Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne
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Hier liegt die Reihe nun erstmals in einer vom Autor überarbeiteten und ergänzten e-Book-Ausgabe vor. Jedes Abenteuer ist in sich abgeschlossen.
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Book preview
Die Pferdelords 07 - Das vergangene Reich von Jalanne - Michael Schenk
Kapitel 1
Michael H. Schenk
Die Pferdelords 7
- Das vergangene Reich von Jalanne -
Fantasy-Roman
© Überarbeitete Neuauflage Michael Schenk 2020
Vorwort
Die Leserschaft der Serie „Die Pferdelords wird im ersten Roman eine große Nähe zu den Verfilmungen von „Der-Herr-der-Ringe
feststellen. Dies war eine Bedingung des damaligen Verlages, meine auf zwölf Bände festgelegte Reihe überhaupt zu veröffentlichen, da man sich dadurch einen größeren Umsatz versprach. Ich stand also vor der Wahl, nicht veröffentlicht zu werden oder mich dieser Forderung zu stellen. Ich entschied mich für meine „Pferdelords" und nahm einen raschen Genozid an ihren ursprünglich gedachten Feinden, den Walven, vor, um diese durch die Orks zu ersetzen. Man möge mir diesen Eigennutz verzeihen, doch damals war dies der einzige Weg, meine Pferdelords in den Sattel zu heben.
Die Pferdelords bieten detailreiche und spannende Abenteuer, in der die Völker mit ihrer jeweils eigenen Geschichte und Kultur zum Leben erweckt werden. Wem die tatsächlichen oder scheinbaren Wiederholungen von Beschreibungen in den Bänden auffallen, der wird feststellen, dass sie die Entwicklung der Völker und ihrer Siedlungen aufgreifen, denn bei den insgesamt zwölf Bänden handelt es sich um eine Chronologie. Im Lauf der Zeit entsteht aus dem Tauschhandel eine Währung, aus dem schlichten Signalfeuer ein kompliziertes optisches Instrument, man entdeckt das Schießpulver und die Dampfmaschine sowie schließlich sogar das Luftschiff. Man begleitet den Knaben Nedeam, der schon bald als Schwertmann und Reiter und schließlich sogar als Pferdefürst an der Seite seiner Freunde steht. Man begleitet den ehrenhaften Orkkrieger Fangschlag und auch dessen hinterlistigen Gegenspieler Einohr.
Meine Leser begegnen alten und neuen Völkern, doch selbst jenen, die man zu kennen glaubt, gewinne ich manche neue Seite ab.
Es erwartet Sie also eine spannende Saga um mein Pferdevolk und ihre Freunde und Feinde.
Die Pferdelords-Reihe:
Pferdelords 01 – Der Sturm der Orks
Pferdelords 02 – Die Kristallstadt der Zwerge
Pferdelords 03 – Die Barbaren des Dünenlandes
Pferdelords 04 – Das verborgene Haus der Elfen
Pferdelords 05 – Die Korsaren von Um´briel
Pferdelords 06 – Die Paladine der toten Stadt
Pferdelords 07 – Das vergangene Reich von Jalanne
Pferdelords 08 – Das Volk der Lederschwingen
Pferdelords 09 – Die Nachtläufer des Todes
Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes
Pferdelords 11 – Die Schmieden von Rumak
Pferdelords 12 – Der Ritt zu den goldenen Wolken
Mein Dank gilt dem Verlag WELTBILD, der es mir ermöglichte, die von ihm lektorierten Manuskripte für die weiteren Veröffentlichungen als e-Book zu verwenden und so dazu beitrug, dass diese Serie weiterhin im Handel erhältlich ist.
Die vorliegende Neuauflage der e-Books wurde von mir überarbeitet, ohne deren Inhalte zu verändern. Begriffe wurden vereinheitlicht und die Romane durch überarbeitete oder zusätzliche Karten ergänzt.
Viel Lesevergnügen wünscht Ihnen
Michael H. Schenk
Hinweis:
Kapitel 63: Karte der Völker, der Pferdelords-Reihe
Kapitel 64: Detailkarte Der Süden, Jalanne und Lemaria
Kapitel 65: Personenregister
Kapitel 66: Einige Maße und Definitionen
Kapitel 67: Vorschau auf Die Pferdelords 8 – Das Volk der Lederschwingen
»Das Land sieht aus, als sei es von Blut getränkt.«
Der Mann, der dies sagte, trug die blitzende Vollrüstung der
Gardekavallerie des Reiches Alnoa. An seinem Helm steckten zwei hoch
aufragende gelbe Federn. Ein grauer Umhang umhüllte seine Gestalt. Er
reckte sich im Sattel und blickte die Kolonne der hundert Männer entlang, die
er als Hauptmann führte.
