Der Wahn mit dem Datenschutz
By Marc Ruberg
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Der Schutz unserer Privatsphäre ist ein hohes Gut, doch das geltende Datenschutzrecht steht uns in vielen Fällen mehr im Wege als es uns schützt. Exemplarisch hierfür steht, dass wir seit Inkrafttreten der DSGVO beim Aufruf jeder Webseite stets aufgefordert werden, eine langatmige Datenschutzerklärung des jeweiligen Seitenbetreibers zu akzeptieren. Hand aufs Herz: Wer hat sich jemals diese Rechtsbelehrung durchgelesen geschweige denn verstanden oder gar erwogen? Es ist in der Regel einfach ein Klick mehr auf "akzeptieren" - genau das hat die DSGVO bewirkt, einen Klick mehr, sonst nicht viel.
Hingegen steht der geltende Datenschutz neuen Entwicklung von selbstfahrenden Autos über das Internet der Dinge bis zur Künstlichen Intelligenz diametral entgegen. Für alle diese Entwicklungen, häufig als digitale Disruption oder sogar digitale Revolution bezeichnet, werden nicht weniger Daten, sondern immer mehr Daten benötigt. Digitale Daten sind der Rohstoff für unsere digitale Zivilisation.
Vor diesem Hintergrund fordert der Autor eine fundamental neue Herangehensweise beim Datenschutz, die unsere Privatsphäre wirklich schützt. Dies ist sinnvoller als uns weiterhin mit einem Rechtsungetüm zu belästigen, da kaum jemandem nutzt, aber dem Fortschritt der Digitalisierung wie eine Monstranz entgegensteht.
Marc Ruberg
Marc Ruberg, a nuclear physicist and computer scientist, is one of the early pioneers of the internet and nuclear power alike. He combines the scientific curiosity essential for any professional researcher with a firm knowledge of the inherent dangers of progress. This applies to both nuclear power and digitalisation. At the Physikalisches Institut at the University of Tübingen and at the Institute of Radiation Physics at the University of Stuttgart, Marc Ruberg belonged to a small circle of German nuclear physicists who intensively studied the promises and pitfalls of nuclear energy, particularly at an early stage. To this end, he had also gained insights at CERN (Conseil européen pour la recherche nucléaire), the European Organisation for Nuclear Research in Geneva, and at the GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt.
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Der Wahn mit dem Datenschutz - Marc Ruberg
Die Herrscher lassen zählen
Ermittlungen von Bevölkerungszahlen lassen sich bereits um 2700 v. Chr. in Ägypten nachweisen. Auch den Zweck hat die Altertumsforschung zutage befördert: Es ging darum, Steuern einzutreiben. Der Wunsch der herrschenden Klasse, seine Untertanen zu kennen und daraus seinen Nutzen zu ziehen, ist also nicht – oder jedenfalls nicht nachweislich – so alt wie die Menschheit, aber immerhin bis zu den „Alten Ägyptern" zurückzuverfolgen. Anhand von Tonscherben lässt sich auch für die Zeit um 1700 v. Chr. eine lokale Volkszählung in Mesopotamien für militärische Zwecke belegen. Aus den früheren Epo-chen sind ferner Zählungen in China (2 n. Chr.) sowie in Persien und Griechenland bekannt. Bemerkenswert ist in Ägypten unter Amasis (569 v. Chr.) und in Israel unter König David (1000 v. Chr.) ein Dekret über die Erfassung der Einkommen. Man beschränkte sich dabei oft auf die Erfassung der waffenfähigen Männer. Mit anderen Worten: Für die frühen Herrscher ging es bei Volkszählungen, also der staatlichen Erfassung personenbezogener Daten, entweder um Geld oder um die Kampfstärke der Bevölkerung.
