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Stalag XI C 311: Kriegs und Strafgefangenenlager
Stalag XI C 311: Kriegs und Strafgefangenenlager
Stalag XI C 311: Kriegs und Strafgefangenenlager
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Stalag XI C 311: Kriegs und Strafgefangenenlager

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About this ebook

Der schaurige Roman Stalag XI C 311 erzählt die grausamen Erlebnisse eines
Deutschen Soldaten in einem deutschen Krieg und Strafgefangenenlager.

Anfang 1943. Angst Misshandlung Mord und Gewalt sind die Begleiter des Sträflings
Im Getto des Grauens, aus dem es für die Strafgefangenen kein Entfliehen gibt.

Stalag XI C 311 ist ein Stück Zeitgeschichte das allzeit Gegenwärtig ist, nur auf einem anderen Platz, in einer anderen Zeit.

Die dramatische Kriegsgeschichte beruht auf wahrer Begebenheit der Nacherzählung meines Vaters.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateFeb 24, 2022
ISBN9783754186169
Stalag XI C 311: Kriegs und Strafgefangenenlager
Author

Franz Bingenheimer

Vitae Name Franz J. Bingenheimer Geboren am 08.01.1945 in Oppenheim/Rheinland-Pfalz, (D) Biografie Erlernte zwei Berufe, besuchte die Technikerschule in Heidelberg. Danach Anstellung als Fernmelderevisor, Support-Ingenieur und Kaufmann. 1995 begann er zu schreiben. 2000 erschien sein Erster Roman "Keiner gibt uns die Zeit zurück". Fünf weitere Romane folgten. Er lebt heute in Oppenheim am Rhein. Sein Ziel ist es, spannende, lebensnahe, Bücher zu schreiben.

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    Stalag XI C 311 - Franz Bingenheimer

    Franz J. Bingenheimer

    Stalag XI C 311

    Dramatische Lebensgeschichte

    Roman

    Das Bild zeigt mein Vater Josef Altmann.

    Die Handlung des Romans beruht auf wahren

                  Ereignissen. Namen wurden auf Rücksichtnahme

                beteiligter Personen im Roman geändert. Orte wurden

                zum Teil geändert.

                                        Copyright 2023

                                    Franz J. Bingenheimer

                              Alle Rechte liegen beim Autor

                                  Verlag F. J. Bingenheimer

                                  ISBN 978-3-9823676-5-1 

    Der Roman spiegelt, das grausame Geschehen

    in einem deutschen Straf u. Kriegsgefangenenlager im zweiten

    Weltkrieg. Aufgrund erneuter Recherchen zum Zeitgeschehen im 2. Weltkrieg, wurde der Roman Stalag XI C 311, neu aufgelegt.

    Klappentext

    Der schaurige Roman Stalag XI C 311 erzählt die grausamen Erlebnisse eines deutschen Soldaten, in einem deutschen Krieg und Strafgefangenenlager.

    Angst, Misshandlung, Mord und Gewalt sind die Begleiter des Sträflings, im Getto des Grauens, aus dem es für die Strafgefangenen kein Entfliehen gibt.

    Stalag XI C 311 ist ein Stück Zeitgeschichte, das allzeit gegenwärtig ist, nur auf einem anderen Platz, in einer anderen Zeit.

    Die dramatische Kriegsgeschichte beruht auf wahrer Begebenheit, der Nacherzählung meines Vaters.

    Am 17. Mai 1940 gegen 19:00 Uhr begann der planmäßig vorbereitete Sturmangriff auf die vom Feind besetzte Höhe 311, zwischen den kleinen Ortschaften Sally und Villy im Westen Frankreichs. Für mich, den Soldaten Josef Altmann, war es der Tag, der mein Leben veränderte.

    Die qualvolle Angst vor dem Tod saß mir wie bei jedem Angriff der vergangenen Monate fest im Nacken und bestimmte den schrecklichen Augenblick des grausamen Geschehens.

    Angespannt, abwartend auf den Befehl zum Angriff auf die Höhe 311, lag ich mit hunderten Soldaten bereit, im Kampf für das deutsche Vaterland zu sterben.

