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Heimatroman Dreierband 3003 - Drei Bergromane: Drei Romane in einem Band
Heimatroman Dreierband 3003 - Drei Bergromane: Drei Romane in einem Band
Heimatroman Dreierband 3003 - Drei Bergromane: Drei Romane in einem Band
Ebook299 pages4 hours

Heimatroman Dreierband 3003 - Drei Bergromane: Drei Romane in einem Band

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Dieser Band enthält folgende Romane

von Anna Martach:



Ich hab mein Herz in Hindelfingen verloren

Notfall mit Folgen

Die Sache mit dem Herzen







Die junge Diplomatentochter und der bärbeißige Bildhauer – eine Mesalliance? Es gibt so einige Menschen, die dieser Meinung sind. Vom pflichtbewussten freundlichen Arzt Daniel Ingold kommt jedoch Unterstützung – in mehrfacher Hinsicht. Als der Künstler einen folgenschweren Fehler begeht, steht sein Schicksal auf Messers Schneide. Kann Hindelfingens Doktor noch rechtzeitig eingreifen?
LanguageDeutsch
Release dateJan 31, 2022
ISBN9783753201696
Heimatroman Dreierband 3003 - Drei Bergromane: Drei Romane in einem Band

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    Heimatroman Dreierband 3003 - Drei Bergromane - Anna Martach

    Heimatroman Dreierband 3003 - Drei Bergromane: Drei Romane in einem Band

    Anna Martach

    Dieser Band enthält folgende Romane

    von Anna Martach:

    Ich hab mein Herz in Hindelfingen verloren

    Notfall mit Folgen

    Die Sache mit dem Herzen

    Die junge Diplomatentochter und der bärbeißige Bildhauer – eine Mesalliance? Es gibt so einige Menschen, die dieser Meinung sind. Vom pflichtbewussten freundlichen Arzt Daniel Ingold kommt jedoch Unterstützung – in mehrfacher Hinsicht. Als der Künstler einen folgenschweren Fehler begeht, steht sein Schicksal auf Messers Schneide. Kann Hindelfingens Doktor noch rechtzeitig eingreifen?

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author / COVER ALFRED HOFER 123rf

    © dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

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    https://cassiopeia.press

    Alles rund um Belletristik!

    Ich hab mein Herz in Hindelfingen verloren

    Alpendoktor Daniel Ingold

    von Anna Martach

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 102 Taschenbuchseiten.

    Durch den seltsamen Unfall des Bauinspektors Stefan Hoffinger bekommt Daniel Ingold es mit einer ungewöhnlichen Krankheit zu tun – und in Hindelfingen verschießt mal wieder Amor wahllos seine Pfeile. Anja, Stefan, Uschi – für wen gibt es ein Happy End? Während sich auf der Baustelle des neuen Klosters etwas höchst Dramatisches ereignet, was auch Daniel wieder stark fordert, träumt er doch insgeheim davon, seine Bernie für immer in die Arme zu schließen.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    1

    Es war die tägliche Aufgabe von Daniel Ingold Hausbesuche zu machen. Die Fälle waren mal mehr, mal weniger schwer, und er kannte seine Patienten. Schließlich war er seit vielen Jahren der Alpendoktor, beliebt und geachtet in ganz Hindelfingen. Hier und da brauchte er etwas mehr Zeit für einen kleinen Plausch oder auch mal ein kurzes Spiel mit kranken Kindern. Der Arzt wurde allgemein gern gesehen, und er mochte auch seine Patienten. Auf der Straße wurde er gegrüßt, man rief ihm scherzhafte Worte zu, und der Händler aus dem Geschäft steckte ihm gelegentlich einen Apfel zu.

    Das war seine Welt! Hier fühlte er sich zu Hause.

    Nicht weit entfernt ging gerade der örtliche Polizist, Georg Obermayr, die Straße entlang. Schorsch, wie er allgemein genannt wurde, war ebenfalls eine beliebte und geachtete Persönlichkeit des Ortes, vor dem jedermann Respekt besaß.

    „Schorsch, wart’ mal, ich hätt’ noch was mit dir zu bereden", rief Daniel und winkte dem Mann zu.

