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Die Königin von Zypern
Die Königin von Zypern
Die Königin von Zypern
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Die Königin von Zypern

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About this ebook

Luiz Heinrich Mann (1871-1950) war ein deutscher Schriftsteller aus der Familie Mann. Er war der ältere Bruder von Thomas Mann. Ab 1930 war Heinrich Mann Präsident der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste, aus der er 1933 nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ausgeschlossen wurde. Mann, der bis dahin meist in München gelebt hatte, emigrierte zunächst nach Frankreich, dann in die USA. Im Exil verfasste er zahlreiche Arbeiten, darunter viele antifaschistische Texte. Seine Erzählkunst war vom französischen Roman des 19. Jahrhunderts geprägt. Seine Werke hatten oft gesellschaftskritische Intentionen. Die Frühwerke sind oft beißende Satiren auf bürgerliche Scheinmoral. Mann analysierte in den folgenden Werken die autoritären Strukturen des Deutschen Kaiserreichs im Zeitalter des Wilhelminismus. Resultat waren zunächst u. a. die Gesellschaftssatire «Professor Unrat», aber auch drei Romane, die heute als die Kaiserreich-Trilogie bekannt sind. Im Exil verfasste er die Romane «Die Jugend des Königs Henri Quatre» und «Die Vollendung des Königs Henri Quatre». Sein erzählerisches Werk steht neben einer reichen Betätigung als Essayist und Publizist. Er tendierte schon sehr früh zur Demokratie, stellte sich von Beginn dem Ersten Weltkrieg und frühzeitig dem Nationalsozialismus entgegen, dessen Anhänger Manns Werke öffentlich verbrannten.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateNov 2, 2021
ISBN9783754917084
Die Königin von Zypern

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    Die Königin von Zypern - Heinrich Mann

    Die Königin von Zypern

    I

    II

    III

    IV

    V

    I

    »Der erste Schleier ist gefallen!«

    Die Silentiare, die dies riefen, standen bewegungslos in ihren steifen roten Gewändern, die rechte Hand auf dem goldnen Knopf ihres glatten Ebenholzstabes, am Fuß der für die Krönungsfeier errichteten Freitreppe.

    Von Fürsten angelegt, die der Liebe ihrer neuen Untertanen nicht sicher waren, lag der Palast in kastellartiger Kahlheit an der östlichen Seite des ungeheuern Dreiecks, das der Platz bildete. Der nackte Marmor glänzte im harten Licht so grell, daß dem Auge nur wie ein bunter Streif verschwimmender Farben die Galerie erschien, die allein mit ihren Mosaikbögen und gedrungenen Säulen den oberen Teil der Mauer durchbrach. Darunter, in halber Höhe der Front, verbarg sich die große königliche Loggia. Die dicke Silberstickerei eines Vorhangs fiel über sie herab und legte sich auf die höchsten Stufen der improvisierten Porphyrtreppe.

    Schon am Abend würde man diese Treppe wieder abbrechen, und die Königswohnung würde wieder keinen andern Zulaß gewähren als hinter dem Säulengange, der vom nördlichen Schenkel des dreieckigen Platzes in die Stadt führte, jenes kunstvolle Bronzetor, das die Höfe des Schlosses bewachte. Gegenüber war der südlichen Spitze des Dreiecks ein Qual vorgelagert, ähnlich der Piazzetta zu Venedig. Der kleine Hafen wurde links von der Terrasse des Palastes begrenzt, die inmitten der leuchtenden Blütenfarben unzugänglicher Gärten steil abfiel und über die zyklopische Mauer mit ihren beiden runden Türmen auf das Meer hinaussah; rechts von der großen Kirche des Archistrategen Michael.

    Die Front der Kirche, von fünf mit vergoldeter Bronze bedeckten Kuppeln überragt, war mit abwechselnden Schichten roten und gelben Marmors verkleidet, und überall, an den Fensterbögen und in der tiefen Höhlung des Portals, an dem dreibälkigen Frontispiz des niedrigen Vorbaus und an den vier Schneckensäulen, die ihn trugen, prunkte das Gold und Blau und das scheinende Rot der Glasmosaiken. Zwischen Palast und Kirche, zwischen den wogenden Häuptern des Volkes und den mit bunten bestickten Teppichen behängten Tribünen der Bevorzugten hindurch, leuchtete drüben das Goldblau des Meeres. Saphirklar war der Himmel, in den die Wimpel der Schiffe hineinflatterten.

    Dem hallenden Ruf der Silentiare war sekundenlange Stille gefolgt. Statt des vorigen Lärmens und Geschreis ging nur ein Raunen wie ein gleichmäßiger Lufthauch über den Platz, das die Kunde verbreitete: Der erste der sieben Schleier ist gefallen von dem Mysterium der Königin, auf die sich der Geist senkt, deren Haupt ein Tropfen Öl vom Himmel netzt und die in dieser Stunde zur heiligen Herrin wird.

