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Versuchung
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Ebook276 pages3 hours

Versuchung

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About this ebook

Als der jungen Journalistin Eva Röller geheime Informationen zugespielt werden, wittert sie die ganz große Story. Doch was sie daraufhin recherchiert, ist noch viel brisanter, als sie es sich hätte träumen lassen: Es geht um das gesamte Wissen der Menschheit. Was ist Eva dieses Wissen wert? Und wird ihr Kollege Adam Berger ihr helfen, an dieses Wissen zu gelangen?

"Harry Luck erzählt die Genesis in Thriller-Manier" (Gong)

"Spannend und unterhaltsam wird die Geschichte von Adam und Eva in die nahe Zukunft übertragen. Amüsant zu lesen." (Evangelisches Sonntagsblatt)

"Sie sollten nicht der Versuchung widerstehen, diesen höchst unterhaltsamen Roman zu lesen." (Remscheider Generalanzeiger)
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateMar 9, 2017
ISBN9783741899126
Versuchung
Author

Harry Luck

Harry Luck, 1972 in Remscheid geboren, arbeitete nach einem Studium der Politikwissenschaften in München als Korrespondent und Redakteur für verschiedene Medien und leitete das Landesbüro einer Nachrichtenagentur. Seit 2012 ist er für Öffentlichkeitsarbeit im Erzbistum Bamberg verantwortlich. www.harryluck.de

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    Versuchung - Harry Luck

    Versuchung

    Titel Seite

    Titel

    Titel - 1

    Titel - 2

    Harry Luck

    Versuchung

    Harry Luck wurde 1972 in Remscheid geboren. Dort lernte er das journalistische Handwerk bei einer Tageszeitung, in München studierte er Politikwissenschaften und arbeitete viele Jahre als Korrespondent für Nachrichtenagenturen und leitender Redakteur für ein großes Online-Nachrichtenportal. 2003 debütierte er mit „Der Isarbulle" als Krimiautor, es folgten bisher elf weitere Romane. Seit 2012 lebt er mit seiner Familie in Bamberg, wo er die Öffentlichkeitsarbeit des Erzbistums verantwortet.

    www.harry-luck.de

    www.facebook.com/luck.harry

    Dieses Buch ist ein Roman. Die Handlung ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder verstorbenen Personen ist zufällig.

    Copyright 2017 by Harry Luck

    Lektorat: Nina Scheweling

    Covergestaltung: Annadel Hogen

    Der Autor wird vertreten durch die

    Literaturagentur Kai Gathemann

    Lorenzonistr. 74

    info@literaturagentur-gathemann.de

    Die Originalausgabe erschien 2014 in der Verlagsgruppe Thienemann-Esslinger, Stuttgart

    Titel

    TEIL I

    Prolog

    „Die Angeklagten haben das letzte Wort."

    Die Worte des Vorsitzenden Richters klangen bedrohlich in dem dunkel vertäfelten Saal des Landgerichts. Er schaute über eine randlose Brille in Richtung der Anklagebank, wo Eva Röller neben ihrem Freund auf einem grün gepolsterten Metallstuhl saß. Vor ihnen auf dem Tisch lag die Anklageschrift. Sie bestand nur aus wenigen eng bedruckten Seiten, die lose zwischen zwei Aktendeckeln geheftet waren. Die kleinen, schwarzen Buchstaben und Zahlen des Aktenzeichens der Zweiten Strafkammer verschwammen vor ihren Augen.

    Eva schaute unsicher zum Richter, der ungeduldig auf eine Reaktion zu warten schien und mit den Fingern auf dem Tisch trommelte. Der Zuschauerraum im Verhandlungssaal war bis auf den letzten Platz belegt. In der ersten Reihe saßen zahlreiche Journalisten, die das spektakuläre Verfahren vom ersten Tag an verfolgt und mit großen Schlagzeilen berichtet hatten. Plötzlich spürte Eva, dass in ihrer Jeans ihr auf lautlos geschaltetes Skyphone vibrierte.