    „Ich komm herüber", antwortete der, schaute kurz nach rechts und links, dann lief er los, geradewegs über die Straße.

    Aus einer leichten Kurve heraus kam ein Auto angeschossen, fuhr in Schlangenlinien, ohne zu bremsen. Das alles machte einen sehr unkontrollierten Eindruck.

    Jemand schrie auf. Schorsch wurde aufmerksam, doch da war es längst zu spät.

    Das Auto nahm geradewegs Kurs auf den Beamten. Obermayr sah das Unheil auf sich zukommen, und seine Schrecksekunde war denkbar kurz. Mit einem mutigen Hechtsprung versuchte er noch sich in Sicherheit zu bringen, schlug beim Sturz aber schwer mit dem Kopf auf, schaffte es dennoch, dem Fahrzeug auszuweichen.

    Benommen, mit schmerzendem Schädel und geprellten Rippen lag er da und hatte für kurze Zeit die Besinnung verloren.

    Auch Daniel Ingold hatte mit Entsetzen verfolgt, wie der Unfall abgelaufen war. Jetzt sah er aber auch, dass der Wagen mehr oder weniger unkontrolliert gegen eine Straßenlaterne fuhr und endlich zum Stehen kam. Der Fahrer schlug mit dem Kopf auf die Hupe, und der Lärm reihte sich nahtlos ein in das vorausgegangene Inferno aus klirrenden Scheiben, kreischenden Reifen und dem Aufprall von Blech auf ein Hindernis.

    Jetzt aber kam Leben in die Menschen auf der Straße. Daniel, der seine Arzttasche natürlich bei sich trug, rannte auf den am Boden liegenden Polizisten zu. Schorsch blinzelte, machte dann eine schwache Bewegung mit dem Arm, als wollte er etwas abwehren. Der Arzt beugte sich nieder und drückte die Arme herunter.

    „Bleib’ ganz still liegen, Schorsch, ich bin ja hier, und der Krankenwagen kommt gleich." Wie er es immer bei Verletzten tat, redete Daniel in sanftem, beruhigendem Ton, um erst einmal den Schock abzubauen und die aufkommende Panik zu verhindern.

    Da kam er beim Schorsch aber gerade an den rechten, der schließlich selbst täglich mit Unfallopfern zu tun hatte und diese Taktik sehr wohl selbst beherrschte.

    „Komm mir net auf diese Art, ist eh net viel passiert, glaub’ ich. Schau mal lieber nach dem Bazi mit dem Auto. Der ist entweder betrunken oder deppert oder krank."

    Der Doktor bemerkte, dass Schorsch sich selbst aufsetzen konnte und leise vor sich hin schimpfend nach seinem Kopf griff. Der Blick von Daniel fiel auf das Auto. Wie er durch die Seitenscheibe sehen konnte, hob der Fahrer gerade den Kopf und schaute völlig verwirrt und verständnislos um sich. Auf der Wange befand sich eine Wunde, aus der Blut auf den Anzug herabtropfte. Mit fahrigen Bewegungen versuchte der Mann die Tür zu öffnen, doch da war Daniel schon heran.

    „Kommen S’ erst mal heraus. Können S’ reden? Wissen S’, was passiert ist? Bleiben S’ ganz ruhig, ist nix passiert, was man net in Ordnung bringen könnt’."

    Der Mann stützte sich am Auto ab, ließ dann seinen Blick über das Chaos und die umherstehenden, neugierigen Zuschauer schweifen und schüttelte langsam den Kopf.

    „Ich – ich weiß gar nix", erklärte er verstört. Mit der Hand griff er an seine Wange, betrachtete dann das Blut, als würde er diese Flüssigkeit zum erstenmal sehen. Er roch jedenfalls nicht nach Alkohol, aber das musste ja nicht unbedingt etwas zu bedeuten haben.

    „He, habt’s ihr alle nix weiter zu tun als Maulaffen feil zu halten?", donnerte der Polizist, der zum Glück wirklich nicht schwer verletzt war.

    „Ach, sei stad, kannst doch keinem verbieten hier zu schauen", rief eine Stimme aus der Menge.

