GegenStandpunkt 3-19: Politische Vierteljahreszeitschrift
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Die amerikanische Weltmacht treibt die Entmachtung ihres russischen Rivalen voran
In der öffentlichen Wahrnehmung hierzulande finden die strategischen Planungen der USA eher wenig Beachtung. Als Trump den INF-Vertrag kündigt, werden kurzzeitig Befürchtungen laut, es könnte da etwas außer Kontrolle geraten und ein neues Wettrüsten beginnen – so als hätten die USA in ihren Rüstungsanstrengungen jemals nachgelassen. Dabei ist allgemein bekannt, dass sie Jahr für Jahr astronomische Summen für ihre Verteidigung ausgeben. Man registriert auch die von Trump mehrfach offen verkündete Botschaft an Putin, dass er gar nicht erst zu versuchen brauche, mit Amerikas Aufrüstung mitzuhalten. Aber eine solche Ansage ist nichts, was in der hiesigen Öffentlichkeit Bedenken wachrufen würde. Für eine gewisse Beunruhigung sorgen hingegen regelmäßig die Vorwürfe, die Trump im Zusammenhang mit der Finanzierung der Rüstungsanstrengungen den NATO-Partnern und allen voran den Deutschen macht, dass sie auf Kosten der USA ihre Haushalte schonen und die von ihnen eingegangenen finanziellen Verpflichtungen sträflich missachten. Die Frage, was mit all den Finanzmitteln eigentlich finanziert wird und wieso die Vereinigten Staaten an dieser Front so entschieden voranmachen, ist demgegenüber kaum von öffentlichem Interesse. Dabei erfordert die Antwort auf diese Fragen keine großen investigativen Mühen, die offiziellen sicherheitspolitischen Dokumente der USA sprechen eine klare Sprache.
Zu einigen neueren Fortschritten in der Konkurrenz der Kapitalisten
Die Digitalisierung des Kapitalkreislaufs
Vor ein paar Jahren ist im ‚Silicon Valley‘ der Kapitalismus neu erfunden worden. Seither tobt die ‚digitale Revolution‘. Zu der gehören so großartige Errungenschaften wie die, dass die Menschen pausenlos mit ihren Fotoapparaten telefonieren, ihre Autos demnächst selbstfahrend im Stau stehen und überhaupt alles ‚im Internet‘ stattfindet, vor allem die ‚Jobs der Zukunft‘. ‚Intelligenz‘ soll jetzt ‚künstlich‘ und Gerätschaften ‚smart‘ sein. Die paar sachlichen Fortschritte in der kapitalistischen Konkurrenz, um die es tatsächlich geht, werden dabei leicht übersehen. Die betreffen insbesondere: das Kaufmannsgewerbe, den Prozess der produktiven Wertschöpfung, den Kapitalvorschuss sowie Umfang und Art der Lohnarbeit.
Zu einigen neueren Fortschritten in der Konkurrenz der Staaten
Und was haben die Führer der besseren Nationen damit zu tun? Die sind zuständig für Fortschritte in der Konkurrenz der Staaten. Allein das Ausmaß, in dem sich die ‚Schlüsseltechnologien‘ zum Geldverdienen am Ausland und zugleich zum (zer-)störenden Einwirken auf dessen Innenleben gebrauchen lassen, macht den technischen Fortschritt für sie unwiderstehlich. Einstweilen unerreichbares Ideal für sie alle ist die Linie des US-Präsidenten: Am Fall Huawei buchstabiert der Landesvater aller ‚Silicon Valley‘-Giganten und Herr über den Dollar allen vor und zurück, dass er auf der Gleichung zwischen amerikanischem Nutzen und fremdem Schaden besteht. Das ist für ihn das höchste Recht seines Volkes.