    Im nächsten Augenblick wurden alle, so viele Tausende ihrer da waren, von einer schrillen Stimme ergriffen. Woher kam sie? Man drängte sich um einen schmächtigen Mann in zerlumpter Kutte. Unter seiner kahlen Stirn sprang eine große Adlernase vor. Die tiefumschatteten Augen waren fest geschlossen. Er hielt die Arme steif vorgestreckt, und sein kleiner bleicher Kopf wiegte sich leise hin und her. Bald hatten alle erfahren, daß es ein Heiliger sei, und seine in der Verzückung geschrienen Worte gingen von Mund zu Mund:

    »Ich sehe die Allerheiligste, und die Königin sitzt ihr zur Seite, nur eine Stufe niedriger als die Jungfrau. Drei Finger von der rechten Hand der himmlischen Maria ruhen auf dem Haupte der irdischen, und die Lippen der Gottesmutter verheißen Ruhm und Glück. O das Sternenkleid des Engels, der den Saum der Königin küßt!«

    Ein beleibter Kaufmann, der in Italien mit gewirkten Stoffen und mit Gewürzen gehandelt hatte und die Kleidung des Westens, ein kurzes Wams, pelzverbrämte Ärmel und eine rote Kappe, trug, unterrichtete seinen Nachbar, einen langbärtigen Orientalen in schwarzseidenem Gewand und spitzer Mütze:

    »Der Mann ist einer von jenen verehrungswürdigen Hesychazonten, die durch dauernde Übung zu einem Zustande gelangen, in dem nichts Irdisches oder Weltliches mehr sie zu stören vermag. Ja, sie bringen es endlich bis zum geistigen Schauen des göttlichen Lichtes.«

    »Und woher kommt der Mann?« fragte der Asiate.

    Der Kaufmann erklärte:

    »Er bewohnt eine Höhle auf Trachias, dem Olymp von Zypern. Vielleicht ist er ein Schüler und Nachfahre jener dreihundert fränkischen Heiligen, lauter Edelleute und Barone aus Flamland, Frankreich und Deutschland, die einstmals, da sie das Heilige Land mit ihren Herren nicht wiederzugewinnen vermochten, sich von Syrien her in mehrere Dörfer dieser Insel zurückzogen, um hier ein einsames und überaus heiliges Leben zu führen. Ihr Andenken ist unter uns gesegnet.«

    Ein alter Mann in griechischer Tunik und mit rotwollener phrygischer Mütze, der die letzten Worte gehört hatte, trat herzu und sagte mürrisch:

    »Gott verhüte, daß ich seine Heiligen lästere. Aber nicht alle sehen, wie jener Verzückte, nur Gutes voraus für die Königin Maria, die der Himmel segnen möge. Die Tochter meiner Nachbarin, ein zartes und reines Mädchen …«

    Der Alte wandte sich um, da er eine warnende Hand auf seiner Schulter fühlte. Ein Gepanzerter, der hinter ihm stand, sagte:

    »Hüte dich, Alter, gefährliche Prophezeiungen zu wiederholen! Du weißt wohl nicht, daß erst kürzlich der große Kaiser Michael in Konstantinopel einen Menschen blenden ließ, der sich vermaß, ihm den Ort seines Todes vorherzusagen. Wer bist denn du, um jenem nachzuahmen?«

    »Unsere Königin ist gnädig«, murmelte der alte Mann scheu und verdrossen. Mit einem Blick auf den großen roten Bart des Kriegsmannes setzte er hinzu:

    »Ich bin Skleros, ein ehrlicher Fischer, und habe nie etwas gestohlen.«

    »Das gehört dem Franken!« flüsterten ein paar Weiber unter den Umstehenden, und hämische Blicke trafen den fremden Söldner der fremden Usurpatoren. Einige junge Leute, die ferner standen, begannen zu rufen:

    »Tod den räuberischen Franken! Gott wird sie schlagen.«

    Der Rotbärtige zuckte die Achseln und ging, in seiner Rüstung klirrend, langsam weiter durch die zurückweichende Menge.

    Der beginnende Tumult wurde jäh gebändigt durch die dröhnenden Stimmen der Herolde:

    »Der zweite Schleier ist gefallen!«

    · · ·

    »Wie lange mögen wir nach Eurer Exzellenz Erachten das Erscheinen der Königin noch zu erwarten haben?« fragte der kastilianische Gesandte Don Ruy Gonzalez de Clavijo.

    Messer Marco Contarini, Proveditor der Republik Venedig, entgegnete:

    »Zwei Stunden lang mindestens, falls nicht die leider verspätete Ankunft des Legaten Seiner Heiligkeit Eure Exzellenz nötigen wird, noch länger den geschlossenen Vorhang zu betrachten.«

    Die den Abgesandten der fremden Fürsten vorbehaltene große Tribüne befand sich der königlichen Loggia schräg gegenüber, nahe der Piazzetta.

