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Die Pferdelords 03 - Die Barbaren des Dünenlandes
Die Pferdelords 03 - Die Barbaren des Dünenlandes
Die Pferdelords 03 - Die Barbaren des Dünenlandes
Ebook1,092 pages59 minutes

Die Pferdelords 03 - Die Barbaren des Dünenlandes

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About this ebook

Mit der zwölfteiligen Saga um die Pferdelords entsteht die faszinierende Chronologie eines Reitervolkes. Im Verlauf der Abenteuer entwickeln sich Kultur und Technik der beteiligten Völker, vom einfachen Signalspiegel hin zum optischen Präzisionsinstrument, der Dampfmaschine und, im letzten Abenteuer, sogar dem Luftschiff. Die Pferdelords begegnen bestehenden und untergegangenen Königreichen, den Elfen des Waldes und denen der See, Zwergen, Sandbarbaren, fliegenden Lederschwingen und krebsartigen Irghil, immer wieder bedroht von den Orks des schwarzen Lords und seinen gestaltwandlerischen Magiern. Die Pferdelords lassen eine faszinierende Welt entstehen und unterhalten mit Action, Spannung und Humor.
Hier liegt die Reihe nun erstmals in einer vom Autor überarbeiteten und ergänzten e-Book-Ausgabe vor. Jedes Abenteuer ist in sich abgeschlossen.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateJan 20, 2020
ISBN9783750221437
Die Pferdelords 03 - Die Barbaren des Dünenlandes

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    Die Pferdelords 03 - Die Barbaren des Dünenlandes - Michael Schenk

    Kapitel 1

    Michael H. Schenk

    Die Pferdelords 3

    - Die Barbaren des Dünenlandes -

    Fantasy-Roman

    © Überarbeitete Neuauflage Michael Schenk 2020

    Vorwort

    Die Leserschaft der Serie „Die Pferdelords wird im ersten Roman eine große Nähe zu den Verfilmungen von „Der-Herr-der-Ringe feststellen. Dies war eine Bedingung des damaligen Verlages, meine auf zwölf Bände festgelegte Reihe überhaupt zu veröffentlichen, da man sich dadurch einen größeren Umsatz versprach. Ich stand also vor der Wahl, nicht veröffentlicht zu werden oder mich dieser Forderung zu stellen. Ich entschied mich für meine „Pferdelords" und nahm einen raschen Genozid an ihren ursprünglich gedachten Feinden, den Walven, vor, um diese durch die Orks zu ersetzen. Man möge mir diesen Eigennutz verzeihen, doch damals war dies der einzige Weg, meine Pferdelords in den Sattel zu heben.

    Die Pferdelords bieten detailreiche und spannende Abenteuer, in der die Völker mit ihrer jeweils eigenen Geschichte und Kultur zum Leben erweckt werden. Wem die tatsächlichen oder scheinbaren Wiederholungen von Beschreibungen in den Bänden auffallen, der wird feststellen, dass sie die Entwicklung der Völker und ihrer Siedlungen aufgreifen, denn bei den insgesamt zwölf Bänden handelt es sich um eine Chronologie. Im Lauf der Zeit entsteht aus dem Tauschhandel eine Währung, aus dem schlichten Signalfeuer ein kompliziertes optisches Instrument, man entdeckt das Schießpulver und die Dampfmaschine sowie schließlich sogar das Luftschiff. Man begleitet den Knaben Nedeam, der schon bald als Schwertmann und Reiter und schließlich sogar als Pferdefürst an der Seite seiner Freunde steht. Man begleitet den ehrenhaften Orkkrieger Fangschlag und auch dessen hinterlistigen Gegenspieler Einohr.

    Meine Leser begegnen alten und neuen Völkern, doch selbst jenen, die man zu kennen glaubt, gewinne ich manche neue Seite ab.

    Es erwartet Sie also eine spannende Saga um mein Pferdevolk und ihre Freunde und Feinde.

