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Der Steinheimer Torturm: Regionalkrimi
Der Steinheimer Torturm: Regionalkrimi
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Ebook305 pages4 hours

Der Steinheimer Torturm: Regionalkrimi

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About this ebook

Auf einem Grundstück im Gewerbegebiet wird ein Toter gefunden. Die Recherchen von Kriminalhauptkommissarin Nicole Wegener und ihrem Team ergeben, es handelt sich um den Bruder des in Seligenstadt beheimateten Models Viktoria Vogt mit Verbindungen nach Litauen und zu den reichsten Männern im Ostblock.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateNov 17, 2021
ISBN9783754176146
Der Steinheimer Torturm: Regionalkrimi

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    Book preview

    Der Steinheimer Torturm - Rita Renate Schönig

    Inhalt:

    Auf einem Grundstück im Gewerbegebiet wird ein Toter gefunden. Der Schuss mitten in die Stirn entspricht der gleichen Vorgehensweise wie bei den Morden an zwei osteuropäischen Männern, deren Identität noch nicht geklärt werden konnte.

    Die Recherchen des Teams um Kriminalhauptkommissarin Nicole Wegener ergeben, der Waffendiebstahl im MEK (Mobiles Einsatzkommando) und die Ermordungen, hängen zusammen.

    In den Fokus der Ermittlungen rücken sowohl die Inhaber der Import/Exportfirma Petrow wie auch Viktoria Graf, ein Model, wohnhaft in Seligenstadt mit eigener Agentur in Litauen und Verbindungen zu den reichsten Männern im Ostblock.

    Impressum

    Texte © Copyright by

    Rita Renate Schönig

    Bildmaterialien © Copyright by

    Rita Renate Schönig

    Postfach 1126

    63487 Seligenstadt

    Mailadresse: buch@rita-schoenig.de

    Homepage: www.rita-schoenig.de

    ISBN: 9783754917800

    Alle Rechte vorbehalten.

    Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Herausgebers reproduziert, in einem Abrufsystem gespeichert, in irgendeiner Form elektronisch, mechanisch, fotokopiert, aufgezeichnet oder auf andere Weise übertragen werden.

    Ermittlerteam – Präsidium Offenbach K11

    Nicole Wegener, Erste Kriminalhauptkommissarin

    Harald Weinert, Kriminalhauptkommissar

    Lars Hansen, Kriminalhauptkommissar

    Dietmar Schönherr, Kriminaloberkommissar

    Andreas Dillinger, Kriminaloberkommissar und Lebenspartner von Nicole

    Staatsanwaltschaft:

    Falk von Lindenstein und Felix Heller

    Gerichtsmedizin:

    Dr. Martin Lindner (Doc) und Viktor Laskovic

    Seligenstädter Polizeistation:

    Josef Maier, Polizeihauptkommissar/ Dienststellenleiter

    Hans Lehmann, Polizeioberkommissar

    Berthold Bachmann, Polizeikommissar

    Hobby-Soko – Seligenstadt:

    Helene Wagner, ehemalige Vermieterin und

    mütterliche Freundin von Nicole Wegener

    Herbert Walter, Lebensgefährte von Helene

    Ferdinand und Bettina Roth, Freunde von Helene und Herbert

    Gundula (Gundel) Krämer, Nachbarin

    Georg (Schorsch) Lenz, ehemaliger Nachbar

    Brigitte (Britschitt) Diaz,Freundin von Schorsch

    Hessische Ausdrücke

    de Bibbs hole – eine Erkältung bekommen

    wutzeferkelisch – schweinig

    Montag – 16. Sep. 2019 / 06:45 Uhr

    Kriminalhauptkommissarin Nicole Wegener wälzte sich seit etwa einer Stunde in ihrem Bett von rechts nach links, immer darauf bedacht Andy ihren Lebenspartner nicht zu wecken. In der Sekunde, in der sie entschied aufzustehen, klingelte ihr Handy. Das Display zeigte den Namen ihres Kollegen Weinert. Hastig schnellte ihr Arm unter der Decke hervor und gleichzeitig berührten ihre Füße den weichen Teppichboden.

    Kaum hatte sie die Schlafzimmertür hinter sich zu-gezogen, sagte sie: „Harald, was gibts?"