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GegenStandpunkt 3-19 - GegenStandpunkt Verlag München
Inhaltsverzeichnis
Nicht erst unter Trump, unter Trump aber in neuer Entschiedenheit:
Die amerikanische Weltmacht treibt die Entmachtung ihres russischen Rivalen voran
I. Die Definition Russlands als ‚Rivale‘ der USA – Feindbild und Feindschaft
II. Die USA schließen Lücken im Atomkriegsszenario gegen Russland
1. Strategische Neuausrichtung des Raketenabwehrschirms
2. Die Perfektionierung der Raketenabwehr stellt neue Anforderungen an die Weltraumkriegführung
2.1 Der Kriegsschauplatz Weltraum
2.2 Eine neue Infrastruktur im Weltraum für den Atomkrieg im 21. Jahrhundert
3. Runderneuerung der nuklearen Triade und Sicherheit im Cyberspace
4. Die Perfektionierung der Einkreisung Russlands
5. Eine zweite Atomkriegsfront gegen Russland in Europa
6. Manöver als Dauereinrichtung
III. Die ökonomische Entmachtung Russlands durch Totrüsten und Wirtschaftskrieg
IV. Amerika arbeitet daran, das Ideal der Abschreckung praktisch wahr zu machen
V. UdSSR und Russland: Kontinuität und Fortschritt im Kampf gegen eine Macht, die zu viele Waffen hat
Zu einigen neueren Fortschritten in der Konkurrenz der Kapitalisten
Die Digitalisierung des Kapitalkreislaufs
I. W’ – G’: Die Nahtstelle zwischen Kapital und Endverbraucher
1. Facebook und Facebookartige: Die Perfektionierung der Kundenwerbung
2. Google: Das globale Schaufenster
3. Amazon: Vom findigen Buchhändler zum allgegenwärtigen Versandhändler, mit mehrfacher Vorbildwirkung
4. Apple: Die bürgerliche Existenz im Endgerät
II. Die Unkosten des Regimes des Kapitals über die Produktion
1. Kapitalistische Qualitätskontrolle
2. Das Firmen-, Branchen- und Staatsgrenzen überschreitende Wertschöpfungsnetzwerk und sein Widerspruch
3. Die faux frais der Verwaltung des Gemeinwesens, oder: Die smarte Nation
4. Der private Konsum als letzter Akt im kapitalistischen Produktionsprozess
III. Der Kapitalvorschuss und seine Rendite
1. Staatliche Vorleistungen: Schutz des geistigen Eigentums und eine Menge Infrastruktur
2. Spekulative Finanzblasen als Geburtshelfer
IV. v: Der Gebrauch des Faktors Arbeit
1. Das Ideal der Fabrik ohne Arbeiter und die Realität der Einsparung von Lohnkosten
Kleiner Exkurs zu der heißen Frage, ob der Kapitalismus nicht irgendwann demnächst vollautomatisch funktioniert
2. Smarte Belegschaften und eine international vernetzte Arbeiterklasse
Zu einigen neueren Fortschritten in der Konkurrenz der Staaten
1. Die Produktivkraft der ‚Digitalisierung‘ für das nationale Wachstum: eine wirtschaftspolitische Agenda für alle Staaten
2. Kampf der Weltwirtschaftsmächte um Anteile am globalen Kapitalismus
3. Kampf um die Vormacht auf dem Feld der ‚nationalen Sicherheit‘
4. Zum US-Dollar-Imperialismus im Geiste von „America first!"
Zusatz: Der Fall Huawei
1. Der globale Geschäftserfolg von Huawei
2. Huaweis Erfolg – ein Anschlag auf Amerikas Beherrschung des Netzes
3. Amerikas Kampf um die Erledigung von Huawei
4. Die konzertierte Gegenwehr Chinas
5. Huawei – Mittel und Streitfall des deutschen Ringens um eine Führungsrolle bei der Beherrschung des künftigen Weltmarktgeschäfts
Die deutsche Arbeiterklasse – nicht nur am 1. Mai: Ein Kampftag für Europa
Der EuGH schreibt Arbeitszeiterfassung vor: Auskünfte über das herrschende Interesse an der Arbeit
Was für eine Überraschung: Der Präsident der Weltmacht schwört aufs Proletariat!
Offener Brief an die Seenotretter und ihre Sympathisanten
Nicht erst unter Trump, unter Trump aber in neuer Entschiedenheit:
Die amerikanische Weltmacht treibt die Entmachtung ihres russischen Rivalen voran
In der öffentlichen Wahrnehmung hierzulande finden die strategischen Planungen der USA eher wenig Beachtung. Als Trump den INF-Vertrag kündigt, werden kurzzeitig Befürchtungen laut, es könnte da etwas außer Kontrolle geraten und ein neues Wettrüsten beginnen – so als hätten die USA in ihren Rüstungsanstrengungen jemals nachgelassen. Dabei ist allgemein bekannt, dass sie Jahr für Jahr astronomische Summen für ihre Verteidigung ausgeben. Man registriert auch die von Trump mehrfach offen verkündete Botschaft an Putin, dass er gar nicht erst zu versuchen brauche, mit Amerikas Aufrüstung mitzuhalten. Aber eine solche Ansage ist nichts, was in der hiesigen Öffentlichkeit Bedenken wachrufen würde. Schließlich ist sie selber mehrheitlich der Auffassung, dass Russland in die Schranken gewiesen gehört; zwischenzeitlich zweifelt sie ja sogar umgekehrt an der Verlässlichkeit dieses Präsidenten, weil sich der gegenüber seinem angeblichen Freund Putin allzu arglos zeigen soll. Für eine gewisse Beunruhigung sorgen hingegen regelmäßig die Vorwürfe, die Trump im Zusammenhang mit der Finanzierung der Rüstungsanstrengungen den NATO-Partnern und allen voran den Deutschen macht, dass sie auf Kosten der USA ihre Haushalte schonen und die von ihnen eingegangenen finanziellen Verpflichtungen sträflich missachten. Die Frage, was mit all den Finanzmitteln eigentlich finanziert wird und wieso die Vereinigten Staaten an dieser Front so entschieden voranmachen, ist demgegenüber kaum von öffentlichem Interesse. Dabei erfordert die Antwort auf diese Fragen keine großen investigativen Mühen, die offiziellen sicherheitspolitischen Dokumente der USA sprechen eine klare Sprache.
