Kaiser Karls Geisel
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Book preview
Kaiser Karls Geisel - Gerhart Hauptmann
Gerhart Hauptmann
Kaiser Karls Geisel
Saga
Kaiser Karls Geisel
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1908, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726956870
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
www.sagaegmont.com
Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.
Ein Legendenspiel
Scrivesi adunque, che il re Carlo, il quale i Francesi col cognome di Magno agguagliano a Pompeo ed ad Alessandro, nel regno suo ferventemente s'innamorò d'una giovane, la quale, per quanto agli occhi suoi pareva, ogni altra del regno di Francia di bellezza in quei tempi trapassava. Fu questo re di sì fervente amore acceso di costei, così perduto, ed ebbe l'animo così corrotto dalle sue tenere carezze e lascivie, che non curando il danno, che per tal cagione nella fama e nell'onore ricevea, ed abbandonati i pensieri del governo del regno . . .
»Le sei giornate« des Sebastiano Erizzo, 16. Jahrhundert
Dramatis personae
Kaiser Karl der Große, König der Franken
Gersuind
Ercambald
Alcuin
Rorico
Bennit
Der erste Kapellan
Die Oberin
Die Schwester Verwalterin
Klosterschwestern und Zöglinge der Klosterschule Kapellane,
Diener, Jäger, ein Schüler
Erster Akt
Das Schlafzimmer Karls des Großen im Palaste zu Aachen. Es ist die Stunde vor Sonnenaufgang eines Tages im Weinmond. Karl, noch auf seinem Bette sitzend, wird von Dienern angekleidet. Er ist, obgleich über das sechzigste Jahr hinaus, ein aufrechter und kraftvoller Mann. Graf Rorico, nicht über dreißig Jahr alt, ein schöner Mann von edler Haltung, steht in gemessener Entfernung, die Befehle Karls erwartend, da.
Karl
Ein neues Hemd! so! herrlich! klar gebleicht!
Kühl! zög' ich einen neuen Menschen an! –
auch kühl!? – nein! noch ein Weilchen ausgeharrt,
bevor das letzte kühle, kalte Hemd
weiß durch die Glieder niederrinnt! gut Freund,
noch nicht! – gut Freund: noch nicht! laß hängen, laß
in seinem Schrank das Hemd – laß mir mein Herz
mit seinem Pferdefuß! behalt dein Hemde
von Eis . . . den steifen Popanz, der den Wurm
im Sarg empfängt mit steifer Reverenz . . .
behalt ihn – deinen neuen Menschen – noch!
So! Binden um die Schenkel: Frankentracht!
Ich bin ein Franke! wer bestreitet's? – frei!
wer leugnet's? – ein Gefangener meiner Pflicht!
wer weiß es anders? – mächtig! soll ich's wem
beweisen? ganz ohnmächtig! knetet mir
mein lahmes Bein! wo ist der Bader? hurtig! –
Und nun, Graf, ohne Umschweif die Geschäfte.
Rorico(mit Humor)
Herr, noch ist alles in den Kanzeleien
voll Aufruhr. Ercambald, der Kanzler, hat
die Zeit verschlafen, wie mir scheint! er tobt!
Karl
Verschläft er Zeit, der alte Esel, der
mit der Minute geizen sollte? was?
Will er nicht leben? steig' er denn ins Grab!
Mein Otternfell!
Das Wams aus Otternfell wird ihm angezogen.
Rorico Sein Nachttrunk wohl verschuldet's.
Karl
So geht's: er pries das Leben, pries den Wein!
die Liebe gar! – um alles zu verschlafen.
Nein, wachen! weiß ich auch nicht recht, warum.
Glotzt nicht! bewegt euch! tut, als ob ihr irgendwas
zu tun berufen wäret in die Welt,
und täuscht mir vor, ich hätte was zu tun.
Rorico(in dem Wunsche, ihn irgendwie zu beschäftigen)
Bennit, ein Sachse, Herr, mit einer Bittschrift
bedrängt seit Wochen unsern Obertürwart.
