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Banshee Livie (Band 7): Revolution für Novizen
Banshee Livie (Band 7): Revolution für Novizen
Banshee Livie (Band 7): Revolution für Novizen
Ebook348 pages

Banshee Livie (Band 7): Revolution für Novizen

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About this ebook

Voller Neugier erwartet Livie das Aufbrechen der Eierschale einer ihr unbekannten Spezies. Nicht ahnend, dass dies der Beginn eines neuen Abenteuers ist, bei dem buchstäblich die Hölle losbricht und die Menschen, die sie als Banshee eigentlich schützen sollte, ins Exil getrieben werden …
LanguageDeutsch
Release dateMar 25, 2022
ISBN9783038962403
Banshee Livie (Band 7): Revolution für Novizen

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    Book preview

    Banshee Livie (Band 7) - Miriam Rademacher

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Informationen zum Buch

    Impressum

    Widmung

    Prolog

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Einschub 1

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Einschub 2

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Einschub 3

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Einschub 4

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Einschub 5

    Kapitel 11

    Einschub 6

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Einschub 7

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Einschub 8

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Einschub 9

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Einschub 10

    Kapitel 22

    Einschub 11

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Epilog

    Danksagung

    Miriam Rademacher

    Banshee Livie

    Band 7: Revolution für Novizen

    Fantasy

    Banshee Livie (Band 7): Revolution für Novizen

    Voller Neugier erwartet Livie das Aufbrechen der Eierschale einer ihr unbekannten Spezies. Nicht ahnend, dass dies der Beginn eines neuen Abenteuers ist, bei dem buchstäblich die Hölle losbricht und die Menschen, die sie als Banshee eigentlich schützen sollte, ins Exil getrieben werden …

    Die Autorin

    Miriam Rademacher, Jahrgang 1973, wuchs auf einem kleinen Barockschloss im Emsland auf und begann früh mit dem Schreiben. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Osnabrück, wo sie an ihren Büchern arbeitet und Tanz unterrichtet. Sie mag Regen, wenn es nach Herbst riecht, es früh dunkel wird und die Printen beim Lesen wieder schmecken. In den letzten Jahren hat sie zahlreiche Kurzgeschichten, Fantasyromane, Krimis, Jugendbücher und ein Bilderbuch für Kinder veröffentlicht.

    www.sternensand-verlag.ch

    info@sternensand-verlag.ch

    1. Auflage, März 2022

    © Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2022

    Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

    Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Martina König

    Korrektorat Druckfahne: Sternensand Verlag GmbH | Jennifer Papendick

    Satz: Sternensand Verlag GmbH

    ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-239-7

    ISBN (epub): 978-3-03896-240-3

    Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

    Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Gewidmet dem Geistesblitz,

    der mich eines Montags in aller Frühe

    vor dem geschlossenen Bahnübergang traf.

    Und Michael Ende,

    ohne den dieses Buch

    ein ganz anderes geworden wäre.

    Prolog

    Während der rosafarbene Strudel um ihn herum sich allmählich legte, hörte er das Donnern der Geschütze, er roch den Tod und sah am Horizont die Blitze eines Gewitters, das keines war. Die Front befand sich in Sichtweite und der matschige Acker, auf dem er hier kurz nach Mitternacht im Jahre 1941 stand, schien ihm alles andere als ein sicherer Ort zu sein.

    Die Kamera schützend an den Bauch gepresst und den Bleistift zwischen die Zähne geklemmt, sprang er über eine lächerliche Barrikade aus Sandsäcken und Stacheldraht, hinein in einen Graben, der tief genug wahr, um zu gewährleisten, dass man ihm vorerst kein Loch in den Kopf schießen konnte. Eiskaltes Wasser lief ihm in die Schuhe, durchnässte seine Socken und den Rand seiner Gabardinehosen.

    Für diesen Auftrag war er einfach nicht passend ausgerüstet, das war ihm bewusst. Aber nur ein Idiot hätte sich die Chance auf einen Job wie diesen entgehen lassen, und Caleb Riggens war kein Idiot, sondern der beste Reporter der Times und eine der besten Partien von ganz London.

    Nun, zumindest hielt er sich dafür. In seiner Zeit, die eigentlich erst zwei Jahrzehnte nach diesem blöden Kriegsjahr anbrach, in dem er sich gerade befand.