    Vermutlich eine Push-Meldung der Skybook-App, dachte sie. Kurz vor dem letzten Verhandlungstag hatte sie auf ihrer Pinnwand die Statuszeile „Auf zum jüngsten Gericht" gepostet und dafür innerhalb weniger Minuten ein Dutzend Likes geerntet. Sie mochte sich ein Leben ohne ihr Skyphone gar nicht vorstellen. Das kleine Gerät war seit einigen Jahren ihr ständiger Begleiter geworden. Sie liebte es, ihre Gedanken und Einfälle mit ihren über tausend Freunden zu teilen. Vielleicht wäre es die größte Strafe für sie, bald mehrere Jahre offline sein zu müssen. Zwar hatte sie schon öfters gehört, dass man sich im Knast ohne Probleme Handys und Drogen besorgen konnte, wenn man sich mit dem Wachpersonal gut verstand. Aber ihr virtuelles Leben als Evi96 könnte in wenigen Minuten beendet sein. Sie merkte, dass sie dieser Gedanke mehr schockierte als die Tatsache, dass auch ihre berufliche Laufbahn jäh enden würde, noch bevor sie richtig begonnen hatte: Hatte sich die ehrgeizige investigative Nachwuchsjournalistin mit ihrem ersten großen Auftrag ins Gefängnis recherchiert?

    Dumm gelaufen! Wie blöd kann man nur sein, sein Leben für einen journalistischen Scoop zu ruinieren?

    Eva sah, wie sich der Mund des Richters bewegte, doch seine Worte nahm sie nicht wahr. Wie wenn man bei einem langweiligen Fußballspiel den Ton abschaltet.

    „Wenn Frau Röller es vorzieht zu schweigen, dann frage ich den Mitangeklagten Herrn Berger, ob er von seinem Recht Gebrauch machen möchte, ein letztes Wort zu äußern. Der Blick des Richters wanderte einen halben Meter nach rechts. „Herr Berger?

    Eva zitterte. Es fühlte sich an, als schwanke der Boden unter ihren Füßen. Sie hörte, wie Adam mit fester Stimme sprach:

    „Hohes Gericht, ich denke, dass ich auch für meine Freundin sprechen kann, wenn ich sage: Wir bekennen uns schuldig."

    Auf der Pressebank schaute die junge Korrespondentin von worldnews.de kurz zu ihnen herüber. Als sich ihre Blicke trafen, sah sie sofort wieder auf ihren Block und machte weiter Notizen. Die Reporterin schien sich nicht wohl in ihrer Rolle zu fühlen. Vermutlich war ihr klar, dass sie nicht auf diesem Platz säße, wenn die beiden Angeklagten heute nicht vor Gericht ständen.

    Adam blickte Eva an. Sie atmete tief durch, räusperte sich und sagte dann, so laut, wie es ihr im Moment möglich war: „Wir werden jedes Urteil des Gerichts akzeptieren."

    Dann sackte sie in ihrem Stuhl zusammen und dachte: Hätten wir doch bloß nie diesen verdammten Koffer geöffnet.

    Nur eine halbe Stunde später sprach das Gericht sein Urteil. Im Namen des Volkes.

    Titel

    TEIL II

    Der Sündenfall

    Sechs Monate früher

    1. Kapitel

    Adam Berger konnte die Zahl der Kaffeetassen, die er an diesem Tag in sich hatte hineinfließen lassen, schon nicht mehr rekonstruieren. Dabei war es noch nicht einmal neun Uhr morgens. Acht Uhr achtundfünfzig, um genau zu sein. Seit einundzwanzig Stunden war er jetzt auf den Beinen und hatte eigentlich schon seit sechs Uhr Feierabend, wenn man das denn so nennen konnte. Doch kurz vor dem Ende seines Nachtdienstes als Chef vom Dienst bei worldnews.de hatte ihn der Anruf seiner Ablösung erreicht. Norovirus war das Wort, das ihn zu morgendlichen Überstunden gezwungen hatte.

    „Kommen Sie, Berger, forderte ihn der stellvertretende Chefredakteur Kai Oellerking auf, während er mit einem Stapel ausgedruckter Blätter in der Hand an Adams Schreibtisch im neonerleuchteten Großraumbüro mit über fünfzig Arbeitsplätzen vorbeihastete. „In einer Minute ist Konferenz! Ich hoffe, Sie haben genug Themenvorschläge.

