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DER FÄCHER DER BORGIA: Ein Frankenberg-Krimi
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eBook276 Seiten3 Stunden

DER FÄCHER DER BORGIA: Ein Frankenberg-Krimi

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Über dieses E-Book

Frankenberg an der Eder, Oktober 1960:
Elegante Frauen und wohlhabende Nachtschwärmer treffen sich im exklusiven Club Atlanta in Frankenberg. Sie alle sind begeistert von der blutjungen Sängerin Jade Saint-Vincent.
Privatdetektiv Lafayette Bismarck, den die Spuren eines geheimnisvollen Mordfalles in den Atlanta-Club führen, erkennt die tödliche Gefahr, in welcher sich die schöne Jade befindet. Und als Jade schließlich spurlos verschwindet, weiß Bismarck ganz genau, wem von nun an seine ganze Aufmerksamkeit gelten muss ...
 
Der Fächer der Borgia von Christian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Serien Ein Fall für Remigius Jungblut, Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace und Friesland, ist der zweite Band einer Reihe von Noir-Krimis um den Frankenberger Privatdetektiv Lafayette Bismarck.
SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum6. Feb. 2022
ISBN9783755407126
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    Buchvorschau

    DER FÄCHER DER BORGIA - Christian Dörge

    Das Buch

    Frankenberg an der Eder, Oktober 1960:

    Elegante Frauen und wohlhabende Nachtschwärmer treffen sich im exklusiven Club Atlanta in Frankenberg. Sie alle sind begeistert von der blutjungen Sängerin Jade Saint-Vincent.

    Privatdetektiv Lafayette Bismarck, den die Spuren eines geheimnisvollen Mordfalles in den Atlanta-Club führen, erkennt die tödliche Gefahr, in welcher sich die schöne Jade befindet. Und als Jade schließlich spurlos verschwindet, weiß Bismarck ganz genau, wem von nun an seine ganze Aufmerksamkeit gelten muss...

    Der Fächer der Borgia von Christian Dörge, Autor u. a. der Krimi-Serien Ein Fall für Remigius Jungblut, Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace und Friesland, ist der zweite Band einer Reihe von Noir-Krimis um den Frankenberger Privatdetektiv Lafayette Bismarck.

    Der Autor

    Christian Dörge, Jahrgang 1969.

    Schriftsteller, Dramatiker, Musiker, Theater-Schauspieler und -Regisseur.

    Erste Veröffentlichungen 1988 und 1989:  Phenomena (Roman), Opera (Texte).

    Von 1989 bis 1993 Leiter der Theatergruppe Orphée-Dramatiques und Inszenierung

    eigener Werke,  u.a. Eine Selbstspiegelung des Poeten (1990), Das Testament des Orpheus (1990), Das Gefängnis (1992) und Hamlet-Monologe (2014).

    1988 bis 2018: Diverse Veröffentlichungen in Anthologien und Literatur-Periodika.

    Veröffentlichung der Textsammlungen Automatik (1991) sowie Gift und Lichter von Paris (beide 1993).

    Seit 1992 erfolgreich als Komponist und Sänger seiner Projekte Syria und Borgia Disco sowie als Spoken Words-Artist im Rahmen zahlreicher Literatur-Vertonungen; Veröffentlichung von über 60 Alben, u.a. Ozymandias Of Egypt (1994), Marrakesh Night Market (1995), Antiphon (1996), A Gift From Culture (1996), Metroland (1999), Slow Night (2003), Sixties Alien Love Story (2010), American Gothic (2011), Flower Mercy Needle Chain (2011), Analog (2010), Apotheosis (2011), Tristana 9212 (2012), On Glass (2014), The Sound Of Snow (2015), American Life (2015), Cyberpunk (2016), Ghost Of A Bad Idea – The Very Best Of Christian Dörge (2017).

    Rückkehr zur Literatur im Jahr 2013: Veröffentlichung der Theaterstücke Hamlet-Monologe und Macbeth-Monologe (beide 2015) und von Kopernikus 8818 – Eine Werkausgabe (2019), einer ersten umfangreichen Werkschau seiner experimentelleren Arbeiten.

    2021 veröffentlicht Christian Dörge mehrere Kriminal-Romane und beginnt drei Roman-Serien: Die unheimlichen Fälle des Edgar Wallace, Ein Fall für Remigius Jungblut und Friesland.

