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Belarus (2004)
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Ebook228 pages3 hours

Belarus (2004)

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About this ebook

Michael Becker ist mit Nierenkoliken von einer Reise nach Weißrussland zurückgekehrt. Eine langjährige Beziehung ist zerbrochen, eine weitere gescheitert. Bei der Auflösung der Elternwohnung findet er rätselhafte Aufzeichnungen seines Vaters, die um dessen Kriegserlebnisse zu kreisen scheinen. Gibt es da ein Familiengeheimnis? Michael begibt sich auf Spurensuche...
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateApr 12, 2021
ISBN9783753184753
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    Belarus (2004) - Johannes W. Schottmann

    1 - Helgas Frage

    Na, bist du Walter auf die Schliche gekommen?

    Ihre Frage.

    Irgendwann muss ich ja mal anfangen. Auch wenn ich merke, wie träge mein Kopf ist. Wie schwer es mir fällt, ein zwei Sätze hintereinander weg zu schreiben. Sollte man nicht für möglich halten, so viel wie ich schon geschrieben habe. Vielleicht geht es mit mir bergab, auch wenn ich das nicht wahrhaben mag. Noch vor kurzem hatte ich kein Problem damit, mal eben über Nacht einen Artikel abzuliefern - das ging im Handumdrehen (oder wie sagte Klaus immer: wie das Mäusemelken?).

    Womit anfangen?

    Ihre Frage, nachdem sie voller Erwartung ins Zimmer gekommen war. Damit überraschte sie mich. Warum? Die Frage war naheliegend. Sogar selbstverständlich. Wir sahen uns zum ersten Mal nach meiner Rückkehr. Und die Reise hatte ich wegen Walter angetreten.

    Eben erschien mir das wie eine Entdeckung.

    Es geht anscheinend nicht weiter. Offenbar warte ich, kaum dass ich begonnen habe, nur darauf, dass mein Zimmernachbar zurückkommt. Dann wäre eh Schluss. Der würde mir keine Ruhe lassen. Noch steht er da draußen und quatscht mit den anderen Rauchern.

    Ich weiß, ich weiß. Helga gegenüber bin ich ungerecht. Da hat sie den weiten Weg von Hamburg hierher gemacht, und ich …

    Alles OK? Da kommt dieser Fettkloß Egon schnaubend herein. Na, jetzt haste wieder was zu schreiben. Er grinst, und ich kann mir denken, dass er, obwohl er Helga nur im Vorbeigehen gesehen hat, die Anspannung erfasst hat. Feixe zurück: Wolln mal sehen, was für eine Miene deine Freundin macht, wenn sie dich hier besucht. Hab keine Freundin, wehrt er ab. Wenigstens muss ich nicht hinterher zwanzig Seiten schreiben, murmelt er und lässt sich aufs Bett fallen. Jetz‘n Bierchen, das wär’s. Scheiß-Krankenhaus. Er setzt sich Kopfhörer auf und glotzt nach oben in den Fernseher, der an der gegenüber liegenden Wand aufgehängt ist. Ich bemühe mich, nicht hinzuschauen.

    Obwohl – die richtige Ruhe werde ich hier nicht finden.

    Sicherlich war Helga enttäuscht, als sie ging. Es ist unglücklich gelaufen, das muss ich zugestehen. Ich hätte sie nicht anrufen dürfen, als es mir dreckig ging. Auf keinen Fall. Da hat sie gedacht, es könnte vielleicht doch noch was werden. Natürlich hat sie vorhin nichts davon gesagt. Sie sagt nie was. Aber ich kenne sie – so wie sie auch mich durchschaut.

    Obwohl – nicht alles hat sie vorhergesehen. Dass ich so lange in der Provinz aushalten würde, hätte sie nicht gedacht (ich allerdings auch nicht). Aber - wie ich am Donnerstag schmerzlich erfahren musste - ich bin ihr wohl noch nicht entkommen.