    „Kann ich net? Wennst dich da mal net täuscht. Da gibt’s die unterlassene Hilfeleistung, die Behinderung von Ermittlungen am Unfallort, und dann wäre da auch noch die Überlegung, ob hier net die Privatsphäre von jemand verletzt wird. Außerdem seid ihr ein Verkehrshindernis. Reicht das wohl? Im Augenblick fühle ich mich jedenfalls durch euch arg behindert und ziemlich verletzt. Also, überlegt euch das wohl." Er meinte seine Worte gar nicht so ernst, wie sie klangen, und die Leute hier wussten das sehr wohl, doch sie verstanden auch, dass er für Ordnung zu sorgen hatte, ob ihnen das nur passte oder nicht.

    Unwilliges Murren antwortete, doch langsam zerstreuten sich die Leute. Im Grunde gab’s jetzt auch nicht mehr viel zu sehen. Schorsch ging hinüber zu Daniel und dem Autofahrer, der noch immer tief geschockt war. Er saß jetzt auf einer Bank, wie es hier viele gab, und ließ sich vom Doktor behandeln.

    „So, dann erzählen S’ mir doch mal, was dieser Schmarrn hier soll, forderte der Polizist und schaute den Mann streng an. „Aber vorher geben S’ mir Ihre Papiere. Haben S’ was getrunken, oder sonst was genommen? Was haben S’ sich denn dabei gedacht? Das war ein tätlicher Angriff auf einen Polizisten. Außerdem hätt’s einen jeden anderen hier auf der Straße ebenfalls treffen können. Dazu kommt fahrlässige oder sogar vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs, Zerstörung öffentlichen Eigentums ...

    „Schorsch, ich glaub’, es langt für den Moment", sagte Daniel ruhig.

    „Ich weiß doch gar nix mehr", flüsterte der Mann völlig aufgelöst. Er gab Schorsch seine Papiere.

    „Stefan Hoffinger, Inspektor beim Amt für öffentliche Ordnung, unterstellt dem Bauordnungsamt, 32 Jahre." Der zusätzliche Behördenpass gab alle diese Auskünfte.

    „Ja, da schau her. Haben S’ am End gar Ärger mit einem Bauherrn und wollten das jetzt an der Straßenlaterne auslassen?"

    „Schmarrn, nun red’ mal keinen Unfug, warnte Daniel noch einmal. „Ich glaub’, für dich wär’s eh besser, tätst heimgehen und erst mal den Schock verdauen.

    Jetzt wurde der Polizist doch ruhiger. „Ist schon recht, ich bin wohl nur erschrocken, weil’s halt grad sehr knapp war, um noch mal mit dem Leben davonzukommen. Also, dann erzählen S’ mal alles in Ruhe", brummte Schorsch etwas besänftigt.

    Stefan schaute auch weiterhin unglücklich drein. „Ich bin vom Büro aus losgefahren, weil ich hier zu der alten Abtei wollte. Ich mein, drüben das Zisterzienserkloster St. Gertrud, weil das neu eröffnet werden soll. Ich kann mich auch noch dran erinnern, dass ich hier in den Ort gefahren bin – und dann war plötzlich nix mehr, ein Filmriss. Als ich die Augen wieder aufmachte, befand ich mich hier, mitten im Chaos."

    „Ja, so könnt man das ausdrücken. Hatten S’ das schon mal öfter? Ich red’ von diesen Bewusstseinslücken", forschte der Arzt.

    Kopfschütteln. Aber sofort griff der Mann sich an die Stirn, er schien heftige Kopfschmerzen zu haben.

    „Nein, noch nie. Oder doch, so was ähnliches. Als ich neulich vom Pferd gefallen bin, hat’s eine Weile gedauert, bis ich mich wieder an alles erinnern konnt’."

    Der Arzt horchte auf. „Wie war das? Waren S’ dabei ohnmächtig? Hat sich ein Arzt das angeschaut?"

    „Ach, Quatsch. Es ging mir ja gleich wieder gut."

    „Da könnt aber der Grund liegen. Ist schon möglich, dass S’ ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma davongetragen haben, was manchmal Spätfolgen nach sich zieht. Ein Aneurysma zum Beispiel, oder sogar so was wie Narkolepsie."

    „Was ist das denn? Das klingt ja wie Epilepsie."