Sie hatten auf der Kuppe eines Hügels gehalten und sahen von dort auf die
vor ihnen liegende Ebene. In ihrem Rücken befand sich ein schmaler
Gebirgsgrat, den man auch den Großen Wall nannte. Er grenzte im Süden an
das Hesparat-Gebirge und im Norden an die Schwarzen Berge von Uma’Roll.
Zusammen bildeten diese steinernen Formationen einen natürlichen Schutz
für die Südgrenze des Reiches Alnoa. In das Land hinter der Barriere drangen
die Reiter nun vor.
Es war ein fruchtbares Land voller Schönheit. Der rötliche Boden war
dicht mit Gräsern und Blumen bewachsen. Hügel wölbten sich sanft, und
zahlreiche kleine Bachläufe durchzogen die Ebene auf ihrem Weg zum
mächtigen Fluss Brel. Hier und da erhoben sich kleine Gehölze und weiter im
Süden und Osten standen riesige Wälder. Alles war erfüllt vom Leben der
zahlreichen Tiere, Pflanzen und Insekten. Und doch war dies ein Land des
Todes.
Jalanne.
Einst ein mächtiges Königreich und ein getreuer Verbündeter Alnoas, war
seine Größe nun vergangen und sein Volk zermalmt. Bedrückende
Hinterlassenschaften bezeugten den Niedergang. Kleine Siedlungen und
Gehöfte, die langsam verfielen, Äcker, die nicht mehr bestellt wurden.
Jahrtausendwenden waren seit dem großen Schlachten vergangen, und doch
wirkten viele der Gebäude noch immer seltsam unberührt und einladend.
Aber keiner der Reiter würde eine der Ruinen betreten. Als damals das
schreckliche Blutvergießen geendet hatte, waren die Leiber der Getöteten an
Ort und Stelle zerfallen. Niemand hatte sie bestattet, und überall stieß man auf
ausgebleichte Knochen, nur gelegentlich verhüllt von letzten Überresten der
Bekleidung.
»Ja, Bernot, einst war dieser Boden tatsächlich von Blut getränkt.« Der
Reiter neben dem Hauptmann war kleiner und zierlicher, und die drei Federn
sowie der weiße Saum des Umhangs zeigten seinen höheren Rang. Von
seinem Gesicht war unter dem Helm kaum etwas zu erkennen, doch die
Stimme klang ungewöhnlich weich und leicht spöttisch, als er fortfuhr. »Doch
nun ist es guter roter Boden, Bernot. Fruchtbarer Boden.« Die Stimme wurde
nachdenklich. »Das Einzige, was das vergangene Reich Jalanne hinterlassen
hat. Mögen die Finsteren Abgründe den Schwarzen Lord und seine Brut
verschlingen für das, was sie diesem Land angetan haben.«
Hauptmann Bernot ta Geos wandte sich halb im Sattel um und blickte
erneut zurück. Die Federn der Reiter und die Mähnen und Schweife der
Pferde bewegten sich schwach in der warmen Brise, während das Banner des
Königreiches Alnoa schlaff von seiner Lanze hing. »Wir werden zu spät
kommen.«
»Ja, das werden wir«, stimmte der kleinere Offizier zu. »Wie üblich wird
uns nicht mehr bleiben, als Rache an den Irghil zu nehmen. Kein Trost für die
armen Lemarier, doch vielleicht wird es die Bestien von weiteren Überfällen
auf sie abhalten.«
Bernot ta Geos zuckte zweifelnd die Schultern und gab dann das Zeichen
anzureiten. Unter dem leisen Klirren und Scheppern von Rüstungen und
Waffen zog der Beritt weiter. Die Hügel stiegen sanft an, sodass man eine
gute Sicht hatte, und da die Reiter kampfbereit waren, verzichteten sie auf die
übliche Vorhut und den Flankenschutz. Sie kannten den unbarmherzigen
Feind, der noch immer den Tod über dieses scheinbar friedvolle Land brachte.