    „Guten Morgen, Nicole. Wir haben eine Leiche, im Gewerbegebiet Nord in Seligenstadt. Die Kollegen des KDD informierten mich gerade. Ich dachte, ich sage dir Bescheid, bevor du im Büro bist und wieder retour musst."

    Nicole schmunzelte. Manchmal hatte der 41-Jährige eine etwas antike Ausdrucksweise.

    „Ich informiere Lars und fahre dann auch gleich los. Dietmar bleibt im Büro und wartet auf unsere Infos, damit er mit den Recherchen beginnen kann. Du wirst vermutlich eher vor Ort sein."

    „Nur, wenn du mir sagst wohin genau."

    „Ach ja. Nordring, Firma Petrow Import – Export. Josef und sein Team sind schon dort und sorgen für die Absperrung. Bis gleich."

    Kriminalhauptkommissar Weinert legte auf und hinter Nicole schlich Andy an die Kaffeemaschine, gähnte und fuhr mit einer Hand durch seine kurzen strubbeligen, nach allen Seiten abstehenden braunen Haare.

    „Normal oder Espresso?"

    „Normal mit Milch. Wird heute nicht mein Letzter sein, antwortete Nicole und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Sorry, dass ich dich geweckt habe.

    „Hast du nicht. Ich habe seit Stunden nur noch geduselt."

    Weshalb er selbst ein Schlafproblem hatte, lag nicht an Nicoles ruhelosem hin - und herwälzen, sondern, weil er mit einem Konflikt zu kämpfen hatte und nicht wusste, wie damit umgehen.

    Durch ihre gleichartige Tätigkeit war der gedankliche Austausch zu den akuten Fällen im heimischen Wohnzimmer zur Gewohnheit geworden und führte fast immer zum gewünschten Erfolg für beide Seiten.

    Im Widerspruch dazu stand derzeit die Information, die Andy von einem Kollegen des MEK erhalten hatte, dem ein Verfahren drohte, er aber steif und fest behauptete unschuldig zu sein. Dass der Vorgang mit Nicoles noch immer nicht identifizierten Leichen und der Razzia in einem Offenbacher Wohnhaus in Verbindung stand, machte die Situation für den Kriminaloberkommissar nahezu un-erträglich; hatte er doch seinem Bekannten gegenüber Stillschweigen zugesagt.

    Er stellte zwei Kaffeebecher unter den Automaten, holte die Milchtüte aus dem Kühlschrank und fragte: „Was ist passiert?"

    „Eine Leiche im Gewerbegebiet Nord. Mehr weiß ich auch noch nicht. Harald und Lars sind unterwegs und Josef mit seinen Kollegen bereits vor Ort", setzte Nicole ihn in Kenntnis und verschwand im Bad.

    „Ich fahr dich", rief Andy ihr hinterher.

    „Ich denke, du wolltest dich um den Garten kümmern?"

    „Mach ich ja auch. Kann aber sein, dass ich noch zur Gärtnerei muss und den Wagen brauche."

    Seit etwa neun Monaten war Kriminalhauptkommissar Andreas Dillinger beim Kriminaldauerdienst. Zuvor hatte er einige Jahre in den Katakomben, wie das Archiv des Polizeipräsidiums unter Kollegen allgemein genannt wurde, verbracht.

    Dies resultierte nicht aus einer Strafversetzung heraus, sondern weil er – nach einem Polizeieinsatz, bei dem er physisch wie auch psychisch Schaden genommen hatte – sich selbst dorthin zurückgezogen hatte. Doch, seit er und Nicole ein Paar waren und er wieder direkten Draht zur Polizeiarbeit erlebte, hatte er immer öfter gespürt, dass ihm etwas fehlte.

    Das Bedürfnis, in den aktiven Dienst zurückzukehren, veranlasste ihn schließlich sich zu bewerben.

    Der Job im KDD war zwar nicht die erste Wahl, aber die bestmögliche Gelegenheit. Nur gingen seine Arbeitszeiten nicht mit denen Nicoles konform und wurde, mit nur einem Fahrzeug, für sie beide eine Herausforderung.

