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Der Zirkadian-Code: Erholsam schlafen, Gewicht reduzieren, gesund sein. So leben Sie im Einklang mit Ihrer inneren Uhr.
Der Zirkadian-Code: Erholsam schlafen, Gewicht reduzieren, gesund sein. So leben Sie im Einklang mit Ihrer inneren Uhr.
Der Zirkadian-Code: Erholsam schlafen, Gewicht reduzieren, gesund sein. So leben Sie im Einklang mit Ihrer inneren Uhr.
Ebook415 pages9 hours

Der Zirkadian-Code: Erholsam schlafen, Gewicht reduzieren, gesund sein. So leben Sie im Einklang mit Ihrer inneren Uhr.

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About this ebook

Dieser hoch aktuelle Ratgeber macht klar, wie wichtig unser Biorhythmus - der Zirkadian-Code - für unsere Gesundheit ist: wann wir essen, wann wir uns bewegen, wann wir schlafen. Denn alle Körperzellen besitzen eine innere Uhr, die für sämtliche Stoffwechselvorgänge im Körper verantwortlich ist.
Wer über den ganzen Tag verteilt isst, abends lange vor dem hellen Computer sitzt und zu unregelmäßigen Zeiten schlafen geht, bringt den Körper aus dem Takt - und das hat folgenschwere Auswirkungen auf die Gesundheit:
Übergewicht und Diabetes, Schlafstörungen, Ängste und Depressionen sowie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Entzündungen und vieles mehr. Sogar die Wirksamkeit von eingenommenen Medikamenten wird von unserem Schlaf-Wach-Rhythmus beeinflusst.
Um den Grundstein für eine gute Gesundheit bis ins hohe Alter zu legen, müssen wir unsere innere Uhr beachten, also jene Fenster, die naturgemäß für Essen, Bewegung und Schlaf vorgesehen sind. Wer Informationen zum Intervallfasten sucht, leichter abnehmen, besser schlafen oder optimal Sport treiben will, Herzerkrankungen, Demenz oder Diabetes vermeiden oder sogar rückgängig machen möchte, findet hier die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem Gebiet der zirkadianen Rhythmik und Chronobiologie.
Der Wissenschaftler Satchin Panda, einer der Experten auf dem Gebiet der zirkadianen Forschung, zeigt, wie sich ein Leben mit gesundem Biorhythmus auch im Alltag verwirklichen lässt, egal ob Sie Eltern mit einer Doppelbelastung durch Beruf und Familie sind, im Schichtdienst arbeiten oder bereits unter chronischen Alterskrankheiten leiden.
LanguageDeutsch
PublisherVAK Verlag
Release dateApr 18, 2019
ISBN9783954843992
Der Zirkadian-Code: Erholsam schlafen, Gewicht reduzieren, gesund sein. So leben Sie im Einklang mit Ihrer inneren Uhr.

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    Der Zirkadian-Code - Satchin Panda

    Teil I:

    Die zirkadiane Uhr

    KAPITEL 1

    Wir sind alle Schichtarbeiter

    Wenn Sie Schichtdienst leisten und mitten in der Nacht aufstehen und zur Arbeit gehen oder erst spät abends von der Arbeit nach Hause kommen oder die ganze Nacht lang wach sind, dann wissen Sie, wie es ist, gegen den Urdrang zu leben, der uns befiehlt, nachts zu schlafen und tagsüber wach zu sein. Und selbst wenn Sie keine Schichten arbeiten, können Sie sich sicher an Zeiten erinnern, als Sie gegen Ihre innere Uhr angekämpft haben. In Wahrheit sind wir alle Schichtarbeiter. Jeder Mensch kennt Zeiten mit länger anhaltenden Schlafproblemen und bei vielen Menschen hält sich das Problem hartnäckig. Wenn Sie privat oder bei der Arbeit eine Nachtschicht einlegen, wenn Sie bis spät in die Nacht für eine Klausur lernen, auf einem Flug mehrere Zeitzonen durchqueren, am Bett eines kranken Familienmitglieds wachen oder mehrfach nachts wach werden, um Ihr Baby zu füttern, dann sind auch Sie ein Schichtarbeiter beziehungsweise eine Schichtarbeiterin. Ein Vollzeitjob mit langem Anfahrtsweg und zusätzlichen Haushaltspflichten ist nichts anderes, als würden Sie zwei Schichten hintereinander arbeiten – und wahrscheinlich kommen Sie dabei selten vor Mitternacht ins Bett. Schon eine lange Partynacht kann die gleichen störenden Auswirkungen haben wie eine Reise von einer Zeitzone in eine andere. Dieses Phänomen wird daher mittlerweile als Social Jetlag bezeichnet.