Jeder Einzelne der Reiter wäre bereit gewesen zu schwören, dass die
schaurigen Kreaturen weit blutrünstiger und gefährlicher waren als die Orks
des Schwarzen Lords. Bestien, denen keine jener Waffen etwas anhaben
konnte, die sich schon so oft gegen die Rund- und Spitzohren der Finsternis
bewährt hatten.
Sie ritten durch fremdes Gebiet einem grausamen Feind entgegen, und sie
taten es nicht ohne Grund.
Tief im Süden Jalannes gab es einen riesigen See, umgeben von
ausgedehnten Wäldern. Inmitten dieses Sees befand sich die Insel Lemar. Ein
kleines, fruchtbares Eiland, auf dem die Letzten der Jalanne Zuflucht
gefunden hatten. Sie wurden nicht gerne an die einstige Größe ihres Reiches
erinnert und nannten sich schlicht Lemarier. Als kleines Volk von friedlichen
Fischern und Händlern fristeten sie ein karges Dasein. Auf Lemar waren sie
vor den Bestien sicher, die immer wieder durch das Land streiften. Nicht
jedoch auf dem Festland, das sie betreten mussten, um ihre Waren zur Grenze
des Reiches Alnoa zu bringen. Der König Alnoas hatte den Lemariern das
Wohnrecht in seinem Reich angeboten und auch den Schutz der Garde, aber
das Inselvolk war ebenso klein wie eigensinnig.
Meist hatten die Lemarier Glück und gelangten unbehelligt zur Pforte von
Alnoa und zurück auf ihre Insel, doch immer wieder kam es zu
Zwischenfällen. Einer dieser Zwischenfälle war der Grund, warum die
Gardekavallerie aus ihrer Festung ausgerückt war. Ein Händler hatte sich mit
letzter Kraft zu dem Stützpunkt geschleppt und vom Überfall der Bestien auf
seine Gruppe berichtet. Wehrlose Männer, Frauen und auch Kinder, die das
Wagnis der Reise auf sich genommen hatten, waren den Bestien zum Opfer
gefallen.
Die Garde konnte den Überfallenen nicht mehr beistehen, und diese
Gewissheit hatte die Reiter in grimmiges Schweigen gesenkt. Dennoch
mussten sie versuchen, die Täter zu stellen. Es war die einzige Hoffnung, die
Irghil für eine Weile abzuschrecken. Eine schwache Hoffnung, denn die
Bestien würden wiederkommen. So, wie sie es immer taten. Und jedes Mal
würde neues Blut fließen.
Die Gardeabteilung ritt parallel zu der alten südlichen Handelsroute. Diese
führte von der alnoischen Stadt Eolaneris zunächst zur Pforte von Alnoa,
einem Einschnitt zwischen Hesparat-Gebirge und großem Wall, der von der
Festung Maratran geschützt wurde, und von dort weiter ins Land Jalanne. Die
Straße war breit und mit steinernen Platten ausgelegt, von denen viele im
Laufe der Jahre zersprungen waren. Gras und Moos wucherten nun zwischen
den Fugen. Dennoch war der Weg gut zu erkennen. Der Beritt war erfahren
genug, um zu wissen, dass der Feind die Straße im Auge behielt. Daher
wechselte er in unregelmäßigen Abständen die Seite. Das erschwerte es den
Irghil, die Soldaten in einen Hinterhalt zu locken, denn die Kampfverbände
der Bestien waren zu klein, um das Gelände weiträumig abzuriegeln. Aber
auch wenn ihnen ein Hinterhalt gelänge, würden sie sich an den
hartgesottenen Reitern der Gardekavallerie die Klauen ausreißen.
»Wir werden die Opfer wieder mitten auf dem Weg finden«, meinte
Hauptmann Bernot ta Geos leise. »Die Lemarier sind stur und unbelehrbar.
Immer laufen sie direkt auf der Straße. Kein Wunder, dass die Irghil stets so
leichtes Spiel mit ihnen haben.«
Der Kommandeur nickte. »Vergesst aber nicht, dass sie fast ihr ganzes
Leben auf der Insel verbringen. Diese armen Fischer können sich auf dem
Land kaum orientieren. Sie würden sich bestimmt verirren, wenn sie abseits
der Straße liefen.«
Bernot gab ein obszönes Geräusch von sich, das seine Meinung über die
Lemarier deutlicher zum Ausdruck brachte als jedes Wort.
»Dort vorne ist etwas«, rief der Bannerträger halblaut.