    Die Pferdelords-Reihe:

    Pferdelords 01 – Der Sturm der Orks

    Pferdelords 02 – Die Kristallstadt der Zwerge

    Pferdelords 03 – Die Barbaren des Dünenlandes

    Pferdelords 04 – Das verborgene Haus der Elfen

    Pferdelords 05 – Die Korsaren von Um´briel

    Pferdelords 06 – Die Paladine der toten Stadt

    Pferdelords 07 – Das vergangene Reich von Jalanne

    Pferdelords 08 – Das Volk der Lederschwingen

    Pferdelords 09 – Die Nachtläufer des Todes

    Pferdelords 10 – Die Bruderschaft des Kreuzes

    Pferdelords 11 – Die Schmieden von Rumak

    Pferdelords 12 – Der Ritt zu den goldenen Wolken

    Mein Dank gilt dem Verlag WELTBILD, der es mir ermöglichte, die von ihm lektorierten Manuskripte für die weiteren Veröffentlichungen als e-Book zu verwenden und so dazu beitrug, dass diese Serie weiterhin im Handel erhältlich ist.

    Die vorliegende Neuauflage der e-Books wurde von mir überarbeitet, ohne deren Inhalte zu verändern. Begriffe wurden vereinheitlicht und die Romane durch überarbeitete oder zusätzliche Karten ergänzt.

    Viel Lesevergnügen wünscht Ihnen

    Michael H. Schenk

    Hinweis:

    Kapitel 65: Karte der Völker, der Pferdelords-Reihe

    Kapitel 66: Detailkarte Das Dünenland

    Kapitel 67: Personenregister

    Kapitel 68: Einige Maße und Definitionen

    Kapitel 69: Vorschau auf Die Pferdelords 4 – Das verborgene Haus der Elfen

    In der Vergangenheit des Pferdevolkes…

    »Sie werden sterben.« Helrund stampfte mit dem Fuß auf den Boden der

    Wehrmauer, und eine kleine Wolke Staub wirbelte auf. Sein Nebenmann, der

    stämmige Palwin, folgte seinem Blick und lächelte schwach.

    »Dafür werden unsere Lanzen und Schwerter wohl nicht reichen.«

    »Ich meine nicht die Barbaren, guter Herr Palwin.« Helrund seufzte und

    musterte den Wald, der die Stadt Tarsilan wie ein riesiger Gürtel umgab. »Ich

    meine die Bäume. Der Sand wird sie ersticken und töten.«

    »So wie die Barbaren uns töten werden«, stimmte Palwin zu. Der

    stämmige Pferdelord musste blinzeln, als ein Windstoß Sand in seine Augen

    trieb. Instinktiv legte er die lange Stoßlanze in die Armbeuge, wischte sich

    über das Gesicht und stieß ein grimmiges Knurren aus. »Sie sind ebenso

    zahlreich wie die Sandkörner.«

    Noch immer nahm der Wald eine gewaltige Fläche ein. Die Stämme der

    Bäume waren riesig, und die zahllosen Blätter schimmerten in den

    verschiedensten Grüntönen. Aber die Veränderung war nicht zu übersehen.

    Wo einst Moose und Wildblumen den Boden bedeckten, schob sich nun ein

    Meer von Sand zwischen den Bäumen hindurch. Unaufhaltsam

    vorwärtsdrängend, würde es die Stadt bald erreicht haben. Es würde die

    Bäume des Waldes ersticken und irgendwann auch die Stadt unter sich

    begraben. Der Sand kam von Norden her, und mit ihm waren auch die

    Menschen des Sandvolkes gekommen, die schon bald zum Angriff übergehen

    würden.

    Immer wieder huschten Reihen ihrer Krieger wie Wellen zwischen den

    Bäumen hindurch auf die Stadtmauer Tarsilans zu und sammelten sich am

    Rand des sterbenden Waldes. Welle auf Welle wuchs ihre Streitmacht zu

    einer gewaltigen Woge heran, die schon bald über die Stadt und ihre

    Menschen hereinbrechen und sie verschlingen würde.

    »Wir werden die Mauer nicht mehr lange halten können«, sagte Helrund

    und blickte die Mauerkrone entlang.

