Antipode: (Richard-Tackert-Reihe-Bd. 5)
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About this ebook
Die zähen Ermittlungen drohen ihm den letzten Nerv zu rauben … aber das ist ja nichts Neues für Tackert.
Wolfgang Glagla
Wolfgang Glagla, Jahrgang 1955, lebt in Hannover. Schon seit dem sechzehnten Lebensjahr begleitet der Wunsch nach Kreativität sein Leben. Musik, das Fotografieren, bildende Kunst, und natürlich das Schreiben sind zu einem festen Bestandteil geworden. Nach einigen unterschiedlichen Buchprojekten sind aus der Richard-Tackert-Reihe bereits nuen Kriminalromane erschienen
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Book preview
Antipode - Wolfgang Glagla
Antipode
Wolfgang Glagla
Copyright: © 2017 Wolfgang Glagla, Merianweg 13, 30655 Hannover
www: wolfgang-glagla-autor.jimdofree.com/
Umschlaggestaltung: Copyright: © 2017 Wolfgang Glagla
Verlag: epubli - ein service der neopubli GmbH, Berlin
ISBN 978-3-7418-8583-9
Wolfgang Glagla
Antipode
Kriminalroman
Wirklich weise ist,
wer mehr Träume in seiner Seele hat,
als die Realität zerstören kann.
- Indianerweisheit -
Dieses ist ein Roman. Handlung und Personen sind frei erfunden. Jede Ählichkeit mit lebenden oder toten Personen wäre rein zufällig und nicht gewollt.
Wenn er etwas hasst, dann war es Unpünktlichkeit.
Nicht nur an Anderen, oft genug setzte er sich selbst unter Druck, um bestimmte Situationen nach der Uhr auszurichten. Und das machte natürlich Planungen nötig, Planungen, die er im Laufe von Jahren geradezu perfekt erstellen konnte.
Um unentdeckt zu bleiben, mussten zahlreiche Eventualitäten berücksichtigt werden, war ein minutiöser Zeitablauf von Nöten. Natürlich war das diesmal ein nur schwer zu kalkulierender Faktor, aber auch nicht ganz unmöglich einzuschätzen.
Er hatte jede Minute kalkuliert, jeden Meter berechnet, jeden Handgriff studiert. Mehrfach. Über Wochen und Monate. Genauestens beobachtet und bewertet. Sogar das Wetter war ein Punkt auf seiner Liste. Jedes denkbare Szenario hatte er durchlaufen lassen und am Ende einer wochenlangen Vorbereitung war er zufrieden. Nichts wäre dem Zufall überlassen, alle Räder würden ineinandergreifen.
Seit einer halben Stunde beobachtete er alle Bewegungen in seinem Umfeld. Nur wenn kein kritischer Moment entsteht, würde sein Plan aufgehen, der in exakten zweiundzwanzig Minuten seinen Anfang hätte und nach fast zehn Stunden ein hoffentlich erfolgreiches Ende. Aber daran zweifelte er nicht.
Er war ein guter Stratege, das wusste er.
Noch achtzehn Minuten.
Wie erwartet, verloschen einige Lichter in dem Gebäude. Der Verkehr auf der Straße war gleichbleibend und jede Bewegung um ihn herum ein natürlicher Vorgang, der jeden Tag stattfand. Am Himmel konnte er gemächlich ziehende Wolken erkennen, die für verschwommene Lichtverhältnisse sorgten, was ihm sehr entgegenkam. Er verspürte eine leichte Anspannung, die er zu unterdrücken versuchte. Nichts Dramatisches, das hatte er erwartet, trotzdem musste er dafür sorgen, dass sie nicht zur Belastung wurde. Keinesfalls durften sich daraus unkonzentrierte Handlungen entwickeln.
Noch zwölf Minuten.
Er achtete auf die Geräusche. Das war wichtig. Die nahe Umgebung durfte keine ungewöhnliche Kulisse widergeben. Keine menschliche Stimme durfte in die Stille dringen.
