Unfassbar traurig: Fall 5
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Kurze Zeit später finden Bianca Verskoff und Ferdinand Waldhöft heraus, dass in den letzten Jahren weitere Mädchen verschwunden sind. Alle waren bei ihrer Entführung sechs Jahre alt. Und alle sind blond und ihre Zöpfe waren mit blauen Samtbändern zusammengebunden.
Finden die Ermittler die Mädchen? Leben sie noch? Wer hat sie entführt und warum?
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Book preview
Unfassbar traurig - Ute Dombrowski
1
Unfassbar traurig
Ute Dombrowski
1. Auflage 2018
Copyright © 2018 Ute Dombrowski
Umschlag: Ute Dombrowski
Coverfoto: Nicole Lutz
Lektorat/Korrektorat Julia Dillenberger-Ochs
Satz: Ute Dombrowski
Verlag: Ute Dombrowski Niedertiefenbach
Druck: epubli
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors und Selbstverlegers unzulässig.
Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
„Harm, der nicht spricht, erstickt das volle Herz und macht es brechen."
William Shakespeare
Aus „Macbeth"
4. Aufzug, 7. Auftritt, Malcolm
Biancas Blick war starr auf das Foto gerichtet und eine Träne glitzerte in ihrem Augenwinkel. Das Mädchen hatte blonde Zöpfe und strahlte in die Kamera. Im Hintergrund sah sie einen alten Baum und sattgrünes Gras. Die Sonne schien. Die Augen des Kindes waren so blau wie der Himmel. Neben ihm lag ein Strohhut. So hatte sich Bianca immer ihre Tochter vorgestellt, vielleicht nicht blond, aber genauso glücklich und süß.
Weil sie damals dachte, sie wäre schwanger, hatte sie sich gut gefühlt. Als der Test dann negativ ausgefallen war, trauerte sie nur einen Moment und hoffte weiter, dass sie und Michael bald Eltern werden würden. Und dann hatte ihr das Schicksal erbarmungslos den Boden unter den Füßen weggezogen und ihre Hoffnung auf ein Kind mit Michael war mit ihm gestorben. Sie legte die Hände vor das Gesicht und obwohl schon drei Jahre vergangen waren, sah sie das Bild noch immer vor sich, als wäre es gestern gewesen. Das Haus lag in Schutt und Asche und sie hielt den Jungen fest.
Man hatte die Männer aus den Trümmern geborgen, aber es kam jede Hilfe zu spät. Auch zwei weitere Bewohner des Hauses, die von der Explosion überrascht worden waren, konnte man nicht mehr lebend vorfinden. Als die Sanitäter Leonard mitgenommen hatten, war Bianca ohnmächtig geworden und lebte lange Zeit wie in einer anderen Welt. Sie aß nicht, schlief nicht und sprach nicht.
Nach einem halben Jahr in der Klinik war sie nach Hause zurückgekehrt und ein weiteres halbes Jahr später hatte sie begonnen, im Archiv zu arbeiten, nur um nicht mehr unter Menschen gehen zu müssen. Hier, in der Abgeschiedenheit des Kellers, zwischen endlosen Regalen, saß sie tagtäglich über den ungeklärten Fällen und durchsuchte die Akten nach brauchbaren Hinweisen. Aktuelle Fälle waren für Bianca genauso weit weg wie ein aktives Leben.
Im Präsidium in Eltville hatte man ihren Posten neu besetzt und im alten Büro von Michael und Benedikt saßen zwei neue Kommissare, denen sie noch nicht ein einziges Mal begegnet war. Und das vor allem deswegen, weil sie es nicht wollte. Der Name Bianca Verskoff und ihr Schicksal waren jedoch allgemein bekannt und die Kommissarin mit ihrem hochsensiblen Spürsinn fehlte an allen Ecken und Enden.
Jeden Abend ging Bianca heim in die leere Wohnung und schloss die Tür zwischen sich und der Welt da draußen zweimal zu. Seit dem Tag im Sommer war sie auch nicht mehr an den Rhein gegangen, nein, sie war überhaupt nicht mehr rausgegangen. Den Einkauf erledigte sie auf dem Heimweg in der Stadt, damit sie in Eltville niemandem begegnen konnte, den sie kannte, der sie womöglich ansprechen und sein Mitleid ausdrücken konnte.
