Da konnte man nicht vorsichtig genug sein.

    So blieb uns nichts anderes übrig, als das Treppenhaus zu benutzen. Immer zwei Stufen nahmen wir auf einmal.

    »Nimm's als Konditionstraining!«, meinte Roy.

    »Ich dachte eigentlich, dass ich genug in dieser Hinsicht tue.«

    »Wird sich gleich zeigen, Uwe!«

    »Ach ja?«

    »Wenn wir oben sind und du kriegst immer noch Luft, dann bist du in Form.«

    »Sehr witzig!«

    Wir brauchten eine ganze Weile, bis wir die 10. Etage erreichten und jene Räume betraten, in denen sich noch vor kurzem ein Nobelrestaurant mit dem klangvollen Namen 'Schlemmertempel' befunden hatte.

    Der Anblick war entsetzlich, der Geruch beinahe unerträglich. Überall waren Spurensicherer bei der Arbeit.

    Kommissar Ronny Kiwinzky begrüßte uns.

    »Hallo, Uwe!« Er sah ziemlich mitgenommen aus. »Frag mich nicht, was hier genau passiert ist. Wir können mit Sicherheit nur sagen, dass eine gewaltige Detonation stattgefunden hat. Es gibt schätzungsweise zwanzig Todesopfer. Genau können wir das nicht sagen. Bis die Toten allesamt identifiziert sind, kann es eine Weile dauern.«

    »Ja«, nickte ich düster.

    Und Roy fragte: »Keine Überlebenden?«

    »Doch, zwei. Der eine heißt Georg Hummels und arbeitete hier als Kellner. Der Mann liegt im Koma, hat schwerste Verletzungen und wird vielleicht nicht durchkommen.«

    »Wie konnte er die Detonation überleben?«, erkundigte ich mich.

    »Er muss in der Tür zur Küche gestanden haben und wurde dann zurückgeschleudert.«

    »Und der andere?«, hakte ich nach.

    »Mark Millner der Koch des 'Schlemmertempel'. Er befand sich zum Zeitpunkt der Explosion in der Küche.«

    »Ist er ansprechbar?«

    »Körperlich fehlt ihm kaum etwas. Aber er steht unter Schock, redet nur noch wirres Zeug.«

    »Ich verstehe ...«

    »Der Besitzer dieses Ladens ist übrigens seit kurzem ein gewisser Mario Savoca«, berichtete Kiwinzky »Das ist für euch ja wohl kein Unbekannter!«

    »Allerdings«, nickte ich.

    Mario Savoca war unseren Informationen nach eine aufstrebende Größe in der Hamburger Unterwelt. Wir verdächtigen ihn in illegale Waffengeschäfte verwickelt zu sein. Bislang lagen allerdings nicht genügend gerichtsverwertbare Indizien vor.

    »Gibt es Hinweise darauf, ob Savoca unter den Toten ist?«, fragte mein Freund und Kollege Roy Müller.

    Kiwinzky hob die Augenbrauen.

    »Wie kommst du darauf?«

    »Weil wir von einem Informanten wissen, dass hier ein Treffen zwischen Savoca und Lee Jiang stattfinden sollte.«

    Kiwinzky pfiff durch die Zähne.

    »Eine Konferenz der Bosse!«

    »Ja, so könnte man sagen.«

    »Roy, wir haben keine Ahnung, wer die Toten sind. Noch nicht ...«

    In diesem Moment trafen unsere Kollegen Stefan Czerwinski und Ollie Medina ein. Sie wurden von dem Kollege Barkow, einem unserer Sprengstoffexperten, begleitet.

    Kollege Barkow ließ den Blick kreisen.

    »Das wird nicht einfach«, meinte er. Er wandte sich an mich. »Die Verwüstungen sind so groß, dass es schwer werden wird, noch irgendwelche aussagekräftigen Spuren zu finden.«

    »Eine Angabe zur Beschaffenheit des Sprengstoffs würde uns schon ein Stück weiterbringen«, sagte ich.