    »Nein, nicht mehr lange.« Palwin spuckte aus, und sein Speichel mischte

    sich mit dem allgegenwärtigen Sand. »Wir werden sie aufgeben und uns

    zurückziehen müssen. Doch bevor das geschieht, werden wir unsere Lanzen

    in die Leiber der verfluchten Barbaren senken. Mögen die finsteren Abgründe

    den Sand und seine Krieger verschlingen.«

    Die Wehrmauer umgab die in konzentrischen Ringen errichteten Häuser

    Tarsilans und wirkte mächtig und unbezwingbar, aber es gab einfach zu

    wenige Männer, um die Stadt verteidigen zu können. In viel zu weiten

    Abständen standen sie entlang der Mauer hinter den Zinnen. Die meisten von

    ihnen trugen die grünen Umhänge der Pferdelords, doch einige waren in den

    braunen Stoff der einfachen Stadtbewohner gehüllt. Auch neben Helrund und

    Palwin stand ein solcher Mann, den die beiden Pferdelords mit Argwohn

    betrachteten. Es lag nicht einmal an ihm selbst, denn immerhin gehörte er

    dem Pferdevolk an. Doch in seinen Händen hielt er Waffen, welche die

    beiden erfahrenen Kämpfer zutiefst verabscheuten.

    »Es ist nicht recht, dem Feind mit Pfeil und Bogen zu begegnen«, brummte

    Palwin. »Man muss ihm im Sattel begegnen und die Lanze mit festem Stoß in

    seinen Leib senken. Von Angesicht zu Angesicht.« Er spuckte erneut aus.

    »Ihn aus der Ferne mit dem Pfeil abzuschlachten, hat keine Ehre.«

    Der Mann im braunen Umhang erwiderte Palwins Blick und verzog das

    Gesicht. »Ihr werdet Euch schon bald wünschen, es gäbe mehr von meiner

    Art auf der Mauer, guter Herr Pferdelord.«

    Palwin stieß ein obszön klingendes Geräusch aus. »Den Pfeil in einen

    Pelzbeißer oder eine Raubkralle zu senken, das ist Euer ehrliches Handwerk,

    Herr Jäger. Aber einen Krieger aus der Ferne zu morden, das hat keine Ehre.

    Nein, die hat es nicht.«

    »Sagt das den Barbaren des Sandvolkes, Herr Pferdelord«, erwiderte der

    Jäger wütend. »Auch sie töten aus der Ferne. Ihr kennt ihre merkwürdigen

    Rohre, die sie an den Mund legen und mit denen sie ihre scharfen Stacheln

    verschießen. Schon mancher Pferdelord wurde durch sie vom Pferd geholt.«

    »Wie auch immer, es hat keine Ehre«, knurrte Palwin.