    Caleb Riggens war eigentlich nichts Besonderes. Die Fähigkeit, durch die Zeit zu reisen, verdankte er einem leichtsinnigen Vater und der telekinetisch begabten Hexe, die seine Mutter gewesen war. Das Talent, Dinge kraft der Gedanken bewegen zu können, hatte sie ihm nicht vererbt. Dafür aber eine große Reiselust und die Chance, diese nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich voll auszuleben. Was seinen Reporterjob anbelangte, war diese Fähigkeit Gold wert.

    Seine Kollegen beneideten Caleb um die geheimen Quellen, aus denen er schöpfte und wiederholt Fotos zutage förderte, mit denen sich historische Ereignisse belegen ließen. Ereignisse, deren Berichten bis dahin meist der fade Geschmack der Spekulation angehaftet hatte. Dass er besagte Bilder selbst knipste, ahnte natürlich niemand.

    Im Moment allerdings schienen Ruhm und Anerkennung weit weg, denn noch immer lief Caleb unerschrocken durch den Morast eines Schützengrabens.

    Der Lärm der Front zermürbte ihn schon jetzt. Wie hatten junge Männer seines Alters dies über Tage hinweg ertragen? Er würde hier innerhalb von Stunden wahnsinnig werden. Doch glücklicherweise gab es keinen Grund, sich an diesem nassen, kalten, schmutzigen und lebensgefährlichen Ort länger als nötig aufzuhalten, denn nun sah er vor sich die Lichter starker Taschenlampen und er hörte Schreie, die das Donnern der Kanonen noch übertönten.

    Caleb lief schneller. Vor sich erblickte er die Gestalt eines großen, breitschultrigen Mannes, der genauso unpassend gekleidet war wie er selbst, nämlich in einen dunklen Anzug mit Fliege und Weste. Geistesgegenwärtig nahm er den Bleistift aus dem Mund, bevor er vor dem Herrn innehielt und einer Legende die Hand schüttelte.

    »Caleb Riggens von der Times«, stellte er sich laut und ein wenig atemlos vor. »Sie sind Jeremiah Biggs?«

    »Soll das eine Frage sein?«

    Die Stimme des anderen war so klar und schneidend, dass sie sowohl das laute Geschrei in seinem Rücken als auch die Geschosse mühelos übertönte.

    »Nein, nein, ich habe Sie natürlich gleich erkannt«, behauptete Caleb und musterte die Züge des Mannes, die im grellen Licht der Lampe in seiner Hand noch härter wirkten, als er sie von Bildern in Erinnerung hatte.

    Dies war er also. Einer der gefürchtetsten Männer der Weltgeschichte, dessen zahllose Untaten niemals in Gänze erfasst werden würden, weil er zu gerissen und zu skrupellos war.

    Jeremiah Biggs, der Gottlose, wie man ihn stets nur im Flüsterton in den Londoner Clubs nannte, hielt Calebs Hand noch immer und drückte sie schmerzhaft zusammen. Caleb hielt dem Druck stand, ohne eine Miene zu verziehen, denn der Mann hatte ihn an diesen ekelhaften Ort bestellt und ihm die Story seines Lebens versprochen. Dafür reiste man doch gern zwanzig Jahre zurück in die Vergangenheit und ließ sich die Hand zerquetschen.

    Inzwischen erspähte er hinter Biggs eine Frau, die im Schein zweier weiterer Lampen auf dem schlammigen Boden des Schützengrabens lag, während eine weitere Person neben ihr kauerte. Die Schreie der ersteren wurden wieder lauter. Caleb fragte sich, was hinter dem Schwarzmagier vor sich ging, wagte indes nicht, sich einfach an der massigen Gestalt des anderen vorbeizudrängen. Stattdessen fragte er: »Erzählen Sie, Mister Biggs, worum geht es? Sie haben mir eine Sensation versprochen.«

    »Das ist es auch.«

    In dem nahezu quadratischen Gesicht des Magiers zeigte sich ein Zähnefletschen, das Caleb als verunglücktes Lachen wertete. Unwillkürlich suchte der Reporter nach kleinen Hörnern im niedrigen Haaransatz des Mannes, fand aber keine.