    Die Aussage, dass wir alle Schichtarbeiter sind, ist mehr als ein reines Gedankenexperiment; Daten scheinen dies zu belegen: So hat beispielsweise Professor Till Roenneberg, ein Schlafforscher aus München, mehr als 50 000 Menschen in Europa und den USA befragt und herausgefunden, dass die meisten entweder erst nach Mitternacht zu Bett gehen oder bereits früh am Morgen unausgeschlafen wach werden.¹,² Auch ändern Menschen häufig am Wochenende ihre Bettgehzeiten. Beim Welt-Schlaf-Kongress 2017 präsentierte Roenneberg seine Daten, die zeigten, dass nahezu 87 Prozent aller Erwachsenen unter dem oben erwähnten „Social Jetlag" leiden und am Wochenende mindestens zwei Stunden später ins Bett gehen als in der Woche.

    Vor rund sechs Jahren begann meine Forschungseinrichtung damit, die Aktivitäten und Schlafmuster von nahezu 200 College-Studenten aufzuzeichnen, und wir stießen dabei auf das gleiche Muster, über das auch Roenneberg berichtete. In der Gruppe fand sich nur eine Person, die tatsächlich jeden Tag nahezu zur gleichen Zeit ins Bett ging, auch am Wochenende. Und es gab nur einen weiteren Studenten, der wenigstens an zwei Tagen in der Woche vor Mitternacht schlafen ging.

    Wir beobachten auch Schwangere und berufstätige Mütter, deren Rhythmen ebenfalls sehr unregelmäßig sind. Hier findet sich überraschenderweise eine starke Ähnlichkeit zu den Mustern von Feuerwehrleuten, die auch davon ausgehen, mehrmals nachts aus dem Schlaf gerissen zu werden. Für viele Frauen ist der härteste Teil des Mutterseins das Ankämpfen gegen die eigene innere Uhr, das Wachsein in der Nacht und der Versuch, am Tag zu unterschiedlichen Zeiten Schlaf nachzuholen. Junge Mütter bekamen tatsächlich nur dann ausreichend Schlaf, wenn sie zusätzlich zu ihrem Partner weitere Unterstützung durch Eltern oder Schwiegereltern hatten, die nachts öfter einmal einsprangen.

    Berufstätigen Müttern fällt es am schwersten, einen täglichen Rhythmus in ihrem Leben zu finden, da ihr Tagesablauf von allen anderen Familienmitgliedern beeinflusst wird. In der Regel stehen diese Mütter früh auf, um das Frühstück für die ganze Familie zuzubereiten, den Kindern beim Anziehen zu helfen, Pausenbrote zu schmieren und Schulranzen zu packen, die Kinder zur Schule oder in die Betreuung zu bringen und dann selbst zur Arbeit zu fahren. Nach dem Abendessen kümmern sie sich noch um Hausaufgaben, helfen beim Lernen oder sind bis spät abends mit dem Haushalt beschäftigt. Je weiter die Woche fortschreitet, umso mehr leidet ihre innere Uhr. Als meine Tochter noch ein Kleinkind war, wurde meine Frau regelmäßig am Freitag krank und benötigte nahezu das gesamte Wochenende zur Erholung.

    Unabhängig von den Gründen oder Umständen wissen wir alle, wie wir uns nach einer kurzen Nacht fühlen. Wir sind müde, können aber nicht schlafen. Der Magen ist leicht gereizt, die Muskeln sind schwach, wir können nicht besonders klar denken und ins Fitnessstudio wollen wir schon gar nicht gehen. Körper und Geist sind in einem leichten Zustand der Verwirrung – die eine Hälfte des Gehirns sagt uns, dass es Zeit ist, den verlorenen Schlaf nachzuholen, die andere Hälfte besteht darauf, dass es Tag ist und somit keine Schlafenszeit. Vielleicht entscheiden wir uns, durchzuhalten und das Schlafbedürfnis mithilfe eines starken Kaffees oder Energydrinks zu unterdrücken, oder wir versuchen so schnell wie möglich wieder zur gewohnten Routine zurückzufinden.