    Gedanklich lag die Anschaffung eines Zweitwagens schon lange in der Luft, bloß hatten sie bisher keinen gemeinsamen Termin in den Autohäusern zustande-gebracht.

    Wie sich jetzt wieder zeigte, gab es dafür dringenden Handlungsbedarf.

    Nach einer kurzen Dusche und Zähneputzen, rannte Nicole ins Schlafzimmer, zog sich an und holte ihre Heckler und Koch P30 aus dem Safe. „Wir brauchen unbedingt ein zweites Auto!"

    „Ja, besser wäre das", stimmte Andy zu.

    Montag / 07:15 Uhr

    Nicole und Andy erreichten ihren Zielort. Blinkende querstehende Polizeifahrzeuge und Kollegen der Schutzpolizei verhinderten, dass Unbefugte das Gelände der Firma Petrow betraten oder verließen.

    „Guten Morgen verehrte Kollegin. Oh, heute mit Privatchauffeur, chic. Hallo Andy." Polizeihauptkommissar Josef Maier, Chef der Seligenstädter Polizeidienststelle, reichte beiden die Hand.

    „Wer kann, der kann", ging Nicole schmunzelnd auf die Bemerkung ein.

    „Ich will unseren Garten winterfest machen und brauche vielleicht den Wagen, um noch einige Dinge zu besorgen", erklärte Andy.

    „Tja, so ein Haus macht Arbeit. Davon kann euer Kollege bestimmt auch ein Lied singen." Maier nickte in die Richtung des ankommenden Fahrzeugs, dem kurz darauf Kriminalhauptkommissar Harald Weinert entstieg.

    Seit vier Monaten bewohnten er, seine Lebensgefährtin Dr. Marion Haus und Emma, ihre mittlerweile 2-jährige Tochter, eine stilvolle Stadtvilla in Offenbach nur einige Straßen vom Polizeipräsidium entfernt. Ein wahrer Glücksfall für die kleine Familie.

    Vor Emmas Geburt war Marion leitende Ärztin der psychiatrischen Abteilung in einer Einrichtung für >Betreutes Wohnen< in Bad Nauheim und deshalb die ideale Nachfolgerin eines in den Ruhestand gehenden Psychologen und Psychiaters in Offenbach. Nach nur einem kurzen Gespräch und einer Besichtigung der Praxisräume kauften Marion und Harald das noble Stadthaus; nicht ahnend, welche Arbeit sie sich mit dem großzügigen Anwesen aufhalsten.

    „Wo ist die Leiche? Wer hat sie gemeldet?", wollte Nicole wissen.

    „Da vorne. Josef Maier zeigte zu einer Stelle, um die gerade ein Absperrband angebracht wurde. „Gefunden wurde der Tote von dem Mann dort. Er war mit seinem Hund Gassi und ...

    „Bitte, nicht schon wieder." Panisch schaute die Kriminalbeamtin zu dem Hundebesitzer, atmete aber erleichtert auf, nachdem sie weder den Zeugen noch seinen kleinen strubbeligen hellbraunen Vierbeiner erkannte.

    „Nein, diesmal nicht. Wäre auch ein bisschen zu weit weg von seiner Wohnung im Klosterhof", erwiderte Josef Maier. Er verkniff sich ein Grinsen.

    Der Umstand, dass Ferdinand Roth und sein Hund in den letzten zwei Jahren Tote gefunden hatten, verursachte der Leiterin des K11 der Offenbacher Kriminalpolizei offenbar noch immer einige Bauchschmerzen.

    Maier konnte das gut verstehen. Die selbst ernannte Senioren-Soko, der die Roths angehörten und Helene Wagner, Nicoles frühere Vermieterin und mütterliche Freundin sowie deren Lebensgefährte Herbert Walter, federführend vorstanden, stellten stets ihre eigenen Ermittlungen ein der Polizei ein und hatten sich dadurch auch schon mal in lebensbedrohliche Schwierigkeiten gebracht.

    Gleichzeitig wunderte sich Maier, dankte aber Gott dafür, dass die betagten Sonderermittler nach dem Auffinden des toten Lehrers vor 10 Tagen sich einen Kurzurlaub gönnten.

    „Wir sind zeitgleich mit den Kollegen vom KDD eingetroffen und konnten uns die Leiche schon mal ansehen", sagte er.