    »Mister Caleb Riggens von der Times, wissen Sie, welche Rolle ich Ihnen zugedacht habe?« Das Zähnefletschen war wieder verschwunden. »Sie sind heute Nacht mein König. Mein heiliger König! In Zeiten wie diesen braucht es keine drei Weisen aus dem Morgenland als Zeugen. Ein einzelner guter Journalist ist tausendmal mehr wert. Wären Sie gern in der Heiligen Nacht dabei gewesen, Caleb? Jetzt haben Sie die Chance dazu.«

    Caleb, der schon oft erfolglos grob geschätzte zweitausend Jahre in die Vergangenheit gereist war, um den Ort zu finden, an dem eine Weltreligion angeblich ihren Anfang genommen hatte, schob sich seinen Bleistift hinter das Ohr und versuchte, sein Erstaunen nicht allzu deutlich zu zeigen. »Mister Biggs, bei allem Respekt, dieser Schützengraben ist nicht gerade der Stall von Bethlehem, und was über uns leuchtet, ist auch kein Stern.«

    »Nein, das hier ist besser.« Jeremiah Biggs rieb sich die Hände. »Was dieser Lukas für die Bibelleser damals zusammengezimmert hat, ist nicht schlecht. Eine hübsche Legende, die ihren Reiz niemals ganz verlieren wird. Aber meine ist mindestens genauso gut. Ein Kind, geboren im Kriegsgetümmel, in einem Schützengraben, umgeben von Tod und Unheil. Heute Nacht werden keine himmlischen Heerscharen kommen, um dem Heiland zu singen. Heute wird das Tor zur Hölle aufgestoßen, wenn mein Sohn geboren wird.« Der ausgestreckte Zeigefinger von Jeremiah Biggs stach in Calebs Brust. »So erschafft man große Männer, verstanden? Man sorgt dafür, dass die Legenden, die sich um sie ranken, wahr sind. Und zwar von der ersten Sekunde an.«

    Der Journalist spürte, wie ihm die Knie weich wurden. »Soll das etwa heißen, dass dort hinter Ihnen im Dreck gerade eine Frau ein Kind gebärt? Grundgütiger, wer ist sie?«

    Die Miene des Schwarzmagiers verfinsterte sich. »Es ist doch völlig egal, wer sie ist. Ich bin der Vater dieses Kindes, und nur darauf kommt es an. Ich habe mir einen Sohn geschenkt, der mindestens so mächtig sein wird wie sein Vater, oder mächtiger. Politik, Justiz, die Wall Street und all ihre Möglichkeiten werden seine Spielbälle sein. Ohne Skrupel, ohne Mitleid wird er aufwachsen. Die Welt wird ihn fürchten, wenn ich ihn erst erzogen habe.« Biggs vollführte eine verächtliche Handbewegung. »Gegen die Zeit seiner Herrschaft ist dieser Krieg nicht mehr als eine Verkleidungsparty mit Feuerwerk.«

    Caleb lauschte den Worten des Mannes und den Schreien der Frau gleichermaßen und wagte es, zu fragen: »Und ich soll wirklich Ihr Weiser aus dem Morgenland sein, der die Kunde verbreitet? Ich soll die Geburt Ihres Sohnes in einem Schützengraben des Zweiten Weltkriegs bezeugen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass man darüber einmal Lieder singen wird. Von geschmückten Tannenbäumen ganz zu schweigen.«

    »Lieder singen? Sind Sie noch ganz bei Trost, Mann?« Biggs schien nun wirklich verärgert. »Ich schenke der Welt kein Happening, sondern den mächtigsten Mann der Welt, zu dem ich ihn machen werde.«

    »Pressen«, hörte Caleb jetzt eine Frauenstimme rufen. Anscheinend war Biggs umsichtig genug gewesen, um der werdenden Mutter eine Hebamme an die Seite zu stellen. »Pressen, wir haben es gleich geschafft.«

    Für einen kurzen Moment wagte Caleb es, sich vorzustellen, was geschehen würde, falls sich der größte und gefährlichste Magierspross als kleines Mädchen entpuppte, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Jeremiah Biggs war zuzutrauen, dass er auch darauf Einfluss hatte.

    »Nicht mehr pressen!«, rief die Stimme in diesem Moment und der Schwarzmagier fuhr herum.

    Offensichtlich wurde es nun spannend. Caleb konnte nicht anders, als sich neben den werdenden Vater zu drängen, um zu sehen, was dort das Licht einer kriegerischen Welt erblickte.