    Das Gehirn eines Menschen, der Schichtarbeit leistet, kann keine rationalen Entscheidungen treffen. Laut einem kürzlich in der Zeitschrift Popular Science erschienenen Artikel³ hat bereits eine einzige Nachtschicht kognitive Auswirkungen, die eine ganze Woche anhalten können. Solche Gedächtnislücken oder Aufmerksamkeitsdefizite können uns unter anderem anfällig machen für schlechte Gewohnheiten. Schon wenige Tage, an denen wir zu wenig Schlaf bekommen, können unser Essverhalten verändern – sowohl in Bezug auf die Lebensmittel, nach denen es uns gelüstet, als auch in Hinblick auf die Menge, die wir während des nächtlichen Wachseins essen. Häufig nehmen wir nachts, wenn unser Magen sich eigentlich ausruhen und regenerieren sollte, besonders kalorienreiches Junk Food zu uns.

    Schichtarbeiter leiden häufig unter Einschlafproblemen. Einige versuchen, das Problem mit Alkohol oder Schlaftabletten zu lösen, die jedoch langfristig Depressionen auslösen können. Noch entscheidender ist natürlich, dass es sich dabei um Suchtmittel handelt und diese schlechte Angewohnheit meist bestehen bleibt, auch wenn die Lebensumstände es gar nicht mehr erfordern, nachts wach zu sein.

    Und als würde die Schichtarbeit unser eigenes Leben nicht schon genug beeinflussen, werden auch unsere Familienmitglieder mehr oder weniger zu Schichtarbeitern zweiter Hand, indem sie sich an unsere Zeiten anzupassen versuchen und uns zuliebe früher aufstehen oder abends länger wachbleiben. Auch hier sind die gesundheitlichen Auswirkungen bedenklich. Bei einer im Jahr 2013 veröffentlichten Studie zum Thema stellten Forscher fest, dass die Kinder von Schichtarbeitern im Vergleich zu anderen nicht nur mehr kognitive Probleme und Verhaltensstörungen aufwiesen, sondern auch stärker zu starkem Übergewicht neigten.

    Während es sich vielleicht unangenehm anfühlt, wenn man einen Tag oder zwei Tage bis spät nachts wach war oder einige Tage schlecht schläft, nachdem man mehrere Zeitzonen durchquert hat, können wiederholte Störungen unserer inneren Uhr gesundheitliche Probleme nach sich ziehen, da die verschiedensten Systeme im Körper nicht mehr richtig funktionieren. Das Immunsystem ist geschwächt, sodass Keime und Bakterien, die uns normalerweise nichts anhaben, unserem Magen zu schaffen machen oder grippeähnliche Symptome verursachen. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass Schichtarbeiter mehr gesundheitliche Probleme haben als Menschen, die zu normalen Zeiten arbeiten. Besonders häufig finden sich Magen-Darm-Leiden, Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.⁵–¹⁶ Die Haupttodesursachen für im aktiven Dienst befindliche Feuerwehrmänner sind übrigens nicht Verbrennungen oder Verletzungen durch Unfälle – es sind Herzerkrankungen, von denen man mittlerweile annimmt, dass sie durch eine Störung der inneren Uhr hervorgerufen werden.¹⁷,¹⁸ Viele Studien zeigen, dass Schichtarbeit das Risiko für verschiedene Krebsarten so stark erhöht, dass die zur Weltgesundheitsorganisation gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung die Schichtarbeit mittlerweile als potenziell krebserregend einstuft.¹⁹

    Wenn wir alle Schichtarbeiter sind, dann leiden wir auch alle. Deshalb ist es so wichtig, zu verstehen, wie unsere zirkadianen Uhren funktionieren und wie wir durch unsere Lebensweise den natürlichen Rhythmus unseres Körpers unterstützen können.

    Zirkadiane Rhythmen existieren wirklich

    Früher glaubte man, dass unsere Tag-Nacht-Zyklen allein durch äußere Einflüsse bestimmt wurden: Das Morgenlicht weckte uns, und wenn der Mond am Himmel erschien, war es an der Zeit, schlafen zu gehen. Noch bis Mitte der 1970er-Jahre taten viele Wissenschaftler das Gebiet der zirkadianen Biologie als nutzlos ab. Obwohl man schon um das Jahr 1700 wusste, dass Pflanzen über eine innere Uhr verfügen, ließ sich die Idee, dass auch Menschen und Tiere eine Art inneren Auslöser besitzen, schwer nachweisen. Man ging allgemein davon aus, dass der Mensch als hoch entwickelte Spezies neben Sonne und Mond auch noch von anderen äußeren oder Umweltfaktoren beeinflusst sein müsste.

    Was passiert, wenn unsere innere Uhr aus dem Takt gerät?