    „Einschussloch mitten in die Stirn", teilte Polizei-kommissar Berthold Bachmann mit und näherte sich der Gruppe.

    Hinter dem Absperrband lag der Getötete auf dem Rücken; seine offenen Augen leblos in den bewölkten Himmel gerichtet, aus dem die Sonne versuchte, die Oberhand zu gewinnen.

    Kriminalhauptkommissar Harald Weinert reckte den Kopf und meinte: „Genau wie bei den anderen Opfern. Sieht erneut nach einer Hinrichtung aus."

    „Wissen wir wenigsten bei diesem Toten, um wen es sich handelt?", fragte Nicole.

    Josef Maier verneinte; dagegen eine Kollegin der Spurensicherung mit unverständlichem Gesichtsausdruck den Kopf schüttelte.

    „Ich sehe hier kein Auto. Wie kam der Mann hierher?", stellte Nicole unbeeindruckt ihre nächste Frage.

    „Wundert uns auch, erwiderte Maier. „Wir haben auf dem Gelände weder einen Wagen noch ein Motorrad oder Fahrrad gesehen, schauen uns aber gleich noch auf den benachbarten Grundstücken um, soweit sie nicht eingezäunt sind. Die Eingangstür ist abgeschlossen und Aktivitäten im Innenraum der Firma konnten wir bis jetzt keine feststellen, fügte er an und bewegte sich auf seine Mitarbeiter zu, die gegenwärtig an ihre Fahrzeuge gelehnt standen.

    Der Polizeihauptkommissar sah dieses legere Verhalten im Dienst nicht gerne und scheuchte sie mit entsprechend passenden Worten und Anweisungen auf die Suche nach einem fahrbaren Untersatz des Toten.

    „Definitiv wurde er nicht hier erschossen, sagte die Frau im weißen Arbeitsoverall. „Wenn es so wäre, müsste sehr viel mehr Blut um den Kopfbereich zu finden sein. Er wurde hier lediglich abgelegt.

    „Dachte ich mir auch schon", antwortete Nicole mit einem bemühten Lächeln.

    Harald sah auf seine Armbanduhr. „Kurz vor halb acht. Bei normalem Arbeitsbeginn sollte sich eigentlich mal jemand blicken lassen."

    „Der Zusammenhang, die Tötungsart betreffend, ist unverkennbar, äußerte Andy. Auch er hatte sich den Toten angesehen. „Ebenfalls, dass die Opfer nicht am Fundort erschossen wurden. Nur wurden die beiden anderen im weiteren Umkreis von Offenbach gefunden. Der eine am Mainufer und der andere in einem Waldstück von Neu-Isenburg. Die zwei, von euch Festgenommenen haben wohl noch immer keine Aussagen gemacht?

    „Nein." Kriminalhauptkommissar Lars Hansen hatte sich unbemerkt genähert.

    Er murmelte ein „Moin" und biss gleichzeitig in ein Croissant.

    Nach einem Schluck Kaffee aus einem Pappbecher, mit dem er den Happen runtergespült hatte, sagte er: „Den einen mussten wir nach 48 Stunden wieder laufen lassen. Die Indizien waren, was die aufgefundenen illegalen Waffen betrifft, nicht stichhaltig genug. Eine Verbindung zu den Morden konnten wir ihm sowieso nicht nachweisen.

    Der andere gab die Beteiligung am Waffenschmuggel zu. Da waren die Spuren aber auch eindeutig und es half kein Leugnen – ansonsten, großes Schweigen. Nach Feststellung der Personalien setzten wir auch ihn auf freien Fuß, bis zum Prozessbeginn. Wir sind also noch keinen Schritt weiter."

    „Wo kommst du so plötzlich her? Und wo ist dein Wagen?" Nicole schaute sich suchend um.

    „Liegt an dem Elektroauto", erklärte Lars schmunzelnd zwischen zwei Bissen und mit vollem Mund.

    „Eine Neuanschaffung für unser Fitnessstudio. Wurde am Freitag geliefert."

    Alle sahen zu dem silbergrauen Wagen mit der seitlichen Aufschrift: Sport und Fun.