    2 - Reisebeginn

    Egon schnarcht, doch das kann mich nicht wach gemacht haben. Ich kann nur hoffen, dass ihn die Tippgeräusche nicht wecken, denn sonst würde er mit seinem Gelaber anfangen und meine Gedanken verscheuchen.

    Dass ich jetzt im Krankenhaus liege, ist wahrlich eine Fügung. Helga war trotz allem so nett, mir den Computer aus der Wohnung zu holen, so dass ich nicht mehr mit der Hand schreiben muss.

    Angenehm war es mir nicht, sie noch einmal in Beschlag zu nehmen, aber wen hätte ich sonst fragen sollen. Natürlich habe ich geahnt, mit welchen Hoffnungen sie gekommen war. Aber was soll ich machen. Es geht nicht - ich muss dicht machen, sonst würde ich sie nur noch mehr enttäuschen.

    Immerhin habe ich mich bremsen können und ihr kein Wort über meine Bekanntschaften gesagt. Sie hätte sofort eingehakt und mich ausgequetscht. Wie es ihre Art ist. Obwohl - mir ist schon klar, dass sie eine andere Frau vermutet. Wenn es so einfach wäre.

    Jedenfalls soll sie ihre Finger da raus halten. Punkt.

    Meine große Schwierigkeit ist, dass ich nicht weiß, ob ich über etwas Reales schreibe oder nur über meine Wünsche, meine Fantasien. Darf ich mich in diese Träume versenken? Schaffe ich so nicht noch mehr Fantasiewelt und werde am Ende nicht mehr unterscheiden können, was real ist und was nicht?

    Was ist real, was ist wirklich?

    Unbestreitbar, also real, ist, dass gleich vom ersten Augenblick an, als ich sie erblickte, eine Wirkung auf mich da war. (Was ich hiermit zugeben und bezeugen möchte.)

    Während der langen Anreise hatte ich mich mit vielen aus unserer Gruppe unterhalten. Einige hatte ich schon beim Vorbereitungstreffen kennen gelernt, aber da war die Zeit knapp gewesen. Jetzt hatten wir vierundzwanzig Stunden im Zug. Die lange Strecke quer durch Polen.

    Ein Ehepaar, das schon in Kanada und Argentinien, in China und Indien und sonstwo gewesen war. Jetzt wollten sie mal was Besonderes, was ganz Ausgefallenes: Belarus, ein Land, von dem man praktisch nichts hört und so gut wie nichts weiß.

    Eine etwas verhärmte Frau um die vierzig, die der Herkunft ihres Vaters nachgehen wollte. Der war während des Krieges als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt worden und nach dem Krieg geblieben. Hatte geheiratet. Obwohl er behauptete, aus dem östlichen Polen zu stammen, glaubte seine Familie ihm das nicht so recht. Dann - nach seinem Tod - hätten sie aber Unterlagen gefunden, wonach das offenbar doch stimmte. Sie wollte nun dieses Dorf, aus dem er stamme und das heute zu Weißrussland gehöre, aufsuchen. Anders als über eine Gruppenreise kann man nicht dorthin gelangen. Was sie wirklich suchte, ist mir die ganze Fahrt über nicht klar geworden.

    Noch ein Ehepaar. Die Frau war auf der Suche nach dem Grab ihres Vaters. Eine Reise in eine untergegangene, unwirklich gewordene Vergangenheit.

    Ein anderer, Frührentner, fragte nach meinen Motiven. Ich blieb vage. Schilderte nur, wie ich auf der Wehrmachtsausstellung den Flyer gefunden hatte. Die Stätten, an denen sich der deutsche Wahnsinn ausgetobt hatte, wollte ich mir ansehen. Aber das kam wohl zu wuchtig. Schweigen.

    Wir standen auf dem Gang. Der Zug ratterte. Die Landschaft flog vorüber.

    Man aß mitgebrachte Brote, Brötchen, Äpfelchen, Möhrchen.

    Es wurde Nachmittag. Es wurde Abend. Es wurde Nacht. Die Abteile wurden umgerüstet, Schlafkojen eingerichtet. Einige legten sich hin, andere nicht. Ich blieb auf dem Gang. Als die Spurbreite gewechselt wurde, kamen die meisten wieder raus um zuzuschauen.