    »Fangen Sie an, zu knipsen, Mann«, hörte er Biggs sagen. »Wir können das hier nicht beliebig oft für Sie wiederholen.«

    Gehorsam zückte Caleb die Kamera und ließ sein Blitzlicht zucken, sehr dankbar dafür, dass er am Kopfende des provisorischen Lagers aus Latten und Decken stand und nicht sehen musste, was die zwischen den Beinen der Gebärenden kauernde Hebamme geboten bekam.

    Zweimal fotografierte er das Gesicht der bedeutungslosen Mutter, die erschreckend jung war und auf deren schweißnassem Gesicht der Ausdruck purer Angst stand.

    Anschließend lichtete er die Hebamme ab, die ebenfalls noch sehr jung wirkte und trotzdem Autorität und Erfahrung ausstrahlte.

    »Geschafft«, rief selbige kurz darauf und hob ein blutverschmiertes Etwas ins Licht der Lampe, damit Caleb diesen Moment für die Ewigkeit festhalten konnte.

    »Geschafft«, rief auch Jeremiah Biggs und trat fast auf die Hand der Mutter, als er vorsprang und den blutverschmierten Klumpen, der jetzt leise zu winseln begann, in seine Arme schloss.

    Während die Hebamme unter beruhigenden Worten die Mutter des Kindes versorgte, schoss Caleb Riggens in den kommenden Minuten zahlreiche Bilder von Vater und Sohn, in deren Hintergrund noch immer die Front leuchtete. Dann verkündete sein Gastgeber: »Das reicht, der Junge muss auf seine Laufbahn vorbereitet werden. Auf Wiedersehen, Caleb. Kehren Sie zurück in Ihre Zeit, wenn mein Sohn ein junger Mann und für seine Aufgabe bereit sein wird. Lassen Sie die Legende los. Die Auflagen Ihrer Zeitung werden astronomische Höhen erreichen.«

    Er lachte laut und drückte das noch immer blutverschmierte, knautschgesichtige Kind an sich. Danach stapfte er mit dem Säugling davon in Richtung jener Teleportzone, mit deren Hilfe Caleb kurz zuvor angereist war. Ein rosa Lichtschimmer kündete von seiner Abreise an einen sicheren, warmen und trockenen Ort, wo der Sohn neben einer Erziehung hoffentlich auch Windeln und Nahrung erhielt.

    »Möchten Sie nicht auch gehen? Sie haben ja, was Sie wollten«, rief die Hebamme und wickelte die weinende Frau, die gerade ein Kind geboren hatte, in eine Decke.

    Caleb musterte die Geburtshelferin genauer. Das feuerrote Haar war zu einem Knoten aufgesteckt, darunter bemerkte er ein Gesicht voller Sommersprossen und ein energisches Kinn.

    »Aber was wird aus Ihnen?«, fragte er sorgenvoll. »Ich kann Sie und dieses arme Mädchen in diesem Zustand doch nicht hier allein lassen.«

    »Wir werden umgehend in unsere Zeit zurückkehren, sobald Mildred ein paar Schritte laufen kann. Machen Sie sich um uns keine Sorgen«, erwiderte sie und lächelte ihn tapfer an.

    Caleb war sprachlos. »Soll das heißen, Sie sind ebenfalls eine Zeitreisende? Und die Mutter des Jungen auch?«

    »Was haben Sie denn gedacht? Dass wir hier um die Ecke wohnen?« Sie rollte mit den Augen. »Ich bin übrigens Paula. Die alte Paula. Ich bin eine Hexe. Die Kleine zu unseren Füßen ist die naive Mildred, die sich den nächsten Mann, mit dem sie ein Kind zeugt, sicher besser aussuchen wird.«

    Caleb musste grinsen. »Die alte Paula? Das kann nicht sein.«

    »Noch nicht.« Ihr Grinsen wurde breiter. »Aber ich werde es einmal sein. Zigarette?«

    Sie hielt ihm die Schachtel hin und er griff dankbar zu.

    Als der Rauch sich im Licht der Taschenlampen gen Himmel kräuselte, fühlte der Journalist zum ersten Mal so etwas wie Entspannung. Doch dieses Gefühl verflog, sobald er sich das Ereignis in Erinnerung rief, dessen Zeuge er soeben geworden war.

    »Glauben Sie Jeremiah Biggs, was er über seinen Sohn gesagt hat?«, fragte er Paula, die nun der Mutter eine Zigarette anbot, welche diese ablehnte.