I. Die Definition Russlands als ‚Rivale‘ der USA – Feindbild und Feindschaft
Die vier Militärdoktrinen, ¹) die die Trump-Regierung zur Evaluierung der Gefahren für die nationale Sicherheit der USA und Definition der notwendigen Gegenmaßnahmen in Auftrag gegeben hat, unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von denen der Vorgängerregierung: Der Terrorismus, bei Obama noch die Hauptgefahr für den Frieden, ist im aktuellen Bedrohungsszenario in den Hintergrund gerückt, ebenso wie die Bedrohung durch die Schurkenstaaten Iran und Nordkorea; an ihre Stelle ist die strategische Konkurrenz durch die Großmächte China ²) und Russland getreten:
„Die zentrale Herausforderung für den Wohlstand und die Sicherheit der USA ist das Wiederauftauchen einer langfristigen strategischen Konkurrenz durch revisionistische Mächte, wie sie die Nationale Sicherheitsstrategie klassifiziert. Es wird immer klarer, dass China und Russland eine Welt gestalten wollen, die mit ihrem autoritären Modell übereinstimmt – und so die Autorität erlangen, ihr Veto gegen die ökonomischen, diplomatischen und Sicherheitsentscheidungen anderer Nationen einzulegen." (NDS, S. 2)
Diese programmatischen Festlegungen machen eine neue Lage vorstellig: die Rückkehr zu einem Zustand, den man mit dem Ende der Sowjetunion eigentlich überwunden zu haben glaubte. Sie sehen die vitalen Interessen der USA – „Wohlstand und Sicherheit" – durch das (Wieder)Aufkommen von Mächten bedroht, die auf ihre Weise „die Welt gestalten" wollen und damit den USA auf der strategischen Ebene, auf der Weltordnungsfragen aufgeworfen und entschieden werden, als Konkurrenten entgegentreten. Letzteres, die Tatsache, dass diese Mächte überhaupt als Konkurrenten in Erscheinung treten – dass sie auf derselben Ebene Politik machen, auf der die USA mit der größten Selbstverständlichkeit als Weltmacht agieren –, gereicht China und Russland zum Vorwurf, begründet das Vergehen namens „Revisionismus". Die Beschuldigung operiert mit der Vorstellung, dass diese Mächte eine Welt, die wohlgeordnet ist, in der jeder Staat seinen wohldefinierten Platz hat und deren Ordnung von den Mitgliedern der Staatenfamilie zu respektieren ist, zu ihren Gunsten umgestalten wollen, weil sie nicht bereit sind, den Status, der ihnen in dieser Welt von Rechts wegen zukommt, zu akzeptieren. Umgekehrt wird der Status, den die USA nach dem Ende der Sowjetunion erlangt haben – den der „einzig verbliebenen Supermacht" –, wie ein rechtmäßiger Besitzstand der USA vorstellig gemacht, den es vor unrechtmäßigen Zugriffen aus eben dieser Welt der Staaten mit allen Mitteln zu sichern gilt. Die Machtverhältnisse in der Staatenwelt, die die USA in zwei erfolgreich geführten Weltkriegen, einem Kalten Krieg gegen die realsozialistische Führungsmacht und ihren ‚Block‘ sowie durch ihre fortgesetzten Bemühungen, deren immer noch viel zu potenten Nachfolger weiter zu entmachten, maßgeblich hergestellt haben, werden als Rechtsgrund für den von den USA praktizierten Anspruch angeführt, über den Rest der Staatenwelt ein Regime ausüben zu können, das einem globalen Gewaltmonopol ziemlich nahekommt. Die Unbedingtheit dieses Anspruchs, dass Amerika dazu berufen ist, den globalen Gewalthaushalt zu kontrollieren und gegen den mangelnden Respekt anderer vor sich und der Weltordnung, für die es steht, zu verteidigen, wird einerseits mit dem Verweis darauf begründet, dass „Wohlstand und Sicherheit" der USA mit der Sicherstellung dieses Status stehen und fallen. Die strategische Doktrin führt aber auch noch andere gute Gründe auf: Amerika handelt nicht nur im eigenen, sondern im Interesse der ganzen Völkerfamilie, der die ‚Revisionisten‘ nämlich das böse „autoritäre Modell" aufzwingen wollen, das sie bei sich daheim praktizieren. China und Russland werden als Mächte charakterisiert, deren außenpolitische Agenda darin aufgeht, andere Nationen zu unterdrücken und deren Souveränität zu missachten. Von ihrer Politik bleibt nur das Negative; die Ausübung von Gewalt in ihrem Inneren wie nach außen wird zum Inhalt und Zweck ihrer Politik erklärt, und mit „Modell" – gewissermaßen der heutige ideologische Ersatz für den alten Systemgegensatz – wird das Fundamentale und Ausgreifende ihres verwerflichen Treibens herausgestellt. Von politischen Interessen, die im Verhältnis zwischen souveränen Staaten laufend die Gründe dafür liefern, dass „ökonomische, diplomatische und Sicherheitsentscheidungen anderer Nationen" übergangen oder zurückgewiesen werden, will man im Fall dieser beiden Staaten nichts wissen. Wohlstand und Sicherheit sind bei ihnen nichts, woraus sie irgendeinen legitimen Handlungsbedarf ableiten könnten; diese Mächte besitzen so, wie sie charakterisiert werden, überhaupt keine anerkennungswürdigen Interessen.