Die Handelsstraße verlief in einem leichten Bogen zwischen Hügeln
hindurch. An einer übersichtlichen Stelle der Kurve waren die Umrisse
menschlicher Körper zu erkennen.
Hauptmann Bernot ta Geos ließ seinen Blick über die Landschaft
schweifen. »Gute Stelle für einen Hinterhalt. Die Hügel stehen dicht
beieinander.« Er strich sich kurz über den schmalen Bart, der bei den
Offizieren der Garde so beliebt war. »Flankenschutz raus«, befahl er. »Ich
will nicht überrascht werden, wenn wir uns da unten umsehen.«
Der Offizier mit den drei Federn am Helm schwieg. Er wusste, dass auf
Bernot Verlass war. Der Hauptmann mochte nicht besonders fantasievoll sein,
doch er verstand sein Handwerk. Während einige der Reiter ausschwärmten
und Vorposten bildeten, hielt sich die Hauptmacht des Beritts auf ihrer
Hügelkuppe bereit. Nur eine Handvoll Männer ritt mit dem Kommandeur zur
Straße. Hauptmann ta Geos blieb bei der Truppe und knirschte vernehmlich
mit den Zähnen. Es gefiel ihm nicht, den Vorgesetzten außerhalb seines
Schutzes zu wissen. Aber wenn die Bestien nun erschienen, musste ein
erfahrener Offizier die übrigen Gardisten führen.
Kurz darauf trabte der Kommandeur zurück, und Bernot ta Geos atmete
erleichtert auf, als sein Vorgesetzter das Pferd neben ihm zügelte. »Und?«
»Wie Ihr es befürchtet habt, mein Freund.« Der Kommandeur deutete
bedauernd über die Schulter zurück. »Drei Männer. Keine Frauen oder
Kinder.«
»Der Lemarier sprach aber auch von Kindern und Frauen.«
»Ich weiß, Bernot. Hoffen wir, dass die Irghil sie nicht verschleppt haben.«
»Lebendfutter.« Der Hauptmann erschauerte bei der Vorstellung.
»Verfluchte Bestien. Mögen die Finsteren Abgründe sie alle verschlingen.«
»Die Spuren sind deutlich und weisen nach Osten«, murmelte der
Kommandeur.
Sie kannten sich schon lange, und Bernot wusste die Nuancen in der
Stimme seines Befehlshabers zu deuten. »Die Spuren sind also zu auffällig?
Eine Falle?«
»Ein Köder.«
Bernot nickte. »Dennoch werden wir ihnen folgen?«
»Dennoch werden wir ihnen folgen.«
Der Hauptmann seufzte leise. »Sollen wir erst die Toten bestatten?«
»Nein.«
»Nein?« Bernot schürzte die Lippen. »Das ist nicht … ehrenhaft. Sie
einfach dort liegen zu lassen.«
»Nein, das ist es nicht, mein Freund.« Die Stimme des Kommandeurs
klang wehmütig. »Doch dies ist Jalanne. Das vergangene Reich. Die Toten
würden es nicht anders wollen.«
Der Hauptmann zögerte einen kurzen Moment. Schließlich nickte er und
gab das Zeichen zum Abritt. Die Spur der Bestien war nicht zu übersehen. Je
weiter die Männer nach Osten trabten, desto weniger gefiel dem Offizier
dieser Umstand. Es war zu einfach. Und immer wenn es einfach begann,
endete es beschwerlich.
Kapitel 2
Der Mann wirkte trotz seiner vierunddreißig Jahre jugendlich, solange man
nicht in seine Augen sah. In ihnen lag der Blick eines Menschen, der in
seinem Leben zu viel Leid und Tod erlebt hatte. In den sanften Ausdruck
mischten sich Trauer und Müdigkeit. Fast die ganze Nacht hatte er über
Büchern verbracht und seine Zeichen auf Schriftrollen gesetzt. Nur eine
Brennsteinlampe hatte etwas Licht und Wärme gespendet, und nun, da der
Mann seine Arbeit getan hatte, seufzte er leise und blickte von seinem
Schreibtisch auf. Er wirkte fast ein wenig überrascht, als er in den Fenstern
den ersten Schimmer des Morgenrots sah. Mechanisch drehte er an der
Stellschraube, die die Abdeckung der Lampe über das Brennbecken senkte,
und der sanfte gelbe Schein erlosch.