    Experimente mit Pflanzen durchzuführen, erwies sich als einfach genug: Eine Pflanze, die man in einen dunklen Kellerraum stellt, bewegt ihre Blätter trotzdem gemäß einem bestimmten inneren Rhythmus auf und ab.²¹ Viele Pflanzen heben ihre Blätter während des Tages an, um mehr Energie aus dem Sonnenlicht zu gewinnen. Nachts lassen sie die Blätter meist wieder sinken, weil es Energieverschwendung wäre, sie angehoben zu lassen. Viele Blumen blühen nur am Tag, wenn bestäubende Insekten und Vögel unterwegs sind. Manche allerdings, wie der Jasminbaum neben dem Haus meiner Großeltern, blühen bei Nacht. Diese Pflanzen bauen bei der Bestäubung auf den Wind und nicht auf Tiere.

    Welche Art von Schichtarbeiter sind Sie?

    Laut der europäischen Definition für Schichtarbeiter handelt es sich dabei um Personen, die mehr als 50 Tage im Jahr drei Stunden oder mehr zwischen 22 Uhr abends und 5 Uhr morgens wach sind. Ich glaube allerdings, dass wir aufgrund unserer Lebensweise mehr oder weniger alle Schichtarbeiter sind. Welche Art von Schichtarbeit trifft auf Sie zu?

    Traditionelle Schichtarbeit: Ungefähr 20 bis 25 Prozent der Menschen, die in Industrie- oder Entwicklungsländern in zivilen Berufen tätig sind, leisten Schichtarbeit. Dazu zählen alle, die im Rettungsdienst arbeiten (Feuerwehrleute, Leitstellenmitarbeiter), Polizisten, Reinigungspersonal und Mitarbeiter im Gesundheitsdienst (Krankenpfleger, Ärzte), in der Fertigung, beim Bau, bei Versorgungsdiensten, im Luftverkehr (Piloten, Kabinenpersonal, Bodenpersonal), im Bodentransport, im Nahrungsmittelbereich oder im Callcenter.

    Schichtarbeiterähnliche Lebensweise: Hierunter fallen beispielsweise Oberschüler und Studenten, Musiker, darstellende Künstler, junge Mütter, pflegende Angehörige und die Partner von Schichtarbeitern.

    Jobs in der Gig-Economy: Dazu zählen Teilzeitfahrer für Mitfahragenturen und Auslieferer von Lebensmitteln, Personen mit flexiblen Arbeitszeiten und Freiberufler.

    Jetlag: Dieser tritt ein, wenn Sie innerhalb eines Tages zwei oder mehr Zeitzonen durchqueren. Nahezu 8 Millionen Menschen steigen jeden Tag ins Flugzeug²⁰ und die Hälfte von ihnen durchqueren dabei mindestens zwei Zeitzonen.

    Social Jetlag: Tritt ein, wenn man am Wochenende länger schläft und mindestens 2 Stunden später aufwacht als unter der Woche. Über 50 Prozent der Bevölkerung in unser modernen Gesellschaft leiden darunter.

    Digital Jetlag: Hierzu kommt es, wenn Sie über soziale Netzwerke oder digitale Medien mit Freunden oder Kollegen sprechen, die mehrere Zeitzonen entfernt leben und folglich mehr als drei Stunden zwischen 22 Uhr und 5 Uhr morgens wach sind.

    Jahreszeitlich bedingte affektive Krankheiten: Millionen von Menschen leben in den äußeren nördlichen oder südlichen Breitengraden (z. B. die Einwohner von Nordkanada, Schweden, Norwegen und Südchile). Im Winter gibt es dort weniger als acht Stunden, im Sommer mehr als 16 Stunden Tageslicht. Diese Extreme stören den zirkadianen Rhythmus.

    Die nächsten Studienreihen waren schon schwieriger, und die Forscher begannen mit Insekten, Vögeln und schließlich auch anderen Tieren zu arbeiten. Sie untersuchten den Zeitpunkt, an dem aus Larven Fruchtfliegen wurden – ein zirkadianes Phänomen, das nur am Morgen stattfindet, wenn wenig Wind und eine höhere Luftfeuchtigkeit vorhanden sind. Sie analysierten die Wandermuster von Zugvögeln und die Schlaf-Wach-Rhythmen anderer Tiere. Auch Labormäuse wurden in einer kontrollierten Umgebung untersucht.²² Wenn man sie konstanter Dunkelheit aussetzte, wachten sie trotzdem präzise wie ein Uhrwerk auf und schliefen ein, und zwar in einem Rhythmus von 23 Stunden und 45 Minuten. Auch die inneren Uhren vieler Pflanzen und Pilze folgen einem Rhythmus, der ungefähr 24 Stunden entspricht.