So liest sich das offizielle Feindbild zu einer Feindschaft, die andere Gründe hat als die mit dem Feindbild vorstellig gemachten; das Feindbild beruht umgekehrt auf der Feindschaft, die man den ‚revisionistischen Mächten‘ erklärt: Die Tatsache, dass sich diese zwei Staaten der Unterordnung unter die amerikanische Suprematie entziehen, ist es, was ihnen die amerikanische Feindschaft verschafft; das Recht Amerikas auf so etwas wie ein weltweites Gewaltmonopol macht Staaten, die sich diesem Anspruch nicht beugen, zu Revisionisten und Rechtsverletzern.
Was näher Russland betrifft, so konkretisieren die Militärdoktrinen der USA den Revisionismus dieser Nation anhand eines Sündenregisters, in dem alles aufgeführt und ins richtige Licht gerückt wird, was Russland in seiner näheren und ferneren Nachbarschaft zur Wahrung seiner Interessen unternimmt:
„Russland [strebt] nach einer Veto-Autorität über Nationen in seiner Peripherie in Bezug auf ihre Regierungs-, ihre ökonomischen und ihre diplomatischen Entscheidungen, es versucht, die NATO zu zerschlagen und die Sicherheits- und Wirtschaftsstrukturen in Europa und im Nahen Osten zu seinen Gunsten zu verändern. Die Anwendung neu aufkommender Technologien, um demokratische Prozesse in Georgien, auf der Krim und in der Ostukraine zu diskreditieren und umzustürzen, ist besorgniserregend genug, aber wenn sie sich verbindet mit seinem sich ausweitenden und modernisierenden Atomwaffenarsenal, ist die Herausforderung klar." (NDS, S. 2)
Die amerikanischen Militärstrategen gehen davon aus, dass die USA mit gutem Recht die ganze Welt als ihre Einflusssphäre beanspruchen können, so dass es deswegen auch völlig legitim ist, wenn sie zusammen mit ihren strategischen Partnern in der NATO und in der EU „in der Peripherie" Russlands dafür sorgen, dass dort Staaten eingerichtet werden und Regierungen das Sagen haben, die in ihrer Räson auf die NATO und die EU ausgerichtet sind. Deswegen erscheint das Bemühen Russlands, sein Umfeld als seine Einflusssphäre zu sichern, in ihrer Analyse per se als illegitimer Machtgebrauch und Russland selbst als eine Macht, deren ‚Machtstreben‘ unvereinbar ist mit den legitimen Interessen seiner Nachbarn. So wie die Karten in ihrer Analyse verteilt sind, hätte Russland die friedliche Eroberung seines Umfelds durch NATO und EU, also seine strategische Einkreisung, unwidersprochen hinzunehmen. Wenn es das nicht tut, macht es eine „Veto-Autorität" geltend, die ihm nicht zusteht. Weil es aus der Sicht der amerikanischen Strategen nur recht und billig ist, wenn die NATO ihre Expansion als in sich geschlossener, auf die Eindämmung russischer Macht eingeschworener Staatenblock betreibt, erscheinen die Anstrengungen Russlands, seine Beziehungen zu Mitgliedern dieser Allianz zu verbessern oder auch nur zu behalten, als Versuch, „die NATO zu zerschlagen". Wenn es sich gegen das Programm von NATO und EU wendet, die Ukraine aus überkommenen Verbindungen herauszubrechen und der EU anzugliedern; wenn es mit seiner Annexion der Krim unterbindet, dass nach der Überführung der Ukraine ins westliche Lager auch noch der Stützpunkt seiner Schwarzmeerflotte unhaltbar wird; wenn es im Nahen Osten durch sein militärisches Eingreifen den Sturz seines einzigen ihm dort verbliebenen Verbündeten verhindert – dann ist es Russland, das sich an gewachsenen „Strukturen" vergreift, auf denen Sicherheit und wirtschaftlicher Wohlstand in Europa und im Nahen Osten beruhen; dann stellt sich Russland gegen anonyme „Prozesse", die einfach so unterwegs sind und schon deswegen nicht aufzuhalten sind, weil sie – namentlich „in Georgien", „auf der Krim" und „in der Ostukraine" – das Gute, die Demokratie voranbringen.
