Wenn es nicht mehr geht ...: Praxis Dr. Norden 11 – Arztroman
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Die neue Serie Praxis Dr. Norden ist prädestiniert, neben den Stammlesern der Erfolgsserie Dr. Norden auch viele jüngere Leserinnen und Leser hinzuzugewinnen.
»Dreißig einfache Brötchen, zwanzig Vollkorn, zwanzig Dinkel, vierzig Brezen.« Ein Duft wie in der Backstube einer Bäckerei erfüllte den Klinikkiosk ›Allerlei‹. Lenni, ehemalige Haushälterin der Familie Norden und nun gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Oskar Roeckl Mitarbeiterin im Kiosk, zählte die Lieferung auf. Tatjana Norden hakte die Positionen auf der Liste ab. »Bis jetzt stimmt es.« Ihr frischgebackener Ehemann Dr. Danny Norden hatte ihr die Liste extra groß ausgedruckt, damit sie sie trotz Sehbehinderung erkennen konnte. »Fehlen nur noch die Süßigkeiten.« »Die sollte Oskar doch aus dem Wagen bringen. Wo steckt er denn schon wieder?« »Ein alter Mann ist kein ICE!«, schimpfte eine Stimme aus dem Hintergrund. Ein Schnaufen wie von einer Dampflokomotive begleitete seine Worte. Lenni fuhr herum. »Meine Güte, du tust gerade so, als ob du eine Ladung Wackersteine tragen müsstest.« Sie packte zu und nahm ihm die oberste der beiden Schachteln ab. »Dabei ist da nur Süßkram drin.« Oskar kannte seine Lenni. Er wusste um ihre Ecken und Kanten. Schätzte ihre raue, ruppige Art und dass sie lieber mit den Händen in der Erde wühlte, als Nordic Walking im Rentnerverein oder gemeinsames Atmen im Chor zu praktizieren.
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Wenn es nicht mehr geht ... - Patricia Vandenberg
Praxis Dr. Norden
– 11 –
Wenn es nicht mehr geht ...
Dann sollte jede Hilfe willkommen sein
Patricia Vandenberg
»Dreißig einfache Brötchen, zwanzig Vollkorn, zwanzig Dinkel, vierzig Brezen.« Ein Duft wie in der Backstube einer Bäckerei erfüllte den Klinikkiosk ›Allerlei‹. Lenni, ehemalige Haushälterin der Familie Norden und nun gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Oskar Roeckl Mitarbeiterin im Kiosk, zählte die Lieferung auf. Tatjana Norden hakte die Positionen auf der Liste ab.
»Bis jetzt stimmt es.« Ihr frischgebackener Ehemann Dr. Danny Norden hatte ihr die Liste extra groß ausgedruckt, damit sie sie trotz Sehbehinderung erkennen konnte.»Fehlen nur noch die Süßigkeiten.«
»Die sollte Oskar doch aus dem Wagen bringen. Wo steckt er denn schon wieder?«
»Ein alter Mann ist kein ICE!«, schimpfte eine Stimme aus dem Hintergrund. Ein Schnaufen wie von einer Dampflokomotive begleitete seine Worte.
Lenni fuhr herum.
»Meine Güte, du tust gerade so, als ob du eine Ladung Wackersteine tragen müsstest.« Sie packte zu und nahm ihm die oberste der beiden Schachteln ab. »Dabei ist da nur Süßkram drin.«
Oskar kannte seine Lenni. Er wusste um ihre Ecken und Kanten. Schätzte ihre raue, ruppige Art und dass sie lieber mit den Händen in der Erde wühlte, als Nordic Walking im Rentnerverein oder gemeinsames Atmen im Chor zu praktizieren. Trotzdem kam er manchmal an seine Grenzen. Hätte sich ein wenig mehr Zuneigung gewünscht. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
»Wenn du so stark bist, kannst du deine Sachen ja auch selbst holen«, schimpfte er und hievte die zweite Schachtel auf den Tresen. Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand er in der kleinen Küche. Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Tatjana sah ihm mit großen Augen nach.
»Was ist denn mit Oskar los? So kenne ich ihn ja gar nicht.«
»Er wird alt«, urteilte Lenni erbarmungslos. Sie hob den Deckel von der Schachtel. So musste das Schlaraffenland riechen.