    Die Aufgabe im Frühdienst, den Adam wegen des Ausfalls von Sven Börnsen kurzerhand an seine Nachtschicht drangehängt hatte, war es, den Kollegen aus den Ressorts einen Überblick über die internationale Nachrichtenlage zu geben. An diesem Tag war nicht viel los in der Welt. Ein flüchtiger afrikanischer Diktator war angeblich in der Wüste gesehen worden, die Piratenpartei drohte mal wieder damit, aus der Regierungskoalition auszusteigen, die US-Präsidentin hatte eine inhaltslose Rede zur Lage der Nation gehalten und Dieter Bohlen mal wieder seine Jury bei DSDS ausgetauscht, weil die Juroren zu alt wurden für die Zielgruppe. Dabei ging Bohlen selbst schon auf die Siebzig zu. Es waren Meldungen, die die Welt nicht brauchte. Aber worldnews.de hatte sich im hart umkämpften Markt der Online-Nachrichten auf die Fahnen geschrieben jede verfügbare Nachricht anbieten zu können. Dieser Anspruch, bei dem es oft mehr um Quantität als um Qualität ging, setzte vor allem die Chefs vom Dienst unter hohen Druck. Denn keiner von ihnen wollte in der Konferenz den vernichtenden Satz hören: „Warum haben wir das nicht? „Ich komme, sagte Adam und druckte noch schnell das Angebot des Südostasien-Korrespondenten aus Bangkok aus, der per E-Mail ein möglicherweise interessantes Thema für die Finanzredaktion vorgeschlagen hatte.

    Adam nahm seine noch halb gefüllte Kaffeetasse mit und legte die Distanz auf dem fast fünfzig Meter langen Korridor zwischen Newsroom und Konferenzraum in Rekordzeit zurück, um wenige Augenblicke später auf dem Stuhl zwischen Chefredakteur und News-Manager Platz zu nehmen.

    Der Konferenzraum füllte sich innerhalb weniger Augenblicke. Ohne eine Begrüßung eröffnete Chefredakteur Dr. Leo Nolte, den alle nur respektvoll „Dr. No" nannten, routiniert die Konferenz.

    „Was haben wir, Berger?", fragte er, ohne Adam anzusehen, der den Chefredakteur mit seiner Körpergröße von 1,92 Metern um einen Kopf überragte.

    Adam referierte die Themen, die in der Nacht aufgeschlagen waren und die er nach der Auswertung der internationalen Presse und der führenden Online-Medien notiert hatte. Dann griff er zu seinen ausgedruckten Mails.

    „Ich habe hier noch zwei interessante Korrespondenten-Angebote aus Bayern und Bangkok. Frank Litzka, einer unserer freien Reporter aus München, bietet ein Feature über den Machtkampf in der CSU um die Söder-Nachfolge an, eine richtige Schlammschlacht."

    „Wen interessiert noch diese Provinzpartei aus Bayern?, wehrte Nolte grimimig ab. „Gibt es keine neuen Gerüchte, wer als nächstes in den Dschungel geht?

    Adam schüttelte den Kopf. „Nichts Neues von der IBES-Front. Auf Twitter gibt es Gerüchte, dass der italienische Schmusesänger Paolo Palotti seine On-Off-Beziehung mal wieder auf Off geschaltet hat. Aber ich denke nicht, dass wir das vermelden müssen."

    „Klickt kein Mensch, brummte Nolte. „Was haben wir aus den Ausland-Büros?

    „Das New Yorker Büro hat die wöchentlichen Modesünden geliefert", sagte Adam und hoffte, Dr. No damit aufmuntern zu können. Es handelte sich um eine Bilderstrecke mit den extravagantesten, gewagtesten oder geschmacklosesten Schnappschüssen von B- und C-Promis aus Hollywood, die auf irgendwelchen roten Teppichen für mehr oder weniger Aufsehen sorgten.

    „Sehr gut, damit sind die Klicks im Panorama für heute gesichert. Weiter?"

