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Michael Korn & Liz Croll Trilogie: Michael Korn und Liz Croll Trilogie
Michael Korn & Liz Croll Trilogie: Michael Korn und Liz Croll Trilogie
Michael Korn & Liz Croll Trilogie: Michael Korn und Liz Croll Trilogie
Ebook2,131 pages24 hours

Michael Korn & Liz Croll Trilogie: Michael Korn und Liz Croll Trilogie

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About this ebook

Dieses Buch enthält die ersten drei kompletten Bücher der Reihe um Michael Korn und Liz Croll. Angefangen über das Kennenlernen in "Projekt Lucien", über die Wirrungen im Fall "Das Ikarus Puzzle" und den Abschluss der ersten drei Titel "Spur der Todesengel". Alle drei Bücher sind natürlich auch separat erhältlich. Hier gibt es alle zum Vorzugspreis.

Projekt Lucien:
Das erste Kennenlernen der Agenten und die Jagd auf eine neue Technologie einer Materialfirma.

Das Ikarus Puzzle:
Einige Juwelen werden geraubt und das Team um Liz Croll muss herausfinden, was es damit auf sich hat.

Spur der Todesengel:
In Europa werden verstümmelte Leichen gefunden. Die Spur führt das Team nach Amsterdam und Sevilla. Wer steckt hinter den Morden und was hat ein Pharmahersteller damit zu tun?
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateDec 24, 2021
ISBN9783754934876
Michael Korn & Liz Croll Trilogie: Michael Korn und Liz Croll Trilogie

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    Book preview

    Michael Korn & Liz Croll Trilogie - Matthias Boden

    Projekt Lucien

    Projekt Lucien

    Michael Korn und Liz Croll Band 1

    Ein Thriller von

    Matthias Boden

    Copyright © 2021

    Alle Rechte bei Matthias Boden

    Werrestraße 107b

    32049 Herford

    E-Mail: MatthiasBoden8@gmail.com

    9783986479169

    Der frisch gekündigte Bodyguard Michael Korn, ein misanthropischer Einzelgänger, wird von Interpol angeworben bevor er wegen Körperverletzung an einem Ministerpräsidenten eine Haftstrafe antreten muss. Zusammen mit der britischen Polizistin Liz Croll, dem Hacker Mike Banks, einem notorischen Schürzenjäger und der Auftragsmörderin Lea Enis soll er Forschungsdaten und einen Prototyp einer Firma aufspüren und in Sicherheit bringen. Bevor er und seine Mitstreiter zwei beteiligte Forscher verhören können, werden diese getötet. Den einzigen Hinweis auf die Daten liefert eine Notiz auf der Festplatte eines Forschers. Mehrere Gruppierungen sind ebenfalls hinter den Ergebnissen her und es beginnt ein mörderischer Wettlauf um die Welt.

    Für Denise,

    die Liebe meines Lebens.

    Inhalt

    Prolog

    Mexiko, Irgendwo an der Küste

    1. Kapitel

    Deutschland, Köln

    Großbritannien, London

    2. Kapitel

    Italien, Rom

    3. Kapitel

    Deutschland, Flughafen Köln/Bonn

    Großbritannien, Flughafen London Heathrow

    4. Kapitel

    Vereinigte Staaten, Houston (TX)

    5. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    6. Kapitel

    Vereinigte Staaten, Houston (TX)

    7. Kapitel

    Italien, Rom

    Vereinigte Staaten, Langley (VA)

    8. Kapitel

    Mexiko, Irgendwo an der Küste

    9. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    10. Kapitel

    Mexiko, Cancún

    11. Kapitel

    Vereinigte Staaten, Langley (VA)

    Frankreich, Lyon

    12. Kapitel

    Europa, Irgendwo über dem Atlantik

    13. Kapitel

    Deutschland, Berlin

    Vereinigte Staaten, Langley (VA)

    Deutschland, Bremen

    14. Kapitel

    Mexiko, Cancún

    15. Kapitel

    Vereinigte Staaten, Houston (TX)

    Deutschland, Bremen

    16. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    17. Kapitel

    Deutschland, Berlin

    Deutschland, Hannover

    Dänemark, Kopenhagen

    Vereinigte Staaten, Langley (VA)

    18. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    19. Kapitel

    Deutschland, Hannover

    Dominikanische Republik, Cabarete

    20. Kapitel

    Dänemark, Kopenhagen

    Dominikanische Republik, Cabarete

    21. Kapitel

    Dominikanische Republik, Puerto Plata

    Südamerika, Irgendwo über dem Atlantik

    22. Kapitel

    Dänemark, Kopenhagen

    23. Kapitel

    Dänemark, Kopenhagen

    24. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Dänemark, Kopenhagen

    25. Kapitel

    Vereinigte Staaten, Moore (OK)

    Deutschland, Berlin

    26. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    27. Kapitel

    Vereinigte Staaten, Langley (VA)

    Europa, Irgendwo über Deutschland

    28. Kapitel

    Venezuela, Caracas

    29. Kapitel

    Deutschland, Berlin

    Venezuela, Caracas

    30. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    31. Kapitel

    Venezuela, Caracas

    32. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    33. Kapitel

    Spanien, Barcelona

    Deutschland, Bremen

    34. Kapitel

    Venezuela, Caracas

    35. Kapitel

    Vereinigte Staaten, Langley (VA)

    Frankreich, Paris

    Vereinigte Staaten, Luftraum über Georgia

    36. Kapitel

    Spanien, Barcelona

    Frankreich, Lyon

    Deutschland, Berlin

    37. Kapitel

    Vereinigte Staaten, Langley (VA)

    38. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Irgendwo über dem Atlantik

    39. Kapitel

    Frankreich, Paris

    Frankreich, Lyon

    40. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    41. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Frankreich, Lyon

    Frankreich, Luftraum über Grenoble

    Italien, Luftraum über Mailand

    42. Kapitel

    Kroatien, Split

    Frankreich, Lyon

    Ägypten, Sharm el Sheikh

    43. Kapitel

    Deutschland, Berlin

    44. Kapitel

    Deutschland, Bremen

    Frankreich, Lyon

    Deutschland, Berlin

    45. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Frankreich, Monaco

    46. Kapitel

    Deutschland, Bremen

    Frankreich, Lyon

    47. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Deutschland, Berlin

    Vereinigte Staaten, Washington D.C.

    48. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Deutschland, Berlin

    49. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Vereinigte Staaten, Washington D.C.

    50. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Malaysia, Ipoh

    Frankreich, Monaco

    51. Kapitel

    Deutschland, Berlin

    Frankreich, Lyon

    52. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Vereinigte Staaten, Washington D.C.

    53. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Deutschland, Bremen

    Deutschland, Berlin

    54. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    55. Kapitel

    Deutschland, Bremen

    56. Kapitel

    Deutschland, Berlin

    Frankreich, Lyon

    57. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    58. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Epilog

    Bahamas, Nassau

    Vereinigte Staaten, Santa Fe (NM)

    Vereinigte Staaten, Tulsa (OK)

    Danksagung

    Impressum

    Prolog

    Mexiko, Irgendwo an der Küste

    Mond­licht spie­gel­te sich auf dem leicht ge­well­ten Ka­ri­bi­schen Meer und tauch­te den wei­chen Sand­strand des Ho­tels in ein sanf­tes Zwie­licht. Der kom­plett in schwarz ge­klei­de­te Mann ver­barg sich in den Schat­ten der Sträu­cher und ho­hen Grä­ser, wäh­rend er lang­sam und vor­sich­tig sei­nem Ziel im­mer nä­her kam. Die Luft roch nach Salz und Al­gen, die von den Wel­len an den Strand ge­spült wur­den. Ihm lief der Schweiß über die Stirn. Er war nicht son­der­lich gut trai­niert, und die vom Tag auf­ge­heiz­te Luft und der war­me Sand un­ter sei­nen schwar­zen Gum­mi­schu­hen, so­wie die ho­he Luft­feuch­tig­keit in dem sub­tro­pi­schen Land ta­ten ihr Üb­ri­ges. In sei­ner Hand hielt er ein klei­nes Käst­chen, auf dem leicht röt­li­che Zif­fern, in schnel­ler Fol­ge ih­re Wer­te än­der­ten. Zwi­schen zwei Grä­sern, un­weit vom Ufer, an den sich sanft die Was­ser­mas­sen leg­ten, fand er end­lich den ge­eig­ne­ten Ort. Lan­ge hat­te er ge­sucht, wäh­rend er in den ver­gan­ge­nen Ta­gen stun­den­lang am Strand um­her­ging. Sei­ne Arm­band­uhr gab ein akus­ti­sches Si­gnal von sich. Punkt 3 Uhr am Mor­gen. In knapp an­dert­halb Stun­den wür­de sich wie­der die Son­ne aus den Flu­ten er­he­ben und den pa­ra­die­si­schen wei­ßen Sand in glei­ßen­des Son­nen­licht tau­chen. Bis da­hin woll­te er aber be­reits wie­der ab­ge­reist sein. Der Auf­trag war er­füllt und er, wenn er zu­rück­ge­kehrt ist end­lich reich ge­nug sein, um nicht mehr ar­bei­ten zu müs­sen. Der­je­ni­ge, der ihn an­ge­spro­chen hat, wuss­te über wirk­lich al­les in sei­nem Le­ben Be­scheid und stell­te ihm ei­ne sehr ho­he Sum­me in Aus­sicht. Doch zu­erst müss­te er noch den letz­ten Teil zu En­de brin­gen und sich un­ge­se­hen aus dem Staub ma­chen. Er ging auf die Knie und zog aus sei­ner Ta­sche ei­ne klei­ne Schau­fel her­aus. Der Sand war weich und er müss­te nicht lan­ge gra­ben, um ein Loch aus­zu­he­ben, in dem er den klei­nen Kas­ten si­cher ver­ber­gen konn­te.

    We­ni­ge Mi­nu­ten spä­ter war das Sand­loch groß ge­nug. Er steck­te die klei­ne Schau­fel wie­der ein und be­frei­te be­hut­sam den et­wa 10 cm großen Kas­ten aus sei­ner Ta­sche, und leg­te ihn in die Ver­tie­fung. Dann nahm er sei­nen elek­tro­ni­schen Hel­fer und leg­te ihn di­rekt über das Käst­chen. Die röt­li­chen Zah­len ver­strö­men ein sanf­tes Licht, das er so gut es eben ging, ab­schirm­te. Ge­naues­tens no­tier­te er sich die Zah­len, die auf­ge­hört hat­ten, sich zu be­we­gen. Nach­dem er al­les noch ein­mal über­prüft hat­te, ver­schwand sein Hel­fer in sei­ner Ho­sen­ta­sche, und er ver­teil­te den im­mer noch war­men Sand über dem Kas­ten. Zu­letzt be­sei­tig­te er noch ge­wis­sen­haft sei­ne Spu­ren und ver­ließ den Strand. Zwi­schen ei­ni­gen Ko­ko­spal­men hielt er in­ne und stell­te er­leich­tert fest das die kom­plet­te Ho­tel­an­la­ge, mit Aus­nah­me der Not­aus­gangs­be­leuch­tung im Dun­keln lag. Nie­mand war zu se­hen. Auf lei­sen Soh­len stahl er sich an der An­la­ge vor­bei und lief zu sei­nem Wa­gen, der nicht weit vom Strand zwi­schen Palm­we­deln ver­steckt war.

    Zufrie­den star­te­te er den Mo­tor und fuhr in Rich­tung Cancún da­von. Auf zur letz­ten Etap­pe sei­nem neu­en Le­ben ent­ge­gen.

    In Pla­ya del Car­men stopp­te er un­weit des Was­ser­parks Xcaret und ging bes­ter Lau­ne auf den Ein­gang zu. Ne­ben ei­nem Kas­sen­häus­chen ver­lief ein klei­nes Rinn­sal und ver­schwand in ei­nem et­wa hand­brei­ten Rohr. Dort nahm er sei­nen Zet­tel mit den Zif­fern zur Hand, fal­te­te ihn drei­mal und schob ihn in ei­ne klei­ne ver­schließ­ba­re Plas­tik­tü­te. Die­se be­fes­tig­te er mit Knet­mas­se an der obe­ren In­nen­sei­te des Roh­res und stapf­te wie­der zu sei­nem Au­to zu­rück. Er ließ sich in den Fah­rer­sitz fal­len und griff nach sei­nem Smart­pho­ne. Er wähl­te ei­ne Num­mer und war­te­te, bis die Ver­bin­dung stand. Nach dem Zwei­ten läu­ten wur­de das Ge­spräch an­ge­nom­men. Er flüs­ter­te: »Pa­ket ge­lie­fert!«, und be­en­de­te die Ver­bin­dung. Sein Auf­trag war be­en­det. Er ver­ließ den Park­platz und steu­er­te sei­nen Wa­gen di­rekt zum Flug­ha­fen von Cancún. Sein neu­es Le­ben in Reich­tum konn­te be­gin­nen.