    DER FÄCHER DER BORGIA

    Die Hauptpersonen dieses Romans

    Lafayette Bismarck: Privatdetektiv aus Frankenberg. Besonderes Kennzeichen: das flammend-rote Haar.

    Jacob Bötzel: Hauptkommissar bei der Kriminalpolizei.

    Randolf Pfeiffer: Inspektor bei der Kriminalpolizei.

    Gunther Dörsam: ein Werbefachmann auf Abwegen.

    Karin Dörsam: seine Ehefrau.

    Irma De Angelis: Sängerin im Club Atlanta.

    Carlo De Angelis: ihr eifersüchtiger Ehemann.

    Chiara Silvestri: Irmas Freundin und Vertraute.

    Jade Saint-Vincent: Sängerin.

    Ina Euler: Bismarcks Sekretärin.

    Erich Fritsche: Bismarcks Informant.

    Maurice Pasquin: Sprachenlehrer.

    Eddie Minck: ein Schmuggler.

    Bernard Dubois: Besitzer des Atlanta.

    Raoul Dubois: sein Bruder.

    Paul Elsner: stellvertretender Chefredakteur der Frankenberger Zeitung.

    Lola Moreau: eine geheimnisvolle Schönheit.

    Victor Farges: Kapitän der französischen Marine.

    Alfred: Portier im Drachenclub.

    Werner Hilpert: ein Taxifahrer.

    Van Emde, Snake Himmelmann und Jockel Lotter: stadtbekannte Schläger und Gangster.

    Dieser Roman spielt in der hessischen Kleinstadt Frankenberg im Jahre 1960.

      Erstes Kapitel

    Um diese frühe Tageszeit erwartete ich noch keine Klienten, deshalb wunderte ich mich über die Stimmen im Vorzimmer. Die von Ina Euler, meiner Sekretärin, klang durchaus normal und gelassen; aber die der Klientin – falls es denn eine war – hörte sich schrill, fast hysterisch an. Jung, dachte ich, und vermutlich sehr aufgeregt...

    Ich hatte mich gerade erhoben, um nachzusehen, als Ina die Tür zu meinem Büro öffnete und mit »Frau Dörsam...« begann, aber von unserer Besucherin geradezu überrannt wurde.

    Sie kam mit ausgestreckten Händen auf mich zu, sprudelte heraus, dass ich ihr von Peggy Höllenbrandt empfohlen worden sei... Ich hätte den beiden so sehr geholfen... Hätte einen neuen Menschen aus Herbert gemacht und sie von all ihren Schwierigkeiten befreit. Sie, Frau Dörsam, sei sicher, ich könne ihr ebenfalls helfen, trotz der fürchterlichen Lage, in der sie sich befand. Ihr Mann sei unter Mordverdacht verhaftet worden! Und gewisse Leute, die völlig verrückt sein mussten, behaupteten unglaubliche Dinge!

    Ich nahm sie beim Arm und führte sie zu einem Sessel. Sie war Anfang Zwanzig, nicht gerade eine Schönheit, aber sie hatte ein nettes Gesicht, eine gute Figur und intelligente Augen. Man sah, dass sie sich in Eile angekleidet hatte und hierher, zum Untermarkt gekommen war. Sie zitterte am ganzen Körper.

    »Könnten Sie eine Tasse Kaffee zubereiten, meine Liebe?«, bat ich Ina, die noch im Türrahmen stand.

    »Ist bereits in Arbeit«, erklärte sie ein wenig brüsk und zog sich zurück.

    Unsere Besucherin erhob höflich, aber nicht überzeugend Einspruch dagegen, denn ihre grauen Augen belebten sich merklich bei der Aussicht auf Kaffee. Mit einer müden Geste nahm sie ihren Hut ab und versuchte zu lächeln.

    »Peggy Höllenbrandt hat mir oft gesagt...«

    »Augenblick, Frau Dörsam«, warf ich ein. »Sie haben die Höllenbrandts bereits erwähnt. Es sieht aber so aus, als wäre Ihr Fall dringend. Wenn ich überhaupt etwas für Sie tun kann, dann wäre es besser, Sie würden mich jetzt darüber informieren und...«

    Ein Schreckenslaut entfuhr ihr. »Wenn Sie überhaupt etwas tun können! Wenn! Aber...«

    Glücklicherweise kam Ina mit einem kleinen Tablett herein und servierte uns den Kaffee. Das erleichterte die Situation.

