66 starke Thesen zum Euro, zur Wirtschaftspolitik und zum deutschen Wesen
Von Heiner Flassbeck
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Über dieses E-Book
Was hat Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit mit unseren Einkommen zu tun? Wieso kann ein Staat nicht einfach sparen wie die berühmte "schwäbische Hausfrau"?
Egal ob Rente, Steuern, Gesundheit, Arbeitsmarkt oder Finanzpolitik - wer wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen möchte, ist bei Heiner Flassbeck richtig aufgehoben.
Heiner Flassbeck, ehemaliger Direktor bei der UNO in Genf und Staatssekretär im Finanzministerium, erklärt die Wirtschaft klar und verständlich: Er zeigt, warum wir keine Angst vor Inflation zu haben brauchen, was Lohnstückkosten sind, wie eine Währungsunion aufgebaut sein muss und warum es nicht nur gut ist, Exportweltmeister zu sein. Wer populistischen Parolen der Politiker nicht mehr auf den Leim gehen möchte, wer bei wirtschaftlichen Dingen mitreden und wer sich seine eigene Meinung bilden möchte, der sollte dieses Buch lesen.
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Buchvorschau
66 starke Thesen zum Euro, zur Wirtschaftspolitik und zum deutschen Wesen - Heiner Flassbeck
Heiner Flassbeck arbeitete von 2000 bis 2012 bei den Vereinten
Nationen in Genf und war dort als Direktor zuständig für
Globalisierung und Entwicklung. Zuvor war er Staatssekretär
im Bundesministerium für Finanzen. 2013 ist sein Blog
flassbeck-economics.de mit täglichen Analysen und
Kommentaren zu Wirtschaft und Politik online gegangen.
Im Westend Verlag sind u.a. folgende Bücher von ihm
erschienen: »Handelt jetzt. Das globale Manifest zur Rettung
der Wirtschaft« (2013), »Die Marktwirtschaft des
21. Jahrhunderts« (2011) und »Gescheitert« (2009).
Heiner Flassbeck
66 starke Thesen
zum Euro,
zur Wirtschaftspolitik
und zum
deutschen Wesen
WESTEND
Mehr über unsere Autoren und Bücher:
www.westendverlag.de
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
PublisherISBN 978-3-86489-549-4
© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2014
Umschlaggestaltung: Buchgut, Berlin
Satz: Publikations Atelier, Dreieich
Druck und Bindung: CPI – Clausen & Bosse, Leck
Printed in Germany
Inhalt
Einleitung
Die große Frage unserer Zeit:
Hat der globale Kapitalismus einen
Wendepunkt erreicht?