    Helrund legte seine Hand beschwichtigend auf die Schulter seines

    Kampfgefährten. »Streitet nicht. In diesem Moment stehen wir vereint,

    Schulter an Schulter. Ich gebe Euch recht, mein guter Herr Palwin, es wäre

    ehrenhafter, dem Feind auf dem Rücken unserer Pferde zu begegnen, die

    Stoßlanze fest in der Hand. Aber selbst der König sagt, dass eines Tages

    womöglich gar die Pferdelords mit Pfeil und Bogen kämpfen.«

    »Niemals«, erwiderte Palwin entschieden. »Kein wahrer Pferdelord würde

    diese Waffen verwenden, um den Feind so ehrlos abzuschlachten.«

    »Die Ehre, die Ehre«, zischte der Jäger. »Wo war sie denn, als die

    Barbaren in unser Land einfielen, unsere Weiler überrannten und Frauen und

    Kinder abschlachteten? So wahr ich Otan aus dem Grüntalweiler heiße, ich

    bin ein guter Jäger, Ihr Herren Pferdelords, und solange noch Kraft in meinen

    Armen ist und Pfeile in meinem Köcher sind, werde ich ihre Spitzen in die

    Leiber der Mörder senken.«

    Helrund nickte und lächelte versöhnlich. »Wohl gesprochen, guter Herr

    Otan.« Er klopfte Palwin auf die Schulter. »Und er hat recht, mein Freund,

    wir werden uns bald wünschen, mehr Jäger auf der Mauer zu haben, die ihre

    Pfeile auf den Feind schießen können.«

    »Dennoch sollten wir ihm gebührend entgegentreten. Auf dem Rücken der

    Pferde und mit vorgereckter Lanze.« Palwin grinste. »So wie wir uns das

    erste Mal begegnet sind, Helrund, mein Freund.«

    Helrund erwiderte das Lächeln. »Ich kann mich noch gut daran erinnern,

    guter Herr Palwin. Der Kampf um die Herde des Grausteinweilers, bei dem

    Ihr mir Eure Lanze in die Schulter rammtet. Ein guter Stoß, noch immer

    schmerzt die Narbe, wenn das Wetter umschlägt.«

    »Heute wird mein Schild Euch decken, guter Herr Helrund.« Palwin

    schüttelte die Stoßlanze in seiner Hand. »Und mein Stahl wird den Feind von

    der Mauer stoßen.«

    »Wir haben dem Feind nicht viel Stahl entgegenzusetzen«, seufzte

    Helrund. »Die Hälfte der Wache des Königs und die Menschen der Weiler

    sind auf dem Weg zur Grenze, um eine neue Heimat zu finden. Unsere

    Reihen sind dünn besetzt.« Er zuckte die Schultern. »Immerhin stehen wir

    nun geeint Seite an Seite, alter Freund.« Helrund blickte über die Mauer auf

    die sich sammelnden Barbaren des Sandvolkes. »So haben wir den Barbaren

    auch etwas Gutes zu verdanken.«

    Noch vor wenigen Jahreswenden waren die Clans des Pferdevolkes

    verstreut gewesen und kämpften untereinander um Herden und Weidegründe.

    Als dann die Barbaren des Sandvolkes aus dem Norden herandrängten, waren

    einzelne Weiler des Pferdevolkes eine leichte Beute und wurden einfach

    überrannt. Doch in der Zeit der höchsten Not, als alles verloren schien, war

    wie aus dem Nichts ein Mann aufgetaucht und hatte die Wende

    herbeigebracht.

    Wer ihn von Ferne sah, war wenig beeindruckt, denn der Mann wirkte

    schmächtig und unscheinbar, aber aus der Nähe erkannte man das Feuer, das

    in seinen Augen brannte. Mit Überredungskunst und Waffengewalt einte er

    die Clans und wurde schließlich der erste König des Pferdevolkes. Fast schien

    es, als könne das Volk mit vereinter Kraft den Barbaren widerstehen, aber es

    gab zu viele von ihnen, und viele tapfere Pferdelords fielen unter den

    Stachelpfeilen des Feindes, noch bevor sie ihm Angesicht zu Angesicht

    gegenüberstanden.

    Noch bot das Pferdevolk dem Gegner die Stirn, aber es war abzusehen,

    dass der Widerstand bald brechen würde. Erneut war es der König, der einen

    Ausweg fand, doch um das Überleben seines Volkes zu ermöglichen, mussten

    die Stadt Tarsilan und ihre Einwohner geopfert werden.

    »Sie müssten die Grenze in einem Zehntag erreichen«, murmelte Helrund

    und blickte nach Osten. »Dann sind sie der Gefahr entronnen.«

    »Sie werden auf neue Gefahren treffen«, stellte Palwin trocken fest.

    »Die Streitmacht ist stark. Zweitausend Lanzen der Wache des Königs und

    die Männer der Weiler, die ebenfalls zu kämpfen verstehen. Sie werden die

    Frauen und Kinder beschützen und für unser Volk eine neue Heimat finden.«

    Helrund lächelte. »Und sie sind schnell, denn sie haben all unsere Pferde bei

    sich.«

    »Die Herden und Wagen werden sie aufhalten.«

    Helrund nickte. »So wie unsere Lanzen und Schilde die Barbaren an

    Tarsilans Stadtmauer aufhalten werden.«

    Es war dem Pferdevolk nicht leichtgefallen, dem Befehl des Königs zu

    folgen und die alte Heimat mit ihren fruchtbaren Weiden und ausgedehnten

    Wäldern zu verlassen. Aber Sand und Barbaren rückten gleichermaßen vor,

    und das Ende der gedeihlichen Zeit war abzusehen. Nun würden die

    Angehörigen des Pferdevolkes im Osten eine neue Heimat suchen, während

    die Verteidiger Tarsilans den Feind aufhielten, um den Flüchtenden Zeit zu

    verschaffen.

    Unten, im Zentrum der Stadt, erklang ein Horn, dessen Signal von anderen

    Hörnern aufgenommen wurde. Es rief die Verteidiger zu den Waffen, doch

    wer eine solche trug, befand sich längst auf der Mauer.