    „Ist auch verwandt damit. Aber das sollten wir net hier auf der Straße besprechen oder gar klären. Da drüben, gar net weit entfernt, ist meine Praxis. Ich denk’, das sollte auf jeden Fall untersucht werden. Sie müssen zwar jetzt net dauernd als Patient zu mir kommen, ich kann auch nur einfach die Erste Hilfe leisten und dann dafür sorgen, dass S’ mit dem Krankenwagen ..."

    „Oh, Himmel, ein Rettungswagen ist doch bestimmt net notwendig. Und außerdem ist mir ganz recht, wenn S’ mich behandeln. Oder tät’s was dagegen einzuwenden geben?", wandte Stefan sich an den Polizisten.

    Schorsch brummelte noch etwas. „Das klingt auf den ersten Blick alles net sehr glaubwürdig. Aber wenn der Daniel sagt, da ist was dran, muss ich’s wohl glauben. Eine Blutprobe muss aber trotzdem entnommen werden. Sind S’ damit einverstanden? Stefan nickte. „Außerdem sollt’ ich besser gleich mitkommen, dann können wir uns gemeinsam behandeln lassen, und anschließend gibt’s erst mal ein Protokoll.

    Gesagt, getan. Schorsch beauftragte mit Zustimmung von Stefan den Betreiber einer Reparaturwerkstatt, den Wagen abzuholen, alles weitere konnte später geregelt werden. Sie befanden sich schon in der Praxis, Minchen nahm die Personalien auf, als dem Obermayr noch etwas einfiel.

    „Was haben S’ da vorhin gesagt? Das alte Kloster soll wieder eröffnet werden? Ja, wer ist denn auf diese depperte Idee gekommen? Und wer will da überhaupt einziehen?"

    „Na ein Konvent von Benediktinerinnen halt. Aber erst mal muss ich die Lage prüfen, ob das überhaupt noch zulässig ist von der Bausubstanz und dem geplanten Umbau her, und so weiter."

    „Ja, da legst dich nieder, erklärte Minchen verblüfft. „Wir kriegen also ein neues Konvent?

    „Wenn’s nach mir geht, net so schnell, bemerkte Stefan grimmig. „Ich glaub nämlich net, dass noch jemand in dem alten Gemäuer wohnen kann.

    2

    Das alte Zisterzienserkloster St. Gertrud lag malerisch am Rande eines Wäldchens, etwa zwei Kilometer außerhalb von Hindelfingen. Seit mehr als dreißig Jahren standen das Hauptgebäude und die übrigen Anlagen leer, nur ab und zu achteten Mitglieder aus verschiedenen Orden darauf, dass nicht Verfall und Verwahrlosung um sich griffen.

    Jetzt jedoch herrschte hier emsige Arbeit, Menschen liefen scheinbar planlos durcheinander, Lkw mit Material rollten an, Handwerker nahmen Maße, riefen sich gegenseitig etwas zu, und durch all das Gewimmel hindurch gingen in Ruhe und Freundlichkeit einige Nonnen.

    Schwester Wilhelma, die zukünftige Oberin des Konvents, führte auch schon jetzt die Oberaufsicht. Sie war eine zierliche ältere Frau, die schon in ihrer Jugend dem Ruf ins Kloster gefolgt war und sich gar kein anderes Leben für sich persönlich vorstellen konnte. In einer Welt, die für Außenstehende immer etwas Geheimnisvolles an sich hatte, war es ihr gelungen mit Klugheit, Geschick und der vollkommenen Erfüllung der Gebote ihres Ordens an die Spitze der Hierarchie zu rücken. Von den Schwestern wurde sie geachtet, von den Vorgesetzten respektiert, und von den weltlichen Besuchern des Mutterhauses sehr geschätzt. Sie war allerdings auch in der Lage sich durchzusetzen, wo es nötig schien. Und jedermann beeilte sich ihr zu gehorchen, wenn sie eine Anweisung gab.

    Ihr zur Seite stand eine junge bildhübsche Frau, die sich eifrig Notizen machte. Sie trug recht streng geschnittene Kleidung, aber nicht die übliche Tracht der Nonnen.