    Die Überprüfung, ob Menschen ebenfalls über solche inneren Uhren verfügen, schien lange Zeit nahezu unmöglich, weil es schwierig ist, alle externen Zeithinweise und Verbindungen zur Außenwelt zu kappen. In den 1950er-Jahren allerdings hatten Forscher eine Idee: Sie nahmen ein einfaches Telefon, über das ein Freiwilliger nur zu einer einzigen anderen Person Kontakt aufnehmen konnte. Der Freiwillige begab sich dann in eine Höhle tief in den Anden. Er nahm nichts anderes mit als ausreichend Nahrungsmittel, Kerzen und Lesematerial für mehrere Wochen. Jedes Mal, wenn er müde genug war, um schlafen zu gehen, rief er seinen Partner am anderen Ende der Telefonleitung an, der dann die Zeit festhielt. Auch beim Aufwachen erfolgte ein Kontrollanruf. Die Studie zeigte, dass der Schlaf-Wach-Rhythmus mehrere Wochen lang wie am Schnürchen funktionierte. Trotzdem ging der Freiwillige jeden Tag ein kleines bisschen später schlafen, was ein Anzeichen dafür war, dass sein innerer Zyklus etwas länger war als 24 Stunden. Tatsächlich betrug er genau 24 Stunden und 15 Minuten. Dieser Zyklus war so vorhersehbar, dass er nur durch eine innere Uhr gesteuert sein konnte.²³

    Die Tatsache, dass der zirkadiane Rhythmus nicht exakt 24 Stunden beträgt, ist nicht verwunderlich, da auch der Abstand von Sonnenaufgang zu Sonnenaufgang in den meisten Teilen der Erde nicht genau 24 Stunden beträgt. Durch die Neigung der Erdachse gibt es bei der Umkreisung der Sonne Zeiten im Jahr, in denen entweder die nördliche oder die südliche Erdhalbkugel stärker der Sonne zugeneigt ist. Während die Tage im Verlauf des Jahres länger oder kürzer werden, verändern sich auch die Zeiten, zu denen die Sonne auf- und untergeht. Am Äquator ist diese Veränderung kaum spürbar, aber wenn Sie in Boston, Stockholm oder Melbourne leben, kann sich der Sonnenaufgang von einem Tag auf den nächsten um mehrere Minuten verschieben. Wenn die Tage mit der Ankunft des Sommers wieder länger werden, weckt uns unsere innere Uhr etwas früher am Morgen, wenn die Sonne aufgeht. Wenn wir von einer Zeitzone in die nächste fliegen, passt sich unser Schlaf-Wach-Rhythmus langsam an die neue Zeitzone an. Diese Beispiele sind nur einige unter vielen, die zeigen, warum wir eine innere Uhr haben und wie ihre Fähigkeit, sich anzupassen, mit den Änderungen von Sonnenaufgang oder Tageslänge zusammenhängt. Sobald dies einmal feststand, gingen die Forscher davon aus, dass zirkadiane Rhythmen mit Licht zusammenhingen oder daran festgemacht werden konnten.

    Der Rhythmus des täglichen Lebens

    Forscher wie ich erkunden auch weiterhin die täglichen Rhythmen der Physiologie, des Stoffwechsels und selbst der Wahrnehmung von Erwachsenen. Dabei stellte sich heraus, dass nahezu jeder Aspekt unseres täglichen Lebens Rhythmen unterliegt. Auch wenn Menschen nicht blühen wie Blumen und keine Wanderungen über lange Strecken unternehmen wie Zugvögel, verfügen auch wir über innere Uhren, bei denen fast alle Aspekte unserer täglichen Gesundheit mit der richtigen Tages- oder Nachtzeit verbunden sind. Unser Körper ist darauf programmiert, jeden Tag bestimmte Rhythmen zu durchlaufen. Was Sie am Abend machen, hat dabei große Auswirkungen auf Ihren zirkadianen Rhythmus. Die wichtigsten Veränderungen, die Sie nach dem Lesen dieses Buches vornehmen werden, haben mit der Überprüfung Ihres Tagesablaufs zwischen 18 Uhr und Mitternacht zu tun.

    Schon bevor wir morgens die Augen öffnen, bereitet unsere innere Uhr unseren Körper auf das Aufwachen vor. Die Produktion des Schlafhormons Melatonin in der Zirbeldrüse wird gestoppt. Unsere Atmung beschleunigt sich und unser Herzschlag ebenfalls, während der Blutdruck leicht ansteigt. Unsere Körperkerntemperatur nimmt um etwa ein halbes Grad zu, noch bevor wir wach werden.