    Barkows Gesicht wurde skeptisch.

    »Du wirst Geduld haben müssen, Uwe.«

    Eine halbe Stunde später waren wir immerhin etwas schlauer. Die Videoüberwachungsanlage des privaten Sicherheitsdienstes hatte genau festgehalten, wer sich hier getroffen hatte.

    Savoca und seine Kalabrier waren etwa zwanzig Minuten vor Jiang und seinen Männern eingetroffen. Jetzt lebte vermutlich keiner mehr von ihnen.

    Genau wussten wir das erst, wenn wir überprüft hatten, wer von diesen Männern das Gebäude wieder verlassen hatte.

    Wir beschlagnahmten sämtliche Videobänder der letzten Tage. Unsere Innendienstler würden sie sich vornehmen müssen. Irgendwie musste die Sprengladung in das Restaurant 'Schlemmertempel' gebracht worden sein. Bislang hatten wir keine Ahnung, wie das geschehen sein konnte. Alle diejenigen, die uns darüber hätten Auskunft geben können, waren tot oder nicht aussagefähig.

    »Der Täter - beziehungsweise sein Auftraggeber - muss von dem Treffen gewusst haben«, stellte Roy fest. »Und er muss irgendeinen Nachteil von einer Einigung zwischen den Kalabriern und Jiangs Leuten befürchtet haben.«

    Ich nickte.

    »Wenn man unseren Informanten glauben kann, dann überschneiden sich die Interessen beider Gruppen beim illegalen Waffenhandel.«

    »Dann wette ich, dass wir in der Waffenhändler-Szene auch früher oder später auf jemanden treffen, der einen Vorteil von diesem Verbrechen hat.«

    Etwas später traf Tim Kordan ein. Kordan war der Geschäftsführer des 'Schlemmertempel'.

    Im Gegensatz zu dem bedauernswerten Koch, der jetzt die Hilfe eines Psychologen brauchte, war Kordan zur Zeit des Sprengstoffanschlags nicht im Gebäude gewesen. Wir unterhielten uns in einem Nebenraum mit ihm, der von den Security-Leuten als Umkleide benutzt wurde.

    »Herr Kordan, wann haben Sie von dem Treffen erfahren, das im 'Schlemmertempel' stattfinden sollte?«, fragte ich.

    Kordan, ein Mittdreißiger mit dunklen Haaren und kantigem Gesicht, hob die Augenbrauen.

    »Ich weiß nicht, von was für einem Treffen Sie reden«, behauptete er.

    »Spielen Sie nicht den Ahnungslosen!«, forderte ich. »Sie sind der Geschäftsführer. Sie können mir nicht erzählen, dass Sie nicht wussten, wer sich heute im 'Schlemmertempel' getroffen hat. Schließlich war das Lokal für alle anderen Gäste geschlossen.«

    Kordan atmete tief durch.

    »Kann ich meinen Anwalt sprechen?«

    »Natürlich, wenn Sie wollen ... Ich nehme an, es handelt sich um Herrn Rechtsanwalt Taubert, den Sie jetzt anrufen wollen.«

    Kordan wirkte verblüfft. »Wie ...?«

    »Taubert ist der Anwalt von Herrn Savoca - und der 'Schlemmertempel' gehört ihm doch seit kurzem.«

    »Eigentümer ist Herr Winfeld Kross«, korrigierte mich Kordan.

    »Ein Strohmann«, erwiderte ich.

    »Wollen Sie mir was anhängen, oder was? Ich bin der Geschäftsführer, nichts weiter, Herr Jörgensen.«

    »Irgendwie muss die Sprengladung in das Lokal gelangt sein. Haben Sie eine Ahnung, wie das geschehen sein könnte?«

    Er schüttelte den Kopf. »Nein.«

    »Wissen Sie etwas über die näheren Umstände, unter denen 'Schlemmertempel' in Mario Savocas Besitz übergegangen ist?«

    Kordans Nasenflügel bebten.