    1. Kapitel

    Deutschland, Köln

    Mi­cha­el Korn saß auf ei­nem Korb­stuhl vor der Ca­fe­te­ria Köl­le und be­ob­ach­te­te mür­risch die um­her­wan­dern­den Men­schen in der Köl­ner In­nen­stadt. Er rauch­te ei­ne Zi­ga­ret­te, de­ren Qualm er in die Mit­tags­son­ne blies. In sei­nem schwar­zen Shirt und den eben­falls schwar­zen Carg­o­ho­sen scann­te er mit sei­nen blau­en Pu­pil­len die Um­ge­bung. Wie hat­te es nur so weit kom­men kön­nen? Er, der ehe­ma­li­ge Bo­dy­guard der Re­gie­rungs­ver­tre­ter war ge­kün­digt wor­den. Nur, weil er dem Mi­nis­ter­prä­si­den­ten des Lan­des Nord­rhein-West­fa­len et­was un­sanft den El­len­bo­gen ins Ge­sicht ge­rammt hat­te. »Was kann denn ich da­für, wenn der Idi­ot sei­nen Kopf aus­ge­rech­net da hin­hält, wenn ich ge­ra­de zur Waf­fe grei­fe«, dach­te er bei sich. Po­li­ti­ker, das mie­ses­te Pack, das man sich vor­stel­len kann. Lü­gen wie ge­druckt und träu­men ih­re All­machts­fan­tasi­en, die kein nor­ma­ler Mensch mehr ver­steht. Zu al­lem Über­fluss gab es auch noch ei­ne An­zei­ge we­gen Kör­per­ver­let­zung. Als der Mi­nis­ter­prä­si­dent ihm das sag­te, stand Korn nur da und be­dach­te ihn mit ei­nem fins­te­ren Blick, be­vor er zu ihm mein­te: »Wo nichts ist, kann man auch nichts ver­let­zen, du Bra­t­hahn. Au­ßer­dem soll­test du dich vor­se­hen, sonst mach ich Ernst und sto­ße dich aus dei­ner Ar­ma­ni-Gar­di­ne!«. Manch­mal soll­te er sich viel­leicht doch zu ei­ner nor­ma­len Kom­mu­ni­ka­ti­on her­ab­las­sen, aber die­se Fä­hig­keit war bei ihm schon lan­ge nicht mehr ab­ruf­bar. Sein gan­zes bis­he­ri­ges Le­ben stand nicht un­ter ei­nem gu­ten Stern. Und wie­der ein­mal glit­ten sei­ne Ge­dan­ken drei­ßig Jah­re in die Ver­gan­gen­heit. Müh­sam kämpf­te er die Trä­nen aus sei­nen Au­gen und ver­such­te, an et­was an­de­res zu den­ken. Er drück­te sei­ne Kip­pe im Aschen­be­cher aus und nahm einen letz­ten Schluck von sei­nem Kaf­fee. Mi­cha­el er­hob sich und ging auf die na­he ge­le­ge­ne Po­li­zei­wa­che zu. Die Men­schen vor ihm teil­ten sich wie ein Vor­hang. Er war ei­ne im­po­san­te Er­schei­nung und be­saß ei­ne ge­wis­se na­tür­li­che Au­to­ri­tät, mit sei­nen wa­chen Au­gen und den har­ten Ge­sichts­zü­gen. Ru­hig be­trat er die Wa­che und mel­de­te sich am Schal­ter. Die jun­ge Po­li­zis­tin da­hin­ter warf ihm einen ab­schät­zi­gen Blick zu, be­vor sie zum Hö­rer griff und ei­ne Num­mer wähl­te. »Ihr Be­su­cher ist hier!«, flö­te­te sie in den Hö­rer. Nach ei­ner kur­z­en Pau­se füg­te sie »Na­tür­lich Herr Prä­si­dent!«, hin­zu und leg­te auf. »Neh­men Sie bit­te einen Au­gen­blick Platz, sie wer­den ab­ge­holt«, hör­te er sie sa­gen, be­vor sie sich wie­der ih­rem Mo­ni­tor wid­me­te.

    Korn blieb lie­ber ste­hen und war­te­te ei­ni­ge Mi­nu­ten, be­vor ein Mann mitt­le­ren Al­ters in ei­ner schmu­cken Uni­form ihm die Hand reich­te. »Mein Na­me ist Wald­schmidt Herr Korn! Ich bin der Po­li­zei­prä­si­dent und ha­be sie her­ge­be­ten, weil mich ei­ne Nach­richt aus Ly­on er­reicht hat. Bit­te fol­gen Sie mir«, krächz­te er mit et­was hei­se­rer Stim­me.

    Korns Stie­fel quietsch­ten auf dem hell­grau­en Lin­ole­um­bo­den, als er dem Prä­si­den­ten in ein ärm­lich ein­ge­rich­te­tes Be­spre­chungs­zim­mer folg­te. Die Tür fiel mit ei­nem leich­ten Kli­cken wie­der in das Schloss und Wald­schmidt for­der­te Mi­cha­el, auf Platz zu neh­men. Be­vor der Prä­si­dent et­was sa­gen konn­te, er­griff Korn das Wort. »Was zum Teu­fel ha­be ich denn mit Frosch­schen­keln zu tun? Mein ein­zi­ger Auf­ent­halt bei den Schne­cken­schlach­tern en­de­te in ei­nem Fias­ko, als drei mei­ner Kol­le­gen in ei­nem Ku­gel­ha­gel ster­ben muss­ten und ich lei­der über­lebt ha­be. Das ist aber auch schon fünf­zehn Jah­re her. Ist de­nen jetzt ein­ge­fal­len, dass ich da­mals das Croissant vor dem Ober­pfos­ten auf den Bo­den ge­tre­ten ha­be und sie mir jetzt einen Auf­ent­halt im Knast spen­die­ren wol­len?«.

    »Nein Herr Korn, es geht nicht um da­mals und hat mit der Po­li­zei in Pa­ris über­haupt nichts zu tun«, ent­geg­ne­te Wald­schmidt »Man hat mich ge­be­ten Sie, und nur sie zu mir zu be­stel­len und ih­nen einen Brief aus­zu­hän­di­gen. Al­ler­dings nicht von der Po­li­zei, son­dern von In­ter­pol, die ih­ren Haupt­sitz in Ly­on hat.«

    Ungläu­big starr­te Korn den Prä­si­den­ten an und sah ihn ei­ne Map­pe auf­schla­gen, aus der er einen Brief­um­schlag zog und ihm übergab.

    »Den In­halt die­ses Briefs kennt nur In­ter­pol selbst, aber es ging da­bei um einen Job, den man ih­nen an­bie­ten möch­te«, er­klär­te er.

    Korn nahm den Brief­um­schlag, sah ihn sich fra­gend an, be­vor er ihn öff­ne­te. Da­rin be­fand sich ei­ne Nach­richt so­wie ein Flug­ticket nach Ly­on, aus­ge­stellt auf sei­nen Na­men. Die Nach­richt lau­te­te:

    Herr Korn,

    bit­te be­su­chen Sie uns in der In­ter­pol Zen­tra­le in Ly­on. Wir ha­ben einen Job für sie und wür­den ih­nen ger­ne al­les Wei­te­re per­sön­lich er­klä­ren. Die gan­ze An­ge­le­gen­heit muss ver­trau­lich blei­ben.

    Ber­nand Rous­sel, In­ter­pol.

    Fas­sungs­los steck­te Mi­cha­el Korn den Brief­um­schlag in sei­ne lin­ke Bein­ta­sche und be­trach­te­te Wald­schmidt der et­was un­ru­hig auf sei­nem Stuhl saß. In sei­nem Kopf wir­bel­ten die Ge­dan­ken, wäh­rend sich sei­ne Mie­ne ver­dun­kel­te. Er konn­te es nicht glau­ben. Ein Jo­b­an­ge­bot von In­ter­pol. Ist das die Be­loh­nung, wenn man ei­nem Mi­nis­ter­prä­si­den­ten die Na­se bricht?

    Großbritannien, London

    »Hän­de hin­ter den Kopf und ganz lang­sam um­dre­hen« zisch­te Liz dem Ju­gend­li­chen zu, der ver­sucht hat­te einen Kiosk aus­zu­rau­ben, nur be­waff­net mit ei­nem Ta­schen­mes­ser aus der Schweiz. Der Jun­ge dreh­te ihr lang­sam den Rücken zu und hat­te sei­ne Fin­ger in­ein­an­der ver­schränkt in den Na­cken ge­legt. Die Po­wer­frau steck­te ih­re Waf­fe zu­rück ins Hols­ter und nahm die Hand­schel­len vom Gür­tel. Vor­sich­tig trat sie auf den kaum 1,70 m großen Ju­gend­li­chen zu, der so vie­le Bol­zen im Ge­sicht hat­te, um einen zwei­ten Eif­fel­turm nie­ten zu kön­nen. Mit der Schul­ter don­ner­te sie ihn ge­konnt ge­gen die Wand und fi­xier­te die von Nar­ben über­sä­ten Ar­me hin­ter dem Rücken. Dann trat sie et­was zu­rück und griff sich das Funk­ge­rät. »Ich hab ihn ein­ge­sam­melt, ihr könnt ihn jetzt ho­len«, mur­mel­te sie und be­hielt den jun­gen im Blick.

    Et­was spä­ter stand Liz vor ih­rem Strei­fen­wa­gen, rauch­te genüss­lich ei­ne Zi­ga­ret­te in dem die­si­gen und leicht ver­reg­ne­ten Lon­do­ner Som­mer. Plötz­lich knack­te ihr Funk und ei­ne quä­len­de Stim­me er­klang: »Croll, kom­men sie zum Haupt­quar­tier und mel­den sie sich um­ge­hend beim Chief!«

    Seuf­zend trat sie die Zi­ga­ret­te auf den Pflas­ter­stei­nen aus, blies noch ein­mal den Rauch vor sich hin und be­stä­tig­te den Funk­spruch. Was will der Al­te nur wie­der von mir, är­ger­te sie sich im zä­hen Ver­kehr auf der re­gen­rei­chen In­sel. Sie war ei­ne der bes­ten der gan­zen Trup­pe ge­wor­den, trotz ih­res Han­di­caps mit nur knapp über 1,60 m Grö­ße un­ter den gan­zen Re­kru­ten mit Gar­de­maß. Vor dem Haupt­quar­tier stell­te sie den Strei­fen­wa­gen ab, ver­schloss ihn ord­nungs­ge­mäß und be­weg­te sich ziel­stre­big zum Bü­ro des Chiefs. »He­rein!«, bell­te die dunkle Stim­me ih­res Vor­ge­setz­ten, als sie ge­klopft hat­te. Liz öff­ne­te die Tür und trat in das klei­ne Bü­ro.

    Chris Wil­liams sah zu ihr, leg­te sei­nen Stift auf den Ma­ha­go­nisch­reib­tisch und sag­te in ru­hi­gem Ton »Ah, da sind sie ja end­lich Croll. Set­zen Sie sich, ich ha­be et­was mit ih­nen zu be­spre­chen!«

    Liz setz­te sich auf den Be­su­cher­stuhl und ver­such­te, die Mie­ne ih­res Chefs zu durch­drin­gen.

    »Sie ha­ben mal wie­der gan­ze Ar­beit ge­leis­tet«, be­gann der Chief. »Al­ler­dings sieht es so aus, als ob ih­re Ta­ge in Lon­don ge­zählt sind Croll.«

    Liz war ver­wirrt. Ih­re Ta­ge in Lon­don ge­zählt? »Wie denn das Chief? Hab ich was falsch ge­macht?«, frag­te sie mit ei­nem Vor­wurf in der Stim­me.

    »Aber nein Croll, sie ha­ben nichts falsch ge­macht und ich wä­re froh, wenn ich das über die meis­ten hier sa­gen könn­te, aber um ehr­lich zu sein, gibt es ei­ne Ent­wick­lung, von der sie ver­mut­lich über­rascht sein wer­den. Ich ha­be ei­ne Nach­richt von ei­nem ge­wis­sen Ber­nand Rous­sel von In­ter­pol be­kom­men. So wie es aus­sieht, will man sie dort ha­ben. Wo­für weiß nie­mand, aber es scheint ge­heim zu sein, weil sich wirk­lich al­le dar­über aus­schwei­gen. Sie flie­gen über­mor­gen von Hea­throw nach Ly­on rü­ber und wer­den auf­ge­klärt, worum es sich han­delt. Ihr Flug­ticket ha­be ich be­reits hier!«

    »Soll das ein Witz sein? Ich ha­be mich nir­gend­wo be­wor­ben und will auch nicht in ein Bü­ro ge­setzt wer­den nur, um ir­gend­wel­che Stel­len über­all auf der Welt mit In­for­ma­tio­nen zu ver­sor­gen«, platz­te es aus Liz her­aus.