1 Die US-Wirtschaft und ihre unerkannte Achillesferse
2 Abenomics: Noch immer keine Lösung in der Arbeitsmarktfrage
3 Die Abenomics und die Lehren für den Bundeswirtschaftsminister
4 Wachstumsschwäche in Brasilien und vielen anderen Entwicklungsländern – warum es nicht so vorwärts geht wie es sollte
5 Ägypten und Nordafrika: Die Revolution, die nicht sein durfte
6 Die wirtschaftliche Lage in der Ukraine und die Herausforderungen für eine neue Regierung
7 Die Türkei versucht den Befreiungsschlag, trifft sich aber selbst
Die Eurokrise – ist eine Krise des Denkens
und des Redens
8 Die letzte Chance nutzen!
9 Der europäische Traum und ein schlimmes Erwachen
10 Alle Länder der Europäischen Währungsunion sind systemrelevant, auch Zypern
11 Zypern gerettet – Währungsunion näher am Abgrund
12 Deutsche Ökonomen warnen vor französischem Merkantilismus
13 Die Schere zwischen Lohn und Produktivität – oder der Irrtum des Mario Draghi
14 Löhne und Produktivität – worum es innerhalb und außerhalb einer Währungsunion geht
15 Warum in einer Währungsunion die Reallöhne immer der Produktivität folgen müssen
16 Der IWF zu Spanien: Planwirtschaft bitte jetzt sofort einführen
17 Die Germanisierung Griechenlands und ihre Folgen
18 Unkonventionelle oder dogmatische Geldpolitik
19 Die EU-Kommission beginnt allmählich zu begreifen, was ihre Rolle in der Eurokrise ist
20 Frankreich ist der große Verlierer in der Eurozone
21 Der Front National in Frankreich und das Ende des Euro
22 Die Blairisation oder Schröderisierung des François Hollande
23 Bravo, Monsieur le Président
Das deutsche Wesen – ist das falsche Modell
24 Die deutsche Agenda und das schwere Schicksal Europas
25 Die neue deutsche Selbstgerechtigkeit ist kein Zufall
26 Die Bundeskanzlerin und die Austerität
27 Angela Merkel, die Schulden und die Unabhängigkeit von den Banken
28 Das BMF wäscht seine Hände in Unschuld
29 Schäuble über Inflation – er weiß wirklich nicht, was er sagt
30 Deutschland braucht eine andere wirtschaftspolitische Strategie – die AfD findet sie aber nicht
31 Hans-Olaf Henkel verstärkt die AfD – auch mit seinem Unwissen
32 Vom Merkantilismus zum Merkelantismus
33 Der Freihandel als Retter oder die Phantasielosigkeit der Neoliberalen
34 Die FDP versteht den Freihandel nicht
35 Mit wem sich Freihandel lohnt – und mit wem nicht
36 Jeder sollte seinen Wohlstand nach Gusto verdienen – nur Analyse nach Gusto geht nicht
37 Kleine Steuern und große Lügen
38 Die deutsche Investitionsschwäche, eine Folge der Angebotspolitik
39 Sollen die Steuern für Reiche erhöht werden?
40 Kein Grund für niedrige Steuern für die Unternehmen
41 Ein offener Brief an den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel
42 Wofür ist man, wenn man gegen eine Große Koalition ist?
43 Schäubles und Gabriels Personalentscheidungen: Kein Interesse an der Volkswirtschaft!
44 Schäuble im Rückwärtsgang, aber ohne Rückspiegel
45 Wieder versucht der Davos-Mensch die Welt zu retten – oder doch nicht?
Arbeit ist kein Produkt – und der Arbeitsmarkt
ist kein Markt
46 Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich
47 Mindestlohn oder warum wir uns nicht wirklich von den alten Argumenten freimachen können
48 Vom Kampfeswillen und der Kampfesfähigkeit der deutschen Gewerkschaften
49 Riester-Rente am Ende – wer hatte etwas anderes erwartet?
50 Rentendebatte erneut auf dem niedrigsten denkbaren Niveau
51 1 : 12 war eine gute Idee
Klimawandel ist Strukturwandel – aber die Politik
hat Angst vor der eigenen Courage
52 Oh Schreck, ein Klimawunder
53 Stationäre Ökonomie – eine Antwort auf Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung?
54 Müssen sich Windräder dem Markt stellen?
Rohstoffe dürfen nicht zum Spielball der Speku
lation werden
55 Spekulation mit Rohstoffen: Aus unhaltbaren Argumenten wird niemals ein haltbarer Standpunkt
56 Rohstoffe im Lager, Kunde betrogen, Geld in der Bank
57 Die Börsen im Rekordrausch und die herrschende politische und ökonomische Leere
Die ökonomische Theorie versagt – weil
Gläubige nicht lernen wollen
58 »Die verlorene Freiheit« und das Versagen der Wirtschaftswissenschaft
59 Die Dynamik einer monetären Marktwirtschaft ist weiterhin unverstanden
60 90 Prozent – oder warum die herrschende Lehre falsche Berechnungen so schwer erkennt
61 Das Gleichheitsgespenst, die FAZ und der Markt
62 Angebotspolitik als Ersatz für Nachfragepolitik?
63 Wirken Auf- und Abwertungen oder wirken sie nicht?
64 Ben Bernanke in der Finanzmarktkuppel – ratlos
65 Stephen Roach über die ungerechte amerikanische Geldpolitik
66 Hat Paul Krugman recht oder hat er unrecht?
Nicht anders als vor einhundert Jahren ist die
Unfähigkeit zum Dialog das prägende Zeichen
unserer Zeit
Dank
Anmerkungen
Einleitung
Bei einem Streitgespräch, das ich Anfang 2013 in Berlin auf Einladung der ZEIT mit Michael Hüther, dem Direktor des von den Arbeitgebern finanzierten Instituts der Deutschen Wirtschaft in Berlin führte, kam es zu einem interessanten Austausch von Argumenten. Anlass der Veranstaltung war das fünfzigjährige Jubiläum des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.
Herr Hüther sagte, und das ist schwer zu bestreiten, selbst wenn man im Detail ganz anderer Meinung ist, dass sich in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts so große Veränderungen in Deutschland und der Welt ereignet hätten, dass die Wende weg vom Keynesianismus hin zum heute neoliberalen Mainstream zwingend war. Vor allem die Ölpreisexplosionen, die Umverteilung zugunsten der Arbeitnehmer und den Anstieg der Arbeitslosigkeit nannte er als die Faktoren, die eine geistige Wende sozusagen erzwungen hätten.