    Die Hebamme wog bedächtig den Kopf. »Kann sein, kann auch nicht sein«, orakelte sie. »Ich verstehe mich zwar aufs Wahrsagen, bei diesem Jungen allerdings wage ich keine Prognose. Meiner Meinung nach hat Jeremiah Biggs übersehen, dass ein Kind immer die Veranlagungen beider Eltern in sich trägt. Und die gute Mildred ist so bösartig wie ein Gänseblümchen und darüber hinaus nicht die Klügste, sonst wäre sie jetzt nicht hier.«

    »Mein Zach, ich will meinen Zach haben«, wimmerte die Frau am Boden.

    »Keine Sorge.« Paula schnippte den Rest der Zigarette weg. »Du wirst dich in einen netten jungen Mann verlieben und mit ihm einen weiteren Zach bekommen. Der gehört dann dir.«

    »Zach?«, wiederholte Caleb. »Wird er so heißen?«

    »Ja, Zach«, bestätigte Paula leichthin. »Zacharias Biggs. Der größte und mächtigste Magier aller Zeiten. Wenn es nach seinem Vater geht.«

    »Zacharias Biggs«, rezitierte Caleb andächtig. Ein Name, den er sich merken musste.

    Nachdenklich strich er sich über den Kopf, woraufhin der Bleistift, den er sich hinter das Ohr geklemmt hatte, vor die Füße der jungen Mutter fiel, die sich mühsam nach ihm bückte, um ihn Caleb zurückzugeben.

    »Behalten Sie ihn«, sagte der Reporter. »Als schwachen Ersatz für Gold, Weihrauch und Myrrhe. Vielleicht kann der kleine Zach damit eines Tages etwas anfangen.«

    Kapitel 1

    Schloss Harrowmore, Dezember 2019

    »Und es gibt rein gar nichts, was du erledigen musst?«, fragte ich und blickte resigniert auf meinen Todesboten hinab, der vor mir auf dem Sofa saß und versuchte, meinen Mummel zum Springen mehrfacher Salti anzuspornen.

    Walt schüttelte seine Kapuze und konzentrierte sich weiter auf das kleine Wesen vor ihm im Goldfischglas, das mehr einer Karotte denn einem Wassergeist glich. Ich dachte schon, er hätte mich vergessen, als er endlich ein paar Worte von sich gab.

    »Man könnte auf die Idee kommen, du wolltest mich loswerden. Hast du Geheimnisse vor mir, Livie?«

    »Ich? Niemals!« Entrüstet zog ich eine Schnute und kreuzte zur selben Zeit die Finger hinter dem Rücken. »Aber ich kenne dich seit Jahren nur auf dem Sprung. Ist es nicht so, dass du außer mir noch andere Banshees und deren Familien mit Todesvisionen zu versorgen hast?«

    »Doch«, bestätigte Walt und deutete einen Applaus an, nachdem es Sniff, dem Mummel, gelungen war, aus dem Wasser zu hüpfen und sich in der Luft zu einem Knäuel zu verdichten, das spritzend zurück ins kühle Nass fiel.

    »Ja, und musst du da nicht mal vorbeischauen? Ich will nicht, dass du meinetwegen deine Pflichten vernachlässigst, das gibt nur Ärger. Davon haben wir ohnehin meist genug. Herrscht etwa Ruhe an allen Fronten?«, versuchte ich es noch einmal.

    Walts Kapuze nickte und hob sich leicht, woraufhin das blaue Leuchten seiner Augen und ein ausgeprägtes Kinn sichtbar wurden. »Es ist tatsächlich ungewöhnlich friedlich auf der Welt. Ich erhalte keinerlei Todesvisionen, niemand braucht eine Warnung. Außer du, wie mir scheint. Weißt du übrigens, dass dem von dir gefürchteten Ärger im Allgemeinen ein Geheimnis vorausgeht? Eines, das man nicht einmal mit dem Mann teilen möchte, den man liebt?«

    »Ach wirklich?« Ich begann, mich ungemütlich zu fühlen. »A-aber vielleicht gibt es ja ganz harmlose klitzekleine Geheimnisse, die rein gar nichts nach sich ziehen. Die sind doch erlaubt, oder?«

    Das blaue Leuchten unter der Kutte verstärkte sich. »Was ist los mit dir? Wir reden über meine Pflichten und über Geheimnisse, die du angeblich nicht hast. Das finde ich beunruhigend. Was heckst du aus?«

    »Überhaupt nichts«, beharrte ich noch einmal. »Doch du sitzt seit Tagen auf meinem Sofa herum, und das bin ich einfach nicht gewohnt. Ich brauche auch mal Zeit für mich.«

    Entschlossen wandte ich mich von dem Mann ab, den ich liebte, und ließ einen Karton auf mich zuschweben, der üblicherweise in der hintersten Ecke meiner Dachkammer verstaubte und mit bunten Weihnachtskugeln gefüllt war.