    Die Klientin gab sich als Karin Dörsam, Ehefrau eines gewissen Gunther Dörsam, zu erkennen, trank dankbar den angebotenen Kaffee – ohne Zucker, ohne Milch – und erholte sich nach und nach zumindest so weit, dass sie zusammenhängend reden konnte.

    Zuerst entschuldigte sie sich und sagte, sie habe einen aufregenden Morgen hinter sich. Sie hätte vor kurzem den Werbeberater Gunther Dörsam geheiratet.

    »Den bekannten«, sagte sie und sah mir in die Augen. Sie wohnten in einem Häuserblock im Schwedensteinweg. Und nun sei ihr Mann aus heiterem Himmel unter dem Verdacht, eine Frau ermordet zu haben, verhaftet worden! Ein Taxifahrer, der zweifellos wahnsinnig sei, habe eine vollkommen idiotische Aussage gemacht. – Und warum ich sagte oder andeutete, dass ich nichts tun könne?

    All das wurde jeweils zwischen zwei Schlucken Kaffee herausgestoßen. Mit der letzten Frage an mich hatte sie so ziemlich das Ende ihrer Fassung erreicht. Ich fürchtete, sie würde in Tränen ausbrechen.

    »Ich will tun, was ich kann«, versicherte ich ihr schnell. »Aber ich nahm zuerst an, die Polizei würde Ihren Mann festhalten, weil er unter dem Verdacht steht, irgendeine Frau ermordet zu haben, und dabei kann ich natürlich...«

    »Das tut sie auch! Diese Idioten! Herr Bismarck, heute Morgen, irgendwann um zehn Uhr herum, wurde diese Welt komplett verrückt! Ich meine das in vollem Ernst!«

    Ich nickte mitfühlend. »Das ist wahrlich ein absurder Missgriff, Ihren Mann unter Mordverdacht zu verhaften«, bemerkte ich.

    Sie nickte. »Natürlich. Ich sehe, Sie kennen ihn. Gunther könnte niemals – er ist einfach unfähig dazu, jemanden umzubringen. Nicht einmal diese Frau.«

    »Aber die Polizei und ein Taxifahrer scheinen davon überzeugt zu sein. Wie kommt das?«

    »Es ist selbstverständlich die Schuld dieser fürchterlichen Person. Sie ist nun endlich tot. Es war vorauszusehen, dass ihr früher oder später etwas passieren würde. Irma De Angelis nannte sie sich... Ihr Mann ließ sie sitzen – obwohl er irrsinnig in sie verliebt war, nach allem, was man hörte. Nun ist sie heute Morgen von jemandem erschossen worden oder hat sich selbst erschossen...«

    Meine Klientin trank ihre Tasse leer und schenkte sich sofort wieder ein. Ihre Hand zitterte nur noch ein ganz klein wenig. Frau Dörsam schien sich wieder ziemlich im Griff zu haben. Offenbar hatte ihr gesunder Menschenverstand, den sie zweifellos besaß – wie man ihrem Kinn und ihren klaren Augen ansehen konnte – die Oberhand gewonnen.

    »Diese Frau wohnte im selben Haus wie wir; ein Stockwerk über uns. Wir kannten sie selbstverständlich flüchtig – wie man die Nachbarn im Haus eben kennt. Gunther traf sie hin und wieder im Lift oder auf der Treppe. Sie blieb auch in der Wohnung, nachdem ihr Mann weggezogen war... Wahrscheinlich ging das bei den beiden – Italiener oder Franzosen – dauernd so verrückt zu. – Jedenfalls, er ist Musiker, und es sieht so aus, als wäre Othello, mit ihm verglichen, ein Waisenknabe. Er hat doch wahrhaftig bei der Polizei ausgesagt, Gunther sei der Geliebte seiner Frau gewesen! So etwas Verrücktes! Aber man muss es ihr lassen, sie war eine ganz hübsche Frau, trotz des gefärbten Haars und des starken Make-Ups... Aber sie war alt genug, dass sie Gunthers Tante hätte sein können! Fünfunddreißig, würde ich schätzen. Mindestens. Und Gunther ist erst siebenundzwanzig... Von der Tatsache, dass wir erst vor einem Jahr heirateten und – und – und schrecklich glücklich sind, gar nicht zu reden!« Sie begann zu weinen.