In der Tat, betrachtet man die zwei für die neoliberale, neoklassische Lehre zentralen Größen für die gesamte westliche Welt, kommt man kaum umhin, der großen Wende, die sich damals ereignet hat, eine gewisse Plausibilität zuzusprechen. Die Veränderungen der siebziger Jahre waren tatsächlich von tektonischer Art. Einerseits hatte sich die Verteilung stark zugunsten der Arbeitnehmer verschoben, die Lohnquote erreichte Mitte der siebziger Jahre einen historischen Höhepunkt. Aber unmittelbar danach kam es zu einem ebenfalls nur historisch zu nennenden Anstieg der Arbeitslosigkeit. Am Ende dieses Jahrzehnts begann dann die große Umverteilung zugunsten der Arbeitgeber; für die neoliberale Konterrevolution war der Grundstein gelegt.
Das belegt zwar keineswegs, dass es die berühmte »klassische Arbeitslosigkeit« war, die damals entstand, also Arbeitslosigkeit aufgrund zu hoher Löhne, aber der Anschein dessen ist nicht leicht von der Hand zu weisen. Da mit den Ölpreisexplosionen gleichzeitig die Inflation stieg und die Geldpolitik, geleitet vom neuen monetaristischen Dogma, weltweit eine Phase scharfer Restriktion einleitete, ist hier die eigentliche Ursache der Arbeitslosigkeit zu suchen. Unzweideutig belegt wird das von dem engen Zusammenhang von Investitionstätigkeit und Beschäftigung, den ich mit Friederike Spiecker in unserem Buch »Das Ende der Massenarbeitslosigkeit« klar aufgezeigt habe. Weil mit dem Einbruch der Beschäftigung in den siebziger Jahren auch ein Einbruch der Investitionstätigkeit einherging, kann von einer Veränderung der Produktionsstruktur hin zu kapitalintensiver Produktion, dem Kernstück der neoklassischen Lehre von der Arbeitslosigkeit, nicht die Rede sein.
Nach den Ölpreiskrisen sank die Lohnquote unter starken zyklischen Schwankungen bis heute auf einen historischen Tiefststand nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Arbeitslosigkeit sank ebenfalls leicht bis zum Jahr 2000, sie verharrte aber weit über Werten, die mit Vollbeschäftigung gleichgesetzt werden könnten.
Der entscheidende Bruch im Verhältnis zwischen Löhnen und Arbeitslosigkeit kam 2008. Trotz eines Tiefststandes bei der Lohnquote ist die Arbeitslosigkeit auf einen neuen Höchststand geschnellt. Das Niveau, das die Lohnquote 2011 und 2012 erreicht hatte, ist extrem niedrig im Vergleich zu allen Werten, die in den letzten sechzig Jahren registriert wurden.
Damit ist es unbestreitbar, dass durch die Finanzkrise eine neue »Qualität« der Arbeitslosigkeit entstanden ist. Von dieser kann, anders als in den siebziger Jahren, kein vernünftiger, auch kein vernünftiger konservativer Mensch sagen, es handele sich dabei um Arbeitslosigkeit nach dem Muster der siebziger Jahre und folglich müsse man mit Lohnsenkung darauf reagieren. Genau das Gegenteil ist naheliegend: Weil auf der ganzen Welt Arbeitslosigkeit entstanden ist, die absolut nichts mit zu hohen Löhnen zu tun hat, ist es extrem gefährlich, darauf mit Lohnsenkung zu reagieren, denn dadurch würde die Wirtschaft weiter destabilisiert und die Arbeitslosigkeit würde weiter steigen. Doch genau das wird üblicherweise von den Ökonomen und Politikern vertreten, die an die herrschende Lehre wie an eine Religion glauben.
Diese Überlegung bildet einen der Schwerpunkte meiner Auseinandersetzung mit dieser »Religion« in den folgenden 66 Thesen. Die Thesen, die in den einzelnen Kapiteln jeweils fett gedruckt sind, sollen Anstöße zum Nachdenken und zum Dialog geben, weil beides national und international vollkommen fehlt. Viele der Thesen haben einen konkreten Anlass, der mich aufhorchen und manchmal aufschreien ließ, doch wird hoffentlich deutlich, dass es bei all dem um eine grundsätzliche Weichenstellung geht. Die Thesen und ihre zugrunde liegenden Überlegungen müssen der Beginn einer neuen geistigen Wende sein. Gelingt sie nicht, ist das wirtschaftliche System, in dem wir leben, am Ende.