    »Ich gehe lieber zu Millie«, erklärte ich. »Ich muss mal ein anderes Gesicht sehen und ein ausgiebiges Frauengespräch führen.«

    »Aha, die zweite Geheimniskrämerin mit Hang zu Katastrophen wird von dir in deine Gedankenwelt einbezogen, ich hingegen bleibe außen vor. Und was haben diese Glaskugeln damit zu tun?«, wollte Walt wissen und deutete auf den in der Luft stehen gebliebenen Karton an meiner Seite.

    »Bald ist Weihnachten und ich möchte meinen Bestand durchgehen und säubern. Verstaubte Christbaumkugeln sind mir ein Gräuel«, behauptete ich spontan und floh aus meiner Dachkammer und vor seinem Verhör.

    »Viel Spaß«, hörte ich Sniff zum Abschied fiepen, während Walt mir nachrief: »Großartig! Schließ mich ruhig aus. Aber wenn nachher die Hütte brennt, komm nicht zu mir!«

    Ich hielt auf der ersten Treppenstufe abrupt inne und wartete bei offener Tür darauf, dass er seine letzten Worte relativierte. Zwei Sekunden später hatte mein Todesbote noch einmal über das eben Gesagte nachgedacht und es tönte aus der Dachkammer: »Na gut, komm lieber doch zu mir! Erwarte jedoch kein Verständnis!«

    Damit konnte ich leben. Erleichtert sprang ich die Treppenstufen hinunter, wobei ich sorgsam darauf achtete, den Karton mit dem Weihnachtsschmuck auf seinem Geleitflug nirgendwo anecken zu lassen.

    In Wahrheit besaß ich sehr wohl ein Geheimnis und einen guten Grund dafür, es nicht mit Walt teilen zu wollen. Denn ich wusste, man würde andernfalls versuchen, es mir wegzunehmen, und das wollte ich unbedingt verhindern.

    Von meiner Freundin Millicent Harrowmore, dem einzigen Mitglied der mir anvertrauten Familie, die mich sehen und hören konnte, weil ein altes Druidenerbe in ihr schlummerte, erhoffte ich mir ein wenig Beistand. Und nach mehr als drei Tagen mit Walt in derselben Dachkammer konnte ich es ohnehin kaum erwarten, aus unserem kleinen Reich herauszukommen.

    So erreichte ich den Korridor oberhalb der ehrwürdigen Eingangshalle des Schlosses, wo sich die meisten Schlafzimmer befanden, und sauste direkt und ohne anzuklopfen in Millies rosaroten Kleinmädchentraum hinein. Meine Freundin lag lang ausgestreckt auf dem Teppichboden und unterhielt ihre beiden Zwillinge mit Fingerspielen. Badria und Allison Harrowmore hatten endlich ein Alter erreicht, in dem sie unterhaltsam wurden.

    Beide Babys empfingen mich mit einem strahlenden Lächeln und bewiesen damit aufs Neue, dass ihre Mutter nicht länger die Einzige in der Familie war, die die Banshee des Hauses jederzeit sehen konnte. Sie waren zwei ganz besondere Kinder, und sie schienen mir von Tag zu Tag unverwechselbarer zu werden.

    Während Badrias Haarschopf im selben Rotton wie der seiner Mutter leuchtete und er eindeutig wie ein kleiner Harrowmore aussah, schlug seine Zwillingsschwester Allison dem stets abwesenden Vater der Kinder nach. Ihr Haar war nachtschwarz, Nase und Lippen waren fein geschwungen und sie überragte ihren Bruder bereits um einen halben Kopf.