Der Plan hatte nur eine Schwachstelle, nur eine einzige, das war ihm bekannt. Gleich zu Beginn des Ablaufs. Aber das Risiko erschien zu gering, um eine Bedrohung darzustellen. - Nein. Der heutige Tag, der siebte Oktober, würde einiges in seinem Leben geraderücken. Heute würde er den Grundstein legen für neue Perspektiven, denn sein Plan war perfekt. Keine Spur würde er hinterlassen - nicht eine - und der Grad an Verwirrung, die er stiften würde, war nahezu unübertroffen. Das Ergebnis einer soliden Vorgehensweise, eben.
Noch sieben Minuten.
Es könnte nicht besser laufen. Alle Lichter waren verloschen und eine glückliche Fügung bescherte ihm einen leichten Nieselregen, der ihm zusätzlich in die Karten spielte. Jetzt war es wichtig, sich zur vollen Konzentration zu ermahnen.
Die aufsteigende Unruhe zu kontrollieren.
Ab dem jetzigen Zeitpunkt bestand jede Sekunde die Möglichkeit, dass sein Vorhaben anlaufen würde. Dass die erwartete Person den Asphalt betrat, um ihre Arbeit aufzunehmen. Und nach den ersten fünf Minuten würde es kein Zurück mehr geben. Den entscheidenden ersten fünf Minuten. Danach wäre alles ein Kinderspiel, nur ein Katz- und Mausspiel mit der Zeit.
Nicht gegen die Zeit, mit der Zeit!
Noch einmal prüfte er das Vorhandensein wichtiger Utensilien, was instinktiv geschah, wie ihm auffielt. Nötig war es nicht und er vermutete, dass es eine Folge der Anspannungen war, die er nur schwer unter Kontrolle halten konnte. Kein Wunder, dachte er, denn auf eine Verbrecherlaufbahn konnte er nicht zurückblicken, konnte auf keine Erfahrungen zurückgreifen und betrat somit Neuland. Aber es gibt für Alles ein erstes Mal, rechtfertigte er sich.
Eine Tür öffnete sich.
Lautlos verließ er seine Deckung und schlich geräuschlos in die Dunkelheit. Er glaubte, jeden Muskel zu spüren.
Sechszehn Minuten später schaltete er einen Gang höher und spürte, wie sich der Puls normalisierte. Der Scheibenwischer tat in Intervallen seinen Dienst, und er wagte einen Blick auf den Beifahrersitz. Beruhigt richtete er seine Augen wieder auf die Straße und steuerte den ersten Zielpunkt an.
Er hatte nichts anderes erwartet.
Eine konsequente Planung von seiner Seite musste ein Gelingen zur Folge haben, das hatte sich schon oft genug bewahrheitet. Die Frage war nur, ob ihm das auch im Zusammenhang mit einem Verbrechen gelang. Ein Verbrechen, wo niemand ernsthaft zu Schaden kommen würde.
***
Mit jedem Spatenstich erhöhte sich die Anstrengung, ins Erdreich einzudringen. Er registrierte die zunehmende Sorge, die Situation falsch eingeschätzt zu haben. Von der geplanten Tiefe von mindestens eineinhalb Metern war er noch ein gutes Stück entfernt, besser wäre ohnehin eine größere Tiefe. Aber den Gedanken ließ er mittlerweile fallen.
Abbrechen kam nicht in Frage. Er musste, hier und jetzt, sein Vorhaben zum Abschluss bringen. Das Risiko, die Leiche nochmals quer durch die Stadt zu bewegen, war viel zu hoch.
Bevor er sich entschieden hatte, beschäftigte ihn die Frage, wie der ganze Aufwand einzuschätzen ist? Ihm war bewusst, was es bedeutet, sich in der begrenzten Zeit einem solchen Kraftaufwand zu stellen. Aber es erschien ihm als die sinnvollste Lösung. - Das Vergraben.