    Ich ging um meinen Schreibtisch herum und nahm die Kaffeetasse von ihrem Schoß.

    Als ich ihr eine meiner Lieblingszigaretten, eine Player's, anbot, meinte sie, der Tabak sehe ihr zu stark aus, und nahm sich eine von ihren eigenen aus der Tasche.

    Ich klopfte Frau Dörsam tröstend auf die Schulter.

    »Nur Mut!«, redete ich ihr zu. »Jetzt geht es um Gunther. Erzählen Sie mir nun... Soviel ich bis jetzt verstanden habe, wurde Ihr Mann verhaftet. Und nun möchte ich wissen, auf Grundlage welcher Aussagen hin?«

    »Ja, ja...«, murmelte sie. »Also, Gunther, der manchmal in unserer Wohnung arbeitet, hatte sich zu einer geschäftlichen Verabredung ein bisschen verspätet, weshalb er in großer Eile unsere Wohnung verließ. Er wollte nicht warten, bis der Lift frei war. Ich stand in unserer Wohnungstür – er winkte mir zu, dann hörte ich ihn die Treppe hinunterlaufen. Das war alles, was ich sah, bevor ich in die Küche zurückging... Oh! Nein, das stimmt nicht: Gunther hatte einen seiner Handschuhe fallen lassen. Ich habe keine Ahnung, warum, aber die Polizei interessiert sich gerade dafür besonders. Ich sah den Handschuh auf dem Treppenabsatz liegen, hob ihn natürlich auf und nahm ihn mit hinein. Inzwischen war Gunther hinuntergerannt, sah draußen auf der Straße ein Taxi und lief darauf zu... Die Polizei erlaubte mir, ihn für eine Minute zu sprechen. Sie brachten ihn in die Wohnung herauf, und er erzählte mir schnell, was passierte – verstehen Sie?«

    Ich nickte.

    »Wo war ich stehengeblieben? Oh, ja! Gunther rannte also die Treppe hinunter und auf die Straße hinaus. Er sah ein Taxi, lief darauf zu, und als es am Bordstein stehenblieb, machte Gunther die Tür auf. Die Polizei scheint das für ein besonders ungewöhnliches Verhalten zu betrachten, was es jedoch überhaupt nicht ist! Gunther hatte es einfach nur schrecklich eilig.«

    »Ja, das verstehe ich«, warf ich ein.

    »Natürlich... Nun, Gunther machte also die Taxitür auf und erblickte eine Frau in einem Nerzmantel, die offenbar tot war. Aus ihrem Kopf sickerte Blut – ja, ich glaube, das sagte er; und auf dem Boden des Taxis lag eine Pistole.«

    Sie machte eine Pause, die sie dazu benutzte, sich eine neue Zigarette anzuzünden.

    »Und dann wurde Gunther verhaftet?«, fragte ich.

    »Ja.« Ihre grauen Augen blitzten zornig, soweit sanfte Augen überhaupt zornig blitzen können. »Die Schuld daran trägt dieser Taxifahrer – ein total Verrückter! Das meiste erfuhr ich von der Polizei. Sie durchsuchten unsere Wohnung und verhörten mich... Alle ziemlich anständig, bis auf eine Ausnahme, einen Hauptkommissar. Ein unangenehmer Kerl, der überzeugt zu sein schien, ich hätte mit Gunther ein Komplott geschmiedet, diese Frau umzubringen!«

    »Wie war es dem Taxifahrer eigentlich möglich, Ihren Mann verhaften zu lassen?«

    »Oh, der Fahrer ist wirklich der Alleinschuldige! Zuerst sagte er aus, dass er einen Schuss gehört habe, gleich nachdem Gunther die Tür zum Taxi öffnete. Gunther sagt, dass überhaupt kein Schuss fiel. Dann sprang dieser Kerl aus dem Wagen, sah die tote Frau, begann zu schreien und umklammerte Gunthers Arm, als ob Gunther versucht hätte, wegzurennen! Dieser Taxifahrer ist ein kleiner Bursche; und wenn Gunther gewollt hätte, wäre es ihm ein leichtes gewesen, ihn zusammenzuschlagen, nur...«

