Verraten, verlassen und doch lebendig - Gottesdienste, Predigten und Impulse für die Passions- und Osterzeit
Verraten, verlassen und doch lebendig - Gottesdienste, Predigten und Impulse für die Passions- und Osterzeit
Beschreibung
Diese Sammlung bietet daher hilfreiche Anregungen für alle, die für die Vorbereitung nach neuen Ideen suchen. Sie enthält 16 praxiserprobte Entwürfe und Predigten für Passions- und Ostergottesdienste, mit denen es gelingt, Jesu Tod und seine Auferstehung relevant und verstehbar werden zu lassen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Karwoche und Ostern, mehrere Entwürfe für Sonntage von der Vorfastenzeit bis Christi Himmelfahrt vervollständigen diese. Besonders praktisch sind die komplett abgedruckten Bibelverse zur Predigt.
Ähnlich wie Verraten, verlassen und doch lebendig - Gottesdienste, Predigten und Impulse für die Passions- und Osterzeit
Ähnliche Bücher
Der kleine Osterhase: Eine Ostergeschichte von Opa Didi von Dietmar Anders Bewertung: 0 von 5 Sternen
Buchvorschau
Verraten, verlassen und doch lebendig - Gottesdienste, Predigten und Impulse für die Passions- und Osterzeit - Neukirchener Verlagsgesellschaft
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2022 Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn
Alle Rechte vorbehalten
Gesamtgestaltung: Grafikbüro Sonnhüter, www.grafikbuero-sonnhueter.de
unter Verwendung eines Bildes von © Ausra Barysiene (shutterstock.com)
Lektorat: Ekkehard Starke
DTP: Breklumer Print-Service, www.breklumer-print-service.com
Verwendete Schrift: Myriad Pro, Chapparal Pro
Gesamtherstellung: PPP Pre Print Partner GmbH & Co. KG, Köln, www.ppp.eu
Printed in Germany
ISBN 978-3-7615-6833-0 Print
ISBN 978-3-7615-6834-7 E-Book
www.neukirchener-verlage.de
Vorwort
Karfreitag und Ostern gehören zusammen und bilden gemeinsam die Grunderzählung des christlichen Glaubens. Die Freude an Ostern ist nicht ohne die Tränen von Karfreitag zu haben. Aber Karfreitag wäre kaum auszuhalten, ohne von der Auferstehung zu wissen. Das wird auf der erzählerischen Ebene deutlich. Die Ostererzählungen bilden kein Happy End. Sie sind eher ein Doppelpunkt, markieren kein Ende, sondern einen neuen Anfang. Zunächst ist die Osterbotschaft erschütternd. Sie sprengt jeden Erfahrungshorizont. Die ersten Hörerinnen werden von der Botschaft, dass Jesus lebt, bis ins Mark getroffen und fliehen aus Angst. Bis zur Osterfreude ist es noch ein langer Weg. Und umgekehrt sind die Passionserzählungen nicht einfach nur traurig. Sie besitzen Hoffnungskerne, die Ostern bereits vorwegnehmen. Nicht zuletzt feiert Jesus wenige Stunden vor seiner Verhaftung mit seinen Freunden das Passafest.