    Schon am Vortag hatten wir bereits durch lebhaftes Artilleriefeuer nähere Bekanntschaft mit den Franzosen gemacht.

    Langsam gingen wir jetzt beobachtend, was vor uns auf der Höhe 311. geschah in Schützenkette vor. Plötzlich und unerwartet empfing uns rasendes Maschinengewehrfeuer, unterstützt von feindlicher Artillerie von allen Seiten. Sofort gingen wir Schutz suchend in Stellung.

    Uns gegenüber lagen Teile einer algerischen Schützendivision, welche zum größten Teil aus farbigen Soldaten bestand.

    Nach einer Weile der Beobachtung robbten wir uns flach, mit dem Körper am Boden liegend, durch das unwegsame matschige Gelände in Richtung des Feindes.

    Wir hatten Glück, denn nur mit drei Mann Verlust erreichten wir einen kleinen schmalen Waldstreifen, der der Höhe 311 etwa 400 Meter vorgelagert war. Von hier aus starteten wir den Angriff auf die eigentliche Höhe 311, auf der, der Feind in Stellung lag.

    Jetzt war erneut der Augenblick gekommen, wo ich dem Tod mit Gleichgültigkeit ins Auge sah.

    Während wir Soldaten schweigsam, mit großer Anspannung auf den bevorstehenden Sturmangriff in unserer Feldpostenstellung lagen, suchte ich nach dem Sinn des Krieges. In düsteren Gedanken fiel ich in meine schicksalhafte Kindheit zurück. Wie ein Film ging in meinem Geiste, ein Teil meines Lebens noch einmal an mir vorbei.

    Geboren wurde ich am 30. oder 31.12.1915 in Mainz. Meine Mutter starb bei meiner Geburt. Es gab Komplikationen bei der Entbindung, sagte die Hebamme. Woran sie starb, hatte ich nie herausgefunden. In meiner Geburtsurkunde stand der 30. Dezember. Das sollte ein Irrtum sein, meinte meine Tante und ließ die Eintragung trotzdem nicht ändern.

    Elisabeth Bingenheimer, so hieß meine Tante, die mich auch großzog. Denn meinen Vater kannte ich nicht. Er hatte nach meiner Geburt meine Mutter verlassen. So bekam ich den Namen meiner Mutter. Doch dies war nur der Anfang meines schicksalhaften Lebens.

    Denn im Alter von neun Jahren kam ich bei einem Motorradrennen in meiner Heimatstadt Oppenheim am Rhein, bei der Überquerung der Straße, unter die Räder eines Motorrollers. Ich erlitt einen schweren doppelten Schädelbasisbruch und lag vierzehn Tage im Koma. Danach war ich eineinhalb Jahre krank und wurde in der Schule zwei Klassen zurückgestuft. Eine Fingerbreite kann man heute noch in die vordere Stirnseite meiner rechten Schädeldecke legen, so schwerwiegend war der tragische Verkehrsunfall.

    Dieser dramatische Verkehrsunfall veränderte mein weiteres Leben. 

    Die Schule hatte mich aufgrund meiner schlechten Leistungen, die durch meine zweijährige Abwesenheit von der Schule zustande kam, nicht mehr interessiert. Dennoch erlernte ich einen Malerberuf, in einem kleinen Familienunternehmen in der Stadt Oppenheim am Rhein. Erwerbslosigkeit und Gelegenheitsjobs bestimmten mein weiteres Leben, bis ich 1938 zum Arbeitsdienst eingezogen wurde.

    In einem herrlich gelegenen kleinen Ort in der Nähe des Hambacher Schlosses, bei Neustadt an der Weinstraße, wurde ich in einem Familienbetrieb im Weinbau zur Arbeit eingesetzt. Dort lernte ich Katharina kennen, meine erste Frau. Sie bekam ein Kind von mir, dass den Namen Altmann trägt. Doch die Ehe hielt nicht lange an, denn der Alkohol brachte uns nach kurzer Zeit auseinander. Wir verstanden uns nicht mehr. So verließ mich meine Frau mit unserem Jungen nach kurzer Zeit der Ehe.