»Bist du nicht ein bisschen streng mit ihm?«
»Ach was, das hält er schon aus«, winkte Lenni ab. »Er sagt selbst immer, dass er Frauen mag, die nicht bei jedem Windhauch gleich in Tränen ausbricht.«
»Da ist er bei dir ja genau an der richtigen Stelle.« Tatjana konzentrierte sich wieder auf ihre Liste. »Zwanzig Vanilleschnecken, genausoviele Zimt-Apfeltaschen …«
Widerwillig beugte sich Lenni über den Karton. Zu diesem Thema hätte es noch viel zu sagen gegeben. Aber die Zeit drängte. Allmählich füllte sich auch die Einkaufsmeile der Behnisch-Klinik mit Leben. Klinikmitarbeiter standen schon vor der Tür, um vor der Arbeit Kaffee zu trinken, die besten Backwaren der Stadt zu genießen oder sich mit Proviant für einen langen Arbeitstag einzudecken. Auch erste Patienten fanden sich schon vor den Kiosk ein. Ein bleicher Mann mit Krücken, den fahrbaren Infusionsständer im Schlepptau. Eine junge Frau im Jogginganzug. Der Pferdeschwanz wippte auf ihrem Rücken, als sie ihren Rollstuhl schwungvoll in Position brachte. Besucher und Angehörige, manche mit bedrückten, andere mit zuversichtlichen Gesichtern. All diese Menschen warteten, dass der Kiosk seine Pforten öffnete. Kein Wunder, gab es draußen doch Sitzplätze unter Palmen und drinnen ein reichhaltiges Angebot, das Tatjana im Kolonialwarenhausstil präsentierte. Die Leckereien aus ihrer Bäckerei ›Schöne Aussichten‹ waren allerdings die Hauptattraktion, wie Lenni und Oskar jeden Abend aufs Neue bestätigten konnten. Oft genug musste Titus, der Bäckereigeselle, tagsüber mit Nachschub vorbeikommen. Mit Oskars Lieferung war aber zumindest der Morgen abgedeckt.
»Gut, dann haben wir alles«, stellte Tatjana fest, als sie die Kontrolle beendet, den letzten Haken auf der Liste gesetzt hatte.
Lenni legte das letzte Limonentörtchen in die Vitrine und betrachtete die Auslage mit dem Blick einer zärtlichen Mutter. Der Blick Richtung Uhr – sie hing über der Küchentür, hinter der Oskar verschwunden war – war weniger liebevoll.
»Gleich acht. Wir können aufsperren!«
Auch Tatjana sah hinüber zur Küchentür. Sie war noch immer geschlossen.
»Ist mit Oskar wirklich alles in Ordnung?«
»Mach dir keine Gedanken. Manchmal stellt er sich an wie eine Mimose.«
Tatjana konnte es ihm nicht verdenken. Lenni wollte sie allerdings auch nicht kritisieren. Es musste eine andere Lösung her. Eigentlich lag die Antwort auf der Hand: Eine gemeinsame Mahlzeit. Wenn die Welt wieder einmal verrückt spielte, gab es nichts Besseres, als die Lieben um einen großen Tisch zu versammeln, vollgepackt mit Essen, das jeden glücklich machte. Wie ein alter Freund. Wie ein großer, wuscheliger Hund, mit dem man kuscheln konnte, wenn alles andere zu kompliziert war. Essen, das keine Fragen stellte, auf das man sich in jeder Lebenslage verlassen konnte. Es gelang immer und schmeckte gut.
»Was haltet ihr von einer Einladung heute Abend zum Essen?«, schlug Tatjana vor und hatte auch schon einen Plan zur Hand. Einkaufen konnte sie zwischendurch. Und wenn Danny Fynn von der Krippe abholte, würde sie Zeit haben, ein leckeres Abendessen vorzubereiten. »Ich finde, es wird höchste Zeit, mich wieder einmal für eure großartige Hilfe zu bedanken.«
Die Aussicht war verlockend.
»Aber du hast doch selbst so viel um die Ohren. Wann willst du denn da noch kochen?«
»Das lass mal meine Sorge sein«, winkte Tatjana ab. »Heute Abend um acht?«
»Perfekt!«, tönte Oskars Stimme aus der Küche, ehe Lenni Gelegenheit hatte, überhaupt den Mund zu öffnen. »Wir freuen uns!«
Tatjana hielt den Daumen der rechten Hand hoch. Lenni schien wieder einmal recht zu behalten. Oskar schmollte. Doch bis zum Abend war noch viel Zeit. Und spätestens die gemeinsame Mahlzeit würde Oskars Gesicht wieder zum Strahlen bringen.
*
Noch war es ruhig in der Praxis Dr. Norden. Erst ein Patient hatte sich in die Räume verirrt. Kein Wunder: Die Sprechstunde hatte noch nicht begonnen. Wendy war gerade dabei gewesen, Kaffee zu kochen, als Herr Klinger hereingeschneit war. Sie hatte weder Zeit gehabt, das Radio auszuschalten, noch das gekippte Fenster zu schließen.
»Warum wollen Sie denn eine Überweisung zum Urologen?« Die langjährige Assistentin saß an ihrem Platz in der Praxis Dr. Norden und musterte Karl Klinger. Er stand auf der anderen Seite des Tresens und legte den Kopf schief. »Ich denke nicht, dass der Ihnen bei Ihren Schwindelanfällen helfen kann. Sie brauchen einen Neurologen.«
Die Radiomusik dudelte im Hintergrund. Ein Lastwagen rumpelte vorbei.
»Aber das habe ich doch gesagt.«
»Und warum habe ich dann Urologe verstanden?«
»Was weiß ich? Vielleicht sollte Ihr Herr Doktor mal Ihre Ohren untersuchen.«
»Also, das ist ja wohl die Höhe«, brauste Wendy auf, als