    Don Ruy fragte wieder:

    »Und Eure Exzellenz glaubt, daß die außerordentliche Gesandtschaft des Kardinals von Todi wirklich dem Zwecke gilt, wovon man flüstert?«

    »Es ist ja nicht unmöglich«, sagte leichthin der Venetianer. »Aber andererseits wird Eure Exzellenz es mit mir für höchst unwahrscheinlich halten, daß Karl von Apulien je die Absicht gehegt haben sollte, das mächtige Byzantinische Reich – denn es ist heute stärker als je …«

    »Nur die gewaltige Kraft des Kaisers Michael hält die Fetzen zusammen, an denen die ungläubigen Gottesfeinde zerren«, wendete der Kastilianer mit harter Betonung ein.

    »Dennoch«, fuhr Messer Marco fort, »wird Eure Exzellenz dem König Karl nicht zutrauen, daß er mit abenteuerlicher Kühnheit und ohne Bundesgenossen einen Handstreich auf Konstantinopel versuche.«

    »Ohne Bundesgenossen?« sagte ganz langsam Don Ruy, während er seinen Nachbar von der Seite prüfend betrachtete.

    Der Venetianer sah mit hellen wimperlosen Augen gleichmütig auf die Menge hinab. Seine spärlichen Haare fielen, unter der roten knapp anliegenden Haube hervor, glatt in die enge gewölbte Stirn. Seine große Nase war ebenso fleischig wie der Mund schmal und faltig. Er hatte knochige Wangen und ein hartes, nach unten umgebogenes Kinn. In dem weiten schwarzen Mantel stand die hagere Gestalt Messer Marcos ruhig und unbekümmert, wie zum Spähen ein wenig über die Balustrade gebeugt. Die Zwischenbemerkung des andern überhörte er und versetzte nach einem Augenblick des Sinnens mit zuversichtlicher Stimme:

    »Wie es im übrigen um jenen übermütigen Jüngling stehen mag, so weiß ich doch, daß unser Herr, der Papst, eine überflüssige Arbeit verrichtet, indem er den Eroberer abzuschrecken und seinen künftigen Bundesgenossen, den griechischen Kaiser, zu verpflichten sucht. Denn sollte der Apulier auch nur mit der Ausrüstung seiner Schiffe fertig werden, so werden doch die Hilferufe Michaels an die christlichen Fürsten und besonders an den römischen Kaiser nicht verhallen. Cäsar wird ebenso bereit zur Unterstützung des Bruderreiches sein wie die Durchlauchtigste Republik von Venedig es immer gewesen ist. – Aber betrachte Eure Exzellenz«, so unterbrach sich der Redende, »doch dort den Abgesandten Seiner Majestät von Frankreich. Dieser graubärtige Troubadour wird immer derselbe bleiben!«

    Don Ruy wandte sich nach der bezeichneten Seite und sagte:

    »Der Konnetabel drückt eine Rose an die Lippen und macht Zeichen nach der Tribüne, drüben vor den Kolonnaden und nicht weit vom bronzenen Tor.«

    »Seine ewigen galanten Intrigen lassen ihn unempfindlich für alle Sorgen, die uns beunruhigen. Der Glückliche!« bemerkte der Venetianer.

    Gleich darauf sahen die beiden Gesandten den Konnetabel von Frankreich die Tribüne verlassen: Nachdem er seinem zahlreichen Gefolge zugewinkt hatte, ihn nicht zu begleiten, schritt er lebhaft, den linken Arm auf der Hüfte, über die Lavaquadern des Platzes. Bald hatte er sich in der Menge verloren. Eben ertönte der Heroldsruf:

    »Der dritte Schleier ist gefallen!«

    · · ·

    Während die hierdurch in den Volksmassen bewirkte Stille noch anhielt, erscholl im Rücken der beiden Gesandten eine dröhnende Stimme. Sie gingen sogleich dem fröhlichen gelbbärtigen Riesen entgegen, der, aus einer waffenklirrenden Umgebung hervor, auf sie zukam.

    »Ich grüße Eure Exzellenzen«, rief der Deutsche, »und wünsche, daß Ihr gerade so zufrieden sein mögt wie ich mit dem Aufenthalt an diesem angenehmen Orte, wohin mich die Gnade römischer Majestät gesandt hat. Welch ein Wein ist das, den sie uns hier zu trinken geben!«

    Der Venetianer lächelte verbindlich und erwiderte:

    »Ebensowohl wie auf den Wein aber versteht sich Eure Exzellenz sichtlich auch auf die gewirkten, bilderreichen Stoffe. Nach so kürzlicher Ankunft tragt Ihr bereits einen so köstlichen, wie man ihn nur auf Zypern und kaum in Byzanz herzustellen vermag.«

    Mit einem Ruck seiner gewaltigen Schultern suchte der Gesandte des Kaisers des Westens der steifen, mit gewirktem Gold völlig bedeckten Seide des Mantels, den er über seiner Rüstung trug, einen gefälligen Faltenwurf zu geben. Er bemerkte lachend:

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