    Die ganze Zeit, die ganze lange Fahrt über, hatte ich sie nicht gesehen. Eigenartig. Ich wusste nichts von ihr.

    Weit nach Mitternacht kamen wir an. Ein verlassener Bahnsteig, dürftig beleuchtet. Nur unsere Gruppe verließ den Zug. Man sammelte unsere Pässe ein und führte uns über Treppen und durch Gänge - wie früher, wie vor der Grenzöffnung, wenn man von West- nach Ost-Berlin wollte. Mit einem Mal fühlten wir alle so etwas wie Beklommenheit. Unser westliches Freiheitsgefühl hatten wir bis hierhin unversehrt mitnehmen können - so wie man manchmal im geschlossenen Auto eine Fliege an einen fernen Ort verschleppt. Und jetzt standen wir in einer mächtigen Bahnhofshalle, die von einer hohen dünnen Wand durchschnitten wurde. Ein Gebäude, das aus einer anderen, einer prächtigen Epoche stammte, eine Epoche, die sich in dem weit oben hängenden, weit ausladenden Kronleuchter immer noch manifestierte. Wir dagegen leben längst in einer Zeit, in der man ohne ästhetische Rücksichten alte Strahler austauscht gegen matte Energiesparleuchten.

    Wir standen jetzt vor der brutal-schlichten Trennwand, die die Bahnhofshalle teilte. Aus dem Teil, der uns versperrt war, drangen undefinierbare Stimmen herüber. Wir hatten zu warten.

    Es hatte sich ein Kreis gebildet, in dem darüber spekuliert wurde, was jetzt auf uns zukommen würde. Da stand sie: in der Mitte. Bestrahlt vom Licht, das vom Gründerzeit-Kronleuchter herunter perlte. Gehörte sie zu unserer Gruppe?! Andere gab es hier nicht. Die Umstehenden unterhielten sich mit ihr, kannten sie also.

    Ich glaube, ich kriegte den Mund nicht wieder zu. Darauf war ich nicht gefasst.

    Ab diesem Moment wirkte eine nicht vorhergesehene Kraft auf die klare Richtung ein, die meine Erkundungsreise eigentlich hatte nehmen sollen.

    Egon hustet. Raucherhusten. Er richtet sich auf. Was schreibst du denn da? Liebesbriefe?

    Idiot.

    3 - Krankenbesuch

    Helga hat ihren Polo rückwärts eingeparkt, hat den Motor abgestellt - und ist im Auto sitzen geblieben.

    Sie schaut über den Parkplatz hinweg zu dem Backsteingebäude des Krankenhauses.

    Michael im Krankenhaus. Gleich werden sie sich sehen. Wann war das zuletzt?

    Als es ihr einfällt, wäre sie am liebsten sofort wieder nach Hause gefahren. Sein verzweifelter Anruf vor zwei Tagen - nur den hatte sie im Kopf gehabt. Wie hätte sie ihm von Hamburg aus helfen sollen? Und als sie gehört hat, dass er im Krankenhaus liegt, ist es für sie selbstverständlich gewesen, ihn hier zu besuchen.

    Jemand hupt, aber es gilt nicht ihr. Eine kinderreiche Familie, vermutlich Türken, steigt - einer nach dem anderen - aus einem Kleinbus aus. Offenbar versperren sie irgendjemandem die Ausfahrt.

    Helga ist schon dabei, die Wagentür zu öffnen, als ihr auffällt, dass die Fenster noch heruntergekurbelt sind. Also noch einmal den Motor starten und die Fenster schließen. Und wieder ist sie fast ausgestiegen, als ihr der Gedanke kommt, dass es in der prallen Sonne sicher besser ist, die Fenster wenigstens einen Spaltbreit offen zu lassen.