    »Sie kommen«, knurrte Palwin. »Der Ring um die Stadt ist geschlossen,

    und nun greifen sie an. Wir werden nicht lange standhalten können.«

    Helrund löste seine Hand von der Schulter des Freundes und fasste Lanze

    und Schild fester. »Angst vor dem Ritt zu den Goldenen Wolken, alter

    Freund?«

    Was eine Beleidigung für einen wahren Pferdelord hätte sein können, löste

    bei Palwin nur ein leises Lachen aus. »Es wird ein wahrhaft ruhmreicher Ritt

    werden, alter Freund. Die Barbaren werden ihn noch lange in Erinnerung

    behalten.«

    »Das werden sie.« Hinter ihnen, an einem anderen Mauerabschnitt, ertönte

    bereits Kampflärm, und nun setzten sich auch die Barbaren am Waldrand

    ihnen gegenüber in Bewegung. Helrund spuckte aus und befeuchtete seine

    trockenen Lippen. »Wir müssen so viele wie möglich von ihnen töten. Jeder

    Stoß gibt unserem Volk ein wenig mehr Zeit, die neue Heimat zu finden.«

    Otan stieß einen warnenden Ruf aus, und die beiden Pferdelords hoben

    instinktiv ihre grünen Rundschilde. Mit leisem Pochen schlugen Stachelpfeile

    in das Holz. Währenddessen spannte Otan die Sehne seines Jagdbogens und

    begann seine Pfeile zu lösen. Doch es war ein einseitiges Duell zwischen den

    wenigen Jägern auf Tarsilans Mauer und den Barbaren, die sie berannten.

    Jeder Pfeil wurde von Hunderten scharfer Stacheln beantwortet, und Helrund

    und Palwin mühten sich redlich, den fluchenden Jäger zu decken, der damit

    beschäftigt war, seine Pfeile in schneller Folge auf den Feind zu schießen.

    Einige wenige Barbaren stürzten, aber die anderen drangen unaufhaltsam vor.

    Schließlich stieß Otan einen leisen Schrei aus und kippte hintenüber.

    Helrund sah noch einen Stachelpfeil aus dem Auge des Jägers ragen, bevor

    dieser haltlos von der Mauer stürzte. Er sah seinen Kampfgefährten Palwin

    grimmig an und lauschte dem Schaben und Kratzen unter ihnen an der Mauer.

    »Bald werden sie über die Brüstung kommen. Sie legen bereits die Leitern an.

    Dann werden wir dem Tod ins Auge sehen, alter Freund.«

    Palwin lächelte. »Und sie unserem Stahl, alter Freund. Mögen die

    Legenden noch lange unseren Ritt zu den Goldenen Wolken besingen.«

    Die beiden Pferdelords standen geduckt auf der Mauer, und als die ersten

    Barbaren zwischen den Zinnen erschienen, zuckten ihre Lanzen vor und

    stießen die Angreifer in den Tod. Die flinken Augen und geübten Reflexe der

    beiden Kämpfer führten ihre Handlungen. Sich gegenseitig mit den Schilden

    deckend, töteten sie jeden, der sich vor ihnen zeigte, und so gelangte keiner

    der heraufkletternden Barbaren auf die Mauer.

    Aber rechts und links der beiden Kämpfer gab es viele ungedeckte Zinnen,

    an denen bald schon die ersten Krieger des Sandvolkes auf den Wehrgang

    sprangen und schreiend mit erhobenen Schädelkeulen auf die beiden

    Pferdelords zurannten. Rücken an Rücken stellten sich Helrund und Palwin

    nun ihrem letzten Kampf.

    Unten in der Stadt bliesen erneut die Hörner, welche die Verteidiger von

    der Mauer zurück in die Stadt riefen. In deren Zentrum, dort, wo sich der neue

    Königspalast erhob, würde sich der Erste König des Pferdevolkes mit der

    verbliebenen Hälfte seiner königlichen Wache dem letzten Kampf stellen.

    Unter seinem Banner würden sie dort sterben, doch ihr Tod würde das

    Überleben des restlichen Volkes sichern. Gemeinsam mit dem König würden

    auch die letzten Verteidiger fallen, ebenso wie jene ihrer Frauen und Kinder,

    die sich entschlossen hatten, an ihrer Seite zu sterben.