    »Das ist kein Scherz. Es ist aber auch ih­re Ent­schei­dung, ob sie den Job bei In­ter­pol an­neh­men. Ich wür­de sie ger­ne hier­be­hal­ten, das kön­nen Sie mir glau­ben. Es ist nur ein An­ge­bot und nie­mand weiß ge­nau, worum es geht. Al­so flie­gen sie nach Süd­frank­reich, hö­ren sich das an und tref­fen dann ih­re Ent­schei­dung. Ih­re Stel­le hier ist ih­nen si­cher, wenn sie ab­leh­nen«, be­ru­hig­te sie Wil­liams.

    »Wer ist ei­gent­lich die­ser Rous­sel? Hat der was zu mel­den?«, frag­te sie et­was lau­ter als be­ab­sich­tigt.

    Chris Wil­liams blick­te sie lan­ge an, be­vor er schließ­lich her­vor­brach­te: »Ich ha­be mich in­for­miert und die­ser Rous­sel ist der Boss von In­ter­pol. Ein Fran­zo­se, mehr­fach aus­ge­zeich­net, mitt­ler­wei­le schon an die 60 Jah­re alt und hat den La­den schon seit 13 Jah­ren in sei­ner Hand. Und über In­ter­pol steht nie­mand mehr. Die­se Stel­le wird von nie­man­dem kon­trol­liert. Selbst die Po­li­tik hat da nichts zu ent­schei­den. Völ­lig un­ab­hän­gig.«

    »Okay, ich wer­de mir das mal an­hö­ren Chief«, ant­wor­te­te Liz klein­laut.

    2. Kapitel

    Italien, Rom

    Die Ma­schi­ne aus Cancún roll­te lang­sam an das Ga­te be­vor die Flug­gast­brücke zum Aus­s­tei­gen in Po­si­ti­on ge­bracht wur­de. Er war wie­der zu­rück in sei­ner Hei­mat und freu­te sich auf sei­ne Frau. End­lich hat­ten sie fi­nan­zi­ell aus­ge­sorgt. Be­schwingt ver­ließ er die Boeing und schlen­der­te zur Ein­rei­se­kon­trol­le. Nach den For­ma­li­tä­ten nahm er sei­nen Kof­fer vom Trans­port­band in der An­kunfts­hal­le und trat hin­aus in die Ewi­ge Stadt. Es war früh am Abend als er end­lich ge­lan­det war, aber die sechs Stun­den Zeit­un­ter­schied gau­kel­ten sei­ner in­ne­ren Uhr vor es wä­re frü­her Nach­mit­tag.

    Er nahm sich ein Ta­xi nach Hau­se. End­lich wie­der sei­ne ge­lieb­te Frau in den Arm neh­men, die­ses Mal um ei­ni­ge Mil­lio­nen rei­cher und nicht mehr auf den Job an­ge­wie­sen Com­pu­ter­bau­tei­le über­all auf der Welt aus­zut­au­schen nur, weil wie­der ir­gend­je­mand zu blö­de war das Zeug an­stän­dig zu war­ten. Nie wie­der wür­de er sei­ne Ma­ri­el­la al­lei­ne las­sen und quer durch die Welt flie­gen. Nur noch mit ihr zu­sam­men in den Ur­laub, an­sons­ten wür­de er in Rom blei­ben in dem klei­nen Haus, das er mit dem Geld kau­fen woll­te und sich mit Ma­ri­el­la um ei­ni­ge Bam­bi­ni zu küm­mern. Das Ta­xi er­reich­te die klei­ne Stra­ße mit­ten in Rom, wo er in ei­ner Bruch­bu­de le­ben muss­te, weil das Geld, was er ver­dien­te nicht aus­reich­te, um zu über­le­ben. Aber das soll­te jetzt der Ver­gan­gen­heit an­ge­hö­ren. In spä­tes­tens ei­ner Wo­che hät­te er das Geld für sei­nen Auf­trag.

    Es war ein Kin­der­spiel. Al­les lag ex­akt da, wo ihm der Be­su­cher ge­sagt hat­te. Rein in das La­bor, Com­pu­ter auf­ma­chen und das Lauf­werk aus­bau­en. Nie­mand küm­mert sich, um einen klei­nen Tech­ni­ker, der ein Lauf­werk auf­schraubt, um es zu re­pa­rie­ren. Dann in ei­nem un­be­ob­ach­te­ten Mo­ment die Box aus der Schub­la­de zie­hen, im Lauf­werk ver­ste­cken und wie­der zu­sam­men­schrau­ben. Ein­mal nach drau­ßen ge­hen, um ein neu­es Lauf­werk zu ho­len und am En­de mit dem al­ten Lauf­werk das La­bor zu ver­las­sen. In sei­nem Ho­tel muss­te er nur wie­der die Box aus dem Lauf­werk ho­len und in den Kas­ten pa­cken. Ver­sie­geln, dann ver­gra­ben und die Geo-Koor­di­na­ten in ei­nem to­ten Brief­kas­ten hin­ter­las­sen. Was er da mit her­aus­ge­schmug­gelt hat, wur­de ihm zwar nicht ver­ra­ten, aber wenn es da­bei um fünf Mil­lio­nen Eu­ro geht, die in sei­ne Ta­schen wan­dern, spiel­te das kei­ne Rol­le.

    Er schloss die Haus­tür auf und schlüpf­te lei­se hin­ein. Den Kof­fer stell­te er in den Flur. Er wür­de ihn mor­gen aus­pa­cken. Er hör­te den Fern­se­her im Wohn­zim­mer. Ir­gend­ei­ne Ra­tes­how schon wie­der. Ma­ri­el­la lieb­te die­sen Quatsch. Er rief: »Ich bin wie­der zu Hau­se mein Schatz. Hast du mich ver­misst?«

    Nie­mand ant­wor­te­te. War Ma­ri­el­la wie­der zu der Nach­ba­rin ge­gan­gen und hat­te den Fern­se­her an­ge­las­sen? Er ging in die Kü­che und fand Spaghet­ti mit Mee­res­früch­ten, die er sich schnell in die Mi­kro­wel­le schob. Sei­ne Frau war ei­ne sehr gu­te Kö­chin und er freu­te sich auf die Spaghet­ti. Er be­trach­te­te sehn­süch­tig die Di­gi­tal­an­zei­ge die quä­lend lang­sam her­un­ter­lief, um dann mit ei­nem schril­len Piep­ton ver­kün­de­te, dass sein Es­sen fer­tig war. Er nahm den Tel­ler aus der Ma­schi­ne und ging da­mit ins Wohn­zim­mer. Als er durch die Tür trat, er­starr­te er. Dort auf dem So­fa saß nicht Ma­ri­el­la. Ein Typ in ei­nem dun­kelblau­en An­zug war­te­te auf ihn mit ei­ner Waf­fe.

    »Schön sie zu se­hen Mis­ter Ban­di­ni. Es freut mich, sie end­lich ein­mal ken­nen­zu­ler­nen. Ver­zei­hen Sie das Ein­drin­gen in ih­re Woh­nung aber wir kön­nen kei­ne Zeu­gen zu­rück­las­sen, die der Sa­che im We­ge ste­hen könn­ten. Nach­her re­den sie noch mit den Ca­ra­bi­nie­ri und brin­gen uns in Ver­le­gen­heit. Ach, nur noch ei­ne Klei­nig­keit. Ih­re Frau war­tet schon im Schlaf­zim­mer, wenn sie bit­te vor­aus­ge­hen wür­den, wä­re ich Ih­nen sehr ver­bun­den.«

    »We, we, wer sind sie?«, stam­mel­te Ban­di­ni und hielt krampf­haft den Tel­ler mit sei­nen Spaghet­ti in der Hand.

    »Nun, ich bin der Pro­blem­lö­ser Mis­ter Ban­di­ni. Und mein Pro­blem sind der­zeit sie. Ge­hen Sie jetzt bit­te ins Schlaf­zim­mer ich möch­te un­gern mei­nen An­zug rui­nie­ren, nur weil sie kei­ne paar Schrit­te ma­chen.«

    Ban­di­ni such­te pa­nisch nach ir­gend­ei­nem Ge­gen­stand, um sich weh­ren zu kön­nen, aber er fand nichts in sei­ner Reich­wei­te. Lang­sam stell­te er den Tel­ler auf dem Schränk­chen ne­ben der Tür ab und ging mit be­däch­ti­gen Schrit­ten zu­rück in den Flur. Sein Kof­fer könn­te ihm hel­fen, wenn er schnell ge­nug han­deln wür­de. Vor­sich­tig be­weg­te er sich auf den Kof­fer zu und spann­te sei­ne Mus­keln um sich auf den An­griff vor­zu­be­rei­ten. Gera­de als er mit ei­nem schnel­len Hand­griff zu dem Ge­päck­stück ab­tau­chen woll­te, spür­te er einen Stich an sei­nem Hals. Mit weit auf­ge­ris­se­nen Au­gen dreh­te er sich um und sah den Pro­blem­lö­ser mit ei­ner Sprit­ze hin­ter sich. Dann fiel er zu Bo­den und das Letz­te, was er se­hen konn­te, be­vor die Welt im schwar­zen Ne­bel ver­schwand, wa­ren laub­grü­ne Tep­pich­fa­sern.

    Der Pro­blem­lö­ser zog den er­schlaff­ten Kör­per Ban­di­nis in das Schlaf­zim­mer und wuch­te­te ihn auf das Bett, in dem Ma­ri­el­la be­reits seit ei­ni­gen Stun­den be­we­gungs­los lag. Sie hat­te die Sprit­ze am Nach­mit­tag be­kom­men und wür­de nicht mehr zur Be­sin­nung kom­men, bis die Bu­de ab­ge­brannt ist. Er sah sich in dem Raum noch ein­mal um, ob er nichts ver­ges­sen hat­te. Nur der Kof­fer im Flur muss­te noch ver­schwin­den, dann war al­les er­le­digt. Er nahm ihn auf und warf ihn schwung­voll auf den Klei­der­schrank. Dann ging er zu­rück in das Wohn­zim­mer, stell­te den Tel­ler mit den Spaghet­ti auf den Tisch, griff sich sei­ne Ta­sche und zog ei­ne gräu­li­che Do­se her­aus. Er ging zu­rück zu den Ban­di­nis und be­tä­tig­te den Aus­lö­ser auf der Do­se. Ei­ni­ge Se­kun­den spä­ter ver­wan­del­te sich das aus­tre­ten­de Ge­misch in ei­ne Feu­er­fon­tä­ne, die er acht­los un­ter das Bett warf und dann im Schutz der Dun­kel­heit das Haus ver­ließ.

    Die Ta­sche auf der Schul­ter tra­gend lief er die Stra­ße ent­lang und fisch­te sein Han­dy aus dem Jackett. Er wähl­te ei­ne Kurz­wahl und sag­te dann: »Die Fest­plat­te ist for­ma­tiert, al­le Da­ten sind ge­löscht und das BBQ war­tet.« Dann leg­te er auf und ver­schwand in der Nacht.