    „Eure Muckibude scheint gut zu laufen, erwiderte Andy und fügte hinzu: „Wir müssen uns auch mal wieder bei euch sehen lassen.

    „Soll das heißen, ich habe es nötig?" Pikiert warf Nicole ihrem Lebenspartner einen strafenden Blick zu; erinnerte sich aber im selben Moment an die unschönen Pölsterchen, die ihr heute Morgen, trotz der Hektik, aufgefallen waren.

    „Wir bieten jetzt auch Yoga-Kurse an – zum Runterkommen", sprang Lars sofort auf den Zug auf und grinste.

    „Das könnte bedeuten, dass ihr es hier mit Größerem zu tun habt", lenkte Andy schnell ab und versuchte die Situation unter Kontrolle zu bringen.

    „Damit meinst du aber jetzt nicht, dass die Russenmafia dahintersteckt?" Lars verschluckte sich und hustete.

    „Möglich. Aber ... nun ja ... es gibt eine Menge verschiedener Interessengruppen. Waffenhandel betrifft nicht nur die Privatwirtschaft."

    „Sprich nicht in Rätseln. Was willst du sagen?" Zwischen Nicoles Augenbrauen bildete sich eine steile Falte.

    Ihr Lebensgefährte verhielt sich in den letzten Tagen mehr als merkwürdig – war wortkarg und stets mit seinen Gedanken im Nirgendwo. Sie witterte, dass er irgendetwas vor ihr verheimlichte, fragte aber nicht nach. Selbst war sie mit dem Toten an der Schule beschäftigt und deshalb angespannt.

    „Ich erkläre euch, was ich meine", sagte Andy im Flüsterton und schaute sich um.

    „Im März 2015 wurde von unserer Bundesregierung die Ausfuhrgenehmigungspolitik bei Lieferungen von kleinen und leichten Waffen in Drittländer ergänzt mit der ausdrücklichen Zusicherung, diese weder an andere Länder noch innerhalb des Empfängerlandes, ohne Zustimmung der deutschen Regierung weiterzugeben. Dazu gehörten auch Estland, Lettland und Litauen. Infolge dessen sind den Partnerländern die Hände gebunden, was den Aufbau neuer Fertigungslinien im eigenen Land betrifft. Aber wie wir alle wissen, ist Papier geduldig und Schlupflöcher sowieso allgegenwärtig."

    „Und wie soll dein politischer Gesichtsunterricht uns jetzt weiterhelfen?", erkundigte sich Lars, sichtlich genervt.

    „Nun ja. Ich habe erfahren, dass seit einigen Monaten beim MEK Waffen und Munition verschwinden. Obwohl der gesamte Komplex mit Kameras überwacht wird, konnten die Täter bis dato nicht ermittelt werden, weil, immer zur Tatzeit, die Überwachungsgeräte ausgeschaltet waren. Was darauf schließen lässt, dass ein Insider beteiligt sein muss."

    „Und daraus schließt du, dass wir es mit einer Waffenmafia zu tun haben und mit einem Maulwurf beim MEK", warf Harald ein.

    Andy nickte. „Einer von der Truppe ist nun in den Fokus der internen Ermittlungen geraten, behauptet aber steif und fest, nichts damit zu tun zu haben."

    „Lass mich raten, du kennst ihn und glaubst ihm und er hat dich um Hilfe gebeten."

    „Du hast nicht umsonst Psychologie studiert. Andy schmunzele und fuhr ernst fort. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mich anlügt.

    „Und schon gar nicht, dass er auf die dunkle Seite der Macht geraten ist", warf Lars dazwischen.

    „Richtig."

    „Du willst damit sagen, der Diebstahl beim MEK und die beiden anderen Toten – das hängt alles zusammen?" Nicoles Stirnfalte vertiefte sich.

    „Könnte doch möglich sein. Es wird gemunkelt, dass die vermissten Waffen in Litauen und Lettland aufgetaucht sind, warf Andy den Kollegen den nächsten Schnipsel zu. „Aber, wie gesagt: Was Genaues weiß niemand und handfeste Beweise fehlen; weshalb offiziell noch keine Untersuchung eingeleitet wurde – nur eine interne. Mein Bekannter oder Informant – wie immer ihr ihn nennen wollt – vermutet sogar, dass unsere Regierung in der Sache mit drinhängen könnte. Welche Wellen das in der Öffentlichkeit schlagen würde, brauche ich euch nicht zu erzählen.