    „Sind S’ denn jetzt sicher, dass die Genehmigungen von der Baubehörde auch erteilt werden?", erkundigte sie sich.

    Ursula Fischer war 26 Jahre alt, arbeitete als Redakteurin und Journalistin bei der Kirchenzeitung und sollte den Umbau bis zur Eröffnung des Konvents minutiös dokumentieren. Außerdem spielte sie selbst seit längerer Zeit mit dem Gedanken, in den Orden einzutreten. Sie hatte vor fünf Jahren ihre Eltern rasch hintereinander verloren, und etwa zur gleichen Zeit war ihre Beziehung zu einem Mann in die Brüche gegangen. Das alles sollte nicht unbedingt ein Grund sein, ins Kloster zu gehen. Ein Orden war nicht der Ort, an dem vom Leben enttäuschte Menschen sich verkriechen konnten. Gerade bei den Benediktinerinnen galt der Grundsatz, dass jedes Konvent sich selbst zu erhalten hat, und dass dafür gearbeitet werden musste. Besonders das Kunsthandwerk, die Paramentenstickerei und die Oblatenbäckerei waren zur Spezialität des Ordens geworden. Außerdem wurden gerne Gäste aufgenommen, und es gab auch die seelische Begleitung in Stresssituationen.

    Dafür musste man selbst allerdings innerlich sehr gefestigt sein, und die Mitglieder jedes Ordens standen in der Regel mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen. Das waren auf jeden Fall anspruchsvolle Aufgaben, denen die Schwestern mit Enthusiasmus und Freude nachkamen. Es war ein erfülltes, sinnvolles Leben, und Ursula fühlte sich davon angesprochen.

    All die Arbeit würde ihrem Leben wieder einen Sinn geben, und längst hatte sie mit Schwester Wilhelma darüber gesprochen, dass sie in absehbarer Zeit als Novizin eintreten wollte.

    Jetzt schaute die Mutter Oberin aber mit einem verschmitzten Lächeln auf die junge Frau mit den leuchtend roten Haaren, den unzähligen Sommersprossen im Gesicht und den wunderschönen grünen Augen.

    „Zweifeln S’ etwa daran? Auch wenn ich im Augenblick ein wenig ungehalten bin, dass der Inspektor der Baubehörde entgegen der Ansprache nicht erschienen ist. Dem werd’ ich was erzählen, wenn der noch auftaucht. Unpünktlichkeit gehört sich net."

    Das war die äußerste Drohung, zu der sich die allseits beliebte Oberin hinreißen lassen würde. Doch Ursula wusste, dass die ältere Frau mit zwei, drei Worten in der Lage war, einen anderen in die Schranken zu weisen. Sie beneidete den Mann nicht, der sie hier versetzt hatte.

    Der Architekt, mit einem Stapel Rollen unter dem Arm, kam auf die beiden Frauen zu.

    „Sind S’ eigentlich sicher, dass der Umbau tatsächlich derart – wie soll ich sagen, spartanisch – vor sich gehen soll? Wenn S’ so einfach in Ihren Zellen leben wollen, ist das vermutlich Ihre Sache. Anscheinend reicht’s bei Ihnen aus, wenn Sanitärräume da sind. Doch im Gästehaus sollt’ vielleicht ein bisserl mehr Bequemlichkeit da sein. Wollen S’ das net noch mal überlegen?"

    Schwester Wilhelma schaute ihn mit ihren freundlichen braunen Augen lange an.

    „Warum?", fragte sie dann.

    Er wirkte plötzlich unsicher. „Ja, weil das doch sehr karg ist, so wie die Planung ausschaut. Da werden S’ net ganz so viele Leute anlocken."

    „Wir wollen keine Leute anlocken – wir führen auch kein Hotel, sondern ein Gästehaus, in dem unsere Besucher in begrenztem Umfang an unserem Leben teilhaben können. Es erscheint mir vollkommen ausreichend. Gibt’s sonst noch was?"

    „Nein. Oder doch, ich müsste dringend mit dem Herrn Hoffinger was absprechen. Es besteht für die Umbaumaßnahmen nur eine vorläufige Duldung. Bevor der net alles geprüft hat, können wir im Prinzip net weitermachen. Wir brauchen also den Bauinspektor."