    3. Kapitel

    Deutschland, Flughafen Köln/Bonn

    Mi­cha­el Korn war­te­te am Ga­te auf sei­nen Flug nach Ly­on. Er hat­te sich, nach­dem er den Brief­um­schlag er­hielt über In­ter­pol In­for­ma­tio­nen ein­ge­holt. 1923 in Wi­en ge­grün­det, mit Haupt­sitz in Ly­on war In­ter­pol zu­stän­dig, die Zu­sam­men­ar­beit der ver­schie­de­nen Po­li­zei­be­hör­den in 194 Län­dern der Welt zu ver­bes­sern. Sie war als Ve­rein ge­grün­det wor­den, nicht als Be­hör­de und un­ter­hielt kei­ne ei­ge­nen Agen­ten. 2013 wur­de Kri­tik laut als sich die In­ter­pol von Ta­b­ak­kon­zer­nen und knapp 30 Phar­ma­ri­e­sen ein Vier­tel ih­res Etats be­zah­len ließ. Als Grund gal­ten In­ter­es­sens­kon­flik­te bei der Straf­ver­fol­gung und man­geln­de Trans­pa­renz. Nicht ge­ra­de ruhm­reich dach­te Korn, aber wenn die­se Or­ga­ni­sa­ti­on über einen Etat von 300 Mil­lio­nen pro Jahr ver­fügt und ihm einen Job an­bie­ten möch­te, kann man sich ja mal ein Bild ma­chen. Ei­gent­lich war es ihm egal. Ein Job war nur dann et­was für ihn, wenn er in Ge­fahr brin­gen wür­de und ihm ei­ne Auf­ga­be gibt. Er ver­füg­te über ei­ne au­ßer­ge­wöhn­li­che Beo­b­ach­tungs­ga­be und zwin­gen­de Lo­gik. Für ihn war das nichts Be­son­de­res, das kön­nen vie­le an­de­re auch, viel­leicht deut­lich bes­ser als er. Nur war ver­mut­lich kei­ner der an­de­ren be­reit, sein Le­ben her­zu­ge­ben für einen Job. Bei ihm war das al­ler­dings et­was an­de­res. Auf­re­gen konn­te man ihn nicht, da­zu be­durf­te man In­for­ma­tio­nen, die er al­ler­dings nie Preis gab. Das war der ein­zi­ge wun­de Punkt. Er ver­barg sich hin­ter ei­ner Mau­er aus schwei­gen und be­geg­ne­te den Men­schen ab­leh­nend. Sei­ne Art mit an­de­ren zu re­den war be­lei­di­gend mit fie­sem Hu­mor. Trotz­dem war es we­ni­ger rat­sam ihm et­was ver­heim­li­chen zu wol­len. Aus den Re­ak­tio­nen konn­te er mit sei­ner Ga­be er­ken­nen, was die Wahr­heit war und wer ver­such­te, ihm einen Bä­ren auf­zu­bin­den. Sein Aus­se­hen er­le­dig­te das Üb­ri­ge. Grund­sätz­lich im­mer in Schwarz, hoch­ge­wach­sen mit deut­li­chen An­zei­chen von Kraft und ei­nem Blick der To­te wie­der er­we­cken könn­te. Zy­nisch, rück­sichts­los und nicht aus der Ru­he zu brin­gen.

    Ein Si­gnal­ton drang aus den Laut­spre­chern ge­folgt von der An­sa­ge: »Die Pas­sa­gie­re des Flu­ges LH1724 nach Ly­on wer­den ge­be­ten sich zum Boar­ding zu be­ge­ben!«

    Korn er­hob sich und ging mit sei­nem Ticket zum Schal­ter. Er lieb­te das flie­gen. Wo sonst gab es so vie­le Mög­lich­kei­ten, ums Le­ben zu kom­men? Die Schwer­kraft ver­liert nie und es gab Mil­lio­nen von Tei­len mit ei­nem klei­nen de­fekt, die ei­ne Ma­schi­ne in Se­kun­den vom Him­mel ho­len könn­ten. So­gar ein klei­ner Vo­gel in ei­nem Trieb­werk konn­te ei­ne Ka­ta­stro­phe aus­lö­sen. Vi­el­leicht klappt es ja heu­te, dach­te er bei sich und ging in die sil­ber­ne Boeing auf sei­nen Sitz­platz. In we­ni­gen Mi­nu­ten wa­ren sie in der Luft, und Mi­cha­el auf dem Weg zu ei­ner neu­en, hof­fent­lich ge­fähr­li­chen, Auf­ga­be.

    Großbritannien, Flughafen London Heathrow

    Ge­lang­weilt sah sich Liz am Ga­te um. Sie war viel zu früh am Flug­ha­fen an­ge­kom­men und war­te­te un­ge­dul­dig wie ein Kind auf das Boar­ding, des Air­bus A 320 von Hea­throw nach Ly­on. Mitt­ler­wei­le war schon über ei­ne Stun­de ver­gan­ge­nen, nach­dem sie aus dem Ta­xi, das sie her­ge­bracht hat­te, ge­stie­gen war, den Check in hin­ter sich brach­te und dann durch die Si­cher­heits­kon­trol­le ge­gan­gen war. Der damp­fen­de Kaf­fee in ih­rer Hand bot nicht wirk­lich ei­ne Er­fri­schung. Viel zu stark für ih­ren Ge­schmack und auch noch einen üb­len Nach­ge­schmack. Aber was woll­te sie auch er­war­ten, das hier war Groß­bri­tan­ni­en und da trin­ken die meis­ten Tee, wie sol­len die auch einen an­stän­di­gen Kaf­fee zu­stan­de brin­gen.

    Liz Croll war die Toch­ter ei­nes Leh­rers aus der Graf­schaft Sus­sex an der Süd­spit­ze der bri­ti­schen In­sel. Ih­re Mut­ter, ei­ne Spring­rei­te­rin, die lei­der bei ei­nem Reit­un­fall ums Le­ben kam, als ih­re Stu­te sie ab­warf und sie mit dem Kopf auf einen Stein prall­te, starb, als sie ge­ra­de 9 Jah­re alt war. Sie war ei­ne Kämp­fe­rin. Trotz ih­rer klei­nen Kör­per­grö­ße konn­te sie un­glaub­li­che Fä­hig­kei­ten in sich ver­ei­nen. Jetzt mit Mit­te 30 war sie zu ei­ner her­vor­ra­gen­den Po­li­zis­tin im Kö­nig­reich ge­wor­den und galt als ech­te Spür­na­se. Was im­mer es zu fin­den galt, wenn Liz sich der Sa­che an­nahm, stie­gen die Chan­cen, al­les auf­zu­klä­ren ra­pi­de an. Ihr Va­ter brach­te ihr bei, hin­ter die Mas­ken der Men­schen zu bli­cken. Sie hat­te ein fast un­heim­li­ches Ge­spür da­für, wer et­was zu ver­ber­gen hat­te. Schon in ih­rer Kind­heit hat­te ihr Va­ter ihr im­mer wie­der ver­schie­de­ne Spu­ren ge­legt und sie hat­te mit Be­geis­te­rung je­den Hin­weis un­ter­sucht und war der Fähr­te nach­ge­gan­gen. Dort war­te­ten dann Sü­ßig­kei­ten oder Spiel­zeug auf sie. Heu­te war­te­ten nur noch Ver­bre­cher am En­de der Spu­ren, aber das war fast ge­nau­so gut. Und ihr ge­rin­ges Kör­per­maß hat­te noch einen an­de­ren Vor­teil, sie war fast so schnell, wie ei­ne Kat­ze da­bei möch­te sie Hun­de um ei­ni­ges lie­ber.

    Was wür­de nur in Ly­on auf sie war­ten frag­te sie sich, und warum woll­te man aus­ge­rech­net sie dort ha­ben. Gab es in Groß­bri­tan­ni­en nicht ge­nug Ver­bre­cher, dass man sie in ein Bü­ro ab­schie­ben konn­te, um an ei­ner Staub­lun­ge zu er­kran­ken, weil sie sich wie ein Holz­wurm durch al­te Ak­ten wüh­len müss­te. Das war nichts für Liz, sie moch­te die fri­sche Luft, die Spu­ren, das ent­rät­seln und das Ge­fühl et­was Sinn­vol­les mit ih­rem Le­ben an­zu­fan­gen. Au­gen durch und zu, wie das Sprich­wort sagt. Sie wür­de sich das an­hö­ren und wenn ihr die Fran­zo­sen auf die Ner­ven gin­gen zu­rück nach Eng­land flie­gen, um dort Ver­bre­cher zu ja­gen.

    Das Boar­ding be­gann end­lich und Liz nahm ih­re Hand­ta­sche, die auch ger­ne als Kof­fer hät­te durch­ge­hen kön­nen, und be­trat den mo­der­nen Air­bus. Für die 760 km wür­den an­dert­halb Stun­den aus­rei­chen.

    4. Kapitel

    Vereinigte Staaten, Houston (TX)

    Das Fa­den­kreuz lag zwei cm ober­halb des Her­zens der Ziel­per­son, auf die Ent­fer­nung von 300 m wä­re das ein Voll­tref­fer. Lang­sam at­me­te Lea aus und drück­te den Ab­zug an ih­rem M24, ei­ner Va­ri­an­te des Re­ming­ton 700, durch. Mit ih­rem Ziel­fern­rohr er­kann­te sie, das die Ziel­per­son schon tot war, als der Kör­per auf dem Kies­bo­den auf­schlug. »Sau­ber ge­trof­fen, Mis­si­on be­en­det. Flucht­punkt Al­pha in 10!« Hör­te sie über ihr Head­set.

    Lea Enis ging hin­ter der Brüs­tung des Hoch­hau­ses in De­ckung und nahm das M24 aus­ein­an­der, ver­pack­te die ein­zel­nen Tei­le wie­der in ih­rer Um­hän­ge­ta­sche. Sie leg­te sich die Trä­ger auf die Schul­ter und ging ge­duckt zu der Tür, die auf das Dach führ­te. Im schumm­ri­gen Licht des Trep­pen­hau­ses lief sie tritt­si­cher nach un­ten bis zum 28. Stock­werk, schlüpf­te durch die Tür zur Trep­pe und be­fand sich im Flur des Ho­tels. Drei­ßig Schrit­te links von ihr be­fand sich der Per­so­nal­auf­zug. Sie zog ih­re Zu­gangs­kar­te aus der Ho­sen­ta­sche und hielt sie vor das Le­se­ge­rät. Die Fahr­stuhl­tür glitt auf und sie be­trat die Ka­bi­ne, des al­ten Auf­zugs, der sei­ne bes­ten Zei­ten lan­ge hin­ter sich hat­te. Nach dem Druck auf die Tas­te B1 schlos­sen sich die Tü­ren und der Auf­zug setz­te sich ru­ckelnd in Be­we­gung. Un­ten an­ge­kom­men ver­ließ sie die Ka­bi­ne, dreh­te sich nach rechts und lief durch die Groß­kü­che zum Sei­ten­ein­gang. Sie wirk­te wie ein jun­ges Dienst­mäd­chen in dem Ho­tel, das ge­ra­de ih­re Schicht be­en­de­te und nach Hau­se woll­te. Vor der Tür bog sie nach links ab und ver­schwand in der klei­nen Sei­ten­gas­se. Sie er­blick­te den dun­kelblau­en Van und eil­te ihm ent­ge­gen. Im Schritt­tem­po öff­ne­te sich die Sei­ten­tür des Fahr­zeugs und Lea sprang hin­ein. Die Tür fiel pol­ternd hin­ter ihr zu. Es war warm in dem Van, doch Lea frös­tel­te. Et­was stimm­te hier nicht. Sie soll­te al­lei­ne in dem Fahr­zeug sein, doch ge­gen­über auf dem hin­te­ren Sitz saß ei­ne Frau in Bu­si­ness­an­zug, die ver­träumt aus dem ver­dun­kel­ten Fens­ter blick­te.

    »Wo bin ich denn hier ge­lan­det, das ge­hört nicht zum Plan«, er­öff­ne­te Lea.

    »Ganz ru­hig Miss Enis, es läuft al­les so, wie es ge­dacht ist. Leh­nen Sie sich zu­rück und ge­nie­ßen sie ih­re letz­te Fahrt in Frei­heit. Sie wer­den sehr lan­ge kei­ne Ge­le­gen­heit mehr da­zu ha­ben«, ent­geg­ne­te die Frau.

    »Was soll das hei­ßen?«, frag­te sie.

    »Das heißt, dass sie uns in die Fal­le ge­gan­gen sind und jetzt die nächs­ten Jah­re in ei­nem Hoch­si­cher­heits­ge­fäng­nis zu­brin­gen wer­den.«, kon­ter­te sie kühl.

    »Wer zum Teu­fel sind sie, und wie­so glau­ben sie, ich wür­de still hier sit­zen blei­ben? Was soll­te mich da­von ab­hal­ten sie ein­fach zu kil­len? Ob jetzt nur ei­ner dran glau­ben muss­te oder zwei spielt kei­ne Rol­le!«

    »Das hat­ten wir er­war­tet Miss Enis. Ich bin Spe­ci­al Agent Tur­ner vom FBI. Wir sind jetzt seit vier Jah­ren hin­ter ih­nen her. Sie wa­ren flei­ßig. Ins­ge­samt ge­hen mehr als vier­zig Lei­chen auf ihr Kon­to und das ist si­cher nur die Spit­ze des Eis­bergs. Soll­ten Sie auch nur den Ver­such un­ter­neh­men, mich an­zu­grei­fen, wer­den sie die­ses Fahr­zeug nicht mehr le­bend ver­las­sen. Ha­be ich mich deut­lich ge­nug aus­ge­drückt?«

    »Sie wer­den ihr blau­es Wun­der er­le­ben!«, wü­te­te Lea, »In spä­tes­tens zwei Stun­den wer­den ih­nen die Ku­geln nur so um den Kopf sau­sen und es wird mir die größ­te Freu­de be­rei­ten, sie mit ei­ner ros­ti­gen Ga­bel aus­zu­wei­den!«

    »Spa­ren sie sich die großen Re­den Miss Enis. In zwei Stun­den sit­zen sie ge­müt­lich in der Zel­le und rich­ten sich für einen sehr lan­gen Auf­ent­halt in ih­rer neu­en Hei­mat ein!«

    Lea konn­te nicht glau­ben, was da eben pas­siert war. Der Plan war per­fekt. Jetzt saß hier ei­ne vom FBI vor ihr und er­zähl­te was von Knast. Das kann ein­fach nicht wahr sein. Ich bin viel zu jung, um in den Knast zu ge­hen. Gera­de mal 30 Jah­re alt und in der bes­ten Zeit mei­nes Le­bens. Was war da nur schief­ge­lau­fen, und vor al­lem wo ist Den­nis ab­ge­blie­ben? Den­nis war ihr Freund und war seit acht Jah­ren im­mer an ih­rer Sei­te. Er soll­te ei­gent­lich den Flucht­wa­gen fah­ren, wäh­rend sie hier al­lei­ne sit­zend ab­tauch­te. Nur wo war Den­nis jetzt? Fra­gen über Fra­gen, aber kei­ne Ant­wor­ten.