    Der Krieg begann und ich wurde 1939 direkt vom Arbeitsdienst zur Wehrmacht eingezogen. Nach einer harten militärischen Infanterie-Gefechtsausbildung in einer Einzelkämpfereinheit kam ich in eine Flammwerfer – Abteilung. Danach wurde ich an vorderster Front im Frankreichfeldzug eingesetzt.

    In wenigen Wochen besetzten wir das Land, bis zum Atlantik. Es gab sehr viele Tote. Ich bekam das schreckliche Elend des Krieges hautnah zu spüren. Das eigene Ich kam in den Vordergrund. Es gab nur noch eins. Überleben, egal wie!

    Durch die laute Explosion eines Geschosses der feindlichen Flack wurden ich in meinen Gedanken in die Wirklichkeit zurückgeholt. 

    Das vor uns liegende Gelände war bis zur Höhe 311 ohne jegliche Deckung glatt wie eine Eisfläche und nur mit einer dünnen Grasnarbe bewachsen. Es gab uns wenig Schutz vor einem Abwehrfeuer des Feindes.

    Ja, ich wusste, dass ein solcher Angriff, auf freiem Feld, sehr viele menschliche Opfer forderte. War ich diesmal auch bei den toten Soldaten, die ihre Heimat niemals wiedersahen? dachte ich angespannt und wartend auf das Kommando von Unteroffizier Wiedemann.

    Jetzt hob er die Hand. War es das Zeichen für den Angriff gegen den Tod, überlegte ich kurz. Dann konzentrierte ich mich voll auf meinen Auftrag.

    Die schwere erdrückende Last des gefüllten Kerosinkanisters auf meinem Rücken spürte ich nicht mehr. Doch die Todesangst saß mir fortan fest im Nacken und bestimmte den Augenblick des Geschehens auf dem Schlachtfeld.

    >>Fertig machen zum Sprung! <<, kam der klare Befehl, bei dem es kein Zurück mehr gab.

    Angespannt lag ich mit hunderten jungen deutschen Soldaten bereit, die feindliche Höhe 311 zu stürmen.

    >>Sprung auf Marsch, Marsch! Wir reißen den Bastarden den Arsch auf! <<, rief Unteroffizier Wiedemann lauthals kämpferisch anfeuernd, sprang als erster vom Boden auf und stürmte voraus.

    Kaum waren wir aus der Stellung im Wald herausgesprungen, wurden wir mit einem Kugelhagel von feindlichen Geschossen eingedeckt.

    Auf dem Boden liegend, das Gesicht in die schlammige Erde gepresst, lag ich mit dem schweren Flammenwerfer auf dem Rücken, flach wie ein Hase hinter einem kleinen Erdhügel in Deckung.

    Ein weiterer Angriff war unmöglich. Artillerie und MG-Feuer hielten uns zwingend am Boden.

    >>Wir ziehen uns zurück in den Wald! <<, vernahm ich den lauten Befehl von Unteroffizier Wiedemann.

    Plötzlich hatte das Sperrfeuer etwas nachgelassen. Vereinzeltes gezieltes MG-Feuer hielt uns weiterhin am Boden.

    Langsam, vorsichtig hob ich meinen mit Schlamm verschmutzten Kopf zur Seite, um zu sehen, was geschehen war.

    Was ich sah, drehte mir den Magen um. Links und rechts von mir lagen die Leichen meiner Kameraden auf die übelste Weise zu Tode gerichtet. Klaus Planinger, unser MG-Schütze, lag noch fest mit dem Gesicht auf den Boden gepresst, zwei Meter seitlich auf meiner Höhe.

    >>Auf komm! Wir müssen zurück! Die Versorgung der Verletzten Kameraden übernehmen die Sanitäter! <<, rief ich ihm zu.

    Dann drehte ich mich flach auf dem Boden liegend um, um zurück zukriechen, in die angrenzende Waldlichtung.

    Jetzt erst bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte mit ihm. Vorsichtig, unter vereinzeltem feindlichem Gewehrfeuer robbte ich zu ihm hinüber, um zu sehen, was geschehen war.

