Der Narzissmus: Wie Du den Umgang mit Narzissten erlernst und Dein Leben nicht von ihnen bestimmen lässt
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Manch einer riskiert für den Kick des Auffallens sogar sein Leben. Hinter all diesen Versuchen, dem Dasein irgendwie eine Bedeutung abzugewinnen, liegt natürlich eine Form von Eitelkeit. Zum Narzissmus ist es dann nicht weit, wobei dennoch klare Grenzen einer korrekten Zuordnung gesetzt werden müssen. Wirklicher Narzissmus hat mit der normalen Eitelkeit nämlich wenig zu tun.
Dieses Buch soll daher zeigen, was Narzissmus ist, wie er sich bei den verschiedenen Geschlechtern zeigt und auswirkt, wann er krankhafte Züge annimmt und wie Menschen mit einem Narzissten umgehen können. Hier soll kein Urteil gefällt werden. Vielmehr ist ein Rundumblick angestrebt, der zeigt, wieso die narzisstische Ader beim Menschen so häufig sichtbar wird und wo die Ursachen liegen.
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Book preview
Der Narzissmus - Fritz Gerlinger
1. Worum es in diesem Buch geht
Der Narzissmus ist zwar von Narziss aus der griechischen Mythologie abgeleitet, hat jedoch heutzutage sowohl eine umgangssprachliche als auch psychologische Bedeutung. Oftmals wird der Begriff im Alltag auf eine sehr selbstbezogene Person angewendet und bewertet so ein egoistisches Verhalten oder die Nichtbeachtung anderer Menschen. Das gilt immer dann, wenn jemand seinen Ich-Anspruch deutlich über die Ansprüche anderer stellt oder wenn jemand sich selbst erheblich überschätzt und kein Bewusstsein für die Wirklichkeit oder die reale Reaktion anderer auf ihn hat. Diese Selbstzentriertheit erfolgt dann dermaßen aufgebläht, dass die positive Selbstreflexion nicht stattfindet. Die Rücksichtnahme auf andere oder ein gutes Einfühlungsvermögen sind dann kaum möglich. Selbst gegen Kritik sind Narzissten immun. Genauso gibt es Menschen, die nur hin und wieder narzisstische Züge zeigen und ansonsten eine durchaus normale Einschätzung ihrer selbst haben.
Über die dann doch eher harmlose Selbstbewunderung hinaus kann Narzissmus allerdings auch eine sehr komplexe Persönlichkeitsstörung sein. Siegmund Freud hat neben Ödipus und dem damit verbundenen Komplex auch auf Narziss aus der griechischen Mythologie zurückgegriffen und beide psychoanalytisch gedeutet und eingeführt. Bei ihm geht es um narzisstische Neurosen, die er von den typischen Übertragungsneurosen differenzieren wollte. Bei Freud gab es einen primären und sekundären Narzissmus, der psychologische Erkrankungen auslösen kann und als eine Art starke Fixierung auftritt, die entweder nach der Kindheit endet oder sich im Erwachsenenalter fortsetzt und dann krankhaft wird. Das beinhaltet z. B. eine starke sexuelle Ausrichtung auf sich selbst mit der gedanklich-emotionalen Herausbildung eines Ich-Ideals.
Während der primäre Narzissmus bald widerlegt werden konnte, darunter von C. G. Jung und Erich Neumann, hat der sekundäre Narzissmus weiterhin einen Anteil an der Symptomerkennung in der Psychoanalyse. Ein auf sich selbst fixiertes Kind kann noch nicht zwischen Objekt und Subjekt unterscheiden und durchlebt die sogenannte magische Phase, in der es sich als Zentrum der Welt betrachtet. Wird diese Phase jedoch nicht überwunden, ist vom sekundären Narzissmus die Rede. Der Erwachsene sieht sich selbst immer noch als Mittelpunkt und bezieht alles, was ihm widerfährt und in seiner Umwelt begegnet, auf sich selbst. Das führt zu einer Selbstüberschätzung, die überhandnimmt und die Empathie für andere Menschen stark begrenzt. Alles, was zählt, ist das eigene Ich. Dafür wird fast über Leichen gegangen.
Narzissmus ist dennoch nicht nur pathologisch negativ zu bewerten, sondern es gibt tatsächlich auch einen gesunden Narzissmus. Ohne Selbstrespekt und eine gewisse Form der Selbstliebe kann sich ein Mensch nicht weiterentwickeln. Nur wer sich selbst liebt, hat überhaupt erst die Möglichkeit, liebevoll auf andere einzugehen. Dagegen werden Menschen, die sich selbst hassen, keine Hilfe sein.