    „Ich auch." Das war alles, was die Oberin dazu zu sagen hatte. Der Architekt schluckte, doch Ursula unterdrückte ein Lächeln. Es wirkte nur auf den ersten Blick schroff, wie Schwester Wilhelma sich benahm, doch es entsprach voll und ganz den Ordensregeln, nach denen jedes überflüssige oder unnütze Wort nicht gesprochen werden sollte.

    Ein Auto näherte sich, Ursula sah mit Erstaunen, dass es sich um einen Polizeiwagen handelte. Drei Männer stiegen aus, Daniel Ingold und Schorsch Obermayr kannte sie, und in dem dritten vermutete sie zu Recht den Bauinspektor.

    „Er scheint gute Gründe für seine Verspätung zu haben. Wir sollten ihn begrüßen", murmelte die Oberin, und Uschi, wie sie von ihren Freunden genannt wurde, lächelte wieder. Sie sah trotzdem einen Zusammenstoß voraus, denn der ankommende Mann machte nicht gerade den Eindruck, als wäre er erfreut über das, was er hier zu sehen bekam.

    „Wer hat Ihnen erlaubt mit den Arbeiten zu beginnen?", fauchte er statt einer Begrüßung. Auf seiner Stirn und seiner Wange befanden sich zwei Pflaster, sein Atem ging schwer, und er bewegte sich mit der Vorsicht eines Menschen, der bemüht ist, sich nicht selbst Schmerzen zuzufügen.

    „Wir besitzen eine vorläufige Duldung, diese Tatsache ist Ihnen auch bekannt, soweit ich weiß. Demnach können die Arbeiten solange durchgeführt werden, bis eine endgültige Genehmigung vorliegt."

    „Oder bis ich die Duldung aufhebe."

    „Oder das. Aber warum sollten S’ das tun?" Schwester Wilhelma begrüßte nun Daniel und Schorsch, die sie flüchtig kannte.

    „Ich nehme an, der Herr Hoffinger ist Ihnen bereits bekannt", lächelte der Alpendoktor und reichte der Oberin die Hand.

    „Eigentlich nicht. Aber Unhöflichkeit ist für mich kein Grund, einen Menschen zu verurteilen."

    Stefan Hoffinger lief plötzlich rot an. Er mochte seine Gründe haben, den Umbau und die Wiederinbetriebnahme verhindern zu wollen. Aber er sah ein, dass man das auch mit anderen Worten und mit einem gewissen Maß an Anstand tun konnte.

    Der Polizist begrüßte die Schwester ebenfalls herzlich.

    „Der Herr Hoffinger hat auf dem Weg hierher einen Unfall gehabt, der Daniel wird sich darum kümmern, warum das passieren konnte. Ich werd’ den Herrn später nach Hause bringen lassen."

    „Das wird net nötig sein, widersprach die Oberin. „Ursula wird das gern übernehmen, dann können S’ sich um die wirklich wichtigen Dinge kümmern, Herr Obermayr. Dadurch sind wir auch nicht gezwungen, in unziemlicher Weise unsere Besprechung abzuhalten. Vielleicht bekommt der Herr Bauinspektor dann sogar eine etwas bessere Meinung von uns.

    Stefan war jetzt ganz und gar beschämt. „Ich muss mich erst mal entschuldigen, Schwester, da hab ich mich wohl grad benommen wie die Axt im Walde. Das war unverzeihlich, und ich kann das nur auf den Schock durch den Unfall zurückführen."

    „Wie ist denn das passiert?", erkundigte sich Uschi, die sich schon über die Verletzungen bei dem Polizisten gewundert hatte. Irgendwie schien das alles in einem Zusammenhang zu stehen. Stefan zuckte ratlos die Schultern.

    „So ganz genau weiß ich’s auch net. Ich hab wohl beim Autofahren die Besinnung verloren, und der Doktor meint, es könnt sich sogar um Narkolepsie oder so was handeln."

    „Tatsächlich? Klingt interessant, weil ich grad einen Bericht über derartige Erkrankungen vorbereite. Würden S’ mir dazu bei Gelegenheit einige Fragen beantworten?"