    Helrund und Palwin erlebten diesen letzten Kampf nicht mehr. Die

    erdrückende Übermacht der Barbaren überwältigte sie schließlich. Doch als

    sich das Blut der toten Pferdelords auf der Mauer Tarsilans vermischte, war es

    wie ein Symbol für die erst vor Kurzem erfolgte Vereinigung des

    Pferdevolkes.

    Nur an wenigen Stellen der Mauer wurde noch gekämpft, und nur wenigen

    Verteidigern gelang es, sich zum Zentrum und zum Königsplast

    zurückzuziehen. Sie wichen langsam und kämpfend zurück und ließen den

    Feind dicht folgen. Auf dem großen Platz, auf dem sich der Palast erhob,

    stellten sie sich unter dem Banner des Königs dem Gegner, dessen Vorhut mit

    Triumphgeheul auf sie einstürmte.

    Nochmals zeigte sich die Zähigkeit des Pferdevolkes, als aus den Häusern

    im Rücken des Feindes eine kleine Schar Kämpfer hervorbrach, begleitet von

    den Frauen, die sich nicht nur darauf verstanden, Wunden zu heilen, sondern

    diese auch dem Feind geschickt zuzufügen wussten. Männer und Frauen

    starben massenhaft, nur die letzten Überlebenden zogen sich in den Palast

    zurück.

    Irgendwann erstarb der Kampflärm, und Stille senkte sich über die Stadt

    Tarsilan. Die Krieger des Sandvolkes hatten gesiegt, aber einen hohen Preis

    dafür bezahlt. Sie hatten keine Zeit, ihre Toten zu beklagen, ehrten sie jedoch

    gemäß ihrer Tradition, bevor sie sich eilig nach Osten wandten, wohin die

    Menschen des Pferdevolkes geflohen waren. Man durfte sie nicht entkommen

    lassen, denn womöglich würde sich das Volk bald erholen und eines Tages

    Vergeltung suchen. Also würde man den Pferdemenschen folgen und auch die

    letzten Schädel nehmen.

    Die Krieger des Sandvolkes nahmen den schnellen Schritt auf, der typisch

    für ihre Clans war. Sie waren entschlossen, die Menschen des Pferdevolkes

    noch vor der Grenze einzuholen. Diese führten auf der Flucht ihre Kinder, die

    Alten und Kranken, ihre Herden und das nötigste Hab und Gut mit sich. Sie

    würden nur langsam vorankommen, trotz all der Pferde, die sie dabeihatten.

    Der Führer der Clans wusste, dass die Fliehenden von den letzten Männern

    der königlichen Wache begleitet wurden. Doch das waren nicht mehr viele,

    vielleicht gerade einmal zweitausend Lanzen.

    Der Führer des Sandvolkes behielt recht. Sie holten die Fliehenden an der

    Grenze ein, und tatsächlich waren es nicht mehr als zweitausend der

    Pferdelords. Aber diese hier waren beritten.

    Hinter den Barbaren blieb die ausgelöschte Stadt Tarsilan zurück. Der

    Sand begrub die Wälder und die Stadt unter sich; er bedeckte gnädig den Ort

    des Todes, um ihn eines Tages wieder freizugeben.

    Kapitel 2

    In der Gegenwart des Pferdevolkes…

    Es war ein sanfter und warmer Wind, kaum mehr als ein Hauch, der

    unmerklich von Westen nach Osten strich und nicht erahnen ließ, zu welchem

    Sturm er anwachsen und welche Gewalt er bringen konnte. Der Wind

    bewegte die langen grünen Umhänge, welche die Schultern der Reiter

    bedeckten. Diese standen in langen Reihen, eine hinter der anderen, und

    blickten nach Osten, dorthin, wo sich hinter steilen Gebirgszügen die neue

    Heimat des Pferdevolkes erstreckte.

    Zweitausend Reiter sahen ihr entgegen, doch keiner von ihnen würde sie

    jemals erreichen.

    Die ausgeblichenen Umhänge waren verschlissen und verfallen, so wie das

    Fleisch der Reiter und ihrer Pferde längst verfallen war. Hölzerne Stützen

    hielten Mann und Ross aufrecht und vermittelten den Eindruck von Leben,

    wo schon so viele Jahre kein Leben mehr war.