Aus einer Schwäche heraus lässt sich keine Stärke übermitteln, und der Hass auf sich selbst verleitet zu Unsicherheit, Depression und Zerstörungswut. Ist Selbstliebe nicht überhöht und durch mangelnde Empathie gekennzeichnet, bleibt sie in den vielen Schattierungen des narzisstischen Erscheinungsbilds natürlich und wünschenswert.
Gefährlich wird Narzissmus nur dann, wenn die Haltung unbewusst erfolgt und sich durch Starrsinn und Unbelehrbarkeit ausdrückt. Auch wenn es zahlreiche Therapieansätze gibt, ist eine Veränderung oder Heilung bei der narzisstischen Persönlichkeitsstörung kaum möglich. Das liegt schon alleine daran, weil ein Narzisst niemals anerkennen würde, dass er ein Problem hat oder darunter leidet. Er würde viel eher davon ausgehen, dass alle anderen eine Behandlung benötigen und er der einzig Normale in einer verrückten Welt ist.
Wenn er sich auf eine Therapie einlässt, erwartet er natürlich eine bevorzugte Behandlung. All das ist schwierig, da gerade ein Narzisst den Respekt und die Wertschätzung seiner Person wie eine Sucht benötigt und auch bekommen muss. Der Erfolg bleibt dabei zweifelhaft, und Rückfälle sind fast unvermeidlich.
Dieses Buch soll daher zeigen, was Narzissmus ist, wie er sich bei den verschiedenen Geschlechtern zeigt und auswirkt, welche Rolle er in der modernen Gesellschaft spielt, wann er krankhafte Züge annimmt und wie Menschen mit einem Narzissten umgehen können. Untersucht werden der narzisstische Missbrauch und die Eigenschaften von narzisstischen Eltern. Hier soll kein Urteil gefällt oder der Narzisst verdammt und in eine Schublade gesteckt werden. Vielmehr ist ein Rundumblick angestrebt, der zeigt, wieso die narzisstische Ader beim Menschen so häufig sichtbar wird und wo die Ursachen liegen.
2. Der Ursprung des Narzissmus
Narzissmus ist heute ein vielgebrauchter Terminus im Alltag und in der Psychologie und nimmt sich die Selbstliebe des mythischen Jünglings Narziss aus der griechischen Mythologie zum Vorbild. Trotzdem ist der Narzissmus-Begriff nicht eindeutig festgelegt, obwohl er oft im Kontext mit einer bestimmten psychologischen Störung steht, die mit Selbstüberschätzung bzw. Selbstsucht und gleichzeitig mit einem geringen Selbstwertgefühl einhergeht. Hier handelt es sich um die fehlende Trennung zwischen Objekt und Subjekt, die in der magischen Phase des Kindes ganz natürlich ist, mit zunehmender Reife jedoch verloren gehen sollte. Bleibt das Bewusstsein jedoch auf sich selbst ausgerichtet und nimmt sich dabei selbst als Ideal zum Vorbild, verschiebt sich die natürliche Ebene und es kommt zu einer psychologischen Störung und Selbstüberschätzung.
Das magische Bewusstsein des Kindes gehört zur normalen Entwicklung und geht davon aus, dass Worte, Gedanken und Handlungen immer einen Einfluss auf alle Ereignisse haben, die dem Kind widerfahren. Es denkt, es kann bestimmte Sachen hervorrufen oder verhindern, wenn es den Wunsch dazu hat. Alles, was passiert, hängt unmittelbar mit dem eigenen Selbst zusammen. Zwischen Objekt und Subjekt kann das Kind noch nicht unterscheiden. Das ermöglicht die Einbildung von schimmernden Palästen, unsichtbaren Freunden und Monstern unter dem Bett.
Diese Phase verliert sich in der Regel mit dem Heranwachsen. Das Kind versteht entsprechend, dass die Dinge einen eigenen Zusammenhang haben und sein Einfluss darauf nur bedingt existiert. Bleibt das magische Denken jedoch Teil der Psyche, kommt es zu verschiedenen Persönlichkeitsstörungen, nicht nur zu der narzisstischen, sondern auch zu einer psychotischen oder schizophrenen. Ausdruck dafür ist dann, dass die Wahrnehmung auf sich selbst und die Umwelt verschoben ist, so wie sich das Spiegelbild im Wasser verzerrt, als Narziss hineinblickt und dieses erreichen will. Das magische Denken überwiegt das rationale Denken und äußert sich durch Egozentrismus und Selbstbezug. Ein übersteigertes Bedürfnis, geliebt zu werden, ist genauso Teil der Störung wie der Hunger nach Anerkennung.