    Unser gesamtes Wohlbefinden wird von unseren täglichen Rhythmen beeinflusst. Sich am Morgen gut zu fühlen, bedeutet, dass man nach einem geruhsamen Schlaf erfrischt und erholt aufwacht und beim morgendlichen Stuhlgang die in der Nacht angesammelten Giftstoffe loswird. Man fühlt sich leicht, ist wach und hat Frühstückshunger. Kurz nachdem wir die Augen öffnen, produzieren die Nebennieren eine erhöhte Menge des Stresshormons Cortisol, damit wir unsere Morgenroutine zügig erledigen können. Die Bauchspeicheldrüse bereitet sich darauf vor, Insulin für die Verarbeitung des Frühstücks auszuschütten.

    Nach einer erholsamen Nacht und einem guten Frühstück ist unser Gehirn bereit, in der ersten Tageshälfte zu lernen und Probleme zu lösen. Am Nachmittag fühlen wir uns gut, wenn wir mit unserem Arbeitspensum zufrieden sind. (Wenn Sie in der Nacht zuvor hingegen nicht gut geschlafen haben, mag das Gefühl vorherrschen, Sie hätten den Tag vergeudet.) Gegen Ende des Tages erreicht der Muskeltonus einen Höhepunkt. Sobald dann die Sonne untergeht und den Abend einläutet, beginnt unsere Körpertemperatur zu sinken, die Produktion des Schlafhormons Melatonin setzt ein und der Körper bereitet sich auf den Schlaf vor.

    Am Abend heißt bei guter Gesundheit zu sein, dass man ruhiger wird, müde ist und ohne große Probleme einschläft. Schlaf ist im Übrigen kein Zustand, in dem das Gehirn einfach herunterfährt. In Wahrheit ist es ganz schön beschäftigt, denn es konsolidiert Erinnerungen, basierend auf den sensorischen Informationen, die wir am Tag aufgenommen haben. Es bildet neue Synapsen oder Verbindungen zwischen verschiedenen Neuronen. Das Gehirn produziert nachts auch einige Hormone, beispielsweise das Schlafhormon Melatonin in der Zirbeldrüse. Auch menschliches Wachstumshormon produziert der Körper im Schlaf.²⁴ Bei Menschen, die zu wenig Schlaf bekommen, ist häufig zu wenig Wachstumshormon vorhanden. Das ist speziell bei Kindern ein Problem, da Schlafmangel die Menge dieses wichtigen Hormons verringern und das Wachstum bremsen kann.

    Die täglichen Rhythmen des Körpers

    Viele der Funktionen unseres Körpers erreichen zu bestimmten Tages- oder Nachtzeiten ihren Höhepunkt. Diese Rhythmen werden wahrscheinlich von unseren inneren Uhren gesteuert. Wenn wir vollkommen aus dem natürlichen Zyklus von Tag und Nacht fallen, laufen sie eine Zeit lang normal weiter.

    Nachts ist auch die Zeit, in der das Gehirn entgiftet. Tagsüber nehmen die Gehirnzellen Nährstoffe auf und verarbeiten sie, wobei unerwünschte giftige Abfallstoffe entstehen. Diese Giftstoffe werden abgebaut, während wir schlafen. Gleichzeitig entstehen durch Neurogenese neue Hirnzellen. In dieser Hinsicht funktioniert unser Gehirn wie ein Büro. Wenn Sie morgens den Raum betreten, glauben Sie nicht, dass nachts irgendwer dort gearbeitet hat, aber in Wahrheit ist eine Menge passiert. Der Müll wurde herausgetragen und möglicherweise war auch jemand da und hat die Server nachgerüstet oder die Glühbirnen ausgetauscht. All diese Arbeiten müssen getan werden, damit Sie entspannt in den Tag starten können.

    Wir brauchen starke zirkadiane Rhythmen

    Zirkadiane Rhythmen optimieren biologische Abläufe. Jede Funktion unseres Körpers hat ein spezifisches Zeitfenster, weil unser Körper nicht alles auf einmal erledigen kann. Wenn wir Neugeborene betrachten, wird uns bewusst, warum wir zirkadiane Rhythmen brauchen. Aus den Entwicklungsmustern von Neugeborenen ist ersichtlich, dass Babys ohne eine ausgereifte innere Uhr auf die Welt kommen: Es sind Rhythmen erkennbar, aber sie sind nicht stabil. Babys versuchen beispielsweise einzuschlafen, aber mitten in der Nacht bekommen sie Hunger oder machen in die Windel. Beide biologischen Bedürfnisse sind stark genug, um sie aufzuwecken. Dann weinen sie, weil sie Hunger oder eine schmutzige Windel haben, gleichzeitig aber auch müde sind. Alles ist durcheinander. Wenn ihre innere Uhr jedoch im Alter von fünf bis acht Monaten stabiler wird, gewinnen sie mehr Kontrolle über ihre Körperfunktionen. Das zeigt sich zunächst daran, dass sie mehrere Stunden am Stück schlafen können. Die Verdauung verlangsamt sich, sodass sie nachts nicht mehr gefüttert werden müssen, und der Stuhlgang verschiebt sich auf morgens, weil die Produktion der Hormone, die ein Entleeren des Darms fördern, während des Schlafs unterdrückt wird. Der Rhythmus wird Tag für Tag eingefahrener.