Volkszählungen im Römischen Reich
Im Römischen Reich gab es seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. alle fünf Jahre Volkszählungen und Erhebungen über die Einkünfte der römischen Bürger. Für den Zensus (Anmerkung: Der Fachbegriff für „Volkszählung") und die Steuerschätzungen war der Censor, ein altrömischer Beamter, verantwortlich. Er legte die Höhe der Steuer fest, die jeder Bürger zu zahlen hatte und war dem Senat verantwortlich. Die Censoren waren sehr einflussreich und genossen hohes Ansehen.
Im Mittelalter gab es in Europa nur wenige Volkszählungen; meist wurden die Feuerstellen registriert, doch waren die erhobenen Daten oft ungenau, sodass Angaben zur Bevölkerung in der Regel nur Hochrechnungen darstellten. Von Bedeutung bei der Erfassung der Bevölkerung waren kirchliche Aufzeichnungen der Pfarren, weil die Pastoren Bücher über die „Seelen" führen mussten.
Die ersten Datenschützer waren die Adeligen
Die ersten „Datenschützer" waren die Adeligen Europas. Der Adel wehrte sich übrigens stets gegen Aufstellungen seiner Leibeigenen, denn er betrachtete sie als eine reine Privatangelegenheit, im Besonderen, solange sie von der Besteuerung befreit waren. Aus diesem Grund wurden Leibeigene für gewöhnlich auch nicht statistisch erfasst.
Bemerkenswert ist auch eine Episode aus dem Jahre 1753: Damals lehnte das britische Parlament eine Volkszählung ab mit der Begründung sie „würde Englands Feinden dessen Schwächen bloßstellen. Ein Abgeordneter betonte im Parlament, er sei befremdet, „dass es menschliche Wesen gäbe, die so frech und schamlos seien
, derartiges vorzuschlagen.³
Erste Volkszählung in Deutschland
Die erste Volkszählung in Deutschland fand 1816 im Königreich Preußen statt. Zwischen 1834 und 1867 führte der Deutsche Zollverein regelmäßig alle drei Jahre Volkszählungen in den Mitgliedsländern durch.⁴ Ermittelt wurde die sogenannte „Zollabrechnungsbevölkerung". Zur Durchführung wurde ein Zeitpunkt gewählt, zu dem zu erwarten war, dass sich der größte Teil der Bevölkerung zu Hause aufhalten würde. Der Zollverein legte den 3. Dezember als Datum fest.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden im Dezember 1945 in der sowjetischen Besatzungszone, im Januar 1946 in der französischen Besatzungszone und im Oktober 1946 in allen vier Besatzungszonen Deutschlands unter Verantwortung der Besatzungsmächte Volks- und Berufszählungen durchgeführt. Dies geschah insbesondere, um die Kriegsverluste und die zahlreichen Ströme von Flüchtlingen, Umsiedlern und Heimatvertriebenen zu erfassen. Nach Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1949 fanden jeweils mehrere Volkszählungen statt.⁵
Die in der Bundesrepublik Deutschland 1950 und 1987 durchgeführten Zählungen waren gleichzeitig Volks-, Berufs-, Gebäude-, Wohnungs- und Arbeitsstättenzählungen. Die Zählungen von 1961 und 1970 erfolgten als Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählungen. Während der Gebäude- und Wohnungszäh-lung von 1956 wurde auch die Wohnbevölkerung in der Bundesrepublik gezählt („kleine Volkszählung"). Die Veröffentlichung der Daten aller Zählungen in der Bundesrepublik Deutschland, ab 1994 auch der Ergebnisse der Volkszählungen in der DDR, erfolgte vom Statistischen Bundesamt.⁶
Volkszählung 1987
Die 1987 durchgeführte Volkszählung in der Bundesrepublik Deutschland war vom Bund ursprünglich bereits für das Jahr 1981 geplant gewesen. Sie war in den Augen der Bundesbehörden neben anderen Gründen notwendig geworden, um die Infrastruktur einem veränderten sozialen Gefüge anzupassen und entsprechend neue Maßnahmen einzuleiten. Dies galt für die Verkehrsplanung ebenso wie für die soziale Versorgung und