    >>Der Sensenmann hat verloren<<, sagte ich wie immer makaber vor mich hin, wenn wir dem Tod von der Schippe sprangen.

    Ja, es war meine Kampfansage gegen den Tod. Unerbittlicher Hass gegen die Unmenschlichkeit lag in den Worten, die den Zustand meiner kranken Seele wiedergaben.

    Doch diesmal war es anders. Langsam drehte ich meinen Kameraden vorsichtig auf den Rücken. Was ich sah, gab mir einen wehmütigen Stich ins Herz. Klaus Planinger hatte es voll erwischt. Wo das linke Auge einmal war, klaffte jetzt ein großes blutiges Fleisch zerfetztes tiefes Loch. Eine gezielte MG-Garbe eines feindlichen Schützen hatte ihn tödlich am Kopf getroffen.

    Plötzlich lag Unteroffizier Wiedemann neben mir.

    Jetzt ging das MG-Feuer wieder heftiger los. Wiedemann knöpfte hastig, mit sorge voller Mine den Kragen der Uniformjacke von Klaus Planinger auf und brach seine Erkennungsmarke ab.

    >>Los auf Josef! Wir müssen hier raus aus dieser verdammten Scheiße! <<, befahl er.

    Dann drückte er unserem verstorbenen Kameraden, das eine noch verbliebene weit aufgerissene Auge langsam zu.

    Nach allen Richtungen beobachtend, noch unter heftigem Beschuss des Feindes, robbten wir nach einem Augenblick des Wartens in die Waldlichtung zurück. Jetzt erst wurde mir bewusst, dass die kleine Erderhebung vor wenigen Minuten mein Leben gerettet hatte. Auch Wiedemann hatte gesehen, dass eine MG-Salve voll vor meinem Kopf ins Erdreich ging.

    Total mit der Psyche am Ende lagen wir jetzt in unseren Ausgangsstellungen und warteten auf erneute Befehle.

    Eines stand fest! Das Massensterben auf der Höhe 311 hatte soeben erst begonnen.

    Mittlerweile war es kurz vor 22:00 Uhr. Leichter nasskalter Regen rieselte hernieder. Sehr viele Soldaten unserer Kompanie waren bei dem Angriff auf offenem Angriffsfeld gefallen, andere verwundet. Die Sanitäter hatten viel zu tun, um die verwundeten Soldaten aus dem immer wieder aufkommenden Feuerhagel zu holen. Nicht immer konnten sie gleich zur Stelle sein. So lag auch neben mir ein Soldat mit einem Schultersteckschuss. Flehend, mit schmerzverzerrtem Gesicht, rief er flehend um Hilfe. Da weit und breit kein Sanitäter zu sehen war, ging ich auf Befehl von Unteroffizier Wiedemann los, um auf dem Verbandsplatz Hilfe zu holen. Kaum war ich seitwärts einhundert Meter in Richtung auf den Verwundeten-Sammelplatz zugegangen, wurde ich ohne jegliche Vorahnung heftig beschossen.

    Sofort ging ich in Deckung hinter einem dicken kräftigen Baum, um das vom Feind besetzte Gelände zu erkunden.

    Jetzt sah ich ihn, den feindlichen Bunker, der nur dreißig Meter entfernt von mir seitlich zu erkennen war. Ich hatte mich in dem unwegsamen Gelände in feindliches Gebiet verlaufen, war mein erster Gedanke. Schnell ging ich zu Boden und bewegte mich seitlich in Richtung der feindlichen Stellung. Dann blieb ich ruhig regungslos eine Viertelstunde lang liegen, um abzuwarten, was um mich geschah. Nichts außer ein paar Granateinschlägen von feindlichem Artilleriefeuer war zu hören. Vorsichtig hob ich den Kopf hoch und beobachtete genau das vor mir liegende Gelände. Durch die starke Lichteinwirkung des Mondes, der direkt über mir am Himmel stand, erkannte ich die große Schießscharte des Bunkers, aus, der eine Mündung eines 10,5-cm-Geschützes, getarnt durch kleine Tannenzweige und verschmutztes Erdreich, herausragte. Wenn ich diese aussichtslose Situation, in die ich hineingeraten war, überleben wollte, musste ich angreifen, dachte ich in Todesangst und entschloss mich für das Unmögliche.