    „Erst nachdem wir geklärt haben, warum Herr Hoffinger uns den Umbau untersagen will", wandte die Oberin ein, und Uschi senkte den Kopf. Das war natürlich wichtiger.

    „Ich werd’ net gestatten, dass bei diesem Umbau die elementaren Voraussetzungen nicht erfüllt werden. Zuwenig Sanitärräume, ungenügende ..."

    „Wer bestimmt denn das?", unterbrach ihn die Schwester.

    „Die Bauverordnung mit den entsprechenden Paragraphen sieht vor, dass ein Mindestgebot an Platz zum Wohnen und Hygienezellen ..."

    „Schmarrn, unterbrach sie ihn schon wieder. „Jede von uns ist zufrieden damit, einen eigenen Raum zur Verfügung zu haben, um dort zu schlafen, zu beten und zu meditieren. Als andere tun wir gemeinsam, vom Laudes bis zur Vesper. Wir haben keine Bedürfnisse, die über das Leben, Beten und Arbeiten hinausgehen, wir sind eine Gemeinschaft. Was haben S’ sonst noch einzuwenden? Falls es gewünscht wird, kann ich Ihnen die Genehmigungen anderer Abteien vorlegen, in denen es keine Schwierigkeiten gab, weil man uns dort durchaus für fähig hält, über unser Leben und seine Gestaltung selbst zu bestimmen.

    Schwester Wilhelma hatte freundlich, aber dennoch deutlich bestimmt gesprochen. Aus ihren Worten klang der Unmut darüber, dass es offenbar tatsächlich Leute gab, die ihrem Konvent Vorschriften machen wollten. Sie würde in ihrem Protest niemals laut werden, oder gar unsachlich, aber sie würde auch nicht zulassen, dass sinnlose und überflüssige Vorschriften sie an ihrem Vorhaben hinderten.

    Stefan Hoffinger hatte ganz und gar nicht mit einer solchen Art von Protest gerechnet. Nicht zum erstenmal hatte man ihn ausgeschickt, um mit uneinsichtigen Bauherren zu verhandeln. Häufig genug war es zu einer Auseinandersetzung gekommen, aber immer war es ihm gelungen, die Streitigkeiten zugunsten seiner Behörde zu entscheiden. Sollte das hier etwa anders sein, nur weil da eine ältere zierliche Frau in einer Art Uniform stand, die Nein sagte? So ging es ja nun gar nicht.

    Doch er fühlte sich einem Wortgefecht heute nicht gewachsen. Der Schock steckte ihm noch immer in allen Knochen, außerdem wollte er sich in Anwesenheit des Arztes und des Polizisten keine Blöße geben. Stefan fühlte, dass seine Beine ziemlich schwach waren, der Rest des Körpers zitterte, und sein Kopf dröhnend schmerzte. Das war ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für eine Auseinandersetzung über die vorläufige Duldung.

    „Schwester, ich kann verstehen, dass S’ so denken. Das heißt aber net, dass ich Ihretwegen jetzt die Vorschriften ändern oder umgehen werde. Ich möchte’ S’ bitten, morgen hier noch einmal mit mir zusammenzutreffen. Dann werd’ ich auch gerne die entsprechenden Gesetzesblätter der Bauverordnung mitbringen."

    Sie nickte. „Ganz, wie Sie wünschen. Bis dahin bestehe ich jedoch darauf, die Arbeiten fortzuführen."

    Das machte doch überhaupt keinen Sinn, dachte Stefan, war aber nicht so recht in der Lage zu widersprechen. Sollte sie doch ruhig noch etwas tun, viel konnte das nicht sein, und morgen würde sie schon sehen, dass er durchaus in der Lage war Recht und Gesetz Geltung zu verschaffen.

    „In Ordnung, wir reden dann morgen noch einmal darüber", entschied er sich für einen ehrenvollen Rückzug. Er war so müde, man sollte ihn doch einfach in Ruhe lassen.

    Daniel Ingold beobachtete den Mann aufmerksam. Natürlich würde er gegen den Willen des Patienten nichts unternehmen können, es sei denn, der Mann wurde zu einer Gefahr für die Allgemeinheit oder sich selbst. Das war im Augenblick jedoch kaum zu befürchten,

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