    „Die US-Präsidentin hält in der kommenden Nacht unserer Zeit eine Rede zur Lage der Nation, wir bekommen dazu einen Korrespondentenbericht. Adam referierte, was er auf seinem Zettel zusammengetragen hatte. „In LA werden die Grammys verliehen, dazu gibt es natürlich einen Live-Ticker und ein User-Voting. Außerdem hat Georg Pöschke aus Bangkok ein Wirtschaftsstück geschickt, es handelt sich eher um Spekulationen. Es geht um SkyCorp.

    Gernot Gruber, der Leiter des Finanzressorts, wurde hellhörig. Nachrichten über den SkyCorp-Konzern, auch wenn sie nur aus haltlosen und bereits dementierten Gerüchten bestanden, garantierten immer hohe Klickraten.

    Seit einigen Jahren war Sky zum Inbegriff der modernen vernetzten Welt geworden. Der globale Konzern mit Hauptsitz in Bangkok, an dessen Spitze ein amerikanischer Multimilliardär namens Marc Donnelly stand, hatte ein Jahrzehnt lang zielgerichtet eine Internetfirma nach der anderen aufgekauft. Das weltweit führende soziale Netzwerk hieß seit der feindlichen Übernahme Skybook. Wer etwas im Internet kaufte, egal ob Rasierapparate oder Eigentumswohnungen, tat dies in neun von zehn Fällen im Skyshop, der im Volksmund in Anlehnung an einen früheren Fast-Monopolisten meist als „Scamazon" bezeichnet wurde. Und die Online-Arbeitsstellenvermittlung Skyjobs hatte die traditionellen Arbeitsämter fast überflüssig gemacht. Vom einstigen Marktführer für Smartphones war nach der Übernahme durch SkyCorp nur noch das Logo mit dem angebissenen Apfel geblieben: Auf allen Skyphones war ebenso wie auf 99 Prozent aller stationären PCs und Notebooks das Betriebssystem Skysoft in seiner aktuellen Version 3.4 mit der integrierten Suchmaschine Sky-Search installiert. Und diese Software war es auch, die den Bangkoker worldnews-Korrespondenten zu einem Hintergrundbericht veranlasst hatte.

    „Was gibt’s denn Neues von Sky?", fragte Gruber.

    Adam, der kein Finanzexperte war, überflog noch einmal Pöschkes Mail und fasste zusammen: „Also, es geht um die Spekulationen, warum SkyCorp die seit Monaten überfällige neue Version seiner Suchmaschine Sky-Search nicht auf den Markt bringt."

    „Ja, die Märkte sind extrem beunruhigt, stellte Gruber fest. „Es kursieren die wildesten Gerüchte, dass es bei Sky irgendwelche gravierenden Probleme gibt, die vertuscht werden sollen. Die Aktienkurse reagieren hier schon sehr sensibel.

    „Was bedeutet das für die Leute draußen?, fragte Oellerking, der bei allen Themen immer auf den Nutzen für die Leser achtete. „News to use war sein Lieblingsschlagwort, das bei den meisten worldnews-Kollegen bereits Pickel oder andere allergische Reaktionen auslöste.

    „Der Weltmarkt reagiert so sensibel, erläuterte Gruber, „weil es kaum noch eine Branche oder eine Firma gibt, die nicht existenziell von Sky abhängig ist. Sei es, weil sie mit Sky zusammenarbeiten, sei es weil sie deren Produkte verwenden. Jede Boeing und jede Registrierkasse beim Fleischer um die Ecke funktioniert mit Mikroprozessoren und Betriebssystemen von Skysoft.

    „Von unseren Skyphones mal ganz zu schweigen, sagte Politikchefin Cordelia Steinhausen, während sie auf ihr Telefon blickte, das vor ihr auf dem Konferenztisch lag. „Hat dieser Porsche, oder wie er heißt, denn irgendwelche Erkenntnisse?, fragte sie.

    „Pöschke ist auch kein Finanzkenner", räumte Adam ein und musste zugeben, dass der Asien-Mann wohl eher die Spekulationen aus den örtlichen Zeitungen und Fernseh-Nachrichtensendungen abschreiben würde.