    Schon beginnt sie, sich zu ärgern. -

    Endlich ist alles erledigt - sie hat das Auto abgeschlossen und sich in den gemächlichen Strom von Besuchern eingereiht, der auf das Eingangsportal zusteuert. Sie bemerkt, dass die Leute um sie herum Geschenke, meist Blumensträuße dabei haben, und entschließt sich, noch einmal kehrt zu machen. Bevor sie losgefahren ist, hat sie lange hin und her überlegt und sich schließlich gegen einen Blumenstrauß entschieden. Stattdessen hat ein kleines Büchlein mitgebracht, von dem sie hofft, dass es ihm gefallen wird. Obwohl - sie haben sich seit längerem nicht gesehen, haben nur einige Male telefoniert. Michael könnte sich - erst recht nach seiner großen Reise - verändert haben. Diese zurückliegenden Monate waren bestimmt auch für ihn ein großer Einschnitt.

    Sie ist wieder am Auto angelangt und öffnet die Beifahrertür. Gerade, als sie das geschenkmäßig verpackte Buch in die Hand nehmen will, erstarrt sie. Auf einmal ist ihr klar: sie wird das Büchlein nicht mitnehmen - sie wird sich im Krankenhaus nach einer Alternative umsehen. Normalerweise müsste es dort wenigstens einen Blumenladen geben. -

    Schließlich betritt sie die Eingangshalle und entdeckt sogleich einen Kiosk. Dort ersteht sie ohne zu zögern, einen Kasten Pralinen für fünfzehn Euro. Zwar könnte auch der etwas kitschig oder bieder wirken, aber das ist jetzt zweitrangig.

    Sie schreitet auf die Information zu und lässt sich Michaels Zimmer nennen. -

    Als sie das Krankenzimmer betritt, schallen ihr unerwartete Lachgeräusche entgegen. Die Stimmen kommen aus einem Fernseher, der gegenüber den beiden Betten an der Wand hängt. Michael sitzt mit dem Rücken zu ihr auf dem hinteren Bett und scheint aus dem Fenster hinaus zu schauen. Auf dem vorderen Bett fläzt sich ein dicker, mittelalter Mann im Trainingsanzug und starrt begeistert in den Fernseher, wo offenbar eine Comedy-Sendung zum Mitlachen läuft.

    Jetzt dreht Michael sich um und entdeckt sie. Er winkt sie heran und ruft seinem Zimmernachbarn zu, er solle sich Kopfhörer aufsetzen. Der schaltet daraufhin - mit einem breiten Grinsen im Gesicht - das Fernsehgerät aus, wälzt sich vom Bett und brummelt, eine rauchen zu gehen.

    Michael versucht sich aufzurichten, wobei er die linke Hand in die Hüfte gestützt hält. Offenbar will er einen Stuhl heranziehen. Sie kommt ihm zuvor und setzt sich ans Fußende von Michaels Bett vor das Fenster. Er entschuldigt sich noch einmal für seinen Anruf von vor zwei Tagen. Und wie bereits am Telefon erwidert sie, dass er sich nicht entschuldigen müsse - es sei für sie von Hamburg aus nur schwierig gewesen, Hilfe zu organisieren. Michael nickt,

    Wie es komme, fragt sie, dass er jetzt im Krankenhaus liege.

    Nierensteine, erwidert er. Offenbar will er sich dazu nicht näher äußern. Er fragt, wie es ihr gehe.

    Ihr gehe es gut, sagt sie ebenfalls betont knapp. Wie seine große Reise verlaufen sei. Ob er denn etwas heraus bekommen habe, das ihm in Bezug auf seinen Vater weiter helfen würde.

    Michael zögert mit einer Antwort. So direkt sei das auch nicht zu erwarten gewesen, meint er schließlich und beginnt, sich über das unbekannte osteuropäische Land namens Belarus auszulassen, das von den deutschen Besatzern auch Weißruthenien genannt worden sei, und das mehr als jedes andere unter den Zerstörungen des Krieges gelitten habe. Er redet über dessen kurze und schwierige Geschichte, über die Zerrissenheit, über den Stillstand im Lande.