    »Was soll das ganze Theater? Warum werden mir solche Fragen gestellt? Ich mache hier meinen Job und fertig. Das ist alles!«

    Ich nickte nur, wechselte einen Blick mit Roy.

    »Sie können gehen«, meinte Roy. »Wenn wir noch Fragen an Sie haben, melden wir uns.«

    Kordan blickte von einem zum anderen. Dann verließ er den Raum.

    »An dem Kerl ist etwas faul«, meinte ich. »Der weiß sehr viel mehr, als er uns weismachen will, da bin ich mir sicher.«

    »Ja, aber im Moment hat es wenig Sinn, mehr aus ihm herauspressen zu wollen.«

    Ich zuckte die Schultern.

    »Schon merkwürdig, dass der Geschäftsführer des 'Schlemmertempel' ausgerechnet an dem Tag nicht im Laden ist, an dem sich dort eine Explosion ereignet ...«

    Wir befragten noch Dutzende von Personen. Anlieger, Geschäftsleute, deren Büros im gleichen Gebäude lagen, Menschen die vielleicht irgendetwas beobachtet hatten.

    Zwischendurch rief Herr Bock an. Der Chef des Hamburger Kriminalpolizei hatte inzwischen jeden verfügbaren Beamten zu unserer Unterstützung abgestellt.

    Die Sorge, die dahinterstand, war klar.

    Das Attentat mochte der Vorbote eines Gangsterkrieges sein. Von den Spannungen in der Waffenhändlerszene wussten wir schon seit längerem. Auch davon, dass Mario Savoca ein sehr ehrgeiziger Mann gewesen war, der versucht hatte, den illegalen Waffenmarkt nach und nach unter seine Kontrolle zu bekommen.

    »Wer immer dieses Attentat ausgeheckt hat, wollte möglicherweise ganz bewusst beide aus dem Weg räumen - Lee Jiang und Savoca«, meinte Roy.

    »Du meinst, eine fremde kriminelle Vereinigung versucht hier mit Brachialgewalt Fuß zu fassen?«, fragte ich.

    Roy nickte.

    »Für mich sieht das so aus.«

    Am späten Nachmittag tauchte dann eine Spur auf, die unseren Ermittlungen später eine ganz andere Richtung geben sollte.

    Wir sprachen mit Cedric Martin, der ein Stockwerk unterhalb des 'Schlemmertempel' als Senior Director der Werbeagentur Martin & Friends fungierte.

    »Ich habe es genau gesehen«, behauptete Martin. »Ich stand am Fenster, blickte hinaus auf den Stadtpark ... Wissen Sie, manchmal kommt man in einer Kampagne einfach nicht weiter und dann ...«

    »Was genau haben Sie gesehen?«, hakte ich nach.

    »Etwas, das durch die Luft flog ... Ich meine, es ging so rasend schnell ... Ich dachte zumindest, dass da etwas fliegt. Ein Ding, das nicht größer als ein Stein gewesen sein kann!« Er atmete tief durch, fuhr sich mit einer nervösen Handbewegung durch das graue, kurz geschorene Haar.

    Er zeigte uns die Stelle in seinem Büro, wo er gestanden hatte. Der Brandgeruch war auch bis hierhin vorgedrungen. Aber die Scheiben der Fensterfront wiesen nur einige Sprünge auf. Weiter hatte die Explosion in der Etage darüber sie nicht in Mitleidenschaft gezogen - abgesehen von ein paar Eimern Putz, die von der Decke gerieselt waren. Ein weißgrauer Staubfilm lag über der gesamten Einrichtung der Agentur.