    »Er tat es natürlich nicht, wie?«

    »Nein. Gunther war wie betäubt! Stellen Sie sich das bloß vor! Er öffnet die Tür zu einem Taxi und sieht sich einer Toten gegenüber – sogar einer Nachbarin. Er ist bereits mit Kopf und Schulter in dem Taxi, bevor er sie überhaupt bemerkt. Dann sieht er ihr Gesicht, sieht das Blut und die Pistole. Natürlich denkt er, sie hat sich selbst erschossen. Er hebt die Pistole auf... Selbstverständlich hat er vor, die Polizei zu rufen, aber noch bevor er sich von seinem Schreck erholen kann, beginnt dieser idiotische Taxifahrer Mord und Totschlag zu brüllen und sich an seinem Arm festzuklammern. Verstehen Sie?«

    Ich nickte.

    »Und wie es der Zufall will, befand sich ein Polizeibeamter in Zivil gerade im nächsten Haus. Er befragte den Hausmeister wegen eines gestohlenen Fahrrades oder etwas dergleichen. Auf das Geschrei hin, kam er sofort angerannt und hielt Gunther ebenfalls fest. Die Pistole in seiner Hand... Sie verstehen...«

    Wieder nickte ich. »In der Hand mit dem Handschuh, nicht wahr? Rechte oder linke Hand?«

    »Es war der linke Handschuh, den Gunther auf dem Treppenabsatz verlor. Den rechten Handschuh hatte er an, und damit hielt er auch die Pistole.«

    »Er ist Rechtshänder, nehme ich an?«

    »Ja, Herr Bismarck. Die Polizei – ich meine, dieser Hauptkommissar, stellte mir die gleiche Frage. Ich verstehe nicht, was es damit zu tun haben soll, ob Gunther diese Frau De Angelis erschossen hat oder nicht! Meiner Meinung nach hat sie sich selbst erschossen und zwar, kurz bevor der Wagen vor unserem Haus hielt. Der Taxifahrer sagte mir, dass sie betrunken war, als sie bei ihm einstieg...«

    »Sie haben also mit dem Taxifahrer gesprochen?«

    »Ja, das tat ich. Nur ganz kurz... Er stand natürlich herum und hielt Maulaffen feil – er, der Held in dieser Schauergeschichte! Die Polizei beschlagnahmte sein Taxi samt der Toten und brachte es zur Dienststelle. Ich ging zu dem Mann hin – er heißt Werner Hilpert –, und er sagte mir, dass er meistens auf dem Taxistandplatz in der Nähe des Kreiskrankenhauses steht. Dummerweise begann unser Gespräch ziemlich unangenehm.« Karin Dörsam gab ein freudloses Lachen von sich. »Ich steckte ihm einen Zehn-Mark-Schein zu, aber er gab ihn mir augenblicklich zurück und sagte, dass er nichts dagegen habe, wenn man ihn für einen Lumpen hielte, aber dass er es nicht leiden könne, wenn man ihn für einen billigen Lumpen hielte. Ich hätte den Kerl am liebsten geohrfeigt! Aber es gelang mir noch rechtzeitig, einen Scherz daraus zu machen, und so klappte es schließlich doch noch einigermaßen. Er erzählte mir, dass ihn Irma De Angelis in der Forststraße anhielt. Wissen Sie jetzt Bescheid?«

    Ich nickte. »Der Taxifahrer dachte also, dass Frau De Angelis betrunken war?«

    »Ja. Er nahm an, dass sie aus einer Kneipe kam. Ihre Stimme klang gepresst... Man muss sich dabei vor Augen halten, dass sie Sängerin war und eine sehr hübsche Stimme hatte; deshalb ist es ziemlich wahrscheinlich, dass der Mann sich nicht täuschte. Vielleicht hatte sie sich irgendwo Mut angetrunken... Die Arme! Unter anderen Umständen würde sie mir wirklich furchtbar leidtun. Stellen Sie sich nur vor, um diese Tageszeit zu trinken, um den Mut aufzubringen, seinem Leben ein Ende zu bereiten! Wahrscheinlich glaubte sie, ihr Mann habe sie für immer verlassen... Er hatte sich irgendwo im Bergwinkel ein Atelier gemietet und ist schon seit langem nicht mehr im Schwedensteinweg gewesen... oh!«

    Sie öffnete ihre weiße Handtasche und begann darin zu wühlen wie ein Terrier in einem Mauseloch.

