Lebensfreude im Alter, bitte!: Wie uns die Weisheit der Senioren leiten kann
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Folgt man diesen Berichten, so versteht man auch, dass das Leben nicht von etwas weg führt, sondern auf etwas zu. Zu reifen wird so zu einem Ziel, das sich bewusst ansteuern und positiv gestalten lässt. Aus dieser Perspektive lässt sich aus den Geschichten ein Gewinn für Lesende jeden Alters ziehen.
Barbara Yaga Mierzwa
Barbara Yaga Mierzwa (Jahrgang 1981) wurde in Polen geboren und wuchs dort auf. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre und Ingenieurwissenschaften kam sie nach Deutschland und begann als Ingenieurin zu arbeiten. Inzwischen ist sie zusätzlich als Psychologische Beraterin ausgebildet. Seit ihrer Jugend beschäftigt sie sich mit dem Thema der kreativen Lebensgestaltung durch Selbstbestimmung und dem Dialog der Generationen. "Lebensfreude im Alter, bitte!" ist ihr erstes Buch.
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Book preview
Lebensfreude im Alter, bitte! - Barbara Yaga Mierzwa
Gottesmädchen
Jahrgang 1925
Ich arbeite nicht mehr. Auch ehrenamtlich nicht. Ich genieße jetzt, dass ich Freiheit habe. Ich habe ein wildbewegtes Leben hinter mir. Ich könnte einen spannenden Film drehen. Ich war gerade im Gedächtnistraining bei der Hirsch Begegnungsstätte; ich gehe da zu Vorträgen hin. Ich verbringe meine Zeit generell sehr gemütlich. Mir ist es wichtig, menschliche Kontakte und gute Unterhaltung zu haben. Ich gehe mal zum Beispiel zum Seniorennachmittag zu Kaffee und Kuchen in eine Kirche. Eine Pfarrerin organisiert das sehr gut und hat immer ein Thema dazu. Wir haben letztens vom Geld gesprochen. Alte Leute tauschen sich aus, wie es ihnen früher ging. Ich gehe dahin und dadurch habe ich viele Kontakte. Aber die richtig netten Leute sind bei mir leider schon gestorben. Ich hatte eine nette Nachbarin – alles ist weg! Das ist also ein gewisses Problem. Ich habe noch zwei Leute, wo die Chemie stimmt, sozusagen. So dass man eben wirklich merkt: Man hat ungefähr die gleiche Einstellung. Es ist für mich ein Geschenk: ein gutes Gespräch und der Kontakt. Goethe wurde mal gefragt: „Haben sie lieber eine Landschaft zum angucken oder ein gutes Gespräch? Und da hat er gesagt: „Ein gutes Gespräch
. Einen Gedankenaustausch zu verschiedenen Sachen finde ich wichtig. Ich gehe regelmäßig in einen Sportclub: in den Lady-Club – Radfahren, Gymnastik. Wenn ich wollte, könnte ich dort auch manche Kontakte haben, aber das schaffe ich nicht mehr alles. Ich gehe auch mal für mich alleine mit zwei Stöcken spazieren – muss ich auch manchmal. Aber wie gesagt, mir ist ein guter Kontakt, das Menschliche, am Wichtigsten.
Ich habe jemanden im Haus, sie ist auch sehr positiv, und da freue ich mich, wenn ich sie sehe. Sie soll mir beim Aufräumen helfen. Aber da kommt sie, wir lachen mal wieder, machen sonst was. Ich lebe jetzt eigentlich sehr locker und gammle gerne rum. Ich konnte nie gammeln, früher musste es immer schnell dorthin, dorthin und alles. Heute ist die Zeit ein Geschenk. Ich genieße es sehr, Zeit für mich zu haben. Ich möchte aber diese Zeit sinnvoll nutzen. Und bewusst! Ich lese gerne und habe viele gute, hochinteressante Bücher. Getanzt habe ich auch immer gerne. Mit 78 habe ich noch ein zweites Mal geheiratet! Und mit meinem Mann lebte ich zehn Jahre zusammen. Mit ihm habe ich auch noch getanzt. Ihn habe ich geführt! Ich habe ihm immer gesagt: „Jetzt mach mal so und so, und die Leute haben immer gesagt: „Er tanzt so gut!
. Und dann hat eine Frau gefragt: „Darf ich noch mit ihrem Mann tanzen?" – ich war einverstanden, da hat sie ihn einfach stehen gelassen! Humor haben ist wichtig!
Für Musik bin ich auch. Das kommt jetzt im Lady-Club! – sie wollen so eine Tanzsache machen, wo man nach Musik irgendwie nach eigener Phantasie tanzt. Ich will sehen, wie das ist. Das fängt jetzt an. Ich habe viel Freude an der Bewegung. Und Singen bringt mir viel Freude. Wenn es mir manchmal schlecht geht, singe ich ein paar Lieder und zwar aus dem Gesangbuch mit Jesus. Dann geht es mir schon ein Stück besser. Also durch das Glauben kriege ich dann doch wieder Freude. Zum Glauben bin ich erst mit 52 gekommen. Ich fühlte mich total am Ende. Das war für mich der Anfang, zu glauben. Ich habe so viel Gutes durch den Glauben erlebt. Wenn ich heute vom Glauben reden kann, freue ich mich auch. Das ist mein Leben: „Jesus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn".