    Mich umschauend ging ich blitzschnell vom Boden hoch und lief schnell mit dem schweren, noch vollen Kerosinkanisters des Flammwerfer auf dem Rücken, von der Seite an den Bunker heran. Dass der Feind mich im toten Sichtwinkel des Kampfstandes nur schwierig ausmachen konnte, war mir bewusst. Jetzt sah ich die zwei Belüftungsluken auf dem mit hohen Sträuchern und Gras bewachsenen, gut getarnten Erdhügel.

    Sie hatten ihren Kampfstand in einen stark ansteigenden Berghang hineingebaut, dachte ich.

    Unbemerkt konnte ich in gebückter Haltung auf die Anhöhe des Bunkers gelangen.

    Wiederum blieb ich stehen und lauschte angespannt in die Nacht. Vorsichtig sah ich jetzt durch die Öffnung, die zur Belüftung des Gefechtsstandes diente, in das Innere des Bunkers.

    Ich erkannte sofort, dass sie die Bunkertüre am Eingang von innen verschlossen hatten. Mehrere Offiziere mit hohem Dienstgrad standen in saubererem Kampfanzug an einem großen Lageplan und diskutierten in französischer Sprache die feindliche Lage. Einige französische Soldaten liefen im Bunker umher. Andere lagen auf ihren notdürftig sebstgebauten Feldbetten und starten apathisch an die Decke. Fünfzehn bis zwanzig französische Soldaten mussten im Inneren des Bunkers sein, schätzte ich flüchtig, während ich meinen Flammwerfer zum Kampf-Einsatz vorbereitete.

    Mir war sofort bewusst, dass sie ihr eigenes Massengrab von innen verschlossen hatten. Ja, sie saßen in der Falle des Todes, aus der es kein Entrinnen gab.

    Nur in wenigen Sekunden spürten sie am eigenen Leib die Macht des Bösen, das immer wieder neue Todesopfer forderte, in diesem grausamen Krieg, der alles Leben zu verschlingen drohte.

    Als ich für Sekunden an meinen Kampfauftrag dachte, den ich mir soeben selbst gegeben hatte, und dass es jetzt so weit war, ihn auszuführen, überkam mich ein Gefühl der Übelkeit.

    Mir lief es eiskalt den Rücken herunter. Doch es gab kein Zurück mehr. Wollte ich selbst am Leben bleiben, musste ich sofort handeln. Jetzt begann, das Inferno des Todes, für das es im Krieg eine Legitimierung gab.

    Denn ich hatte den Eid, meinem Vaterland treu zu dienen bis zum Tode, nach der Grundausbildung bei einem Gelöbnis abgelegt.

    Langsam und vorsichtig, sodass mich niemand im Inneren des feindlichen Bunkers bemerkte schob ich meine Flammwerfer-Lanze von oben in die kleine Luke des Kampfstandes. Dann zog ich den Hebel an der Lanze des Flammenwerfers durch.

    Das Szenario des grausamen Sterbens für die Soldaten im Inneren des Kompaniegefechtsstandes hatte begonnen.

    Zwanzig bis dreißig Meter lange gewaltige Feuerstöße gingen in Millisekunden durch die Luke in das Innere des Bunkers.

    Der grausame Flammentod kam fast lautlos. Kein Schuss fiel. Menschen und Geräte verschmolzen in Millisekunden ineinander. Plötzlich roch es bestialisch nach verbranntem Menschenfleisch. Qualvolle Schreie und schmerzhaftes Wimmern der Opfer, die mich mein ganzes Leben lang verfolgen sollten, bekam ich zu hören. Ein Anblick von erbärmlicher menschlicher Grausamkeit schlug mir durch die Luke entgegen. Die Brutalität des Tötens bekam ich hautnah zu spüren, wie ich sie noch nie im Laufe des Krieges erlebt hatte. Nur wenige Minuten später war alles vorbei. Jegliches menschliche Leben hatte ich im Bunker ausgelöscht. Mein Flammwerfer war restlos ausgebrannt. Geschockt von der Kampfhandlung und dem Blick in die Bunkerluge, kniete ich bewegungslos am Boden.