    Wäh­rend ihr Tau­sen­de Ge­dan­ken durch den Kopf rausch­ten und sich zu ei­ner breii­gen Mas­se zu­sam­men­zo­gen, wur­de das klei­ne Fens­ter zur Fah­rer­ka­bi­ne ge­öff­net. Be­nom­men ver­nahm sie ei­ne ver­trau­te Stim­me, konn­te aber die Wor­te nicht ver­ste­hen, zu sehr war sie in ih­ren Ge­dan­ken ge­fan­gen. Der Van fuhr wei­ter durch die Stra­ßen von Hou­ston in Texas, mit Lea auf der Rei­se in die un­ge­wis­se Zu­kunft.

    5. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    Sur­rend setz­te sich das Trans­port­band in Gang. Liz stand et­was ab­seits um nicht im großen Ge­drän­ge um­ge­rannt zu wer­den. Um sie her­um fie­len sich Fa­mi­li­en in die Ar­me, Kin­der lach­ten und Ju­gend­li­che stell­ten ih­re Cool­ness un­ter Be­weis, in­dem sie ein­fach al­les und je­den igno­rier­ten. Der ganz nor­ma­le Wahn­sinn an ei­nem Flug­ha­fen. Ihr Blick fiel auf einen kom­plett in schwarz ge­klei­de­ten Mann, der nur ei­ni­ge Me­ter ent­fernt von ihr stand. Sei­ne Au­ra wirk­te düs­ter und be­droh­lich auf sie, ob­wohl die kan­ti­gen Zü­ge ihm ei­ne ge­wis­se At­trak­ti­vi­tät ver­lie­hen. Trotz­dem woll­te sie so je­man­dem si­cher nicht nachts be­geg­nen. Er stand wie ein Baum auf ei­ner Stel­le, doch sei­ne blau­en Au­gen wa­ren hell­wach und streif­ten un­auf­hör­lich durch die Hal­le. Wie aus dem nichts setz­te er sich in Be­we­gung und hielt auf das Band zu, auf dem eben ei­ne schwar­ze Ny­lon­ta­sche er­schi­en. Oh­ne Um­weg lief er ge­ra­de­aus, rem­pel­te einen Ju­gend­li­chen fast um, der ihm auf Fran­zö­sisch ir­gen­det­was hin­ter­her­warf, was nicht be­son­ders freund­lich klang. Er igno­rier­te ein strei­ten­des Ehe­paar, lief di­rekt zwi­schen ih­nen durch, pack­te die schwar­ze Ta­sche am Griff und ging dann auf den Aus­gang der Hal­le zu. Mit dem ist si­cher, nicht gut Kir­schen es­sen, grins­te sie in sich hin­ein. Die Rei­hen vor dem Band lich­te­ten sich ein we­nig und Liz er­kann­te ih­ren Kof­fer der sei­ne Krei­se dreh­te. Sie nahm ihn vom Band, stell­te ihn auf den Bo­den und zog den Griff nach oben um ihn hin­ter sich her­rol­len zu las­sen. Sie ver­ließ die Hal­le auf di­rek­tem Weg, um nach drau­ßen zu kom­men, es wur­de lang­sam Zeit den Ni­ko­tin­spie­gel auf ein nor­ma­les Le­vel zu brin­gen, der seit Lon­don ins Bo­den­lo­se ge­fal­len war.

    Drau­ßen leg­te die Son­ne Ly­on in hel­les Licht, das in den Au­gen brann­te. Liz kniff die Au­gen zu­sam­men, da­mit sich die Pu­pil­len ver­en­gen konn­ten. Als sie sich an die Hel­lig­keit ge­wöhnt hat­te, öff­ne­te sie die Au­gen, fisch­te in ih­rer Hand­ta­sche nach ei­nem Glimm­stän­gel und ih­rem Feu­er­zeug. Da stand er wie­der vor ihr, der Mann in Schwarz. Die­ses Mal mit ei­ner eben­falls schwar­zen Son­nen­bril­le vor den Au­gen zog er an sei­ner Zi­ga­ret­te und in­ha­liert tief. Sie ver­such­te, ihn ab­zu­schät­zen. Groß war er, mar­kan­tes Ge­sicht mit den har­ten Zü­gen, et­was rund­lich um die Hüf­te und ein Kreuz wie ein Bär. Aber ir­gend­was ir­ri­tier­te sie an ihm. Er wirk­te un­glaub­lich mäch­tig und doch spür­te sie so et­was wie Un­si­cher­heit. In­ter­essan­ter Typ ei­gent­lich wä­re da nicht sein Be­neh­men wie ein Ele­fant im Kühl­schrank.

    Dann ent­deck­te sie einen jün­ge­ren Mann, der in ei­nem schwar­zen An­zug zwei Schild­chen in die Hö­he reck­te. Auf dem lin­ken stand L. Croll und auf dem rech­ten M. Korn. Das war wohl ein Bü­ro­hengst von In­ter­pol, der zwei Per­so­nen ab­ho­len soll­te, wo­bei er so dürr war wie ein klei­ner Stock und auf sie wirk­te, als kön­ne er kaum einen Blei­stift hal­ten. Egal dach­te sie sich, fah­ren wird er wohl kön­nen und so weit ist es ja auch wie­der nicht. Sie wink­te ihm zu und stell­te sich als Liz Croll vor. Ei­ne piep­sen­de Kin­der­stim­me drang aus sei­nem Mund, als er sag­te »Mon­sieur Rous­sel schickt mich, um sie ab­zu­ho­len Miss Croll. Ist mir ei­ne Freu­de, sie ken­nen­zu­ler­nen. Wir war­ten lei­der noch auf Mis­ter Korn, der ei­gent­lich vor ih­nen ge­lan­det sein müss­te.«

    »Ich hab dich schon lan­ge ge­se­hen Büb­chen!«, raun­te ei­ne tie­fe Stim­me hin­ter Liz.

    Er­schro­cken dreh­te sie sich um und starr­te auf ein schwar­zes Shirt, erst als sie den Kopf hob, er­kann­te sie, dass es der Bull­do­zer, der vor­her durch die Ge­päck­hal­le ge­pflügt war. Das ist al­so Mis­ter Korn, oder soll­te ich ihn eher Mis­ter Arsch nen­nen?

    Die schril­le Stim­me leg­te wie­der los »Mis­ter Korn, es freut mich, dass sie hier sind. Wie wa­ren ih­re Flü­ge?«

    Ehe Liz et­was er­wi­dern konn­te, hat­te schon Mis­ter Arsch das Wort er­grif­fen und sah den jun­gen an, als wol­le er, ihn gleich auf der Stel­le zum ewi­gen Schwei­gen brin­gen »Quatsch mir kei­ne Fri­ka­del­le ans Knie du Kno­chen­ge­rüst. Hau die Ha­cken in den Teer und lass uns fah­ren sonst krieg ich schlech­te Lau­ne!«

    »Noch schlech­ter als jetzt ist wohl kaum mög­lich Mis­ter Korn, oder soll­te ich sie bes­ser Mis­ter Arsch nen­nen?«, gif­te­te Liz.

    »Vor­sich­tig, das Zwer­gen wer­fen wur­de letz­tes Jahr wie­der er­laubt, viel­leicht mach ich spä­ter noch Ge­brauch da­von«, hör­te sie den dump­fen Bass sei­ner Stim­me.

    »Be­vor wir fah­ren müss­te ich sie bit­ten, sich aus­zu­wei­sen!«, be­harr­te der Fah­rer.

    Korn griff in sei­ne hin­te­re Ho­sen­ta­sche und zog sei­nen Aus­weis her­aus, den er an­ge­wi­dert dem Fah­rer vor die Na­se hielt. Als er da­nach grei­fen woll­te, zog Korn sei­ne Hand zu­rück und mach­te ein fins­te­res Ge­sicht.

    »Du be­hältst dei­ne Pfo­ten bei dir, sonst bre­che ich sie dir!«, pflaum­te er ihn an.

    Liz nes­tel­te in ih­rer Hand­ta­sche nach ih­rem Aus­weis­do­ku­ment. Un­ge­dul­dig be­ob­ach­tet der schwarz ge­klei­de­te Bo­dy­guard das Schau­spiel und riet ihr dann »Ver­su­chen sie es im Kel­ler der Rei­se­ta­sche!«

    »Dan­ke für den Hin­weis, aber ich wer­de mei­nen Aus­weis auch oh­ne ih­re Hil­fe fin­den!«, warf sie ihm et­was un­ge­hal­ten an den Kopf.

    »Ich be­zweifle ernst­haft, das sie einen Aus­weis be­sit­zen, eher ver­mu­te ich ein Ent­schul­di­gungs­schrei­ben von Dur­ex!«, gab Korn zu­rück.

    Na das kann ja hei­ter wer­den, schoss es ihr durch den Kopf und sie be­reu­te, dass sie ih­re Waf­fe nicht mit­neh­men durf­te. Liz fand ih­ren Per­so­nal­aus­weis zu­sam­men mit ih­rem Dienst­aus­weis in ei­ner in­ne­ren Sei­ten­ta­sche. Sie reich­te das Do­ku­ment dem Fah­rer, der es auf­merk­sam be­gut­ach­te­te und es ihr wie­der mit ei­nem schie­fen Lä­cheln zu­rück­gab. Korn hat­te sich be­reits auf den Bei­fah­rer­sitz ge­setzt und die Tür zu­ge­schla­gen. Sei­ne Au­gen wa­ren in den zart­blau­en Him­mel über Ly­on ge­rich­tet. Liz nahm hin­ter dem Fah­rer Platz und starr­te bö­se auf Korn. Fast un­merk­lich schüt­tel­te sie den Kopf über das Ver­hal­ten des Man­nes. Er nahm da­von kei­ne No­tiz. Sein Kopf war zum Fens­ter ge­rich­tet, durch das er starr und un­be­weg­lich in den Him­mel blick­te.

    Die Fahrt ver­lief still, mit Aus­nah­me der Chan­son sin­gen­den Stim­me aus dem Ra­dio, die sich an­hör­te, als wür­de man ihr ge­ra­de den Blind­darm oh­ne Be­täu­bung ent­fer­nen.

    6. Kapitel

    Vereinigte Staaten, Houston (TX)

    Spe­ci­al Agent Tur­ner lehn­te in ih­rem Le­der­ses­sel und hielt einen Mo­no­log über die so­eben ver­haf­te­te Lea Enis. Vor ihr blick­te sie Agent Bloom an, der auf dem un­be­que­men Holz­stuhl Platz ge­nom­men hat­te.