Theater habe ich früher auch gerne gespielt. Zu Hause mit meiner Schwester haben wir uns manchmal etwas ausgedacht. Mein Vater hat gedichtet, er hat immer schöne Ideen gehabt. Es war schon toll. Wir mussten alles lernen und das dann aufführen. Es gab immer einen Bezug zur Familie oder zu allen möglichen Sachen. Es machte viel Spaß. Und jetzt, zu meinem 90. Geburtstag auch, aber ganz kurz: „Wie man gescheit wird. Da war eine die Bauersfrau und ich war die tolle Frau aus Berlin, die nach Tübingen kam. Das macht wirklich Spaß, wenn einige Leute dabei sind... Fotos aus den alten Zeiten anschauen, mag ich auch. Manche sagen: „Da war es schön damals und jetzt geht es mir so mies
. Und ich sage: „Damals war ja auch nicht alles wunderbar, gell?"
Mit 65 Jahren ging ich in den Ruhestand, und habe mir bewusst Tätigkeiten vorgenommen. Ich habe ehrenamtlich Blinde und Rollstuhlfahrer betreut, Freizeiten für sie organisiert und zehn Jahre in der Telefonseelsorge gearbeitet. Ich habe oft Nachtschicht gemacht und saß in primitiven Büros. Ich habe Menschen in Notsituationen geholfen, die zum Beispiel Suizid begehen wollten. Diese Tätigkeiten – ohne Bezahlung! – haben mich sehr befriedigt. Es ist wichtig, eine Aufgabe zu haben – besser als die Zeit zu vergammeln. Es lohnt sich, wenn man Pflichten hat. Es ist wichtig, sich im Ruhestand sinnvolle Aufgaben zu suchen und menschlichen Kontakt zu haben.
Lebensfreude ist für mich ein gutes Gespräch, wenn wir uns hier nett unterhalten. Man hat einen Kontakt, das finde ich sehr wertvoll. Mir ist die Esserei gar nicht immer so wichtig, ich esse gerne mal was Gutes, so ist es nicht, aber, wenn man älter ist, braucht man auch nicht mehr so viel. Ich guck' auch mal einen netten Film; im Fernsehen oder so. Da gibt es manchmal gute Filme. Etwas ganz Interessantes: Ich habe ab und zu in mir selber eine Lebensfreude – und zwar ohne irgendwas! So richtig schön! Manchmal bin ich auch depressiv, und es geht mir elend. Da habe ich manchmal gar keine Freude. Und dann bete ich. Wenn ich eine Weile gebetet habe, merke ich, dass ich dann wieder sehr zufrieden bin. Zufriedenheit ist eigentlich sehr wichtig. Man muss nicht immer „hoch" sein. Ich kann manchmal auch lustig sein. Einen Witz machen oder eine lustige Situation haben, da freue ich mich auch dabei. Und ich freue mich auch, wenn ich anderen eine Freude machen kann. Ich merke, wenn die Leute sich wohlfühlen bei mir – da bin ich zufrieden. Wenn ich Lebensfreude spüre, und es kommt Musik – da könnte ich sofort tanzen!
Ich schreibe mir alles auf, in meinem Dankbuch, so dass ich nichts vergesse. Und das ist auch meine Freude. Da fühle ich mich reich – was ich da alles mit meinem Glauben erlebt habe; was für eine Kraft Glaube ist! Zum Beispiel: Ich habe immer einen niedrigen Blutdruck gehabt. deswegen kriege ich Tabletten und alles Mögliche... da bin ich ganz elend gewesen und zum Arzt gegangen. Total am Boden. Also ich war nah am Sterben! Wirklich schlimm! Ich war auf dem Weg zum Arzt und habe auf einmal kaum weiter laufen können, so elend war ich. Da bin ich zu irgendeiner Ecke gegangen, und habe dann eine ganze Weile gebetet. Dann bin ich zu dem Arzt hin – und da sagt er: „Na hören sie mal zu, je älter sie werden, desto jünger werden sie! Sie haben einen wunderbaren Blutdruck! Also mein Blutdruck war vollkommen in Ordnung. So kann Jesus helfen. Ich rede mit ihm, ich habe immer einen Partner. Manchmal war ich ganz schwach und habe viele, viele Probleme gehabt. Dann habe ich die miserable Nacht durch gebetet und gesungen. Am nächsten Tag ging ich elend durch die Gegend und da sagte einer: „Sagen sie mal, zu welchem Kosmetiker gehen Sie. Sie sehen ja so gut aus!
Das verstand ich gar nicht und fühlte mich wirklich elend und hatte Schmerzen gehabt. Also