Die große Frage unserer Zeit:
Hat der globale Kapitalismus
einen Wendepunkt erreicht?
1 Die US-Wirtschaft und ihre unerkannte
Achillesferse
Ende 2013 zeigte sich mal wieder, dass die amerikanischen Kollegen, die sich ernsthaft und mit Sorge der Frage einer durchgreifenden Belebung der amerikanischen Wirtschaft widmen, keinen Schritt vorangekommen sind. Ein Vortrag meines ehemaligen Kollegen Larry Summers bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds und die Wellen, die er schlug, belegen das in großer Klarheit.¹ Paul Krugman hat sich damit befasst, und in Deutschland hat Wolfgang Münchau in die gleiche Kerbe geschlagen. Alle befürchten, dass die traditionelle Geldpolitik nicht kraftvoll genug ist, um die Wirtschaft zu beleben, und sie fassen radikale Maßnahmen ins Auge, wie etwa negative Zinsen, um der vermeintlichen Liquiditätsfalle zu entkommen. Doch die Diagnose ist immer noch falsch. Die Nachfrage lässt sich nicht beleben, weil die Einkommenserwartungen der Mehrheit der Bürger schlecht sind, und nicht etwa, weil sie viel liquide Mittel in der Kasse halten wollen.
Für die USA lässt sich das so leicht bebildern, dass jeder, der frei von Vorurteilen ist und seine fünf Sinne beisammen hat, es sehen kann. Dort lagen laut Zahlen vom Arbeitsministerium (Department of Labor) die realen Bruttostundenlöhne in Preisen von 1982/84 (also inflationsbereinigt) in der privaten Wirtschaft (für Produktionsarbeiter, die keine Weisungsbefugnis haben, ohne Landwirtschaft) im September 2013 bei 8,79 US-Dollar (das entspricht etwa 20,25 US-Dollar nominal).² Im Januar 2013 hatten die gleichen Löhne bei 8,78 US-Dollar gelegen. Im Durchschnitt des Jahres 2012 lagen sie bei 8,74 US-Dollar, 2010 bei 8,91 US-Dollar. Vor genau zehn Jahren, im Durchschnitt des Jahres 2003, war der Wert 8,55 US-Dollar.
Das alles passiert in einer Wirtschaft, in der die Stundenproduktivität nach der gleichen Quelle jedes Jahr um 1,5 bis 2 Prozent zulegt. Woher soll in den USA, die als große relativ geschlossene Volkswirtschaft fast vollständig vom privaten Konsum abhängig sind, der Aufschwung kommen, wenn die große Masse der Menschen davon ausgehen muss, dass sie abgehängt ist vom allgemeinen Fortschritt und angesichts dieser Erfahrungen keine positiven Einkommensperspektiven haben kann? Das geht nur noch über verzweifelte Versuche, positive »Vermögenseffekte« an den Börsen zu erzeugen, und mit der Hoffnung auf eine Absenkung der Sparquote der privaten Haushalte. Ein wenig davon erklärt den schwachen Aufschwung, den die USA derzeit verzeichnen. Sind die privaten Haushalte aber grundlegend skeptisch hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der so geschaffenen »Werte«, ist die Geldpolitik irgendwann vollständig am Ende, weil selbst extreme Maßnahmen nicht mehr helfen.
Ist in dieser Situation die Fiskalpolitik aus ideologischen Gründen auch blockiert, könnte man nur über direkte Intervention in den Arbeitsmarkt einen Durchbruch erzielen. Der ist aber ebenfalls aus ideologischen Gründen selbst bei sonst recht fortschrittlichen Ökonomen tabu. Sie wollen nicht wahrhaben, dass der starke Anstieg der Arbeitslosigkeit während der Finanzkrise, also bei schon sehr niedrigen Löhnen, der klare Beweis dafür war, dass der Arbeitsmarkt ein destabilisierendes Element für die modernen Wirtschaften ist, weil die sich immer weiter zugunsten der Arbeitgeber verschiebenden Machtverhältnisse die Binnennachfrage systematisch schwächen und früher oder später neue Arbeitslosigkeit erzeugen.
Solange der Staat (wie in den USA) noch hohe Defizite hinnimmt, oder, wie im deutschen Fall, das Ausland, können die Unternehmen noch Gewinne machen, obwohl sie mit dem Druck auf die Löhne permanent an dem Ast sägen, auf dem sie sitzen.