    »Mein lie­ber Agent Bloom, ich bin sehr froh, dass wir heu­te Miss Enis aus dem Ver­kehr zie­hen konn­ten. Das al­les ist so gut wie al­lei­ne ihr Ver­dienst. Sie ha­ben die­ses Mons­ter jah­re­lang über­wacht und konn­ten uns den ent­schei­den­den Hin­weis lie­fern, der letzt­end­lich zu ih­rer Er­grei­fung führ­te. In den letz­ten Jah­ren fie­len ihr, nach of­fi­zi­el­len Zah­len, die wir auch ih­nen ver­dan­ken, mehr oder we­ni­ger zu­min­dest, na­he­zu 49 Per­so­nen zum Op­fer. Hin­ge­rich­tet, möch­te ich bei­na­he sa­gen, in 23 Bun­des­staa­ten die­ses Lan­des. Die gan­zen Op­fer hat­ten ei­nes ge­mein­sam, sie ar­bei­te­ten für die un­ter­schied­lichs­ten Be­hör­den die­ses Lan­des. Bis­her feh­len uns lei­der noch die gan­zen Be­wei­se, wo­her sie ih­re Auf­trä­ge be­kom­men hat, und vor al­lem auf wel­chem We­ge. Die Com­pu­ter­da­ten durch den von ih­nen ein­ge­schleus­ten Tro­ja­ner er­ga­ben kei­nen ein­zi­gen Tref­fer oder An­halts­punk­te, wo­her die Auf­trä­ge ka­men und wer da­für be­zahlt hat. Sie sind der Held des Jahr­zehnts. Ich mag mir gar nicht vor­stel­len wie sie dar­un­ter ge­lit­ten ha­ben müs­sen. Letz­ten En­des ist sie jetzt aber in der Zel­le, be­vor man sie in den nächs­ten Ta­gen in ein Hoch­si­cher­heits­ge­fäng­nis ver­legt, in dem sie nach der­zei­ti­ger Schät­zung we­nigs­tens 120 Jah­re ver­brin­gen wird. Dann wä­re sie 150 Jah­re alt, wenn sie raus­kommt. Nur das wird nicht pas­sie­ren, wür­de ich sa­gen. Was ha­ben sie jetzt als Nächs­tes vor Agent?«

    »Zu­erst möch­te ich ger­ne einen län­ge­ren Ur­laub an­tre­ten, mei­ne Fa­mi­lie be­su­chen, so­wie ei­ne rie­si­ge Par­ty ver­an­stal­ten« lä­chel­te Bloom.

    »Wir müs­sen erst noch ih­re Tar­nung rück­gän­gig ma­chen, aber da küm­me­re ich mich be­reits drum. Ge­nie­ßen Sie ih­ren Ur­laub«, strahl­te Tur­ner ihn an.

    »Ach ei­ne Fra­ge noch Mis­ses Tur­ner, dürf­te ich die Ge­fan­ge­ne noch ein­mal be­su­chen? Ich ha­be da noch ein per­sön­li­ches An­lie­gen, das ich ger­ne mit Miss Enis klä­ren wür­de«, er­wi­der­te Agent Bloom.

    Tur­ner über­leg­te einen Mo­ment, be­vor sie die Er­laub­nis gab. Agent Bloom er­hob sich von dem har­ten Stuhl, drück­te sein Kreuz durch, be­dank­te sich mit ei­nem Ni­cken und schloss die Bü­ro­tür hin­ter sich. Auf sei­nem Weg zu den Ver­wahr­zel­len im Un­ter­ge­schoss des Ge­bäu­des muss­te er im­mer wie­der ste­hen blei­ben, um sich zu ori­en­tie­ren. Er war seit ei­ner Ewig­keit nicht mehr in dem Ge­bäu­de ge­we­sen. In den letz­ten Jah­ren hat­te sich vie­les ver­än­dert.

    Un­ten an­ge­kom­men lief er an den ers­ten Zel­len vor­bei, die al­le­samt leer wa­ren. Erst im hin­te­ren Be­reich ent­deck­te er Lea Enis, die auf ih­rer Prit­sche lag und das Ge­sicht in der krat­zi­gen Woll­de­cke ver­gra­ben hat­te.

    Er stell­te sich an die Git­ter­stä­be und pfiff ei­ne lei­se Me­lo­die. Lea, die bis da­hin be­we­gungs­los und schwer at­mend auf der Prit­sche lag, dreh­te den Kopf et­was nach links. Als der Trä­nen­schlei­er sich lich­te­te, er­kann­te sie, wer da vor ih­rer Zel­le stand, be­vor sie über­has­tet zum Git­ter stürz­te, rief sie »Den­nis!«

    Agent Bloom wich zu­rück und sag­te in ru­hi­gem Ton, »Nicht Den­nis, für sie Agent Bloom Miss Enis.«

    Lea ver­harr­te ei­ne Se­kun­de, be­vor sie maul­te, »Lass die blö­den Scher­ze! Hol mich ge­fäl­ligst hier raus Den­nis!«

    Der Agent lä­chel­te und in süf­fi­san­ten Ton merk­te er an, »Mein Na­me war noch nie Den­nis Wil­cox, Miss Enis. Ich bin Agent Bloom. Üb­ri­gens bin ich der Grund, dass es uns ge­lun­gen ist sie zu er­grei­fen und der Ge­rech­tig­keit zu über­ge­ben.«

    Leas an­sons­ten blas­ses Ge­sicht än­der­te die Far­be in ein dunkles Rot. Sie keif­te, »Wenn ich hier raus bin, wirst du der ers­te Mord mei­ner Kar­rie­re den ich un­be­zahlt, aber mit höchs­ter Be­frie­di­gung, lang­sam und qual­voll er­le­di­gen wer­de. Ich ver­spre­che dir, dass ich, wenn nö­tig, mein ge­sam­tes Ver­mö­gen aus­ge­be, um dei­ne Qua­len ewig zu ver­län­gern!«

    »Daraus wird wohl lei­der nichts, denn sie wer­den bis zum letz­ten Atem­zug hin­ter Git­tern ver­brin­gen«, lach­te Bloom.

    Dann wand­te er sich um und ver­ließ das Un­ter­ge­schoss oh­ne ein wei­te­res Wort.

    Lea konn­te es nicht fas­sen. Ihr Freund, den sie seit 8 Jah­ren an ih­rer Sei­te wuss­te, war ein Agent des FBI. Wie hat­te sie das nur all die Jah­re über­se­hen kön­nen?

    Lea Enis war seit frü­he­s­ter Kind­heit mit Waf­fen auf­ge­wach­sen. So­lan­ge sie den­ken konn­te, hat sie im­mer ir­gend­wie den Ab­zug ge­drückt. Als klei­nes blon­des Mäd­chen in Texas, als ihr Va­ter noch leb­te, hat­te sie erst Spiel­zeug­waf­fen in den Fin­gern, die durch klei­ne Zünd­hüt­chen einen Knall ab­ga­ben. Mit zar­ten 8 Jah­ren hat­te sie das ers­te Mal ei­ne ech­te Waf­fe in der Hand und durf­te un­ter der Auf­sicht ih­res Va­ters mit Platz­pa­tro­nen auf ima­gi­näre bö­se Bu­ben schie­ßen. Mit 11 durf­te sie das ers­te Mal in ih­rem Le­ben mit schar­fer Mu­ni­ti­on auf Ge­trän­ke­do­sen an­le­gen. Nach­mit­tags, wenn die Schu­le zu En­de war, üb­te sie auf ih­rer Play­sta­ti­on das an­vi­sie­ren. So­bald dann ihr Va­ter zu Hau­se war, durf­te sie im Gar­ten, oder bei Re­gen auf der Ter­ras­se auf Tau­sen­de Zie­le schie­ßen. Ih­re Mut­ter brach­te ihr au­to­ge­nes Trai­ning bei, was die Kon­zen­tra­ti­on stei­ger­te und ließ sie die Mus­keln der Ar­me trai­nie­ren. Lea Enis wur­de nur 1,58 m groß und wog bis heu­te nur knap­pe 45 Ki­lo­gramm. Sie war schon im­mer zier­lich, aber ihr Ziel war es, die großen Ge­weh­re ab­zu­feu­ern, die mit dem Rück­stoß für sie ein­fach nicht zu hal­ten wa­ren. Vie­le Jah­re trai­nier­te sie wie ei­ne Be­ses­se­ne ih­re Mus­keln und die Hal­tung der Waf­fe bis sie mit 17 zum ers­ten Mal mit ei­nem Ge­wehr auf wei­ter ent­fern­te Zie­le ihr Kön­nen un­ter Be­weis stel­len konn­te. Mit 19 Jah­ren muss­te sie mit­er­le­ben, wie ih­re El­tern ge­tö­tet wur­den. Sie kann­te die Män­ner nicht die ih­re El­tern um­ge­bracht ha­ben, bis es ihr mit­hil­fe ei­ni­ger Freun­de ge­lang, sie aus­fin­dig zu ma­chen. Sie über­leg­te sich einen ge­nau­en Plan wie sie die bei­den, wann und wo, aus si­che­rer Ent­fer­nung er­le­di­gen konn­te. Die­se ers­ten Mor­de blie­ben nicht un­be­merkt. Gut, die Cops tapp­ten im Dun­keln und wa­ren nie in der La­ge das al­les ir­gend­wie auf­zu­klä­ren. Aber ei­ni­ge Ge­schäfts­leu­te er­fuh­ren durch un­durch­sich­ti­ge Kanä­le da­von. Sie en­ga­gier­ten die jun­ge Frau für ei­ni­ge Mor­de. Al­ler­dings blieb ihr Grund­satz im­mer gleich. Sie wür­de nie einen un­schul­di­gen Men­schen er­schie­ßen. Sie über­prüf­te je­den ein­zel­nen Auf­trag bis zu den dun­kels­ten Hin­ter­grün­den, be­vor sie los­zog, um sie zu eli­mi­nie­ren. Ih­re Auf­trä­ge be­zog sie über einen to­ten Brief­kas­ten im Mu­se­um of fi­ne Arts in Hou­ston. Die Be­zah­lung ih­rer Diens­te lief eben­falls über To­te Brief­kas­ten in Hou­ston.

    Und jetzt saß sie in die­sem Loch, weil sie ei­nem ver­deck­ten Er­mitt­ler auf den Leim ge­gan­gen war, der es ge­schafft hat­te, ihr Herz zu steh­len. Sie muss­te raus aus dem Loch, die große Fra­ge war nur wie.

    7. Kapitel

    Italien, Rom

    Das klei­ne Häu­schen in ei­ner der mie­ses­ten Ge­gen­den der Ewi­gen Stadt war bis auf die Grund­mau­ern nie­der­ge­brannt, trotz des un­er­müd­li­chen Ein­sat­zes der Feu­er­wehr­leu­te. Die bei­den Be­woh­ner, ein Com­pu­ter­tech­ni­ker und sei­ne Frau ka­men bei dem Brand ums Le­ben. Brander­mitt­ler un­ter­such­ten die Über­res­te und ka­men zu dem Schluss, dass es Brand­stif­tung ge­we­sen sein muss­te. Sie fan­den Spu­ren an den Die­len un­term Bett der Ehe­leu­te, die zwei­felsoh­ne durch einen Zünd­satz ent­stan­den. Das war auch der ers­te Brand­herd. Un­klar war den Er­mitt­lern nur, warum das Ehe­paar das Bett nicht ver­las­sen hat­te, nach­dem der Brand aus­ge­bro­chen war. Aber noch et­was an­de­res fehl­te den Ca­ra­bi­nie­ri, näm­lich das Mo­tiv für einen Mord an ei­nem Tech­ni­ker der ge­ra­de mal ge­nug ver­dien­te, um sich und sei­ne Frau über die Run­den zu be­kom­men. Das pass­te al­les hin­ten und vor­ne nicht zu­sam­men.

    Nach un­zäh­li­gen Ar­beits­stun­den der Er­mitt­ler wur­den die Er­geb­nis­se zu den Ak­ten ge­legt. Ei­ne Auf­klä­rung wur­de da­mit im­mer un­wahr­schein­li­cher.

    Vereinigte Staaten, Langley (VA)

    Der Ein­satz­lei­ter der CIA John Clark­son blät­ter­te in ei­ni­gen Be­rich­ten auf sei­nem Schreib­tisch. Der Ein­satz in Cancún war nicht so ge­lau­fen, wie er das ge­plant hat­te. Le­dig­lich sein Pro­blem­lö­ser hat­te die Spu­ren in Rom be­sei­tigt. Sie hat­ten nur die Hül­le er­beu­tet, aber das ei­gent­li­che Ma­te­ri­al blieb ver­schwun­den. Da klin­gel­te sein Te­le­fon.

    »Was?«, frag­te Clark­son.

    »Sir, wir ha­ben ein Pro­blem in Cancún!«, be­rich­te­te sein Agent.

    »Schön wenn es nur eins wä­re! Was denn noch?«, seufz­te er.

    »Da, wo die Hül­le ver­gra­ben war, be­legt ein di­cker Ur­lau­ber den Strand. Wir kön­nen nicht mehr dran!«

    »Hat der Wind von der An­ge­le­gen­heit be­kom­men und ver­sucht, jetzt selbst da­nach zu su­chen?«, frag­te er är­ger­lich.

    »Mög­lich Sir. Er ver­lässt den Platz so gut wie nie und im­mer wie­der fin­gert er im Sand her­um!«, be­stä­tig­te sein Agent vor Ort.

    »Ver­dammt, das hat uns ge­ra­de noch ge­fehlt!«, blaff­te Clark­son. »Be­hal­ten sie ihn un­ter al­len Um­stän­den im Au­ge. Durch­su­chen sie sein Ho­tel­zim­mer, ob er das Ma­te­ri­al be­reits in sei­nem Be­sitz hat. Wenn er es wei­ter­gibt, will ich wis­sen an wen und wo es dann zu ho­len ist!«

    »Was ma­chen wir mit dem Typ?«, frag­te er.