    Helga sieht sich um und registriert, dass auf dem Beistellschränkchen neben dem Bett nur eine Flasche Wasser, ein Glas und ein Schälchen mit einigen weißen Pillen stehen. Keine Blumen oder Geschenke. Auch nicht auf den Fensterbänken.

    Michael erzählt von interessanten Treffen mit ehemaligen Zwangsarbeiterinnen. Die würden sogar heute noch scheel angesehen, weil sie es im Krieg bei den Deutschen besser gehabt hätten. Von den vielen Gedenkstätten im ganzen Land, die immer noch von der Bevölkerung gepflegt würden, zeigt er sich beeindruckt.

    Als er in seinem Reisebericht für einen Moment inne hält, fragt Helga, ob sie ihm noch etwas Gutes tun könne. Und tatsächlich braucht Michael nicht zu überlegen: Ob sie es vielleicht auf sich nehmen und ihm aus der Wohnung seiner Mutter den Computer holen könne? Sie ist dazu sofort bereit, und als er wieder versucht, sich für sein Ansinnen zu entschuldigen, winkt sie energisch ab: Das sei doch selbstverständlich - schließlich könne er in seinem Zustand ja nicht selbst losmarschieren.

    Sie erhebt sich. Ob sie ihm noch etwas anderes aus der Wohnung mitbringen solle?

    Er schüttelt den Kopf und reicht ihr die Schlüssel.

    Dann bis gleich.

    4 -Notiz Walters zu seiner Verwundung

    19.9.69

    Ob das gut ist, weiß ich nicht. In ein paar Wochen werde ich meine Schwester besuchen, es wird mir auf jeden Fall gut tun, mit ihr zu reden. Man hätte es sich ja vorher nicht träumen lassen, aber tatsächlich habe ich doch eine Menge Sachen zusammengeschrieben und trotzdem wäre noch unendlich viel zu erzählen. Interessieren wird es nur keinen. Wilma hat sich daran gewöhnt, dass ich sie allein vor dem Fernseher sitzen lasse (wenn sie nicht mit ihrem Klatschtanten zusammen ist). Und ich ziehe mich in mein Arbeitszimmer zurück.

    Wenn ich mir ansehe, was ich alles zusammengeschrieben habe, dann fällt mir auf, wie manche Dinge, die eigentlich viel wichtiger wären, nicht vorkommen. Man denke nur mal an meine Verwundung, eigentlich waren es zwei. Die Narben sind noch da und tun ab und zu immer noch weh und am Bauch fehlt ein ganzes Stück Fleisch. Aber darüber mache ich mir am wenigsten Gedanken.

    Ganz stimmt das nicht. Denn dieser Griff nach der Dose - das sehe ich immer wieder vor Augen. Und genau der hat mir den zweiten Treffer eingebrockt, der mich dann umgehauen hat. Wenn ich nicht so blöde gewesen wäre - aber das war schon der Schock, da steht man neben sich und macht sinnlose Dinge. Und auf der einen Seite kommt der Gedanke: hättest du besser nicht. Oder so: greif nicht hin, dann passiert auch nichts. Als ob man die Sache zurückdrehen und ungeschehen machen könnte. Geht natürlich nicht. Aber auf der anderen Seite bin ich sicher - ich würde immer wieder hingreifen, das war nun mal ein Schatz damals: diese Dose Schoka-Cola. Die wollte ich nicht verlieren. Womöglich noch dem Iwan überlassen.

    Verbohrt hat mich der verdammte Major einmal genannt. Aber das ist ein anderer Fall. Manche Sachen bleiben besser ungesagt, sie werden sonst zu mächtig und man kommt davon nicht wieder los. So wie ich immer wieder noch einmal rauf muss auf den Panzer, um die blöde Dose mit der Schokolade zu holen. Und paff. Da kennt man keine Angst, obwohl das besser wäre, man hätte sie in dem Moment gehabt. Aber so ist das eben im Krieg. Da kann es knallen und spritzen links und rechts und du scherst dich nicht drum. Du machst einfach weiter. Für Führer, Volk und Vaterland. Als ob man nicht an seinem Leben hängt.

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