Gegenüber dem Schreibtisch war ein leises Knarren zu hören, als sich eine
Gestalt in einem der gepolsterten Lehnstühle bewegte. Ein goldener Stirnreif
mit dem Symbol des Pferdevolkes blitzte auf im Licht des heraufbrechenden
Morgens, und ein ebenmäßiges Antlitz, umrahmt von langen blonden Locken,
wandte sich dem Mann zu. Die Hohe Dame Larwyn, Witwe des Pferdefürsten
Garodem und Mitregentin der Hochmark, war noch immer eine
bemerkenswert schöne Frau. Ihre Augen waren im Schatten verborgen, als sie
Nedeam ansah, und ihre Stimme klang sanft. »Fertig, Hoher Herr?«
Nedeam, Erster Schwertmann der Hochmark und Befehlshaber ihrer
Pferdelords, lächelte müde. »Nennt mich nicht so, Hohe Dame. Es ist mir
lieber, wenn Ihr mich weiterhin mit meinem Namen anredet.«
»Ich nenne Euch weit mehr, Nedeam.« Larwyn beugte sich leicht vor, und
ihr lächelndes Gesicht tauchte nun ganz in das Licht des Morgens. »In den
letzten drei Jahreswenden habt Ihr Euch als guter Freund erwiesen. Ihr steht
mir und der Mark getreu zur Seite. Garodem wäre stolz auf Euch.«
In den letzten Worten schwang Trauer mit. Sie vermisste ihren Gemahl
Garodem und sorgte sich um Garwin, ihren Sohn, der so wenig nach dem
Vater geraten war. Nedeam hatte sich lange gefragt, warum die Hohe Dame
so oft in der Nacht in den Amtsraum des Pferdefürsten kam, obwohl sie nur
selten das Gespräch mit ihm suchte. Inzwischen wusste er es. Der Erste
Schwertmann richtete sich auf und erhob sich hinter dem Schreibtisch.
Nachdenklich strich seine Hand über das alte Holz. Garodems Schreibtisch in
Garodems altem Amtsraum. Alles hier atmete noch immer seine Gegenwart,
obwohl nun offiziell Garwin an diesem Ort regierte. Der junge Pferdefürst
war keineswegs erfreut gewesen, als Larwyn dem Ersten Schwertmann die
Erlaubnis gegeben hatte, den Raum uneingeschränkt zu nutzen.
Zähneknirschend hatte Garwin sich dem Argument seiner Mutter gebeugt,
dass sie sich gelegentlich mit Nedeam besprechen müsse und man ihr
schwerlich zumuten könne, dafür dessen kleine Kammer aufzusuchen.
»Ich vermisse den Hohen Lord«, gestand der Erste Schwertmann ein. Es
war klar, dass er damit nicht Garwin meinte. »Es war ein weiter Weg vom
Wolltierzüchter zum Ersten Schwertmann der Mark. Ein beschwerlicher Weg,
und manchmal weiß ich nicht, ob ich nicht besser auf dem Gehöft meines
Vaters geblieben wäre.« Er deutete auf den Schreibtisch. »Das Arbeiten mit
Büchern und das Setzen und Deuten der Zeichen liegen mir nicht besonders.«
»Ihr hattet gute Fürsprecher, Nedeam, und Ihr habt sie immer noch.« Auch
Larwyn erhob sich nun und seufzte leise, als sie sich nach dem langen Sitzen
streckte. »Tasmund, den braven Mann Eurer Mutter Meowyn, Euren
Vorgänger als Ersten Schwertmann. Kormund, den bewährten Scharführer.
Und vergesst nicht Euren Freund Dorkemunt, den kleinen Pferdelord. Sie alle
schlugen Euch vor, und mein Gemahl hat ihnen von Herzen zugestimmt.«
Garodem hatte die Hochmark einst gegründet. Nun war er seit drei Jahren
tot. Nicht ruhmreich in der Schlacht gefallen, sondern auf einer Treppe zu
Tode gestürzt. Ein sinnloses Ende, aber die Menschen des Pferdevolkes
hatten Garodems Tapferkeit immer geachtet und wussten, dass er nun in allen
Ehren zwischen den Goldenen Wolken ritt.
»Ich bin dankbar für dieses Vertrauen, Hohe Dame, und ich weiß, dass die
Versammlung der Schwertmänner meiner Wahl bereitwillig zugestimmt hat.