Das ist jedoch noch nicht alles, was den Narzissmus ausmacht. Abgeleitet aus dem Vorbild der griechischen Mythologie geht es um das unerreichbare Selbst, das unbewusst durch ein Ideal-Ich ersetzt werden soll. Das bringt mit sich, dass diese Liebe zu sich selbst stark überspitzt wird, obwohl sie real gar nicht vorhanden ist und als Empfinden unerreichbar bleibt. Wie der Narzisst seine Selbstüberschätzung lebt, wuchert unter dieser Maskerade ein verlorenes und verletzliches Kind, das nicht erwachsen geworden ist und nach Aufmerksamkeit giert. Diese Sucht wird so groß, dass alle Mittel recht sind, um zu bekommen, was es will. Oftmals geschieht das dann auch auf Kosten anderer.
2.1 Der Mythos Narziss oder das narzisstische Selbst
Die Geschichte von Narziss ist aus den „Metamorphosen" von Ovid als Dichtung und aus den Schriften von Pausanias überliefert. In der griechischen Mythologie ist er der Sohn des Flussgottes Kephissos und der Wassernymphe Leiriope. Er war von unglaublich strahlender Schönheit und hatte daher auch eine starke Anziehungskraft auf andere Menschen. Als seine Mutter den Seher Tiresias über die Zukunft ihres Sohnes befragte, sagte dieser, er könne sehr alt werden, solange er sich nicht selbst erkennt.
Als Narziss heranwuchs, wirkte seine Schönheit sowohl auf Männer als auch auf Frauen. Das beeindruckte ihn jedoch nicht, so dass er keines der ihm entgegengebrachten Gefühle zuließ oder auch nur zurückgab. Das mussten auch Amainias und die Quellnymphe Echo erfahren, die beide darüber zu Tode kamen.
Echos Werben konnte Narziss nicht vernehmen, da sie selbst verflucht und nur in der Lage war, die an sie gerichteten Worte zu wiederholen. Sie machte sich dennoch die Mühe, mit seinen Worten zu jonglieren, bis Narziss sie verstand und ihre Liebe trotzdem zurückwies. Vor Trauer und Liebeskummer löste sie sich auf und hinterließ alleine ihre Stimme als Widerhall. Auch Echo hat psychoanalytische Bedeutung, worauf wir noch eingehen werden.
Amainias wiederum litt so stark an seiner Liebe zu Narziss, dass er das Schwert, das dieser ihm schenkte, zur Selbsttötung nutzte. Bevor er das tat, rief er jedoch noch verzweifelt die Götter an, seinen Tod zu rächen. Diese Bitte wurde ihm durch Nemesis erfüllt, die als Göttin der Rache und des gerechten Zorns bekannt war. Sie strafte bei Missachtung, Hybris und Selbstüberschätzung. So bekam auch Narziss sein Fett weg und wurde mit einer übersteigerten Selbstliebe bestraft. Als er sich zum ersten Mal leidenschaftlich verliebte, handelte es sich ausgerechnet um das eigene Spiegelbild im Wasser.
Schon bei Platon galt die Selbstliebe als eines der größten Übel, so dass die Deutung des Mythos darauf gemünzt ist und den Zweck einer moralischen Erziehung hat, die von der Antike bis in das Spätmittelalter reichte und ihren Ausdruck in Kunst, Epos, Traktat und Lyrik fand. Erst in der Zeit der Aufklärung konnte Narziss auch von der humorvollen Seite gesehen werden und war Teil einiger bekannter Komödien. Der Narzisst erschien darin als eitler Mensch, der meistens auf sich selbst hereinfällt.
Verbunden ist Narziss sowohl mit dem Spiegelbild als auch mit dem Echo. Im Narzissmus ist die Antwort auf den Ruf immer die eigene, und der Spiegel dient nicht der reinen Reflexion, sondern als real aufgefasstes Selbstbild. Das aber, was als Selbstliebe definiert wird, hat mit dem Narzissmus nichts zu tun. Auch in der griechischen Mythologie ist die Selbstliebe eine Bestrafung und nicht ein Zeichen