Doch es kommt der Tag, an dem die Rechnung für die Lohndrückerei aufgemacht wird, an dem weder die öffentlichen Haushalte noch das Ausland als Reservenachfrager zur Verfügung stehen. Dann wird sich zeigen, dass die Fixierung der Wirtschaftspolitiker auf Unternehmer, denen Zusammenhänge außerhalb ihres betriebswirtschaftlichen Horizonts unbekannt sind, die Volkswirtschaft als Ganzes ins Verderben führt. Je später dieses Erwachen stattfindet, desto böser wird es sein.
2 Abenomics: Noch immer keine Lösung in der
Arbeitsmarktfrage
Abenomics, die expansive ökonomische Strategie, die nach Premierminister Abe benannt ist, verweist auf erste Erfolge. So ist Japan aus der Rezession entkommen und der Export hat kräftig angezogen. Allerdings hat das in erheblichem Maße mit der Schwäche des Yen zu tun, die mit dieser Strategie von Anfang an verbunden war. Abwertung der eigenen Währung ist aber natürlich nicht ausreichend, um dauerhaft erfolgreich zu sein, und steht unter permanentem Generalverdacht des beggar-thy-neighbour, bei dem die Handelspartner ganz schnell hellhörig werden und Gegendruck machen.
Nun will die Regierung Abe offenbar als »dritten Pfeil« ihrer Strategie auch »Strukturreformen« umsetzen, die die Wirtschaft beweglicher machen sollen. Ins Visier vieler Strategen ist dabei der japanische Arbeitsmarkt geraten, der traditionell ein hohes Maß an Beschäftigungsschutz für die Arbeitnehmer bietet, was so weit geht, dass auch in privaten Firmen eine Lebensanstellung durchaus die Regel ist.
Was aber kaum beachtet wird, ist die Tatsache, dass in Japan die nominalen Löhne seit vielen Jahren nicht mehr gestiegen und häufig sogar gefallen sind. Das hat vor allem die kaum noch aus dem System zu beseitigende hartnäckige Deflation hervorgebracht. Wer jedoch daraus folgert, Japan sichere wegen oder mit seiner schwachen Lohnentwicklung die Beschäftigung ab, liegt vollkommen falsch. Ganz am Anfang dieses Prozesses, also zu Beginn der neunziger Jahre, als Japan von dem Platzen seiner Spekulationsblasen getroffen in eine tiefe Rezession zu stürzen drohte, hat sicherlich die hohe Flexibilität der Löhne für kurze Zeit mitgeholfen, den Gewinndruck auf die Unternehmen zu verringern und so mehr Beschäftigung zu halten, als sonst möglich gewesen wäre. Das aber geht immer nur auf Kosten der Inlandsnachfrage und damit auch wieder indirekt auf Kosten der Beschäftigung. Wenn eine Blase platzt, die nichts mit dem Arbeitsmarkt zu tun hat, aber Arbeitslosigkeit produziert, ist Lohnsenkung einfach niemals eine angemessene Antwort.
Besser wäre es in einem solchen Fall, man würde, selbst um den Preis einer temporär steigenden Arbeitslosigkeit, die Lohnentwicklung auf der mittelfristig richtigen Linie weiterfahren und damit die Dynamik der Inlandsnachfrage schützen. Dann fällt es der Wirtschaftspolitik wesentlich leichter, die einmalig entstandene Arbeitslosigkeit durch expansive Geld- und Fiskalpolitik zu bekämpfen. Deflation ist dann ebenso ausgeschlossen wie eine lang anhaltende Schwäche der Inlandsnachfrage, und genau das hilft dabei, die Beschäftigung zu stabilisieren.
Sobald man sich aber auf die Neoklassik mit ihrer Arbeitsmarktflexibilisierung (was immer auf Lohnsenkung- oder Mindersteigerung im Vergleich zur Produktivität hinausläuft) verlässt, ist man verlassen. Es besteht die große Gefahr, dass man in Japan die ersten Erfolge von Abenomics durch »strukturelle« Anpassungen schnell wieder zunichtemacht. Den traditionellen Beschäftigungsschutz im Falle großer konjunktureller Schocks etwas zu lockern, mag notwendig sein. Ohne aber für die Zukunft die Löhne in dem Sinne zu sichern, dass man eine stabile Erhöhung entsprechend der Produktivität und der Zielinflationsrate vereinbart, kann man nichts gewinnen, sondern wird die Verunsicherung der Arbeitnehmer nur noch einmal vergrößern. Der Deflation wird man so niemals entrinnen.