    Der Wind ließ Rüstungsteile und Knochen aneinanderschlagen und rief ein

    leises Klappern hervor, als pochten die Hufe der Pferde noch über den Sand,

    als schlügen die Reiter noch immer kampfeswillig die Waffen gegen ihre

    grünen Rundschilde. Der Wind und der Sand des Dünenlandes forderten ihren

    Tribut. Sie hatten die Knochen von den Sehnen gelöst, und ausgebleichtes

    Gebein lag zwischen den Reihen der Reiter am Boden. Es wurde vom Sand

    bedeckt, den der Wind herantrug, und von der nächsten Windbewegung

    wieder freigelegt.

    Die Toten trugen ihre Helme, an denen noch die Reste stolzer

    Rosshaarschweife zu erkennen waren. Aber diese Helme bedeckten keine

    Köpfe mehr, sondern steckten auf kurzen Stangen, denn jene, die den Reitern

    einst das Leben raubten, hatten den Toten auch die Schädel genommen, als

    Zeichen des Triumphes über die Männer mit den grünen Umhängen.

    Die Toten waren Pferdelords und gehörten einst der Wache des Ersten

    Königs an. Sie hatten die Grenzen des Pferdevolkes bewacht und das Volk

    beschützt. Nun hatte ihr Volk eine andere Heimat gefunden, aber die Tote

    Wache des Königs hielt noch immer die alte Grenze.

    Kapitel 3

    Die alten Lieder wussten zu berichten, dass die Menschen des Sandes einst in

    festen Städten lebten. In Städten mit Häusern und Mauern aus Stein. Aber es

    waren sehr alte Lieder, und kaum ein Angehöriger des Sandvolkes konnte

    sich vorstellen, dass es tatsächlich jemals so gewesen sein sollte. Seit Urzeiten

    schon waren ihre Heimstätten beweglich, um dem wechselnden Wüstenwind

    trotzen und dem Sturm weichen zu können. Die Städte des Volkes hatten

    keine Häuser und keine Mauern und auch keine Namen. Sie waren

    Heimstätten und wurden nach den Clans benannt, die sie bewohnten. Die

    Heimstatt des Nagerclans war typisch für die Zeltstädte des Nomadenvolkes.

    Das Erste, was man von einer Heimstatt erblickte, waren die

    Aussichtsplattformen, die sich auf einem geschälten Pfahl erhoben. Es waren

    hohe und starke Pfähle, die man aus Bäumen gefertigt hatte und von denen

    ein jeder mit Blut bezahlt worden war, denn im Land des Sandvolkes gab es

    keine Bäume und schon gar keine Wälder. Man musste das kostbare Holz aus

    den Ländern anderer Völker holen. Aber das Sandvolk hatte nicht viel, mit

    dem sich handeln ließ, und so nahm es sich mit Gewalt, was es brauchte.

    Manchmal gelang dies ohne Blutvergießen, manchmal brachte man

    gegnerische Schädel für diese Kämpfe, manchmal musste man eigene

    zurücklassen. Der Preis dafür – die hohen Pfähle – wurde sorgsam gepflegt

    und mit den Zeichen der Krieger versehen, die um sie gekämpft hatten.

    Die Plattformen dienten dazu, die Annäherung eines Gegners zu erkennen,

    doch der Hauptfeind des Sandvolkes bewegte sich nicht auf der Erde, sondern

    darunter.

    Sandwürmer sahen nicht besonders gut, und das brauchten sie auch nicht,

    da sie im Wüstensand tief unter der Oberfläche lebten und nur nach oben

    kamen, wenn sie etwas Fressbares entdeckt hatten. Sie nahmen Vibrationen

    im Boden noch über große Entfernungen wahr, wobei sie besonders auf

    gleichförmige Erschütterungen reagierten, wie Lebewesen sie bei der

    Fortbewegung erzeugten. Ein Angehöriger des Sandvolkes lernte daher früh,

    seine Füße in veränderlichem Rhythmus aufzusetzen.