    »Falls es ein nor­ma­ler Ur­lau­ber ist, braucht er nichts zu wis­sen, dann las­sen sie ihn lau­fen. Be­sitzt er ir­gend­wel­che Kennt­nis von uns oder der An­ge­le­gen­heit, oder wer­den sie ent­deckt ma­chen sie ihn um­ge­hend un­schäd­lich!«, fauch­te er.

    »Wird er­le­digt Sir!«, sag­te sein Agent und leg­te auf.

    Ein Ur­lau­ber, der ex­akt an der Stel­le mit den Fin­gern im Sand spielt? Aus­ge­rech­net dann, wenn sei­ne Leu­te die Res­te aus dem Ver­steck ho­len muss­ten, weil das ers­te Te­am zu blöd war ein biss­chen tiefer zu gra­ben. Die gan­ze Ge­schich­te war erst an­ge­lau­fen und ver­wan­del­te sich mit je­der Stun­de, die ver­strich in einen Alb­traum. Es hät­te so ein­fach sein kön­nen. Der Com­pu­ter­vo­gel holt den Pro­to­typ aus dem La­bor, ver­steckt ihn in Cancún am Strand und kommt bei ei­nem Woh­nungs­brand in Rom auf tra­gi­sche Wei­se mit­samt sei­ner Al­ten um. Die Wis­sen­schaft­ler, die dar­an ge­ar­bei­tet ha­ben, ver­schwin­den eben­so wie das an­ge­mel­de­te Pa­tent in Deutsch­land. Al­les, was dann noch fehl­te, war die blö­de For­mel, aber die kann man not­falls auch mit dem Ma­te­ri­al her­aus­fin­den.

    Ein ein­fa­cher Rou­ti­ne­ein­satz soll­te es sein. Da­nach wä­re John Clark­son nicht mehr auf die­ses Al­mo­sen der CIA an­ge­wie­sen. Das war sei­ne Chan­ce, aus dem Loch hier her­aus­zu­kom­men. Al­les lag of­fen da, man muss­te es nur noch mit­neh­men und ei­ni­ge Mit­wis­ser be­sei­ti­gen. Dann wür­de es Mil­li­ar­den auf ihn reg­nen. Aber an­statt al­les, oh­ne großes Auf­se­hen zu er­le­di­gen, pro­du­zier­ten sei­ne Agen­ten ei­ne Ka­ta­stro­phe nach der an­de­ren. Das, was er da un­ter sich hat­te, wa­ren kei­ne Field Agents, son­dern ir­gend­wel­che Col­le­ge­pfei­fen aus ei­nem In­zucht­dorf in Ida­ho. De­ren Stamm­baum war ein ver­damm­ter Kreis.

    8. Kapitel

    Mexiko, Irgendwo an der Küste

    Rai­ner lag auf sei­ner De­cke am wei­ßen Sand­strand des Ho­tels und las in ei­nem Buch. Er kam je­des Jahr für zwei Wo­chen hier­her, um sich zu er­ho­len. Er lieb­te das azur­blaue Meer, in dem die Son­ne glit­zer­te, den wei­chen hei­ßen Sand und den Ser­vice den ihm das Ho­tel bie­ten konn­te. All-in­clu­si­ve und ein Ho­tel für 18+ on­ly. Kei­ne schrei­en­den, nör­geln­den Kin­der oder Halb­star­ke die zu viel Te­stos­te­ron ab­bau­en muss­ten und das mit wil­dem Balz­ver­hal­ten ge­gen­über gleich­alt­ri­gen jun­gen Da­men zum Aus­druck brach­ten. Ein­fach nur Ru­he und Ent­span­nung. Bis auf die­ses Jahr. Rai­ner lag seit Jah­ren am Strand im­mer an der glei­chen Stel­le. Um­ge­ben von ho­hen Grä­sern, in de­ren Hal­men der leich­te Wind am Strand et­was Be­we­gung brach­te und so ein ent­span­nen­des Säu­seln er­zeug­te. In die­sem Jahr kam er sich je­doch be­ob­ach­tet vor. Nicht von ei­ner jun­gen Da­me, das wä­re nicht das Pro­blem, mit der könn­te man ja auch ein paar hei­te­re Stun­den ver­brin­gen, ein Mann be­ob­ach­te­te ihn stän­dig. Egal wo­hin Rai­ner auch ging, im­mer war der Mann in der Nä­he und über­wach­te mit Ar­gus­au­gen je­den sei­ner Schrit­te. Aber da­mit soll­te jetzt Schluss sein dach­te er sich. Er leg­te das Buch auf sei­ne De­cke, stand auf, um an der na­hen Bar einen Drink zu neh­men. Nach sei­nem Drink be­such­te er die Toi­let­te, nur nicht, um et­was los­zu­wer­den, son­dern um et­was zu fan­gen. Klei­ne auf­dring­li­che Gaf­fer fängt man am bes­ten mit Speck und Rai­ner war als Be­ton­bau­er bes­tens ge­rüs­tet. Er war­te­te ei­ni­ge Se­kun­den di­rekt hin­ter dem Ein­gang. Er wuss­te, dass sein Ver­fol­ger gleich in der Nä­he der Tür ste­hen wür­de.

    Rai­ner riss die Tür auf, stürm­te auf den Gang und pack­te sei­nen Beo­b­ach­ter, der völ­lig über­rum­pelt wur­de, am Kra­gen und warf ihn in ei­ner flie­ßen­den Be­we­gung an die ge­gen­über­lie­gen­de Wand aus Back­stei­nen. Dann stie­gen 130 kg Kampf­ge­wicht auf die Ze­hen sei­nes Stal­kers. Rai­ner fun­kel­te den Mann an, der Trä­nen in den Au­gen hat­te we­gen der Mas­sa­ge sei­ner un­te­ren Ex­tre­mi­tä­ten und flüs­ter­te, »So Kol­le­ge, wir bei­den Pas­to­ren­töch­ter wer­den uns jetzt mal bei ei­nem klei­nen Tänz­chen un­ter­hal­ten, und glaub mir, du willst nicht wirk­lich lan­ge mit mir tan­zen. Ich stel­le dir jetzt ein paar Fra­gen, und wenn du mir ei­ne Ant­wort gibst, die mir nicht ge­fällt, könn­ten die klei­nen Kno­chen in dei­nen Ze­hen et­was Scha­den neh­men.«

    »Ich deu­te dein Schwei­gen mal als Zei­chen, dass du be­grif­fen hast, was jetzt hier ab­läuft. Wa­rum steigst du mir stän­dig hin­ter­her?«

    »Wir wol­len wis­sen, ob sie es ha­ben«, brach­te er stöh­nend her­vor.

    »Ihr wollt wis­sen, ob ich was ha­be?«, frag­te Rai­ner.

    »Die klei­ne Box!«, stam­mel­te der Beo­b­ach­ter.

    »Ich ha­be we­der ei­ne Box, noch ir­gend­ei­ne scheiß Ah­nung, wo­von du singst. Aber ei­nes ha­be ich, näm­lich den Kanal voll in mei­nem Ur­laub be­ob­ach­tet zu wer­den!«, flüs­ter­te Rai­ner be­droh­lich und stampf­te mit dem Fuß auf die ge­schun­de­nen Ze­hen des an­de­ren.

    »Au­u­u­u­u­uu. Wir brau­chen die­se Box«, heul­te der Stal­ker.

    »Okay, noch mal ganz lang­sam für die Stein­meiß­ler zum Mit­mei­ßeln. Ich ha­be kei­ne Box, nur einen gu­ten Tipp für dich. Wenn ich dich oder ir­gend­ei­nen an­de­ren Tau­ge­nichts se­he, der mir nach­stellt, so­lan­ge ich noch hier bin, zieh ich je­den von euch auf Links. HAST DU DAS BEGRIFFEN?«, frag­te Rai­ner an­griffs­lus­tig.

    »Ja, ja ich hab es ver­stan­den«, jaul­te der Mann.

    »Schön, dann hast du jetzt die große Eh­re zu­künf­tig dei­ne Schu­he in un­ter­schied­li­chen Grö­ßen zu kau­fen«, spie Rai­ner aus und trat mit vol­ler Wucht auf die Ze­hen sei­nes Geg­ners. Knack­ge­räusche wa­ren zu hö­ren und ein gel­len­der Schrei er­tön­te. Rai­ner Ham­mer ließ sei­nen Stal­ker zu Bo­den glei­ten, zog sein Shirt glatt und ver­ließ die Bar.

    Am nächs­ten Mor­gen klopf­te die Putz­frau Ro­sa­lia an Zim­mer 409 des Ho­tels, um dort zu put­zen. Nie­mand mel­de­te sich und Ro­sa­lia be­trat das Zim­mer mit ih­rer Key­card. Sie woll­te die Vor­hän­ge öff­nen, trat am Bad vor­bei und er­starr­te. Der Gast lag noch im Bett.

    Sie ver­schob Zim­mer 409 wei­ter nach hin­ten, um den Gast nicht zu stö­ren.

    Am spä­ten Nach­mit­tag be­trat sie das Zim­mer er­neut, doch der Gast lag im­mer noch im Bett. Sie ging vor­sich­tig an das Bett und rüt­tel­te dar­an. Der Mann reg­te sich nicht. Sie trat nä­her an den Gast her­an und fass­te ihm an die Schul­ter. Sie war eis­kalt. Ro­sa­lia tau­mel­te zu­rück Rich­tung Gang, be­vor sie an­fing, fürch­ter­lich zu schrei­en.

    Der Gast auf Zim­mer 409 war tot, in den Un­ter­la­gen stand der Na­me Rai­ner Ham­mer.

    9. Kapitel

    Frankreich, Lyon

    In dem Be­spre­chungs­raum von In­ter­pol, in­mit­ten ei­nes großen Ti­sches aus Nuss­baum­holz stand ein klei­ner Be­a­mer, der ei­ne Pro­jek­ti­ons­flä­che an der Stirn­wand des Rau­mes mit dem Lo­go von In­ter­pol an die Wand warf. Klei­ne LED Spots in der De­cke spen­de­ten ge­nug licht und tauch­ten den Raum in einen hel­len Schein von kalt­weißem Licht. Auf den brau­nen Le­der­ses­seln hat­ten die an­we­sen­den Platz ge­nom­men. Rous­sel saß am Kop­fen­de des Ti­sches, Liz Croll links von ihm und Mi­cha­el Korn rechts. Vor Rous­sel lag ein blau­er Ord­ner mit dem auf­ge­druck­ten Lo­go von In­ter­pol.

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    Rous­sel be­gann, mit ei­nem deut­li­chen Ak­zent zu spre­chen »Ich freue mich au­ßer­or­dent­lich, dass sie bei­den hier sind Miss Croll und Mis­ter Korn. Wie sie wis­sen, han­delt es sich um einen neu­en Job. Bis­her war es ja so, dass In­ter­pol kei­ne ei­ge­nen Agen­ten ins Feld schi­cken konn­te. Das lag nicht zu­letzt dar­an, dass al­le Mit­glieds­staa­ten ei­ne ei­ge­ne, so­gar meh­re­re, Po­li­zei­be­hör­den hat und es so­mit zu Ver­wick­lun­gen von In­ter­pol mit den je­wei­li­gen Be­hör­den ge­führt hät­te. Nach jah­re­lan­gen zä­hen Ver­hand­lun­gen mit den ein­zel­nen Staa­ten ist es uns, nicht zu­letzt un­ter mei­ner Lei­tung ge­lun­gen die­se Pro­ble­me aus dem Weg zu räu­men. Je­der Mit­glieds­staat hat uns, nicht oh­ne Zu­ge­ständ­nis­se, ein­ge­räumt ein ei­ge­nes Te­am von In­ter­po­l­agen­ten auf­zu­bau­en, die auch in je­dem Mit­glied­staat die glei­chen Be­fug­nis­se hat. Un­ser Com­pu­ter hat da­für ins­ge­samt vier Na­men aus­ge­spuckt mit den bes­ten Kan­di­da­ten. Sie bei­den sind zwei die­ser Na­men. Num­mer 3 ist der­zeit noch be­schäf­tigt, wird aber in kür­ze zu ih­nen sto­ßen. Num­mer 4 al­ler­dings, ist noch in den USA ge­bun­den, soll­te aber spä­tes­tens mor­gen hier ein­tref­fen. Vor­ran­gig je­doch sind sie bei­den ge­fragt.«

    Liz hör­te stau­nend zu, wäh­rend Korn einen geis­tig ab­we­sen­den Ein­druck mach­te und mit sei­nen Fin­gern spiel­te. Sie hat­te den Kotz­bro­cken be­reits ken­nen­ge­lernt. Jetzt die Aus­sicht dar­auf, mit ihm zu­sam­men­zu­ar­bei­ten, jag­te ihr einen Schau­er über den Rücken.