„Vielleicht sollte ich wegziehen."
Ihre Stimme klang fremd und sie begriff nicht, was sie eben laut gesagt hatte. Das kleine Mädchen auf dem Foto lächelte immer noch.
„Weit weg. Ans Meer."
Das Mädchen sah aus, als würde sie die Idee für großartig halten. Bianca starrte in die blauen Augen und die Träne lief jetzt über die rechte Wange. Sie wischte sie weg und schaltete den Computer aus. Feierabend, dachte sie, aber wozu eigentlich? Mit hängenden Schultern stieg sie die Treppe hinauf und ging mit gesenktem Blick über den Parkplatz. Die Kollegen im Foyer hatten ihr traurig hinterhergeschaut. Niemand wagte es, die Kommissarin anzusprechen und sie selbst ging auch auf keinen anderen Menschen zu. Jeder wusste, was geschehen war, aber es war ein Tabu, über das man nicht redete, schon gar nicht mit Bianca.
Im Auto merkte sie, dass es schon fast dunkel war. Sie startete den Motor und rollte langsam durch das große Tor. Hinter ihr schloss sich die Schranke. Dass der junge Kollege im kleinen Häuschen am Ausgang nickte, nahm Bianca gar nicht wahr. Daheim angekommen duschte sie heiß und stand lange vor dem Spiegel. Ihre Haare waren länger geworden, denn sie war nicht mehr zum Frisör gegangen, weil man sie immer gefragt hatte, wie es den Lieben ging und was es für Neuigkeiten gab.
Bianca aber hatte die Leitungen zu ihrem alten Leben gekappt und sich vollkommen zurückgezogen. Im Bademantel, mit einem Handtuch um den Kopf gewickelt, legte sie sich auf die Couch und schaltete den Fernseher ein. Irgendwann aß sie eine Scheibe Brot und trank eine Tasse Tee. Danach ging sie wie jeden Abend um elf Uhr ins Bett, um nach wie vor mehrmals in der Nacht hochzuschrecken.
Am Anfang hatten Jürgen und seine Frau noch nach ihr geschaut, aber Bianca hatte sie so lange abgewiesen, bis sie nicht mehr kamen. Die beiden genossen jetzt ihren Ruhestand, besuchten oft ihre Enkelin und deren Eltern in Erbach und ab und an kam eine Postkarte mit Strandmotiv von ihren viele Reisen.
Heute schlief Bianca nicht sofort ein, sondern sprang noch einmal aus dem Bett, um sich ihren Laptop zu holen. Sie ließ sich Bilder von der Ostsee und Nordsee zeigen. Es gab herrliche kleine Orte, wo die Häuser mit ihren Schilfdächern vor einem wunderbar blauen Meer standen und einluden sich zu verkriechen. Es gab endlose Strände, an denen man bis zum Horizont laufen konnte. Es gab das unendliche Wasser, türkisblau und kühl, darüber spannte sich ein leuchtendblauer Himmel. Bianca hatte beim Betrachten der einladenden Fotos den Geruch von Meer in der Nase und den Geschmack von Räucherfisch auf der Zunge.
„Da will ich leben. Ganz allein. Ach Michael, könnte ich dich doch mitnehmen. Wir würden den ganzen Tag durch den Sand und das seichte Wasser laufen und Muscheln sammeln. Du würdest kleine flache Steine für mich über die Wellen flippen lassen, so, wie du es immer am Rhein getan hast."
Sehnsüchtig klappte sie den Laptop zu, stellte ihn neben das Bett auf den Boden und rollte sich unter der Decke zusammen. Es war Sommer, aber sie zitterte vor Kälte. Bald fielen ihr die Augen zu. Am nächsten Morgen wachte sie auf und reckte sich. Ihr Blick fiel auf den Laptop und sie entschloss sich, am Wochenende ans Meer zu fahren, um sich dort davon zu überzeugen, dass ein Neuanfang möglich war. Denn eines war sicher: Es musste etwas passieren. Instinktiv spürte Bianca, dass sie etwas unternehmen musste, um nicht bei lebendigem Leibe zu sterben.