    „Ich will ein großes Sky-Stück, sagte Nolte unvermittelt in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. „Und zwar nicht von diesem dilettantischen Frührentner aus Bangkok, mit dessen halbgaren Storys wir uns schon so oft blamiert haben. Ich will eine Geschichte über den Mann, der hinter Sky steckt, diesen Donnelly. Er soll uns ein Interview geben. Jemand muss hinfliegen. Das muss doch möglich sein. Das Thema ist sexy. Wer kann das machen?

    Die Konferenzteilnehmer schauten sich ratlos an. War dies wieder eine dieser verrückten Ideen ihres Chefs, die im ersten Moment als völlig wahnsinnig erschienen, sich im Nachhinein aber als genialer Schachzug entpuppten?

    „Also, ich …", meldete sich Finanzchef Gruber zu Wort, doch Dr. No fuhr ihm sofort über den Mund.

    „Es muss eine Frau machen. Jung und tough, die ganz unbedarft an diesen Kerl rangeht und ihn knackt. Mit den Waffen einer Frau. Nolte dachte einen Moment nach, wobei er sich ausgiebig am Kinn kratzte. „Was ist mit dieser … Nolte schaute zu Adam. „… dieser kleinen Maus, die erst kürzlich dieses geniale Porträt über Innensenator Schulze-Kölling geschrieben und ihn zu seinem Outing bewegt hat?"

    Adam wusste, wen Nolte meinte. Er erinnerte sich an das Interview, das in der Hauptstadt Aufsehen erregt hatte. Gerüchte über die Homosexualität des Senators hatte es schon länger gegeben, aber in diesem Interview hatte er zum ersten Mal darüber gesprochen. Worldnews.de hatte die Nachricht als erstes und exklusiv, die Meldung wurde in allen anderen Medien zitiert. Die Reporterin war keine routinierte Journalistin, sondern eine junge Anfängerin, die in ihrem ersten großen Interview völlig unbefangen auf ihren Gesprächspartner zugegangen war und ihm dabei das sensationelle Geständnis entlockt hatte. Die eigentlich private Nachricht über den einflussreichen Politiker war deshalb so pikant, weil Schulze-Kölling vor seiner Senatoren-Zeit als Generalsekretär seiner Partei vehement gegen die Homo-Ehe gekämpft hatte.

    Adam wollte zuerst widersprechen, doch dann gefiel ihm Noltes Idee.

    2. Kapitel

    Sieben neue Freundschaftsanfragen, acht Pokes und ein Dutzend Einladungen, alle möglichen Fanseiten zu liken. Eva saß vor ihrem PC und klickte sich durch die Neuigkeiten ihres Skybook-Profils. Vier der Kontaktanfragen löschte sie sofort, weil es sich offensichtlich um alleinstehende und schwer vermittelbare Junggesellen auf Cyber-Brautschau handelte. Es passierte ihr immer wieder, dass sie aufgrund ihres Profilfotos mehr oder weniger zweideutige Einladungen zum Chatten bekam. Sie beschloss, ihr Bild durch ein Foto einer Pflanze oder eines Schmetterlings zu ersetzen. Irgendwas Unverfängliches. Die übrigen drei Freundschaftsanfragen bestätigte sie, weil es sich um frühere Kommilitonen oder Kollegen aus der Medienbranche handelte. Kontakte, die sich vielleicht mal als nützlich erweisen könnten.

    Doch eigentlich wollte sie gar nicht im Internet surfen. Sie saß am IKEA-Holzschreibtisch ihres zwölf Quadratmeter großen WG-Zimmers, um eine Bewerbung zu schreiben. Der Wochen-Anzeiger, ein kostenloses Anzeigenblatt mit pseudojournalistischem Anspruch, suchte eine freie Mitarbeiterin für seine Lokalredaktion in Potsdam. Das war zwar nicht der Job, von dem sie träumte und für den sie sich für qualifiziert hielt. Aber ihr Nachwuchsjournalisten-Preis, den sie vor einigen Jahren gewonnen hatte, hatte ihr zwar viel Ehre eingebracht, das Preisgeld hatte jedoch gerade mal ausgereicht, um ihr chronisch überzogenes Girokonto in einen beruhigenden Plusbereich zu bringen. Und leben musste sie auch von irgendetwas, auch wenn die Fünfzig-Quadratmeter-Altbauwohnung an der Prenzlauer Allee, die sie sich mit ihrer Freundin Selina Pawlak, einer Kunstgeschichtestudentin, teilte, trotz der Stuckdecken auch für Studentenbudgets durchaus erschwinglich war.

