Erste Gedichte
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About this ebook
Rainer Maria Rilke
Rainer Maria Rilke was born in Prague in 1875 and traveled throughout Europe for much of his adult life, returning frequently to Paris. There he came under the influence of the sculptor Auguste Rodin and produced much of his finest verse, most notably the two volumes of New Poems as well as the great modernist novel The Notebooks of Malte Laurids Brigge. Among his other books of poems are The Book of Images and The Book of Hours. He lived the last years of his life in Switzerland, where he completed his two poetic masterworks, the Duino Elegies and Sonnets to Orpheus. He died of leukemia in December 1926.
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Erste Gedichte - Rainer Maria Rilke
LUNATA
Erste Gedichte
Rainer Maria Rilke
Erste Gedichte
© 1913 Rainer Maria Rilke
Umschlagbild Herman Kruyder
© Lunata Berlin 2020
Inhalt
Larenopfer
Traumgekrönt
Lieben
Advent
Gaben an verschiedene Freunde
Fahrten
Funde
Mütter
Larenopfer
(1896)
IM ALTEN HAUSE
Im alten Hause; vor mir frei
seh ich ganz Prag in weiter Runde;
tief unten geht die Dämmerstunde
mit lautlos leisem Schritt vorbei.
Die Stadt verschwimmt wie hinter Glas.
Nur hoch, wie ein behelmter Hüne,
ragt klar vor mir die grünspangrüne
Turmkuppel von Sankt Nikolas.
Schon blinzelt da und dort ein Licht
fern auf im schwülen Stadtgebrause.—
Mir ist, daß in dem alten Hause
jetzt eine Stimme »Amen« spricht.
AUF DER KLEINSEITE
Alte Häuser, steilgegiebelt,
hohe Türme voll Gebimmel,—
in die engen Höfe liebelt
nur ein winzig Stückchen Himmel.
Und auf jedem Treppenpflocke
müde lächelnd—Amoretten;
hoch am Dache um barocke
Vasen rieseln Rosenketten.
Spinnverwoben ist die Pforte
dort. Verstohlen liest die Sonne
die geheimnisvollen Worte
unter einer Steinmadonne.
EIN ADELSHAUS
Das Adelshaus mit seiner breiten Rampe:
wie schön will mir sein grau er Glast erscheinen.
Der Gangsteig mit den schlechten Pflastersteinen
und dort, am Eck, die trübe, fette Lampe.
Auf einer Fensterbrüstung nickt ein Tauber,
als wollt er durch den Stoff des Vorhangs gucken;
und Schwalben wohnen in des Torgangs Luken:
das nenn ich Stimmung, ja, das nenn ich—Zauber.
DER HRADSCHIN
Schau so gerne die verwetterte
Stirn der alten Hofburg an;
schon der Blick des Kindes kletterte
dort hinan.
Und es grüßen selbst die eiligen
Moldauwellen den Hradschin,
von der Brücke sehn die Heiligen
ernst auf ihn.
Und die Türme schaun, die neueren,
alle zu des Veitsturms Knauf
wie die Kinderschar zum teueren
Vater auf.
BEI ST. VEIT
Gern steh ich vor dem alten Dom;
wie Moder weht es dort, wie Fäule,
und jedes Fenster, jede Säule
spricht noch ihr eignes Idiom.
Da hockt ein reich geschnörkelt Haus
und lächelt Rokoko-Erotik,
und hart daneben streckt die Gotik
die dürren Hände betend aus.
Jetzt wird mir klar der casus rei;
ein Gleichnis ists aus alten Zeiten:
der Herr Abbé hier—ihm zuseiten
die Dame des roi soleil.
IM DOME
Wie von Steinen rings, von Erzen
weit der Wände Wölbung funkelt,
eine Heilge, braungedunkelt,
dämmert hinter trüben Kerzen.
Von der Decke, rundgemauert,
schwebt ob eines Engels Kopfe
hell ein weißer Silbertropfe,
drin ein ewig Lichtlein kauert.
Und im Eck, wo Goldgeglaste
niederhangt in staubgen Klumpen,
steht in Schmutz gehüllt und Lumpen
still ein Kind der Bettlerkaste.
Von dem ganzen Glänze floß ihm
in die Brust kein Fünkchen Segen....
Zitternd, matt, streckts mir entgegen
seine Hand mit leisem: »Prosim!«
IN DER KAPELLE ST. WENZELS
Alle Wände in der Halle
voll des Prachtgesteins; wer wüßte
sie zu nennen: Bergkristalle,
Rauchtopase, Amethyste.
Zauberhell wie ein Mirakel
glänzt der Raum im Lichtgetänzel,
unterm goldnen Tabernakel
ruht der Staub des heilgen Wenzel.
Ganz von Leuchten bis zum Scheitel
ist die Kuppel voll, die hohle;
und der Goldglast sieht sich eitel
in die gelben Karneole.
VOM LUGAUS
Dort, seh ich Türme, kuppig bald wie Eicheln
und jene wieder spitz wie schlanke Birnen;
dort liegt die Stadt; an ihre tausend Stirnen
schmiegt sich der Abend schon mit leisem Schmeicheln.
Weit streckt sie ihren schwarzen Leib. Ganz hinten
sieh St. Mariens Doppeltürme blitzen.
Ists nicht: Sie saugte durch zwei Fühlerspitzen
in sich des Himmels violette Tinten!
DER BAU
(1)
Die moderne Bauschablone
will mir wahrlich gar nicht passen.
Hier, dies alte Haus darf fassen
reiche, weite Steinterrassen,
kleine, heimliche Balkone.
Und die weitgewölbten Decken,
die so günstig sind den Lauten,
Nischen rings, die eingebauten,
draus die Arme sich der trauten
Dämmrung dir entgegenstrecken.
Alle Mauern breiter, stärker
und aus echten Quaderkernen;—
traun, das Gruseln könnt ich lernen,
seh ich auf die Zinskasernen
aus dem kleinen, Stillen Erker.
IM STÜBCHEN
(2)
Traut ists, wenn verstohlen heulen
im Kamine wilde Winde
in der Stube; ganz gelinde
tickt auf dem barocken Spinde
fort die Stockuhr mit den Säulen.
Dort, die kleine Silhouette
zeigt die alte Tracht der Locken,
tief im Fenster steht ein Rocken,
und vergeßne Töne stocken
im verlassenen Spinette.
Immer noch hegt die Postille,
daß an ihrem Geist erfrische
jung und alt sich, auf dem Tische,
und der Spruch ob jener Nische
lautet: »Es gescheh Dein