Sie griff zum Telefon.
„Warum nicht sofort losfahren?", rief sie sich zu und wählte die Nummer ihres Vorgesetzten.
Zehn Minuten später hatte sie Urlaub und suchte nach ihrer Reisetasche. Als sie sie von Schrank zog und den Staub weggepustet hatte, zuckte sie zusammen. Ein Prospekt fiel vor ihre Füße. Ein Prospekt vom einem Hotel, dem Hotel, in dem sie geheiratet und die Hochzeitsnacht verbracht hatten. Bianca saß wie gelähmt auf der Bettkante, während ihre Hochzeit wie ein Film noch einmal vor ihr ablief. Endlich ging ein Ruck durch ihren Körper und sie nahm das bunte Heftchen in die Hand. Sanft strich sie über die Hochglanzseiten und lächelte.
„Das war so schön dort", flüsterte sie.
Am liebsten hätte sie geweint, aber die meisten Tränen waren verbraucht, einzig eine unendliche Leere machte sich breit. Sie kämpfte dagegen an, indem sie jetzt schnell die Tasche packte. Im Bad schob sie die Kosmetikartikel in den Kulturbeutel und legte ein großes Strandtuch oben auf in die Reisetasche. Sie überlegte, ob sie ein Zimmer buchen sollte, entschloss sich aber, spontan loszufahren und erst dort eine Unterkunft zu suchen.
„So!", sagte sie laut, denn Selbstgespräche gehörten seit längerer Zeit zu ihrem Leben.
Sie sah sich noch einmal in der Wohnung um, die voller Erinnerungen war und seufzte.
„Sorry, aber ich muss einen Weg finden, um ohne dich weiterzuleben."
Sie schloss die Tür, setzte sich ins Auto und fuhr los.
2
Das Mädchen war etwa sechzehn Jahre alt. Sie lag auf dem Rücken. Ihr Rock war hochgeschoben, die Strumpfhose zerrissen und der Slip fehlte. Ihre offenen blauen Augen starrten in die weißen Wolken, die in raschem Tempo über den Weinberg flogen.
„Sie sieht so friedlich aus", murmelte Christine Flitzker, die von allen nur Tine genannt wurde und ein einjähriges Praktikum bei der Spurensicherung machte.
„Manchmal sehen sie aus, als würden sie nur schlafen, aber lass mal, Tine, es gibt auch Fälle, da schaust du in ihre Gesichter und weißt, welche Qualen sie durchlitten haben."
Die sanfte tiefe Stimme gehörte zu Falk Pern, dem neuen Leiter der Spurensicherung. Er hatte die Stelle von Jürgen übernommen, der seine ehemaligen Kollegen ab und zu besuchte, um ein bisschen zu fachsimpeln. Falk war Mitte vierzig und verheiratet. Seine zwei Jungs, neun und elf Jahre alt, hielten ihn an den Wochenenden auf Trab, aber oft war er traurig, nicht mehr Zeit mit ihnen verbringen zu können.
Er war ein guter Lehrmeister für Tine, die sich vom ersten Tag an in ihre Arbeit gekniet hatte und den Kollegen manchmal mit ihrer grenzenlosen Neugier aus dem Konzept brachte.
Nachdem die Fotos gemacht waren, schob Tine dem Opfer den Rock herunter und fühlte sich so ein wenig besser, denn die Nacktheit, die eine unendliche Verletzlichkeit offenbarte, berührte sie fast mehr als die Tatsache, dass das Mädchen tot war.
„Die riesigen Fußspuren gehören zu Sportschuhen. Ich schätze, es war ein Mann."
„Sehr gut, sagte Falk und gab Tine den Auftrag, Gipsabdrücke herzustellen. „Wo bleiben denn unsere beiden Schnüffler?