    »Hier genau habe ich gestanden«, sagte Martin. »Im ersten Moment dachte ich, ich bilde mir etwas ein, dann kam dieses Ding dahergezischt ... Es gab erst ein Geräusch wie von einem Aufprall, dann klirrte es, so als würde eine Scheibe zu Bruch gehen. Ich dachte erst an einen Vogel. Wissen Sie, es wäre ja nicht das erste Mal, dass so ein Tier in eine Scheibe hineinfliegt, weil sich der Himmel darin spiegelt.«

    »Aber dies war kein Vogel?«, hakte ich nach.

    Er schüttelte den Kopf.

    »Nein«, flüsterte er. »Sekundenbruchteile später folgte die Explosion.«

    Ich trat ans Fenster heran, blickte hinaus.

    Die Zahl der Schaulustigen unten an der Straße hatte sich inzwischen deutlich verringert.

    Der Verkehr auf der Saarlandstraße hatte sich normalisiert, ein Großteil der Einsatzfahrzeuge war abgezogen. Ich sah auf den Stadtpark hinaus. Roy trat neben mich.

    Und er dachte dasselbe wie ich.

    »Siehst du da irgendwo einen Punkt, von dem aus man in den 10.Stock dieses Hauses ein Geschoss hineinjagen könnte, Uwe?«

    Ich schüttelte den Kopf.

    »Aus jeder anderen Richtung wäre das eher möglich gewesen, als ausgerechnet aus dieser«, meinte ich.

    Der Stadtpark lag im Mittel um die 60 Meter unter uns.

    Es gab keine Erhebungen, die wesentlich über dieses Niveau hinausgingen. Und andere, ähnlich hohe Gebäude, von denen aus jemand hätte schießen können, gab es nur in entgegengesetzter Richtung.

    »Wollen Sie etwa behaupten, dass ich Unsinn rede?«, fragte Martin etwas ungehalten.

    »Nein«, versicherte ich. »Wir nehmen Ihre Aussage sehr ernst.«

    3

    Dr. Alex Fernow knüllte den Zettel zusammen. Jemand musste ihn durch den Belüftungsschlitz in seinen Spind hineingeschoben haben.

    '22.30 im Labor!', hatte auf dem Zettel in ungelenk wirkenden Druckbuchstaben gestanden. Darunter und etwas kleiner der Zusatz: 'Wir müssen reden.'

    Alex Fernow zerriss den Zettel nun sorgfältig und ließ die Fetzen in den Papierkorb segeln.

    Verdammt!, dachte er. Musste das unbedingt jetzt sein sein? Nach diesem Tag?

    Fernow kratzte sich nachdenklich am Kinn, das von einem grauen Stoppelbart bedeckt wurde.

    Er hatte gerade eine strapaziöse Sitzung mit dem Vorstand von Lonberg Electronics hinter sich. Ihm rauchte immer noch der Kopf. Fernow arbeitete in der wissenschaftlichen Entwicklungsabteilung der aufstrebenden Firma im Osten von Wandsbek. Sein Spezialgebiet waren elektronische Steuerelemente und Relais von mikroskopischer Größe. Fernow hatte schon auf diesem Gebiet promoviert und galt mittlerweile als eine der größten Kapazitäten im Bereich der Mikroelektronik.

    Er hatte den Labortrakt des Lonberg Zentralgebäudes an diesem Abend eigentlich nur deswegen noch einmal betreten, weil er den Regenmantel mit den Wagenschlüsseln aus seinem Spind holen musste, bevor er nach Hause fahren konnte.

    Fernow schloss den Spind wieder. In einem Schrank auf der anderen Seite des Umkleideraums hingen die hauchdünnen, weißen Staubschutzoveralls, die jeder tragen musste, der die Labore von Lonberg Electronics betrat. Schon winzige Staubmengen hätten ansonsten dafür sorgen können, dass die Prototypen hochmoderner Mikrochips nicht mehr funktionierten.

    Fernow streifte den Overall über, dann verließ er den Umkleideraum und passierte mit Hilfe seines Ausweises ein System von Schleusen.

    Auf den Korridor

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