Er schwitzte, trotz der niedrigen Temperaturen. Hin und wieder unterbrach er seine Arbeit. - Bewegte sich da was? War da ein Geräusch?
Sollte ihn jemand hier entdecken, blieb nur die Flucht. Eine glaubwürdige Erklärung, warum er nachts um halb drei mitten im Wald eine Grube aushob, hatte er nicht. Und die gab es wahrscheinlich auch nicht.
Wie lange wird es dauern, bis man sie findet?
Tage, Monate? Vielleicht Jahre?
Wäre sie dann noch zu identifizieren? Würde überhaupt etwas von ihr übrigbleiben?
Vielleicht wird sie aber auch nie gefunden? Entscheidend wird sein, wie tief er sie ablegen konnte. Die augenblickliche Tiefe war wenig ausreichend, also weiterbuddeln und versuchen, den aufkommenden Schmerz in den Händen und im Rücken zu ignorieren.
Gute zwei Stunden blieben ihm noch, schätzte er. Dann musste er zusehen, dass er hier verschwindet. Dann würde Bewegung in den Wald kommen.
Auch wenn er sich abseits der Wege aufhielt, war er sich darüber im Klaren, dass die Möglichkeit enorm hoch einzustufen war, mit Beginn der frühen Morgenstunden von Forstarbeitern, Joggern oder Naturfreunden entdeckt zu werden. Also nahm er sich vor, bis fünf Uhr fertig zu sein.
Spätestens bis fünf.
Ihm fiel auf, wie wenig ihn scheinbar die Tat selbst belastete. Wie gering Zweifel, Reue oder Ängste vorhanden waren. Lag das an der körperlichen Anstrengung, die ihn ablenkte? Oder war es das Adrenalin? Würde das erst noch kommen?
Am besten wird es sein, sich gar nicht damit zu beschäftigen. Einfach immer weitergraben.
Außerdem musste er eingreifen, eine andere Möglichkeit sah er nicht. Wenn sie geredet hätte, und das hätte sie früher oder später, wäre das sein Ende gewesen.
Warum musste sie sich da auch reinstecken? Wäre sie doch nur nicht auf diese dämliche Idee gekommen, dann wäre das alles nicht passiert.
Also war sie selbst schuld.
Schuld daran, dass sie hier mitten im Wald allerlei Insekten als Nahrungsquelle dienen würde.
***
»Was?« Rüdiger Czaikowski schrie das Wort förmlich heraus. Er saß gemeinsam mit drei Mitarbeitern in seinem Büro und war fassungslos.
Zusätzlichen Stress konnte er überhaupt nicht gebrauchen. Das Speditionsgeschäft war ohnehin die letzten Jahre zu einem nervenaufreibenden Kampf geworden. Den Bestand der achtzehn vorhandenen Fahrzeuge aufrecht zu erhalten war zu einer echten Herausforderung geworden.
Der Betrieb befand sich in dritter Generation im Familienbesitz und dieser Vorteil hatte sich die letzten Jahre ausgezahlt. Ohne die weltweiten Kontakte hätte er schon längst aufgeben müssen.
Den Druck, der zweifellos vorhanden war, versuchte er, nur gemäßigt an seine Angestellten weiterzugeben, wofür unter anderem seine Frau verantwortlich war. Die sorgte für ein gesundes Betriebsklima mit meist motivierten Mitarbeitern, auch unter den Fahrern. Und anders war ein Überleben nicht möglich.
Er war siebenunddreißig Jahre alt und hatte das Geschäft von der Pike auf gelernt, kannte alle Bereiche. Jedes Arbeitsgebiet. Bevor er vor sechs Jahren endgültig die Verantwortung übernahm, saß er sogar selbst für acht Monate hinterm Steuer. Darauf hatte sein Vater bestanden.
Er starrte auf den Ausdruck, den ihm Frau Lange als Beweis über den Tisch geschoben hatte.