    Den Kampfauftrag mit totaler Vernichtung des Feindes, den ich mir selbst gegeben hatte, war erfolgreich ausgeführt und durch den Eid für das deutsche Vaterland treu zu dienen, gerechtfertigt.

    Doch in mir war in diesem schrecklichen Augenblick ein Stück heile Seele gestorben, das nie mehr zur Lebensfreude erwachen konnte. Ohne weiter abzuwarten, was geschah, flüchtete ich von der Angst getrieben weg von dem grausamen Tatort, in den nahe liegenden Wald.

    Kaum hatte ich die ersten Bäume am Waldrand erreicht, geriet ich in ein Sperrfeuer mehrerer feindlicher Heckenschützen.

    Ohne dass ich es wollte, stürzte ich in der Dunkelheit über einen Baumstumpf und landete in einer Erdmulde.

    In diesem Augenblick dachte ich daran, dem bevorstehenden Tod nicht mehr entrinnen zu können. Abwartend, was geschah, blieb ich keuchend nach Luft ringend regungslos am Boden liegen. Plötzlich vernahm ich fremdsprachige Laute.

    Sie mussten ganz in meiner Nähe sein, dachte ich, und drehte mich langsam auf die Seite. Nichts war zu sehen. Das Gelände um mich war ohne jegliches Leben.

    So beschloss ich noch etwas abzuwarten und legte mich angespannt lauschend auf jedes Geräusch auf den Rücken.

    Plötzlich sah ich sie durch das fahle Licht des Mondes, hoch oben in den Baumkronen, nicht weit von mir, gut getarnt, mit grünen Zweigen, sitzen. Es waren feindliche Baumschützen, die hier in Massen ihr Unwesen trieben. Ja, was konnte ich tun. Sie hatten mich ausgemacht und warteten nur darauf, dass ich aus meinem Versteck herauskam. Eines war mir klar, ich musste schnellstens meine Stellung wechseln. Aber wie? Meinen Flammwerfer konnte ich nicht mehr zum Einsatz bringen, denn der Kerosintank war leer. Er war jetzt nur noch Ballast. Also legte ich ihn vorsichtig, kaum hörbar, neben mir ab.

    Nur ein Sturmgewehr mit zwanzig Patronen Munition, das war alles, was ich dem Feind gegen einen Angriff zu bieten hatte. Fast hilflos war ich der Meute meiner Verfolger ausgeliefert.

    Angespannt erkundete ich kurz noch einmal die Lage. Dann legte ich meinen Fluchtplan fest.

    Jetzt oder nie, dachte ich, sprang schnell aus meiner Stellung und rannte ziellos durch den fast dunklen Wald.

    Die Dunkelheit, die Sträucher und die Bäume waren zu meinem Vorteil geworden, um dem nahenden Tod, zu entfliehen.

    Die Sekunden der Angst vor dem Tod wurden durch das Feuern vereinzelter Gewehrschüsse verdrängt. Unbeeindruckt von den Kugeln, die ganz in meiner Nähe einschlugen, stürmte ich weiter einem ungewissen Ziel entgegen.

    Da die Breite des Wäldchens nur knapp 100 Meter betrug, wurde ich durch mehrere Schüsse, denen ich nur durchlaufenden Stellungswechsel entkam, von meiner Flucht abgehalten.

    Nach verteidigendem Abwehrfeuer von mir, wurde ich unbewusst von meiner Einheit abgedrängt.

    Wie ein Hase trieben sie mich jetzt in ihrem Gewehrfeuer durch den angrenzenden Wald, auf die vor mir auftauchende Lichtung zu. Ja, sie saßen siegessicher hoch oben, gut getarnt in den Bäumen und warteten auf den zielsicheren Schuss, der mir den Tod bringen sollte. Auch hatten sie zwischenzeitlich bemerkt, dass ich keine Munition mehr besaß. Hilflos der mordsüchtigen feindlichen Meute ausgeliefert rannte ich um mein nacktes Leben.