Das alles ist für die mit der Nationalen Sicherheit der USA befassten Fachleute schon „besorgniserregend genug". Was Russland in ihren Augen endgültig zu der Herausforderung schlechthin für Amerika macht; was Russland heraushebt aus der Handvoll größerer und kleinerer Schurkenstaaten, die Amerika auf seiner To-do-Liste hat, ist die Tatsache, dass dieser Staat immer noch über ein Atomwaffenarsenal verfügt, es sogar ausweitet und modernisiert, mit dem er sogar Amerika Respekt abnötigen kann. Die amerikanischen Militärdoktrinen arbeiten diesen Punkt regelrecht als Alleinstellungsmerkmal heraus, das Russland zu dem nicht zu duldenden Rivalen in der Welt macht:
„Die landgestützte Interkontinentalraketen-Streitmacht [der USA, d. Verf.] ist in höchstem Maß überlebensfähig gegen jeden Angriff, mit Ausnahme eines nuklearen Großangriffs. Um die landgestützten Interkontinentalraketen der USA zu zerstören, müsste ein Gegner einen präzise koordinierten Angriff mit hunderten von Präzisionssprengköpfen mit hoher Sprengkraft starten. Das ist eine unüberwindbare Herausforderung für jeden Gegner heute, Russland ausgenommen." (NPR, S. 46)
Russland ist die einzige Macht auf der Welt, die dem Zerstörungspotential, das in den Raketensilos Amerikas ruht, etwas entgegenzusetzen hat. Das stellt für God’s Own Nation eine nicht hinnehmbare Bedrohung ihrer Abschreckungsmacht dar, mit der sie als Weltmacht auftritt und Politik gegenüber dem Rest der Welt macht. Russland seinerseits besitzt und verschafft sich mit seinem Atomwaffenarsenal die Abschreckungsmacht, die es dazu befähigt, sich zu behaupten, in seiner Peripherie gegen den Willen der USA seinen Einfluss geltend zu machen und die Handlungsfähigkeit Amerikas und seiner Verbündeten dort einzuschränken:
„Moskau ist nicht nur dabei, seine offensive strategische Raketenstreitmacht auszuweiten und zu modernisieren, es stellt eine immer weiter fortgeschrittene und unterschiedliche Reihe atomwaffenfähiger regionaler offensiver Raketensysteme in den Dienst, die die stationierten US-Streitkräfte, die Verbündeten und die Partner bedrohen. Diese Raketensysteme befähigen Russland entscheidend zu seiner Zwangs- und Eskalationsstrategie und zur nuklearen Bedrohung von Alliierten und Partnern der USA... Russland entwickelt eine neue Generation von fortgeschrittenen, regionalen ballistischen Raketen und Marschflugkörpern, die ihre ‚anti access/area denial‘-Strategie ³) unterstützen, welche darauf zielt, den Willen und die Fähigkeiten der USA und ihrer Alliierten in regionalen Krisen oder Konflikten zu bezwingen. Russland hat seine fortgeschrittenen Fähigkeiten bei Marschflugkörpern in der Tat seit 2015 wiederholt demonstriert durch Langstrecken-Präzisionsschläge nach Syrien." (MDR, S. 18)
Die USA lassen keinen Zweifel daran, dass sie alles dafür tun,