    Wenn aus Babys Kleinkinder werden, weist das Familienleben bestimmten Aktivitäten bestimmte Zeiten zu. Wir haben festgesetzte Zeiten für Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Gleichzeitig sind die Lichtsensoren in unseren Augen darauf programmiert, Veränderungen des Morgenlichts zu bemerken und unsere innere Uhr jeden Tag um einige Minuten oder Sekunden anzupassen. Diese „Lichtaufnahme" und das Abgleichen unserer inneren Uhr mit der Natur hat unsere Vorfahren in die Lage versetzt, unabhängig von der Jahreszeit bei Sonnenaufgang aufzuwachen.

    Die zirkadiane Uhr ist unser inneres Zeitsystem, das zusammen mit dem Licht und dem Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme unsere täglichen Rhythmen bestimmt. Unsere Aufgabe besteht darin, unsere innere Uhr zu pflegen, um optimale Gesundheit zu erzielen. Wie dieses Buch Ihnen zeigen wird, funktioniert dies am besten, wenn wir gemäß unserer inneren Uhr leben, anstatt gegen sie anzuarbeiten. Doch schauen wir uns zunächst einmal an, welche Rolle das Licht spielt.

    Eine kurze Geschichte des Lichts

    Die gesamte Menschheitsgeschichte lässt sich zusammenfassen als Wettlauf gegen die Zeit. Wir versuchten immer wieder neue Ur-Rhythmen zu entwickeln, um Veränderungen der Umwelt vorherzusehen und auf sie zu reagieren. Wenn wir verstehen wollen, auf welche Weise Licht unser Verhalten beeinflusst, müssen wir unser Augenmerk auf die Evolutionsbiologie lenken. Sie verfolgt unsere Entstehungsgeschichte rund zwei Millionen Jahre zurück und beschäftigt sich mit den Anpassungsmechanismen, die wir entwickelt haben, um in jeder Umgebung zu überleben. Auch heute noch spielt die Evolution eine Rolle, weil unsere Physiologie – unsere elementare Funktionsweise – sich in den letzten zwei Millionen Jahren kaum verändert hat. Wir sind immer noch darauf ausgelegt, nachts zu schlafen und am Tag zu essen und zu arbeiten, basierend auf einem Zyklus, den unsere innere Uhr vorgibt.

    Wir wissen, dass die Entwicklung des modernen Menschen größtenteils auf Höhe des Äquators stattfand und dass sein Tagesablauf durch die Sonne und einen entsprechend starken zirkadianen Rhythmus bestimmt wurde. Urzeitmenschen mussten vor Sonnenaufgang wach werden, um erfolgreich zu jagen, denn ihre Strategie bestand darin, Tiere auf dem Weg zu einem Wasserloch zu erlegen. Wenn Jagen nicht möglich war, hatten unsere Vorfahren viel Zeit, um die Gegend zu erkunden und Beeren und Früchte zu sammeln. Nahrung zu finden und zu essen, nahm viel Zeit in Anspruch, vor allem, wenn man sich dabei vor Raubtieren vorsehen musste.

    Die Menschen der Urzeit benötigten am späten Nachmittag auch einen ausreichenden Muskeltonus, um nach der Nahrungssuche den oft kilometerlangen Rückweg zu ihrer Höhle oder ihrem Unterschlupf antreten zu können. Anthropologen gehen davon aus, dass die ersten Menschen ihre letzte Mahlzeit in der Abenddämmerung zu sich nahmen, sodass vor Einbruch der Nacht genügend Zeit blieb, um einen sicheren Schlafplatz zu finden. Die nächtliche Ruhezeit betrug 12 bis 15 Stunden, die meiste Zeit davon diente dem Schlaf. Das nächtliche Fasten muss dabei geholfen haben, den Darm zu reinigen, sodass sie sich am Morgen leicht und erholt wieder auf die Nahrungssuche machen konnten.