    Aber auch die Sandwürmer riefen Vibrationen hervor, wenn sie sich unter

    der Oberfläche hindurchwühlten, und genau das machte man sich bei den

    Plattformen zunutze. Denn auf ihnen erhoben sich Stangen mit dünnen

    Metallplatten, die zu schwingen und zu klirren begannen, sobald sich ein

    Sandwurm näherte. Und da die Plattformen mit Bedacht immer viele Längen

    vor der Heimstatt errichtet wurden, hatten deren Bewohner im Falle eines

    Alarms genug Zeit, um sich auf den Wurm vorzubereiten.

    Es gab nicht viel, was ein Angehöriger des Sandvolkes gegen einen

    Sandwurm aufzubieten hatte. Da war zum einen die Schnelligkeit seiner Füße

    und zum anderen das Gift des Sandstechers, das allerdings eine bestimmte

    Stelle im gewaltigen Maul des Wurms erreichen musste. Es war nicht leicht,

    einen vergifteten Pfeilstachel in diese Stelle hineinzutreiben, und so versuchte

    das Sandvolk lieber, dem Wurm rechtzeitig zu weichen oder seine

    Aufmerksamkeit erst gar nicht zu erregen.

    Ein Sandwurm verfügte neben seinem Vibrationssinn über die Fähigkeit,

    eine Wärmequelle an der Oberfläche auszumachen, und so entfachte kein

    Angehöriger des Sandvolkes ein Feuer direkt am Boden. Aus diesem Grund

    erhoben sich auch die Wohnstätten der Clans auf Pfählen über dem

    Wüstenboden. Das dazu benötigte Holz war jedoch einfacher zu erhalten,

    denn die verwendeten Pfähle durften kürzer sein, und für die

    Bodenplattformen der Häuser genügten sogar sorgsam gebundene

    Knüppelhölzer. Die Feuer wurden stets klein gehalten, doch konnte man nicht

    ganz auf sie verzichten, denn man musste kochen und brauchte in den eisigen

    Wüstennächten auch eine Wärmequelle. Als Brennstoff wurden die reichlich

    vorhandenen und schnell nachwachsenden Stachelpflanzen genutzt.

    Aus deren Fasern wurden auch die halbkugelförmigen Zelte gefertigt, die

    auf den Pfahlplattformen standen und als Behausung für die Menschen

    dienten. Die Fasern wurden von den Frauen zugeschnitten, sorgfältig weich

    gekaut und danach zu dicken Strängen geflochten, wodurch die Zelte

    überraschend dicht waren und gut vor Wind und Sand schützten, sofern man

    den Eingang sorgsam mit einem Fell oder einer Lederhaut bedeckte. Das bei

    einem Regensturm herabstürzende Wasser ließ die getrockneten

    Pflanzenfasern ungeheuer schnell aufquellen, sodass sie das Zeltdach

    zuverlässig abdichteten.

    In der Mitte jedes Hauszeltes erhob sich eine Steinplatte, auf der gekocht

    und geheizt wurde und über der sich ein Loch im Zeltdach befand, durch das

    Rauch und Gerüche abziehen konnten. Manchmal löschte ein besonders

    starker Regen das Feuer, doch man störte sich nicht daran, denn in der Wüste

    war Regenwasser kostbarer als Glut.

    Der Regen brachte viel mehr Wasser als das Fleisch der Stachelpflanzen.

    Wenn er fiel, sammelten die Menschen des Sandvolkes das Nass in

    gebrannten Gefäßen und traten oft unbekleidet aus ihren Pfahlzelten heraus,

    um die seltene Erfrischung zu genießen. Doch mitunter schwoll der Regen

    zum Regensturm an, und das Wasser wurde zur Gefahr. Denn die riesigen

    Tropfen schlugen mit großer Wucht vom Himmel herunter, sodass der

    trockene Boden sie nicht schnell genug aufnehmen konnte. Pfützen bildeten

    sich, wuchsen zusammen und bedrohten das Leben der Menschen, wenn sie

    nicht rechtzeitig die hohen Pfahlzelte erreichten.

    Die Pfahlbauten waren in konzentrischen Kreisen angeordnet. Die äußeren

    Ringe waren den Zelten der Krieger vorbehalten, gefolgt von denen der

    Nicht-Krieger. Die Eingänge wiesen ins Kreisäußere, sodass ein Angreifer

    notfalls vom Zelt aus bekämpft werden konnte. Der innere Zeltring war den

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