    Völlig ausgepumpt nach Luft ringend kam ich am Waldrand an. Vor mir befand sich plötzlich ein freies Feld, das noch mit überwachsenen Granattrichtern aus dem Ersten Weltkrieg überzogen war. In einem dieser Erdlöcher suchte ich vorerst Deckung und sprang kurz darauf von Trichter zu Trichter weiter, um so die gefahrvolle Stelle zu umgehen.

    Das Unmögliche war mir gelungen. Ich war den schwarzen Bastarden entkommen, dachte ich.

    Schwer atmend ruhte ich mich, ringend nach Luft, in der Dunkelheit, am Boden liegend, ein wenig aus.

    Mittlerweile war es Mitternacht geworden und der Mond schien spärlich durch die dunkel verhangenen Regenwolken.

    Wie ein übergroßer Trauerflor hing der Schleier des Nebels über dem Schlachtfeld des vergangenen Tages, dachte ich, stand ohne jeglichen Überlebenswillen auf und lief orientierungslos weiter.

    Meine Tränen, die mir über die Wangen liefen, spürte ich nicht mehr. Sollen sie doch kommen und mich endlich töten, damit das Elend, das die Menschheit herbeigeführt hatte, vorbei ist, sagte ich lebensmüde vor mich hin, denn ich wollte den grausamen Krieg nicht mehr ertragen!

    In dem mir jetzt völlig unbekannten Gelände kam ich plötzlich an einen mit grünen Sträuchern und Gras bewachsenen französischen Bunker. Die Bunkertür stand weit offen. Total überrascht von dem, was ich sah, blieb ich wie angewurzelt stehen.

    Langsam in gebückter Haltung, das umliegende Gelände immer im Auge, schlich ich vorsichtig an die Bunkertür heran. Dann horchte ich hinein. Drinnen war es dunkel und totenstill.

    Da die französische Artillerie, die ganz Gegend erneut durch ein Granatfeuer abstreute, lief ich ohne lange zu überlegen in den Bunker hinein. Denn er bot mir in meiner aussichtslosen Lage immerhin gegen das immer stärker wertende Artilleriefeuer sichere Deckung. Schnell schloss ich die Eisentür vom Bunker hinter mir ab und schob die zwei eisernen Riegel vor.

    Das Glück war erneut auf meiner Seite, dachte ich erleichtert und holte ich mir Streichhölzer aus meiner durchnässten Uniformjacke hervor. Nach mehreren Versuchen ein Streichholz anzuzünden, gelang es mir. Auch fand ich gleich eine Kerze, worauf ich mir den ganzen Bunker näher ansehen konnte.

    Sofort erkannte ich, dass der Kampfstand bis vor ein paar Stunden durch den Feind besetzt gewesen sein musste.

    Geöffnete Einmachgläser mit Kirschen, Pflaumen und Birnen standen zahlreich umher. Auch Kekse und Schokolade fand ich in größeren Mengen vor.

    Ein freudiges Schmunzeln zog jetzt über mein vom Schmutz gezeichnetes Gesicht. Selbstverständlich begann ich sofort ohne zu überlegen, nach den Tagen der Entbehrung, in meinen Magen hineinzustopfen, was das Zeug hielt.

    Bei näherer Kontrolle der einzelnen Räume entdeckte ich auch eine Kiste mit 14 Flaschen Rotwein und drei Flaschen Sekt. Meine Freude über die vorgefundenen Lebensmittel war in meiner aussichtslosen Situation natürlich groß. Ich kam mir vor wie im Schlaraffenland. War es die Henkersmahlzeit vor dem Tod, dachte ich für einen Augenblick.

    Jetzt hatte ich nur noch eines im Sinn! Mich mit Alkohol zu betäuben, um all das Schreckliche, das ich in wenigen Stunden erlebte, zu vergessen. Voller Freude suchend in meinen Gedanken nach dem Lebensglück nahm ich gierig eine Flasche Rotwein und trank

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