    »Kommst du her, um dich freiwillig zum Babysitten zu melden?«, fragte Millie und setzte sich auf. »Wenn ja, liebe ich dich mehr, als du ahnst. Ich bin einfach nicht zur Mutter geboren.«

    »Du machst das ganz wunderbar«, widersprach ich ihr. »Und eben deshalb brauche ich deine Hilfe. Denn ich habe ein Geheimnis aus unserem letzten Abenteuer gerettet, das ich nur mit dir teilen kann. Du bist vermutlich die Einzige, die mich versteht.«

    Millie furchte die Stirn. »Unser letztes Abenteuer? Du meinst dieses furchtbare Chaos der verzerrten Realitäten? Tut mir leid, ich habe kaum noch eine Erinnerung daran. Alles entgleitet mir, sobald ich versuche, mich auf die Ereignisse dieser Zeit zu konzentrieren.«

    »Klar, das ist ja auch ganz normal, da die Realität wieder die ist, die sie sein soll«, erwiderte ich und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber ich habe etwas zurückbehalten, das ich eigentlich abgeben sollte.«

    Ich steckte eine Hand in den noch immer neben mir schwebenden Karton und ergriff den einzigen Gegenstand inmitten der Glaskugeln, der sich von mir berühren ließ.

    »Eine schwarze Socke?«, stellte Millie konsterniert fest.

    »Das ist meine Socke«, erklärte ich ungeduldig. »Und entscheidend ist, was drinsteckt.«

    Ich setzte mich neben sie und schob meine Hand in die dunkle Wolle.

    »Soll heißen, dass einer deiner Füße barfuß in deinen ausgelatschten Turnschuhen steckt? Zieh sie bloß nicht in meinem Zimmer aus, okay?«

    »Ich bin tot, meine Füße stinken nicht«, protestierte ich und holte den Gegenstand hervor. »Sieh dir lieber das hier an und sag mir, was es ist.«

    Millie betrachtete das Ding auf meiner ausgestreckten Hand und zog Allison zurück, die augenblicklich auf mich zugekrabbelt kam. »Das ist ein Ei«, stellte sie fest. »Ein großes, gesprenkeltes Ei. Es hat einen beachtlichen Riss in seiner Hülle, aus dem Licht nach draußen fällt.«

    »Was noch?« Ich sah sie gespannt an. »Das ist doch wohl nicht alles, was dir dazu einfällt. Schließlich hast du, wenn auch nur kurz, Unterricht vom größten kleinen Magier aller Zeiten erhalten.«

    »Zach und ich haben dabei ganz gewiss nicht über seltene Frühstückseier gesprochen«, erwiderte Millie und verfrachtete Allison, die meinen Schatz fixierte und wiederholt Kurs darauf nahm, in einen mit Spielzeug angefüllten Laufstall.

    »Das ist aber schade.« Ich betrachtete mein kleines Geheimnis und schüttelte es sachte, woraufhin es zu blubbern begann, als sei es mit kohlensäurehaltiger Limonade gefüllt. Indes drang nichts durch den grell leuchtenden Riss nach außen. »Zach ist es nämlich, der dieses Ei unbedingt von mir zurückhaben wollte. Auch Chris, der Todesbote, hatte ein großes Interesse daran, dass ich dieses hübsche Ding wieder hergebe.«

    »Warum erkundigst du dich denn nicht bei Zach, um was für ein Ei es sich handelt?«, fragte Millie arglos, nahm mir meinen Schatz aus der Hand und betrachtete ihn von allen Seiten.

    »Weil er es mir dann wegnimmt, Dummerchen!«, rief ich. »Und falls ich so tue, als frage ich nur aus Interesse, würde er sich fragen, wie ich mich überhaupt an das Ei aus einer anderen Realität erinnern kann, und schlussfolgern, dass es noch in meinem Besitz ist.«

    »Woraufhin er es dir auch wegnimmt, schon klar.« Millie klopfte sacht gegen die gesprenkelte Schale. »Weil deine unbezähmbare Neugier aber wissen will, was du da ausbrütest, steckst du jetzt in der Klemme. Mach dir keine Sorgen. Ich glaube, du wirst bald erfahren, was in diesem Ei heranwächst. Der Riss ist ziemlich lang.«

    »Das ist er schon seit drei Tagen«, brummelte ich. »Drei lange Tage, in denen ich nur nach meinem kleinen Schatz schauen konnte, wenn Walt, der ja angeblich keinen Schlaf braucht, mal wieder kurz eingenickt war.«

    »Walt weiß ebenfalls nicht, dass du dieses Ding

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