Herr Fritz oder Der Geiger als Hausmeister: Leselustspiel über einen alternden weißen und heterosexuellen Mann
By Victor Stein
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Herr Fritz oder Der Geiger als Hausmeister - Victor Stein
VICTOR STEIN
HERR FRITZ
ODER
DER GEIGER ALS HAUSMEISTER
LESELUSTSPIEL
ÜBER
EINEN ALTERNDEN WEISSEN UND HETEROSEXUELLEN MANN
Victor Stein
hat Germanistik, Kunstgeschichte und Klassische Archäologie studiert. Seine zahlreichen Veröffentlichungen finden sich in renommierten Print- und Onlinemedien
Mehr von und über Victor Stein: https://musik-theater-buch.de
Herr Fritz oder Der Geiger als Hausmeister. Leselustspiel über einen alternden weißen und heterosexuellen Mann.
ISBN 978-3-754103-32-6
© 2021 Victor Stein
c/o Christine Naumann-Kraak
Lange Straße 4
33790 Halle (Westfalen)
Alle Rechte vorbehalten.
Jede öffentliche Vervielfältigung und Verbreitung dieses Werks oder seiner Teile bedürfen unabhängig von technischem Verfahren und Medium der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Autors. Ebenso Aufführung, Vortrag oder Verfilmung.
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HERR FRITZ
ODER
DER GEIGER ALS HAUSMEISTER
LESELUSTSPIEL
ÜBER
EINEN ALTERNDEN WEISSEN UND HETEROSEXUELLEN MANN
Gewidmet ist das Stück
Klaus Fritz,
dem die Titelfigur in
vielem ähnlich ist,
in manchem kaum.
Dank Dir, Klaus!
PERSONEN
KLAUS FRITZ
INTENDANT
MUSIKDIREKTOR
OBERBÜRGERMEISTER
KULTURDEZERNENTIN
HANS
DER KLARINETTIST/GRETE
Eine mittlere Großstadt im tiefen Westdeutschland zu Beginn der neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts und im ersten Jahrzehnt des einundzwanzigsten
I
1
(Hausmeisterloge. Das Fenster ist zum Verkaufsschalter umgebaut, ein Teil des Raumes ist als Kiosk ausgestattet.)
KLAUS FRITZ: Ich war Konzertmeister des städtischen Symphonieorchesters. Jetzt bin ich Hausmeister. An einer Schule. Schulhausmeister. Haustechniker, wie die amtliche Bezeichnung für diese Tätigkeit heißt, die nach keinerlei zertifizierter Ausbildung verlangt, ein Anlernberuf mithin, dessen Anforderungsprofil weder Meister- noch Gesellenbrief fordert, sondern lediglich handwerkliches Geschick. Wo immer man es auch erworben hat. – In wenigen Wochen gehe ich in den Ruhestand. Dreizehn Jahre werde ich dann Hausmeister gewesen sein. Mit gutem Erfolg und etlicher Freude. Ich werde hier geschätzt und anerkannt. Weil ich im Hausmeisterberuf Beachtliches leiste. Mich vorausschauend, findig und hilfsbereit zeige. Aber auch, weil man hier meine Lebensgeschichte kennt; das eine oder andere Mitglied des Kollegiums mich sogar noch im Orchester erlebt hat. Ich war Konzertmeister. Jetzt bin ich Hausmeister. Schulhausmeister. Wenigstens hat das Wort einigen Klang, einen besseren jedenfalls als >Schulhaustechniker<. (Das Mobiltelefon klingelt. Klaus Fritz spricht in den Apparat.) Ich komme herüber. (Wieder zum Publikum.) Einen Moment bitte, ich bin gleich zurück. (Ab.)
2
(Büro des Oberbürgermeisters.)
OBERBÜRGERMEISTER: (Zum Musikdirektor.) Du meine Güte, Sie sind ein Glücksfall für diese Stadt. Sie holen aus dem städtischen Orchester heraus, was nur möglich ist. Aber nicht nur ich frage mich schon seit einiger Zeit, ob Sie sich auf Dauer mit allenfalls mittelmäßigen Musikern zufriedengeben dürfen. Mein Bester, Sie sind doch heillos unterfordert. Es wundert mich ohnehin, wie lange Sie schon bei uns aushalten. Renommierte Klangkörper warten auf Sie. Nur müssen Sie sich einmal von hier lösen.