Die Leidensgeschichte Jesu und die Osterbotschaft waren schon bei ihrer Entstehung miteinander verwoben und aufeinander bezogen. Die Auferstehungshoffnung bildet den Grund, warum sich die Evangelisten daran machten, die Leidensgeschichte Jesu überhaupt zu erzählen. Ostern bildet den Zielpunkt ihrer Evangelien. Nur wo das berücksichtigt wird, kann heute über den Tod Jesu und über die Bedeutung des Kreuzes verantwortlich gesprochen werden. Über Jesu Kreuzigung zu predigen, fällt heute vielen schwer. Eine sühnetheologische Deutung des Kreuzes verbietet sich aus theologischen Gründen. Die dahinter liegenden Vorstellungen sind mit dem biblischen Gottesbild kaum in Einklang zu bringen. Gottes ist Liebe (1. Johannes 4,16), heißt es im ersten Johannesbrief. Gottes Wesen ist zutiefst von der Liebe geprägt. Das Kreuz ist Zeichen seiner Liebe und nicht seines Zorns. Gott gibt sich selbst für uns hin. Er ist nicht das Objekt der Versöhnung, sondern das handelnde Subjekt. Nicht er muss versöhnlich gestimmt werden. Gott sucht vielmehr uns Menschen auf, damit wir uns mit ihm versöhnen. „Lasst euch versöhnen mit Gott" (2. Korinther 5,20) ist die Botschaft, die von Karfreitag ausgeht. Seither gilt: Glauben heißt, mit dem Versprechen zu leben, dass Gottes Liebe stärker ist als alle Todesmächte zusammen. Die vorliegenden Entwürfe versuchen, dem Geheimnis von Leiden, Tod und Auferstehung Jesu in diesem Sinne nachzugehen.
Die Grundidee zu diesem Buch entstand im Rahmen des Wettbewerbs um den Gottesdienstpreis 2020. Die Stiftung zur Förderung des Gottesdienstes hatte Gemeinden und Einrichtungen aufgerufen, innovative Karfreitagsgottesdienste einzureichen. Viele der eingesandten Gottesdienste waren preiswürdig. Die Auswahl fiel der Jury schwer. Warum also nicht ein Buch mit den Gottesdiensten herausgeben, die in die engere Wahl gekommen waren? Als dann im Jahr 2021 im Rahmen des neuen Wettbewerbs digitale Ostergottesdienste vorlagen, reifte die Idee zu einem gemeinsamen Buch, in dem Karfreitag und Ostern, Fastenzeit und österliche Freudenzeit zusammengebunden werden. Am Ende wird ein weiter Bogen gespannt, der kurz nach der Epiphaniaszeit beginnt und bis zum Ende des Osterfestkreises reicht und auch zwei digitale Entwürfe enthält.
Ein herzliches Dankeschön an alle Autorinnen und Autoren. Und auch Ihnen als Leserinnen und Lesern gilt mein Dank. Wenn Sie sich von den vorliegenden Entwürfen anregen lassen, wenn Sie sie nutzen und weiterentwickeln, dann hat dieses Buch sein Ziel erreicht.