Der Unentwegte ist auch heut am Platz.
Karl
Bringt mir den Unentwegten.
Graf Rorico beauftragt einen der Diener, einen sechzehnjährigen Knaben, jenen Bennit hereinzurufen. Der Knabe pflichteifrig ab. Karl für sich fortfahrend
Sachsen! Gut!
nichts Neues! ess' ich dreiundzwanzig Jahre doch
vom Ei zum Apfel stets das gleiche Frühstück:
warum nicht Sachsen, Sachsen, Tag für Tag?
Die Kuh der Treue striegeln, dies Geschäft
ist nutzbar, doch mich schläfert's, wie den Knecht,
der's tut, und wie die Milchmagd unterm Euter.
Wortbruch: das ist's! der Sommerblitz, der Schlag:
Wortbruch! –
Er greift unter sein Kopfkissen und zieht sein Schreibtäfelchen hervor.
Mein Täfelchen! – Mal' einer mir
das Wort in Wachs, mit einem Glorienschein.
Er schreibt, alles um sich vergessend, mit sichtlicher Mühe auf sein Wachstäfelchen. Indessen tritt leise der Kanzler Ercambald ein und zum Grafen Rorico. Der Kanzler ist nicht weit vom achtzigsten Jahre, langgelockt wie Karl, mit bedeutenden, aber fanatischen Gesichtszügen, die Spuren senilen Verfalls zeigen.
Ercambald(geflüstert zu Rorico)
Wie geht's ihm?
Rorico Sag' ich »gut« – gelogen! – »schlimm« –
nicht minder! doch es ist ein Geist . . . auch heut
ein fremder, unruhvoller Geist auf ihm.
Karl(im lauten Selbstgespräch)
He! Kopf! wo bist du! Kopf? Quadrivium!
Die sieben freien Künste . . . Trivium:
Grammatik, Dialektik . . . nicht Musik!
Quadrivium und Trivium: nun merke.
(Zu Ercambald, als wäre dieser immer dagewesen)
Ein Rätsel: mit wem kämpfte König Karl
den schlimmsten Kampf zeit seines Lebens? nun?
Ercambald
Kein Zweifel . . .
Karl Nun, was?
Ercambald Mit dem Sachsenvolk.
Karl
Schlaukopf! gefehlt! mit niemand als sich selbst.
(Weiter memorierend)
Quadrivium: Musik! –
(Mit einigem Ächzen sich erhebend)
Rorico, werde
nie alt.
Rorico Gesegnet und ersehnt, o Herr,
ein Alter wie das deine.
Karl Trivium,
Quadrivium. O Weisheit Salomonis,
die zu begreifen mir gegeben ist –
nicht euch! Zu Tafel soll der Kapellan
mir heut die Weisheit Salomonis lesen.
Wie alles eitel, ganz nur eitel ist,
und wie geschieht, was schon geschah, getan wird,
was schon getan ist: säen, pflanzen, ernten!
Paläste bauen und zerstören! Länder
bevölkern und zur Wüste machen! Wunden
schlagen und heilen! Schätze finden, sie
verlieren und suchen, wiederfinden dann!
wegwerfen das Gefundene! würgen! strafen!
belohnen! küssen . . .
küssen, hörst du das,
Rorico? wie? – Musik! Quadrivium:
Ein Himmelston im irdischen Lärme! nicht? –
Genug! Bring mein Serapissiegel mir!
(Mit übermütiger Selbstironie)
Die Welt ist Wachs, und der sie formt, bin ich!
Bennit, ein heldenhaft aussehender sächsischer Mann, wird von zwei Kapellanen hereingeleitet; er nimmt eine finster abwartende Haltung an. Karl mit Bezug auf Bennit
Wie ein Gespenst aus einem Totenbaum! –
Was willst du?
Bennit Recht!
Karl Du