    »Ich hatte vor, Ihnen das hier zu zeigen... Ja, hier ist es! Das Ehepaar De Angelis. Er ist Pianist – ein Spezialist auf dem Cembalo... Sie sang und rezitierte – deklamierte, oder wie immer sie es nannte. Gunther hat diese Broschüre entworfen. Der Versuch einer hübschen Werbung, als die beiden ein Konzert planten. Nur wegen diesem Ding da – nur weil wir versuchten, diesen Leuten zu helfen, haben wir sie überhaupt näher kennengelernt!«

    Sie reichte mir den Entwurf einer Broschüre. Links und rechts von dem gedruckten Text waren Fotos eingeklebt. Der Mann stand mit einem Ellbogen auf einen Flügel gestützt; ein kleiner Bursche, der halb geringschätzig, halb einschmeichelnd in die Kamera blickte. Er trug ein Samtjackett und eine große Schleife. Irma De Angelis präsentierte sich in einem Abendkleid, die behandschuhten Hände gefaltet und den Kopf zurückgeworfen. Sie sah attraktiv aus. Ein wenig jenseits der Altersgrenze für meinen Geschmack – siebenunddreißig, schätzte ich –, aber ihr Profil war edel geformt, ihr langes Haar anmutig hochgesteckt und ihre Augen waren einfach wunderschön.

    »Ich würde das hier gern behalten«, sagte ich. Als Karin Dörsam zustimmend nickte, zog ich Notizblock und Bleistift heran und begann Notizen zu machen.

    Das mögen sie alle, wenn man Notizen macht. Ich schrieb in einer von mir für mich entwickelten Kurzschrift ein paar Zeilen und sah dann zu ihr hoch.

    »Frau Dörsam«, begann ich, »meiner Meinung nach brauchen Sie gar keinen Privatdetektiv. Genau gesagt, Sie brauchen sich in dieser ganzen Angelegenheit überhaupt keine Sorgen zu machen.«

    »Was...?« Sie schnappte nach Luft. »Hören Sie, Sie müssen wahrhaftig...« Sie biss sich auf die Lippen und brach ab. Doch ihre Augen funkelten mich wutentbrannt an.

    »Wenn das, was Sie mir berichteten, wahr ist und Sie nichts verschwiegen haben, dann wage ich zu behaupten, dass man gegen Ihren Mann auf keinen Fall Anklage erheben kann. Die Polizei wird sehr schnell zu der gleichen Einsicht gelangen.«

    »Aber... Er ist – er wurde verhaftet, Herr Bismarck!«

    »Man hat ihn verhaftet, in der Tat«, gab ich ihr recht. »Und man hält ihn vorerst fest, weil er verhört werden muss. Solche Verhöre nehmen oft lange Zeit in Anspruch. Aber denken Sie doch einmal nach! Ihr Mann besitzt ein unantastbares Alibi bis zu dem Augenblick, da er die Tür des Taxis öffnete. Irma De Angelis war bereits tot. Die Polizei wird die ungefähre Zeit ihres Todes feststellen, ebenso, wie eine Untersuchung der Pistole ergeben wird, wann ungefähr zuletzt damit geschossen wurde. Außerdem ist da noch die Frage, wer überhaupt der Besitzer der Waffe ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach befinden sich Fingerabdrücke darauf. Dazu kommt noch die medizinische Beurteilung von Irma De Angelis' Verwundung, die wohl kaum mit dem Verdacht, Ihr Mann habe sie erschossen, übereinstimmen dürfte, weil er – und das ist die Hauptsache: Weil er es nicht getan hat. Dann ist da auch noch die geschäftliche Verabredung Ihres Mannes, zu der er sich verspätet hatte. Es gibt also jemanden, der ihn ausdrücklich erwartete und der dies auch fraglos bestätigen wird. Wann also, Frau Dörsam, sollte Gunther diesen Mord geplant haben? In diesem Fall, möchte ich behaupten, ist es praktisch unmöglich, ein Strafverfahren gegen Ihren Mann einzuleiten.«

    Ihr junges und eigentlich doch recht intelligentes Gesicht hellte sich merklich auf, während ich sprach, und ihre Hände hörten nun endlich auf zu zittern.

    »Natürlich verstehe ich so gut wie

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