Hannover, im Oktober 2021Stephan Goldschmidt
Inhalt
Vorwort 5
1. Fragst du nicht nach uns, Gott? 11
Predigt in der Vorfastenzeit
Stephan Goldschmidt
2. Verraten und verkauft 19
Kurzgottesdienst am Sonntag Invokavit
Stephan Goldschmidt
3. Du hast Recht! 25
Gottesdienst am Sonntag Judika
Stephan Goldschmidt
4. Gesegnete Zweige 37
Abendgottesdienst am Palmsonntag
Stephan Goldschmidt
5. Wachet und betet! 47
Tischabendmahl am Gründonnerstag
Stephan Goldschmidt
6. Mein Gott, mein Gott, warum? 57
Karfreitagsgottesdienst
Mariesophie Magnusson
7. Gott ist tot. Und wir haben ihn getötet 73
LABORa-Worship an Karfreitag
Hannes Langbein / Dietrich Sagert
8. „Wer das lesen könnt…" 87
LABORa-Gottesdienst an Karfreitag
Gottesdienst mit Texten von Georg Büchner
9. Adieu, Jesus! 97
Eine Trauerfeier für unseren Herrn, Freund und Bruder –
gestaltet von Konfirmand*innen und deren Eltern
Emilia Handke
10. Wer wälzt uns den Stein fort? 111
Liturgische Feier in der Osternacht
Eva Hillebold / Frank Nolte / Stephan Goldschmidt
11. Das Leben blüht auf 123
Digitale Ostergottesdienste
Freudensprünge 125
Digitale Osterfeier ohne Worte
Johannes Ahrens / Dirk Dillmann / Matthis Hansen /
Birgit Lunde
Bewegte (W)Orte 130
Digitaler Osterspaziergang
Anne Helene Kratzert
12. Wahrhaftig auferstanden 139
Kurzgottesdienst am Ostersonntag
Stephan Goldschmidt / Michael Held
13. Leben mit einem Versprechen 145
Gottesdienst am Ostersonntag
Stephan Goldschmidt
14. Der Weg nach Emmaus 157
Osterspaziergang
Stephan Goldschmidt / Gerd Peter
15. Gott ist in der Mitte 169
Gottesdienst am Sonntag Jubilate
Stephan Goldschmidt
16. Weißt du, wo der Himmel ist? 181
Gottesdienst an Christi Himmelfahrt
Stephan Goldschmidt
Autor*innen 191
Hinweise und Quellen 192
1. Fragst du nicht nach uns, Gott?
Predigt in der Vorfastenzeit
Stephan Goldschmidt
Lesung (Markus 4,35-41)
Am Abend desselben Tages sprach Jesus zu den Jüngern:
Lasst uns ans andre Ufer fahren.
Und sie ließen das Volk gehen
und nahmen ihn mit, wie er im Boot war,
und es waren noch andere Boote bei ihm.
Und es erhob sich ein großer Windwirbel,
und die Wellen schlugen in das Boot,
sodass das Boot schon voll wurde.
Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen.
Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm:
Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?
Und er stand auf und bedrohte den Wind
und sprach zu dem Meer: Schweig! Verstumme!
Und der Wind legte sich und es ward eine große Stille.
Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam?
Habt ihr noch keinen Glauben?
Und sie fürchteten sich sehr und sprachen untereinander:
Wer ist der, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind!
Predigt
1.
„Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?", fragen die Jünger. Sie kämpfen mit den Elementen, mit Wind und Wellen. Wie eine Nussschale wird das Boot von den Wellen hinaufgerissen, um im nächsten Augenblick wieder ins Wellental hinabzustürzen. Und was macht Jesus? Er liegt auf einem Kissen und schläft, während das Boot vollläuft. Ein Schiff, das vollläuft, geht unter. Das wissen die Jünger. Sie tun alles, um das zu verhindern. Die einen schöpfen verzweifelt Wasser – mit allem, was sie haben. Andere versuchen, in letzter Sekunde Land zu gewinnen. Und gleichzeitig liegt Jesus im Heck des Bootes und schläft. Er kriegt gar nicht mit, was geschieht. Er sieht nicht, wie sich seine Jünger abmühen und tun, was sie können.
„Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?" Wer so fragt, hat Todesangst. Wer so fragt, ist voller Verzweiflung und Resignation. Kein Ausweg in Sicht: Wir gehen unter, wir kommen um! Die Jünger scheinen sich damit schon fast abgefunden zu haben. Dass nichts und niemand mehr helfen kann. Es sei denn, Jesus weiß Rat.
Um die Lage richtig einzuschätzen, ist eins entscheidend: Jesus sitzt mit den Seinen im selben Boot. Es ist ihm ganz und gar nicht egal, was aus den Jüngern wird. Auch er ist dem Sturm und den Wellen ausgesetzt. Die Jünger sind nicht allein. Jesus hat sie nicht vergessen und schon gar nicht verlassen. Er macht sich ihr Problem zu eigen. Er reagiert allerdings ganz anders als die Seinen. Sturm und Wellen scheinen ihn nicht zu kümmern. Er wird nicht panisch. Nicht kopflos. Er reagiert besonnen. Jesus ist die Ruhe selbst. Er lässt sich von den äußeren Begebenheiten nicht einschüchtern. Und das hat einen guten Grund: Sein Vertrauen in Gott ist ungebrochen. Er weiß: Nichts und niemand kann ihn aus Gottes Hand reißen. Auch nicht der größte Sturm und die auswegloseste Situation.
2.
„Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen?" In dieser Frage steckt auch eine große Enttäuschung – die Enttäuschung, nicht wahrgenommen, sondern übersehen zu werden. Und das ausgerechnet jetzt in höchster Not. Die Jünger tun alles, um Wind und Wellen zu trotzen. Aber Jesus sieht es nicht einmal. Ist es ihm egal, dass der Wind zum Orkan wird und die Wellen das Boot unter sich begraben? Ist es ihm egal, wie bedroht die Hoffnungen und Träume seiner engsten Freunde sind? Fragt er nicht danach, dass sie in Lebensgefahr sind?
Wer unter uns hat in seinem Leben nicht schon ganz ähnliche Fragen gestellt? Man müht sich ab, tut sein Bestes, aber niemand fragt danach. Was man macht, wird nicht wahrgenommen. Die erhoffte Anerkennung bleibt aus – vom Chef, von der Kollegin, von einem Lehrer, vom Partner, von der Partnerin. Ausgerechnet der oder die, auf die es besonders ankommt, sagen nichts. Keine Wertschätzung oder Würdigung, kein Dank. Nur Leere. Und dann stellen sich erste Fragen. Bald beginnen sie uns zu verfolgen und werden immer bohrender: Hat er oder hat sie anderes zu tun? Wichtigeres? Oder schweigt sie bewusst, um mich zu kränken? Hat es ihm nicht gefallen? Liegt es an mir? Ist meine Leistung nicht gut genug? Oder hat sie etwas gegen mich? Übersieht er mich, weil ich für ihn unwichtig bin? Will sie mich ärgern oder sogar bewusst klein machen?
Und wenn erst einmal dieses Fragen-Karussell in Gang ist, kommt es nicht so schnell zur Ruhe. Wie bei den Jüngern. Aus der naheliegenden Frage, wo Jesus ist, wo er bleibt, wird am Ende der Vorwurf, ihm sei es egal, dass seine Jünger umkommen. Voll Enttäuschung und mit Wut im Bauch tobt in den Jüngern ein Sturm, der dem Orkan in nichts nachsteht, der über den See Genezareth wütet, der das Boot fast untergehen lässt, in dem neben den Jüngern aber auch Jesus sitzt.
„Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen? Mit diesen Worten wird Jesus geweckt. Unsanft, laut, mit wütender Stimme. Und Jesus lässt sich wecken. Sieht, was los ist. Er steht auf, ruhig und gelassen. Keine schlagfertige Antwort auf den Vorwurf. Keine Gegenrede. Kein Streit. Jesus rechtfertigt sich nicht. Er beginnt auch nicht, das Wasser aus dem Boot zu schöpfen oder das Boot an Land zu steuern. Stattdessen stellt er sich aufrecht und gerade dem Wind und den Wellen entgegen und sagt nur zwei Worte. Und diese Worte spricht er – so beschreibt es der Evangelist – ruhig, ohne die Stimme zu heben. Im griechischen Urtext wird hier eine Vokabel verwendet, die nichts anderes bedeutet als sagen oder sprechen. Jesus ruft nicht, er schreit nicht, um den Sturm und das Rauschen der Wellen zu übertönen. Jesus spricht. Er sagt zwei Worte: „Schweig! Verstumme!
Und auf einmal legt sich der Wind, und die Wellen kommen zur Ruhe. Es wird ganz still. Der Sturm ist zu Ende, der äußere, das Leben bedrohende Orkan und der innere Sturm, der in den Gedanken der Jünger herumwirbelt. Wie verwandelt sind die Jünger. Auch sie werden still. Und auf einmal haben sie den Blick frei. Statt auf ihre Sorgen und Nöte schauen sie auf Jesus. Sie sehen ihn mit neuen Augen an: „Wer ist dieser Mann, dass ihm Wind und Wetter gehorchen?" Wer ist Jesus, dass in seiner Gegenwart Sturm und Wellen zur Ruhe kommen?
3.
„Meister, fragst du nichts danach,