    „Sorry, das klingt für mich nach Verschwörungstheorie." Lars rollte mit den Augen, trank den letzten Schluck des mittlerweile kalten Kaffees und sah sich nach einem Entsorgungsbehälter um.

    „Wieso rückst du erst jetzt damit raus?", fragte Nicole mit scharfem Unterton. Für sie machte die Theorie Sinn.

    „Du weißt, dass mir die Staatsanwaltschaft im Nacken sitzt und wir nicht den kleinsten Anhaltspunkt haben wie und wo wir ansetzen können."

    „Euer Fall mit dem Lehrer war noch nicht abgeschlossen und ich hatte es ..."

    „Entscheidest du jetzt, wie viele Straftaten wir gleichzeitig bearbeiten dürfen und können?", zischte Nicole leise aber giftig.

    „Ich hatte versprochen nicht darüber zu reden, bis ..."

    „Und jetzt hast du die Freigabe, oder was?"

    „Nicht wirklich. Aber ich setze mich mit dem Kollegen in Verbindung und rate ihm, mit euch in Kontakt zu treten."

    „Wenn du schon mit deinem Informanten redest, erwiderte Nicole bissig, „dann frag ihn doch gleich mal, ob er bei der Identifizierung unserer Leichen behilflich sein kann. In POLAS waren die Männer nicht erfasst und Fotos, die wir der Presse hatten zukommen lassen, ergaben keinen Treffer. Der Doc hatte sich aber in der Art geäußert, dass es sich um Osteuropäer handeln könnte.

    „Er kennt sie nicht, entgegnete Andy. „Hab schon gefragt. Aber vielleicht ihn. Er nickte mit dem Kopf in Richtung des Toten.

    „Kann ich ein Foto des neuen Opfers meinem Kollegen zuschicken? Einen Versuch ist es jedenfalls wert."

    „Ja, knurrte die Kriminalhauptkommissarin. „Dein Kontakt soll sich auf jeden Fall im Laufe des Tages bei uns melden; egal ob er unser Opfer kennt oder nicht. Ansonsten lernt er mich kennen.

    „Ich versuche mein Bestes." Andy drückte Nicole einen Kuss auf die Wange.

    Die brummte irgendetwas Unverständliches.

    „Bis heute Abend ist sie wieder ganz die Alte. Harald schlug seinem Freund auf die Schulter. „Wenn alles nichts nutzt, besorgen wir Croissants mit ordentlich Schoko-sahne.

    „Das habe ich gehört!", rief Nicole und schmunzelte.

    Montag / 07:35 Uhr

    An der Ausfahrt vom Firmengelände wurde Andy von einem schwarzen Wagen der Nobelklasse geschnitten.

    Der Fahrer sah ihn einen Moment verärgert an, bevor er in rasantem Tempo weiterfuhr und vor dem Gebäude der Firma Petrow stoppte. Aus dem Fahrzeug sprang ein circa Mitte 40-jähriger Mann mit dunkelblonden kurzen Haaren. Er eilte direkt zur Absperrung und auf die Kriminal-techniker zu.

    „Was ist hier los? Was suchen Sie auf meinem Grund und Boden?"

    „Und wer sind Sie?" Lars versperrte mit seinen 1,95 Meter den weiteren Weg.

    Einen Moment schien es, als ob der zehn Zentimeter kleinere muskulöse Mann gleich aus der Haut fahren würde, hatte sich aber schnell wieder unter Kontrolle.

    „Mein Name ist Darius Petrow. Ich bin der Inhaber dieser Firma. Er bewegte den Kopf zu dem Schild über dem Eingang. „Also, was geht hier vor? Weshalb wimmelt es hier von Polizei?

    „Wenn Sie mal schauen möchten? Nicole steuerte mit dem Mann zur Absperrung. „Kennen Sie den Toten?

    Petrow beugte sich über das Band, verharrte ein paar Sekunden und antwortete mit versteinerter Miene: „Ja. Das ist einer der Männer, die ab und an für uns arbeiten, aber nicht heute. Was tut er hier? Wie kommt er hierher?"