    „Hunger?, rief Selina, die ihre blonden Haare heute zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden trug, aus der gemeinsamen Küche. „Magst du Spiegeleier zum Frühstück? Ich habe erst um elf Vorlesung. Es roch verführerisch nach frischem Kaffee. In den wenigen Sonnenstrahlen, die durch die zugezogenen Vorhänge in das Zimmer drangen, tanzten die Staubkörner einen frühlingshaften Guten-Morgen-Tanz.

    Eva stellte fest, dass sie ihren knurrenden Magen bisher ignoriert hatte, und antwortete dankbar: „Prima Idee! Ich muss nur noch kurz …"

    „Jaja. Selina seufzte. „Du weißt doch: Life is, what happens, while you are looking at your Skyphone. Du könntest ja was verpassen in deinem bescheuerten Cybernetz. Denkst du eigentlich manchmal daran, dass es auch eine reale Welt da draußen gibt?

    „Absolut", murmelte Eva leise und stellte sich mit Grauen vor, als Lokalreporterin durch die reale Welt zu streunen auf der Suche nach Sensationsgeschichten aus dem Karnickelzüchter- oder Laubenpiepermilieu.

    „… weil ich mich schon immer für die Geschichten interessiert habe, die vor der Haustür passieren, und meine berufliche Zukunft im Lokaljournalismus sehe, würde ich mich sehr freuen, mich Ihnen persönlich …", tippte sie lustlos in der Hoffnung, beim Wochen-Anzeiger zumindest zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Sie wusste, dass die Medienbranche ein Haifischbecken und inzwischen ein Niedriglohnsektor war, in dem es immer weniger feste Stellen gab und dafür immer häufiger übermotivierte Berufsanfänger als freie Mitarbeiter ausgebeutet wurden. Doch schon seitdem sie ihre ersten Artikel für die Schülerzeitung geschrieben hatte, stand fest, dass es für sie keine andere Berufung als den Journalismus und das Schreiben gab.

    „So ein Mist, fluchte sie. „Ein Elend ist das mit diesen Bewerbungen. Ich bin doch nur eine Kandidatin in einem riesigen Stapel. Wie sollen die denn merken, dass ich besser bin als alle anderen? Verärgert blies sie eine braune Strähne aus ihrem Gesicht.

    „Mensch Evchen, Kopf hoch!, sagte Selina, die vor dem Frühstück schon mit Lippenstift und Lidschatten so aufgedonnert war, als stünde nicht eine Vorlesung, sondern ein Vorstellungsgespräch im Kosmetikstudio auf der Agenda. Sie kam zu Eva ins Zimmer, zog einen zweiten Stuhl heran, setzte sich neben ihre Freundin und legte den Arm um sie. Der liebliche Duft ihres Parfüms mischte sich mit dem Geruch der gebratenen Spiegeleier mit Speck. „Du stehst doch noch ganz am Anfang. Und hast schon so viel erreicht. Schau hier!

    Selina deutete auf einen ausgedruckten Artikel am Schreibtisch neben Evas Computer, der von Kaffeetassenrändern bereits verunstaltet war. „Der Mann fürs Grobe – Ein Porträt über Hans Schulze-Kölling, lautete die Überschrift, und darunter stand in kleineren Buchstaben: „Von worldnews-Korrespondentin Eva Röller, Berlin.

    „Für dieses Porträt über den Innensenator bist du von allen gelobt worden. Es war in über zwanzig Zeitungen zitiert. Dabei sollte der Text nur eine Arbeitsprobe sein."

    „Jaja, ich weiß", raunzte Eva, deren Laune nicht besser wurde. „Vielleicht war’s Glück.

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