MUSIKDIREKTOR: Ich bin gern Chefdirigent in dieser Stadt. Die Musiker geben ihr Bestes. Das Publikum ist begeisterungsfähig. Sicher ist das Orchester klein. Es zählt so wenige Planstellen, dass in den Konzerten und Opernproduktionen jeder einzelne Musiker den Offenbarungseid leistet. Alle müssen völlig auf der Höhe sein. Bei größeren Orchestern ist das anders. Dort bewirkt bereits die schiere Zahl den fülligen Klang. Wenn bei denen einmal jemand nicht ganz in Form ist, schließt das ein akzeptables Resultat nicht aus. Doch gleicht, so wie sich meine Musiker allabendlich ins Zeug legen, das Symphonieorchester unserer Stadt in seinem Ethos und Gemüt einem Kammermusikensemble. Obschon die Bezahlung deutlich unter der größerer Klangkörper rangiert. Die Stadt beschäftigt hochqualifizierte Musiker zu bescheidenem Tarif. Unsere Besucherzahlen beweisen, wie sehr die Kommune davon profitiert.
KULTURDEZERNENTIN: Die Verve, mit der Sie sich für Ihre Leute einsetzen, ist eines. Wo aber, so müssen Politik und Verwaltung fragen, liegt der Mehrwert, den das Orchester für die Stadt erwirtschaftet? Wir sind unseren Nachbarkommunen an Einwohnern und finanzieller Ausstattung unterlegen. Der Ruf der Philharmoniker und Symphoniker, die dem Kulturleben der Städte, mit denen wir zu konkurrieren gezwungen sind, Glanzlichter aufstecken, geht über die Region hinaus; er wurzelt traditionell im städtischen Leben und der medialen Aufmerksamkeit. Seit einem Jahrhundert werden nur knappe drei Dutzend Kilometer von hier Meisterwerke von Reger und Mahler, Opern von Henze und Glass uraufgeführt. Wiederholt wurden die nachbarlichen Philharmoniker von Kritikern auf vorderste Ränge gewählt. Wir können da nicht mithalten. Nicht finanziell, nicht qualitativ. Wir benötigen die Geldmittel, die wir bislang für das städtische Orchester und das Theater aufwandten, um uns in anderer Weise kulturell zu profilieren. Das Schlüsselwort heißt Alleinstellungsmerkmal. Ihre Leute leisten dazu keinen Beitrag.
3
(Hausmeisterloge.)
KLAUS FRITZ: Für die kurze Unterbrechung bitte ich um Nachsicht. Zumal es sich um eine Bagatelle handelte. Die Sache war im Handumdrehen erledigt. Der Abfluss eines Waschbeckens in den Schülertoiletten war undicht. Ich verfüge über einen schier unerschöpflichen Vorrat an Dichtungsringen und anderen Ersatzteilen. Klempnerarbeiten wie diese sind also eine Kleinigkeit für mich. Etwas, das mich richtig hätte tüfteln lassen, wäre mir lieber gewesen. Ich bin erfinderisch. Dabei gänzlich lösungsorientiert. Ich gestehe aufrichtig, meiner Art technische Probleme zu beheben eignet unter dem Gesichtspunkt des zunftmäßigen Handwerkers oft etwas Zweifelhaftes, ja Bedenkliches, Unkonventionelles eben. Das nicht selten leicht improvisiert wirkt. Aber zu meiner eigenen Überraschung sind die Reparaturen, die ich ausführe, oft dauerhafter als die von Hand der Fachleute. Jedenfalls erspare ich dem kommunalen Arbeitgeber stattliche Beträge, während die meisten anderen Hausmeister, sobald nur das geringste Problem auftaucht, Fachbetriebe rufen. Auf Kosten des Steuerzahlers. Ich aber bin froh, wenn ich Gelegenheit erhalte, mich handwerklich und technisch zu bewähren. Die Tüftelei hat für mich etwas von Musik. Wenn ich nach einer überraschenden Lösung für ein Problem handwerklicher oder technischer Ursache fahnde, ist das, als ob ich ein vorgegebenes musikalisches Thema variiere. Soeben spielte ich das Thema defekter Dichtungsring
durch. Wie gesagt, in diesem Fall keine sonderlich anspruchsvolle Aufgabe, aber es gibt glücklicherweise für mich eine Menge Anlässe, die reizvoller sind, um meine Geschicklichkeit zu beweisen.
4
(Büro des Oberbürgermeisters.)
INTENDANT: Sie reden von der Liquidation des Orchesters und meinen Oper, Sprechtheater und Ballett gleich mit. Sie stoßen Schauspieler, Sänger, Musiker, Choristen und Tänzer zur Tür hinaus. Auf die Straße. Zu schweigen von mir und den anderen künstlerischen Vorständen. Für die