Da klappten unten am Weg zwei Autotüren und die Kommissare, die sich unüberhörbar in einem Streit befanden, kamen näher.
„Nein, du bist echt zu doof, das Navi zu bedienen", sagte eine schlanke Frau mit kurzen roten Haaren und lachte laut.
„Das ist nicht lustig, du Besserwisserin und außerdem ist dein Lachen am Fundort einer Leiche alles andere als passend."
Ferdinand Waldhöft war es auch nach zehn Jahren bei der Mordkommission immer noch sehr unangenehm, an einen Tatort gerufen zu werden. Es machte ihn nervös, nicht zu wissen, mit welchem Anblick er konfrontiert werden würde. Wenn dann noch ein Kind oder ein Jugendlicher das Opfer war, kämpfte er stets mit seinen Gefühlen. Seine Kollegin war abgebrüht oder eine gute Schauspielerin. Sie zeigte niemals Gefühle und das mochte Ferdinand gar nicht.
„Nächstes Mal fahre ich!, rief die Kommissarin. „Besser noch, du nimmst den Bus. Es ist das dritte Mal, dass wir uns verfahren und das in so einer Gegend. Es gibt doch immer nur drei Straßen in diesen Winzerorten und alle führen entweder in Richtung Rhein oder in die Weinberge.
„Das Schöne ist ja, dass ich hier das Sagen habe, meine Liebe. Also nimmst du den Bus, wenn dir mein Fahrstil nicht gefällt."
Sie waren bei Falk und Tine angekommen, die nur den Kopf schüttelten. Einerseits konnte Falk Ferdinand verstehen, der mit der Technik auf Kriegsfuß stand und ein Navi für etwas Unanständiges hielt, andererseits hatte er schon öfter gedacht: Der soll sich mal nicht so anstellen und seiner Kollegin das Steuer überlassen. Ella Grassoux hatte mit dem Navi und großem Eifer den Rheingau erobert. Sie stammte zwar aus Berlin, doch seit sie vor drei Jahren hergezogen war, kannte sie sich in der Gegend aus, als wäre sie hier schon immer zuhause. Ferdinand nannte sie eine „Stadtpflanze" und traute ihren Ortskenntnissen nicht über den Weg.
Ella war wie Ferdinand vierzig und lebte mit ihrer Lebensgefährtin in Erbach. Alle warteten auf eine große Hochzeit. Ellas Partnerin wollte sich jedoch nicht binden, denn sie hatte jeden Tag Angst, dass Ella im Dienst erschossen wurde. Die ständigen Diskussionen, die meist in einem Krach endeten, trugen täglich dazu bei, dass Ella oft schlechte Laune hatte.
Ferdinand Waldhöft dagegen war ein einsamer Wolf, der seit einer Ewigkeit allein lebte. Er hielt eine Beziehung und Familie für nicht kompatibel mit seinem Beruf. Meistens ging er still und besonnen seiner Arbeit nach. Vor kurzem hatte er noch in einem kleinen Revier bei Gießen gearbeitet. Als er versetzt wurde, ahnte er nicht, dass er ein schweres Erbe antreten würde. Seine Vorgänger waren beliebt und geachtet gewesen, überall wurde getrauert und die große Leere war fast greifbar. Erst langsam kamen alle wieder in der Realität an und es stimmte tatsächlich: Das Leben geht weiter. Die großen und kleinen Verbrecher nahmen keine Rücksicht und binnen kurzer Zeit hatte der Alltag sie im Griff.
Er war sehr zufrieden, dass er eine Kollegin zur Seite gestellt bekam, die sich nur für Frauen interessierte, also musste er sich nicht mit persönlichen Gefühlen herumschlagen. Von Bianca Verskoff hatte er viel gehört, aber sie bisher nie getroffen. Man sagte ihr ein besonderes Gespür für Menschen nach und das wäre etwas gewesen, was Ferdinand und sie verbunden hätte, aber Bianca vermied jeden Kontakt mit dem alten Präsidium. Er war neugierig auf sie, aber das wollte er niemandem verraten.