    Menschen besitzen die einzigartige Fähigkeit, ihr Leben vom Tag in die Nacht zu verlegen und wenn nötig sogar die ganze Nacht wach zu bleiben, was unseren zirkadianen Rhythmus verändert und herausfordert. Wir sind in der Lage, unsere innere Uhr anzupassen, weil große Tiere eine Bedrohung darstellten. Wir mussten also einen Weg finden, um nachts, im Dunklen, wach zu bleiben, und sei es nur für einige Minuten. Einzelne blieben auf und wachten über die Gemeinschaft, während der Rest schlief – der erste Schichtarbeiter war geboren.

    Die Nacht für sich zu erobern, sicherte nicht nur das Überleben, sondern führte langfristig auch zu Wohlstand und Reichtum. Viele Jäger lernten, die nächtliche Jagd jener bei Tag vorzuziehen. Diese Schichtarbeiter wurden zu einem wichtigen Teil der menschlichen Gemeinschaft. Im Laufe der Zeit kamen Entdecker und Eroberer, die ihren Weg durch die Nacht finden und Überraschungsangriffe gegen ihre Gegner durchführen konnten, zu Wohlstand und Reichtum, indem sie ihr Gebiet erweiterten und neues Ackerland, Mineralien, Edelsteine und andere Rohstoffe und Bodenschätze für sich erschlossen.

    Feuer war das erste Werkzeug, das Menschen in ihrem Kampf gegen die innere Uhr einsetzten. Die Fähigkeit, Feuer zu machen und zu kontrollieren, verschaffte dem Menschen zwei Vorteile. Zum einen das Licht selbst, dank dessen wir einige Stunden länger und notfalls auch die ganze Nacht lang wach sein konnten. Das flackernde Licht glühenden Holzes war schwach und reichte gerade aus, damit man im Dunkeln den Weg finden, große Raubtiere fernhalten und sich warmhalten konnte. Zum anderen wurde das Licht zur machtvollen Waffe. Tausende Jahre lang war es die einzige Waffe, die wir Menschen hatten und viele moderne Waffen basieren auch heute noch auf der Kraft des Feuers.

    Das Leben rund um die Feuerstelle förderte auch das Entstehen der menschlichen Zivilisation. Feuer war entscheidend für das Kochen von Wasser und die Nahrungszubereitung, sodass der Speiseplan sich erweiterte. Kochen macht Nahrung weicher und lindert starke Aromen. Das Essen wird genießbarer und Krankheitserreger werden abgetötet.²⁵ Der Kochvorgang macht Nahrung auch leichter verdaulich, sodass wir aus den gleichen Zutaten mehr Kalorien gewinnen können. Aus diesem Grund kann das Essen von Rohkost eine Strategie sein, um Gewicht zu verlieren, während das Kochen der Zutaten vor dem Essen keine so große Auswirkung auf das Gewicht hat.²⁶ Durch das Kochen verringerte sich auch die Zeit, die wir mit der Nahrungssuche verbrachten, weil wir nun doppelt so viel Energie aus dem Essen ziehen konnten wie zuvor. Gleichzeitig stieg die Auswahl, denn viele Lebensmittel wurden essbar, die in rohem Zustand nicht verdaut werden konnten.

    Da das Feuer in kalten Nächte Wärme spendete, konnten die ersten Menschen die Äquatorregion verlassen und sich in höhere Breitengrade in Nordeuropa, Asien und Nordamerika bewegen. Die nördlichen Breitengrade wurden erst relativ spät besiedelt, vor etwa 30 000 bis 40 000 Jahren. Im Sommer fiel es nicht allzu schwer, sich an lange Tage mit manchmal mehr als 20 Tagesstunden zu gewöhnen, weil die Sommer nicht so heiß waren und die Menschen in dunklen Höhlen oder Hütten genügend Schlaf bekamen. Aber die langen Winternächte und kurzen Tage hätten das Gehirn ohne das Feuerlicht sicherlich durcheinandergebracht. Selbst heute können sich viele Menschen nur schlecht an die langen dunklen Nächte in nördlichen Breitengraden gewöhnen und entwickeln jahreszeitlich bedingte Depressionen, sogenannte „Winterdepressionen". Der Anteil sowohl an Depressionen als auch an Selbstmordversuchen steigt in diesen Gegenden im Winter regelmäßig an, was mittlerweile mit einer Störung der inneren Uhr in Verbindung gebracht wird. Man könnte Menschen, die unter Winterdepressionen leiden, mit Schichtarbeitern vergleichen, die mehrere Wochen oder Monate lang die Nachtschicht übernehmen

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