    „Das wüssten wir auch gerne – und einiges mehr. Mein Name ist Wegener und das sind die Kollegen Weinert und Hansen – Kriminalpolizei Offenbach."

    Die Beamten hielten Herrn Petrow ihre Ausweise entgegen. Er schaute scheinbar nur bedingt interessiert. Zeitgleich wurde er durch einen zügig heranfahrenden schwarzen Sportwagen abgelenkt, der ebenfalls vor dem Gebäude parkte.

    Eine auffallend hübsche, circa 1,70 Meter große und schlanke blonde Frau mit modischem Kurzhaarschnitt glitt aus dem Cabrio. Soweit der enge Rock ihres zartrosa Kostüms und die High Heels im gleichen Farbton das zuließen, kam sie angerannt.

    „Ist etwas passiert?, richtete sie ihre Frage direkt an Darius Petrow, bevor ihr Blick auf den Toten fiel. „Oh Gott, ist das ...?

    „Du musst dir das nicht ansehen." Er nahm ihren Arm und zog sie ein Stück zur Seite.

    „Und Sie sind?", fragte Harald. Er und Nicole drängten sich an Lars vorbei, der die junge Frau wie paralysiert anstarrte.

    „Das ist Christina Graf", antwortete Petrow schnell.

    „Wir hätten ein paar Fragen an Sie beide. Können wir in Ihrem Büro reden?" Nicoles Tonfall ließ kein Nein zu und der Firmeninhaber deutete den Beamten an, ihm zu folgen.

    „Lars, wir benötigen schnellstmöglich Informationen von unseren Kollegen der KTU. Kümmere dich bitte darum und gib sie an Dietmar weiter. Und hör auf zu sabbern! Das ist peinlich."

    „Denk dran, du bist so gut wie verlobt", setzte Harald mit einem Grinsen nach.

    „Chris, kannst du einen starken Kaffee machen?, bat Darius Petrow, kaum dass er die Tür zu seinem Büro aufgeschlossen hatte. „Ich denke, den können wir jetzt vertragen. Er zeigte zu einer hellen Ledercouch. „Bitte, setzen Sie sich", wandte er sich den Kriminalbeamten zu.

    Der Raum insgesamt machte eher den Eindruck eines luxuriösen Lofts als dem eines Arbeitszimmers. Die Wände, obwohl nur verputzt, waren in einem zarten Fliederton gestrichen und der Fußboden mit Industrielack in einem dunkleren Lila überzogen. Ein Großteil wurde von einem hellgrauen Teppich verdeckt. Die wenigen zeitgenössischen und farbenfrohen Grafiken wirkten hochpreisig.

    Harald Weinert hatte den Eindruck, dass die Geschäfte bestens liefen. „Womit genau beschäftigen Sie sich, beziehungsweise Ihre Firma?, stellte er deshalb sofort die Frage. „Import – Export klingt etwas vage, wenn ich das mal so formulieren darf.

    „Das geht den meisten Leuten so. Darius Petrow hatte auf einem Sessel gegenüber den Beamten Platz genommen. „Genau wie die Bezeichnung schon aussagt, betreiben wir Handel. Wir importieren verschiedene Wirtschaftsgüter aus Litauen und Lettland nach Deutschland und ebenso exportieren wir Produkte von Deutschland dorthin und in andere Länder. Wenn es Sie interessiert, führe ich Sie gerne durch die Lagerhalle; dann können Sie sich selbst ein Bild davon machten – was unsere Firma so treibt. Er lächelte. „Wir haben nichts zu verbergen. Bei uns ist alles so, wie es sein soll. Weder Probleme mit dem Finanzamt noch mit der Zollbehörde."

    „Das Angebot nehmen wir gerne an – später, erwiderte Nicole. „Zuerst geht es um den Toten auf Ihrem Gelände. Wie heißt der Mann? Sie sagten, er arbeitet ab und zu für Sie?

    „Ja. Alexander Vogt. Er ist bei der Spedition angestellt, mit der wir zusammenarbeiten, wie weitere vier bis fünf Leute. Es ist so", fuhr Petrow fort, als

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