    Rous­sel fuhr fort »Sie bei­den ken­nen sich na­tür­lich noch nicht, ich darf al­so ein biss­chen was er­zäh­len. Be­gin­nen wir mit Miss Croll. Sie sind ei­ne der bes­ten Po­li­zis­tin­nen, die je­mals ei­ne Mar­ke ge­tra­gen hat. Wirk­lich be­ein­dru­ckend. Trotz ih­res Han­di­caps ei­ner ge­rin­gen Kör­per­grö­ße sind sie ei­ne der bes­ten Er­mitt­le­rin­nen ge­wor­den und sie scheu­en sich nicht in kör­per­li­che Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu ge­hen, noch da­zu ha­ben sie die Fä­hig­keit ent­wi­ckelt Lü­gen zu er­ken­nen. Sie sind kom­mu­ni­ka­tiv und ver­fü­gen über einen großen Er­fah­rungs­schatz.« Rous­sel mus­ter­te sie mit ei­nem be­wun­dern­den Lä­cheln auf den Lip­pen.

    »Nun zu Mis­ter Korn. Ihr Dos­sier ist eben­falls be­ein­dru­ckend. Bo­dy­guard, ei­ner der ganz har­ten Sor­te. Wach­sam, eher still und, wie soll ich es aus­drücken, nicht ge­ra­de men­schen­freund­lich ein­ge­stellt. Ge­fahr ist schein­bar ihr zwei­ter Vor­na­me, denn sie su­chen ge­ra­de­zu ver­zwei­felt da­nach. Eben­falls in der La­ge, Lüg­ner zu ent­lar­ven. Beo­b­ach­ter ers­ten Ran­ges, es gibt ver­mut­lich fast nichts, was ih­nen ent­geht und so lo­gisch den­kend wie ein Com­pu­ter. Ne­ga­tiv an­zu­se­hen ist al­ler­dings ih­re Kom­mu­ni­ka­ti­on. Be­lei­di­gend, ar­ro­gant und ex­trem zy­nisch mit dem Ch­ar­me ei­ner Dampf­ram­me. Al­ler­dings auch da­durch ein Ver­hör­spe­zia­list. Und ich darf noch hin­zu­fü­gen, wenn sie nicht ge­ra­de ih­ren Job ver­lo­ren hät­ten, wä­ren sie nicht hier. Eher wür­den sie ei­ne Ge­fäng­niss­tra­fe ab­sit­zen. Wenn ich rich­tig in­for­miert bin über 2 Jah­re. Ist das kor­rekt?«

    Rous­sel fi­xier­te Korn und der hob an »Nicht ganz, ei­gent­lich sind es 2 Jah­re und 4 Mo­na­te« gab er et­was ge­nervt zu. Liz kniff die Au­gen zu­sam­men und dach­te sich ih­ren Teil.

    »Gibt es Fra­gen von ih­nen bei­den?« Frag­te Rous­sel.

    Liz, die bis da­hin schwei­gend ge­lauscht hat­te, frag­te »Oh ja, die gibt es Mon­sieur Rous­sel. Wir sol­len ein Te­am bil­den, was sich al­ler­dings schwer ge­stal­tet, wenn Mis­ter Korn uns wie Dreck be­han­delt und lie­ber sein ei­ge­nes Süpp­chen kocht. Zu­dem sa­gen sie, er wür­de ei­gent­lich im Knast sit­zen, wo er mei­ner Mei­nung nach auch hin­ge­hört. Dann sind da, nach ih­rer Aus­sa­ge, noch zwei Mit­glie­der, von de­nen wir bis hier­hin noch nicht das Ge­rings­te er­fah­ren ha­ben. Be­vor ich ir­gend­was zu­stim­men kann, möch­te ich ger­ne die ge­nau­en Fak­ten ken­nen, wenn sie ver­ste­hen.«

    Korn stand auf und ging durch den Raum zum Fens­ter. Er blick­te in die Tie­fe. Rous­sel und Liz sa­hen ihm ir­ri­tiert zu. Korn be­gann zu spre­chen »Ich se­he es ähn­lich wie Miss Zwerg. Mir ist nicht ganz klar, was ich zum einen mit ihr an­fan­gen soll und zum an­de­ren was die bei­den an­de­ren Null­num­mern aus­ge­fres­sen ha­ben. Im­mer­hin bin ich mir nicht ganz si­cher, was da auf uns zu­kommt, was wir ei­gent­lich tun soll­ten und wel­che Be­fug­nis­se man uns ein­räumt. Ich bin kein Ver­suchs­kar­ni­ckel für In­ter­pol, den man un­ter La­bor­be­din­gun­gen zwin­gen will, Müll zu fres­sen.«

    Rous­sel press­te sei­ne Hand­flä­chen an­ein­an­der und hielt sie sich un­ter die Na­se. Liz sah den Bo­dy­guard an und wünsch­te sich, sie könn­te ihn ein­fach aus dem Fens­ter sto­ßen. Was glaub­te der Typ ei­gent­lich, wer er ist? Rous­sel über­leg­te ei­ne Wei­le be­vor er lei­se fort­setz­te, »Ich ver­ste­he ih­re Be­den­ken. Es ist nur so, dass man In­ter­pol als In­for­ma­ti­ons­quel­le nutzt. Wenn sich al­ler­dings Pro­ble­me er­ge­ben, in de­nen es um große Ver­schwö­run­gen geht, und ich ge­be ger­ne zu, das da mit­un­ter auch hoch­ran­gi­ge Po­li­ti­ker ih­re dre­cki­gen Fin­ger im Spiel ha­ben, dann wird da nicht groß wei­ter er­mit­telt. Wenn bei­spiels­wei­se ein Mi­nis­ter die Fin­ger im Spiel hat, ver­lau­fen die Er­mitt­lun­gen im Sand, weil nie­mand einen Mi­nis­ter an­pin­keln will, weil sein Job da­von ab­hängt. Bei In­ter­pol gibt es die­ses Pro­blem al­ler­dings nicht, wir sind völ­lig un­ab­hän­gig von jeg­li­cher po­li­ti­schen Ein­mi­schung. Aber ge­nug da­von, sie woll­ten bei­de wis­sen, wer da noch mit­mi­schen soll. Ich wer­de es ih­nen sa­gen, ob­wohl ich weiß, dass ei­ne nicht ganz in ihr Bild pas­sen wird. Ein wei­te­res Mit­glied ih­res Te­ams ist Mi­ke Banks. Ein IT und Ab­hör­spe­zia­list, wenn er nicht ge­ra­de wie­der Re­gie­rungs­ser­ver hackt. Saß in den USA 4 Jah­re im Knast, weil er der First La­dy einen Bart ins Ge­sicht ge­zau­bert hat. Auf ih­rem Pass­bild. Wir fan­den das ganz lus­tig, weil die­se Frau wirk­lich wie ein ver­rück­ter Mann ge­han­delt hat, die USA fan­den das nicht ganz so lus­tig. Er kann so gut wie je­des Si­cher­heits­sys­tem aus­trick­sen. Und da­mit das Gleich­ge­wicht wie­der stimmt, soll ei­ne wei­te­re Da­me da­zu­ge­hö­ren. In Eu­ro­pa ist sie we­ni­ger be­kannt, in Asi­en und den USA da­ge­gen um­so mehr. Ihr Ge­sicht war noch nie in den Nach­rich­ten. Nie­mand kann­te die­se Frau, aber al­le hat­ten Angst vor ihr. Ihr Na­me ist Lea Enis, bes­ser be­kannt als La­dy Sni­per. Ei­ne Auf­trags­kil­le­rin, die mit ei­nem Scharf­schüt­zen­ge­wehr al­les ab­knallt, was Dreck am Ste­cken hat. Sie hat in den letz­ten Jah­ren über 120 Män­ner und Frau­en ge­tö­tet, die al­le ei­nes ge­mein­sam hat­ten. Sie ar­bei­te­ten für Re­gie­run­gen oder Be­hör­den und wa­ren al­le al­les an­de­re als un­schul­dig.«

    »Ist das ihr ver­schis­se­ner Ernst Rous­sel? Ei­ne Auf­trags­kil­le­rin, die mit ei­nem Ge­wehr al­les um­legt, was ge­ra­de ir­gend­wo steht?«, er­ei­fer­te sich Liz laut­stark.

    Korn stand im­mer noch am Fens­ter und dreh­te sich blitz­schnell um. Liz hat­te ihm das nicht zu­ge­traut. So schnell kann sich fast kei­ner be­we­gen, er bringt das trotz sei­ner Kör­per­fül­le, dach­te sie.

    Korn be­gann, »Bis­her war es ja ganz lus­tig Rous­sel, aber Sie ha­ben was am Kopf und das sind nicht die Haa­re. Banks ken­ne ich be­reits, der ist gar nicht das Pro­blem, ob­wohl er sich für den größ­ten un­ter der Son­ne hält. Ty­pi­scher Ami eben. Aber ei­ne Auf­trags­kil­le­rin ist ein ganz an­de­res Ka­li­ber und dann noch in ei­ner Po­li­zei­be­hör­de. Ent­we­der ha­ben sie völ­lig den Ver­stand ver­lo­ren, oder aber ihr Hei­li­gen­schein, der ver­mut­lich ge­ra­de in der Rei­ni­gung ist, drückt ih­ren Den­k­ap­pa­rat ab. Vi­el­leicht soll­te ich sie mal ein biss­chen ge­gen die Wand wer­fen, da­mit die Blut­zir­ku­la­ti­on mög­li­cher­wei­se wie­der in Gang kommt! Oder war das Whis­key­glas heu­te Mor­gen et­was zu voll?«

    Rous­sel wur­de bleich wie ei­ne frisch ge­kalk­te Wand. »Ich ver­ste­he ih­re Be­den­ken ge­gen Lea Enis, aber sie steht auf der rich­ti­gen Sei­te, das ver­si­che­re ich Ih­nen. Und sie wür­de uns nie scha­den!«

    Korn und Croll sa­hen Rous­sel ver­ständ­nis­los an. Liz dach­te über die Äu­ße­run­gen von Rous­sel nach, aber Korn hat­te be­reits ei­ne an­de­re Spur auf­ge­nom­men und lief erst rich­tig warm. Er mus­ter­te Rous­sel ganz ge­nau. »Rous­sel sper­ren sie die Lau­scher auf. Bis­her war ich freund­lich, aber ich kann auch ganz an­ders. Sie Arsch ver­schwei­gen mir ei­ne gan­ze Men­ge. Über ihr Al­ko­hol­pro­blem brau­chen wir nicht zu re­den, sie stin­ken wie ei­ne Bren­ne­rei und ih­re Pu­pil­len sind ein Le­xi­kon. Aber jetzt kommt ein Punkt da­zu, der neu ist. In wel­chem Ver­wandt­schafts­ver­hält­nis ste­hen sie zu der Auf­trags­kil­le­rin?«

    Liz war über­rascht von Korns Aus­sa­ge. Rous­sel ein Trin­ker? Sie hielt ih­re Na­se nach vorn, konn­te aber kei­nen Al­ko­hol­ge­ruch wahr­neh­men, sei­ne Pu­pil­len wa­ren ge­rötet, aber das kann von Schlaf­man­gel her­rüh­ren. Sie ent­deck­te kei­ne An­zei­chen da­für. Rous­sel ver­sank lang­sam in sei­nem Stuhl, sei­ne Schul­tern wur­den schlaff und er be­gann mit kräch­zen­der Stim­me zu ant­wor­ten, »Sie ha­ben recht Mis­ter Korn. Mei­ne Mut­ter hat mei­nen Va­ter ver­las­sen und ist in die USA ge­reist. Dort lern­te sie einen Mann na­mens Ga­bri­el Enis ken­nen. Sie ha­ben ge­hei­ra­tet und ihr Sohn Ro­bert Enis wie­der­um war mein Halb­bru­der. Lea Enis ist sei­ne Toch­ter!«

    Jetzt setz­te auch Liz an: »Lea Enis stand gar nicht auf die­ser Lis­te, die ihr Com­pu­ter aus­ge­spuckt hat, sie ha­ben sie hin­zu­ge­fügt!«

    »Ja, das ha­be ich«, ge­stand Rous­sel. »Ver­ste­hen Sie. Lea ist die Toch­ter mei­nes Halb­bru­ders. Wir hat­ten über die Jah­re im­mer wie­der Kon­takt, bis er starb. Lea kann­te ich nur von Fo­tos und

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