„Das ist ja noch ein halbes Kind, sagte er leise, als der Gerichtsmediziner das weiße Tuch anhob. „Wie lange liegt sie schon hier?
„Seit letzter Nacht", erklärte Herrmann Pfriehl, der für Olaf Brzsick ins Team gekommen war.
Olaf hatte eine Stelle an der Universität bekommen und zugesagt, denn er hielt es für wichtig, sich immer wieder neuen Aufgaben zustellen. Außerdem hatte ihm das Unglück ebenfalls stark zu gesetzt.
„Wurde sie vergewaltigt?"
„Ja, leider auch das. Sie wurde erst getötet und dann vergewaltigt. Jetzt nehme ich sie mit in die Gerichtsmedizin und alles Weitere erfahrt ihr in meinem Obduktionsbericht."
„Danke. Ella, wo fangen wir an?"
Die Kommissarin sah sich um und fragte: „Wo ist die Joggerin, die sie gefunden hat? Warum rennt die denn um diese Zeit durch die Weinberge?"
„Das kannst du sie selbst fragen, aber sie ist schon weg, weil der Ehemann zur Arbeit muss und dann nicht mehr auf das Kind aufpassen kann, sagte Falk, der wusste, wie die Kinderbetreuung ablief. „Sie geht immer in aller Frühe joggen, weil sie so auch mal eine Stunde nur für sich hat. Das ist bei uns ähnlich, aber meine Frau nimmt ihre Auszeit am Abend, wenn sie zum Chor geht.
Ferdinand grinste, aber schnell wurde er wieder ernst. Jetzt trat Tine zu ihnen und beschrieb noch einmal den riesigen Fußabdruck. Die Kommissare verabschiedeten sich. Auf dem Weg warf Ferdinand Ella den Autoschlüssel zu.
„Oh, danke. Was für eine Ehre, dass ich fahren darf. Aber so kommen wir wenigstens heute noch an."
Dina Quornick öffnete im Jogginganzug die Tür. Auf dem Arm hielt sie ein kleines Mädchen von etwa vier Jahren. Sie hatte dunkelblonde Zöpfe mit roten Schleifen und schaute die Besucher neugierig an.
„Kommen Sie herein, bat die junge Frau, die Ende zwanzig sein mochte, „bitte entschuldigen Sie die Unordnung.
„Keine Sorge, sagte Ella trocken, „wir sind nicht zum Aufräumen hier. Sie haben die Tote gefunden?
Ferdinand hatte den Frauen das Gespräch überlassen und saß mit dem kleinen Mädchen auf dem Spielteppich. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich ihn. Würde er auch irgendwann mal eine Familie und Kinder haben? Oder wollte er für den Rest seines Lebens Single sein? Der Gedanke daran war jetzt noch verlockend, weil er einen unbeschreiblich großen Freiraum hatte, aber konnte er, wenn er alt war und keine Aufgabe mehr hatte, wirklich ganz allein bleiben?
„Das ist meine Puppe Lisa, erklärte das Mädchen. „Die heißt so wie ich.
„Das ist eine schöne Puppe, Lisa."
„Hast du auch eine Puppe?"
„Ich bin doch ein Junge! Jungs haben Autos."
„Hast du Autos?"
„Ja, ein rotes."
„Aber du bist nicht mit einem roten Auto bei uns. Hast du das verloren?"
„Nein, das da draußen ist Ellas Auto. Ich bin mit ihr gefahren."
Jetzt strahlte die Kleine.
„Das ist aber lieb, wenn die Ella dich mit ihrem Auto spielen lässt."
Ferdinand strich ihr über das Haar und seine sanften Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Er hätte in diesem Moment alles gegeben für diese Unbeschwertheit und Naivität. Aber das Leben war nicht unbeschwert. Das sah er jetzt auch an Dina, die in Tränen ausgebrochen war. Das kleine Mädchen ging zu ihr, kroch auf ihren Schoß und nahm das Gesicht ihrer Mutter in die kleinen Hände.
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„Wer denn?"
„Das wissen wir noch nicht", sagte Ella und erhob sich. „Wir finden den aber und