3 Die Abenomics und die Lehren für den
Bundeswirtschaftsminister
Shinzo Abe, der japanische Premierminister hat sich die Statistiken über das internationale Lohnwachstum angesehen und war entsetzt, so berichteten die Medien, dass Japan so weit nach unten abfällt. Späte Erkenntnis, aber immerhin eine gute und klare Erkenntnis. Nun wollte er in einer konzertierten Aktion von Arbeitgebern und Arbeitnehmern dafür sorgen, dass die Lohndeflation rasch zu Ende geht und Japan wieder eine sich normal entwickelnde Volkswirtschaft wird. Auch das ist sehr richtig. Er sagte, dass die Löhne zwar von den Tarifpartnern bestimmt werden, dass aber der Staat Einfluss nehmen kann und muss. Der japanische Premierminister hätte noch fragen sollen, was eigentlich die Ökonomen in Japan und anderswo gemacht haben, die mehr als zwanzig Jahre an der Deflation herumrätselten. Und er sollte sich überlegen, ob er nicht hundert neue Lehrstühle für Makroökonomie einrichten will, auf die kein einziger neoklassisch-monetaristisch ausgebildeter Ökonom berufen werden darf, um der Volkswirtschaftslehre vom Land der aufgehenden Sonne einen Neuanfang zu ermöglichen.
Wie viele Jahre wird es hierzulande noch dauern, bis die deutschen Politiker verstehen, dass Lohnsenkung oder auch nur das Zurückbleiben der Reallöhne hinter der Produktivität eine fundamental falsche Politik ist? Sucht man die Antwort darauf im jüngsten einschlägigen Dokument, dem Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung, wird man nicht recht fündig. Zwar ist der Bericht im Vergleich zu seinem Vorgänger moderat im Ton und betont auch die Bedeutung der Löhne für die Nachfrage (explizit wird für die Prognose angenommen, dass die Reallöhne steigen wie die trendmäßige Produktivität), aber konsequent ist das bei weitem noch nicht.
Der Jahreswirtschaftsbericht erwartet für 2014 eine Zunahme der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer von 2,7 Prozent, etwas mehr als 2013 (2,3) und weniger als 2012 (2,9). Das verfügbare nominale Einkommen der privaten Haushalte (2,9 im Jahr 2014 nach 2,1 im vergangenen Jahr) und der gesamte reale Konsum (1,4 nach 0,9) können in dieser Prognoserechnung nur deswegen 2014 deutlich stärker steigen als 2013, weil die Unternehmenseinkommen mit 4,6 Prozent nach 2,8 im Jahr 2013 deutlich stärker zulegen sollen. Erheblich zunehmende Gewinne soll es bei nur noch minimal steigendem Außenbeitrag geben (die Exporte nehmen in der Prognose weniger zu als die Importe, jedoch ausgehend von einem höheren Niveau), weil es laut Wirtschaftsministerium zu einer Investitionsbelebung (+ 4 Prozent) kommt.
Da befruchtet dann offenbar das eine das andere: Die Gewinne steigen, weil die Investitionen steigen. Doch warum steigen die Investitionen? Etwa weil die Gewinne steigen? Da bisse sich die Katze in den Schwanz. Weil der Konsum halbwegs wächst? Doch das tut er ja nur, weil die Gewinne steigen. Woher also kommt der Impuls, der den Zug ins Rollen bringt, auf den gern alle aufspringen wollen?
Nichts spricht für die vom Bundeswirtschaftsministerium prognostizierte Entwicklung außer der Hoffnung derjenigen, deren gesamtes Weltbild von der robusten Wirtschaft und den guten Investitionsbedingungen zusammenbräche, wenn die Investitionen erneut sänken. Und genau weil das so unrealistisch ist, fordert auch gleich der Arbeitgeberverband, die Investitionsbedingungen zu verbessern. Seit vielen Jahren sind alle Investitionsbedingungen – Lohnkosten, darunter selbstverständlich auch die Lohnnebenkosten, Steuern auf Gewinne, Steuern auf Vermögen und ein Großteil der Arbeitsbedingungen – im Sinne der Arbeitgeber massiv verbessert worden. Aber es hat immer an der einen entscheidenden Bedingung gehapert, nämlich der Binnennachfrage. Daher ist die Investitionstätigkeit tatsächlich miserabel geblieben, obwohl ihr doch der rote Teppich viele Meter weit ausgerollt wurde.