»Und da ist kein Irrtum möglich? Das Fahrzeug steht in Kaltenweide?«, fragte er ungläubig in die Runde.
»Bei Kaltenweide, genau genommen«, klärte ihn ein Mitarbeiter namens Mirko Müller auf, der als Logistiker unter anderem für diese Tour zuständig war. »In der Langenhagener Straße.«
»Das ist doch scheißegal ob in oder bei Kaltenweide«, reagierte Czaikowski gereizt. »Das bedeutet ja, dass das Fahrzeug bereits nach wenigen Kilometern abgestellt wurde. - Was ist da los? Warum hat sich der Rutemöller nicht gemeldet? Was kann da passiert sein?«
Rüdiger Czaikowski versuchte, sich zu beruhigen, und griff zu seinem Handy. »Ich werde die Polizei einschalten und Sie, Müller, fahren da hin. - Und nehmen Sie Blasche mit … und einen Bolzenschneider. Ich komme dann gleich nach …, und nichts unternehmen, ehe die Polizei eintrifft. - Was hat er eigentlich geladen?«
»Solarmodule.« Die Antwort kam von Frank Bertram, ebenfalls Logistiker und die vierte Person am Tisch, der hektisch in seinen Unterlagen blätterte. »Und diverse Elektronikteile für Photovoltaik Anlagen. Der hat weit über eine Viertelmillion auf dem Auflieger.«
»Scheiße«, brachte Czaikowski noch hervor, während er die Rufnummer der Polizei eingab.
Er brauchte zwanzig Minuten, in denen er mehrfach die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überschritt und traf daher fast zeitgleich mit seinen Mitarbeitern Jürgen Müller und Bastian Blasche ein. Von der Polizei war noch nichts zu sehen.
Der Sattelzug stand sauber eingeparkt auf dem Behelfsparkplatz an der Langenhagener Straße und machte auf den ersten Blick einen unbeschädigten und unauffälligen Eindruck.
Sie waren kaum aus ihren Fahrzeugen ausgestiegen, als Blasche mit ausgestrecktem Arm auf den Sattelzug deutete und aufgeregt rief: »Da! Das Schloss fehlt!« Er steuerte hektisch auf die Rückwand des Aufliegers und deutete auf eines der Direktspannschlösser, an denen normalerweise ein Vorhängeschloss das Öffnen der Plane verhindern sollte.
Mit wenigen Handgriffen löste er nervös ein paar Spannvorrichtungen und schob die Plane ein Stück nach vorne. »Was … verdammt …«, stotterte er und drehte den Kopf zur Seite.
»Leer! - Der Auflieger ist leer.«
***
Die zweite Oktoberhälfte schenkte der Stadt nochmal ein zusätzliches Hoch, dass Richard Tackert auszunutzen gedachte. Angenehme Temperaturen sorgten am Tage für eine milde Wärme.
In den letzten Wochen hatte der Hauptkommissar eine seltsame Liebe zur Gartenarbeit bei sich entdeckt, die ihm bisher vollkommen fremd war. Und heute war der genau richtige Tag, um weiter voranzukommen.
Als er vor zwei Monaten bei Elisa einzog, die sich überraschend ein kleines Häuschen in Alt-Ricklingen gekauft hatte, gab es natürlich noch etliche Baustellen, sowohl im Haus, wie auch im Garten, denen sie sich nun gemeinsam widmeten.
Aber auch seine Gefühlswelt war zu einer Baustelle geworden.
Es waren über fünfundzwanzig Jahre vergangen, als er das letzte Mal mit jemandem in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebte. Und es waren deutliche Zweifel vorhanden, wie er die Veränderung verarbeiten würde. Aber Elisa schien dessen vollkommen unbeeindruckt und erklärte, dass sie der Wilden Ehe, wie sie zu sagen pflegte, gelassen entgegensah.
»Kaffee