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Chip-Sklaven 2050: Der Chip unter der Haut oder im Hirn
Chip-Sklaven 2050: Der Chip unter der Haut oder im Hirn
Chip-Sklaven 2050: Der Chip unter der Haut oder im Hirn
Ebook363 pages4 hours

Chip-Sklaven 2050: Der Chip unter der Haut oder im Hirn

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About this ebook

Die Zukunft kommt durch die Hintertür ...

Die Corona-Epidemie liefert heute schon den Vorgeschmack auf das, was auf die Menschen zukommt. Der Social-Fiction-Roman "Chipsklaven 2050" ist aktueller denn je. Geplant als dystopische Story, ist sie in dieser Zeit, in der sich alles einer Pandemie unterwirft, keine ferneZukunftsmusik mehr. Ob es sich um Telemedizin oder um die marketingmäßige Verbreitung eines Virus' handelt ... die Bühne der "Oberen" wird im Buch real greifbar.

Unaufhörlich feilen die Machtgeier daran, die Menschheit zu einer Sklavengesellschaft zu kneten. Das Werkzeug dazu ist der Identitäts-Chip, den sich die Menschen unter die Haut oder ins Hirn schießen lassen sollen. Am einfachsten gelingt es ihnen bei den Neugeborenen und Kindern. Mit dem "Reglement zur Zeugung von Erdennachwuchs" wollen die Welt-Räte künftige Generationen in ihre "Obhut" nehmen.

Politische Parteien sind im Jahre 2050 Schnee von gestern. Die Macht geht von Konzernen und Institutionen aus, die sich scheinheilig "Councils of Humanity" nennen. Sie wollen die totale psychische und physische Kontrolle und Steuerung des Menschen. Und die Machtgierigen wissen: Mit Angst lassen sich immer gute Geschäfte machen und Gesetze begründen. Planung und Vermarktung von Katastrophen und Seuchen sind ein Teil der Strategie.

Die Social-Fiction-Story spielt auf dem Nährboden der heutigen Realität, die bereits in vielen Bereichen eine verdeckte Kontrolle der Gesellschaft erfährt und dabei ihr Gesicht mit Begriffen wie Nächstenliebe, Gemeinwohl und Lebensqualität tarnt.

"Denn selbst der Satan kann sich in einen Engel des Lichts verwandeln. So ist nichts Sonderliches daran, wenn auch seine Diener Masken und Kostüme der Wohltätigkeit tragen."
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateMay 3, 2020
ISBN9783750238732
Chip-Sklaven 2050: Der Chip unter der Haut oder im Hirn

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    Book preview

    Chip-Sklaven 2050 - Taco Palmer

    TACO PALMER

    CHIP-SKLAVEN  2050

    Der Titel

    CHIP-SKLAVEN

    genießt Titelschutz gemäß §§ 5,15 MarkenGesetz

    in allen Schreibweisen und Darstellungsformen,

    als Einzeltitel und für alle Medien.

    Dieser Social-Fiction-Roman erscheint als Print-Book und als E-Book;

    außerdem sind die im Buch erwähnten Songs zum Download

    und die Kunstwerke von Zsira und Henryo

    als Kunstdrucke erhältlich.

    Covergestaltung und Druckaufbereitung: diekonzeptagentur.de

    Porträtzeichnungen der Hauptakteure: Take Janssen

    Website: www.tacopalmer.de

    ***

    Und der erste Engel ging hin

    und goss seine Schale aus auf die Erde,

    und es ward ein böses und arges Geschwür

    an den Menschen,

    die das Malzeichen des Tieres hatten

    und die sein Bild anbeteten.

    (Offenbarung 16,2)

    ***

    Erde vor der Apokalypse gerettet

    2038 war ein Freudenjahr. Party global. Tage- und nächtelange Feste, über drei Monate lang. Die Welt hatte eine solche Euphorie noch nicht erlebt. Die Menschen lagen sich in den Armen. Liebe, Sinnestaumel, Freudentränen und Harmonie wo man hinsah. Überall auf dem Globus feierten die Menschen die Rettung unseres Planeten, alle wurden über Nacht zu Freunden – schwarz, weiß, braun, rot, gelb … was zählte die Hautfarbe, die Nationalität, die ethnische Ausrichtung? Was zählte war: Leben!

    Eine globale Umarmung ließ die Menschheit in Glückseligkeit schweben, die Liebe zu unserem Planeten verband über alle physischen und psychischen Grenzen hinweg.

    Um die sprichwörtliche Haaresbreite war unser Heimatplanet an einer alles vernichtenden Apokalypse vorbeigeschlittert. Der Asteroid Chikan raste mit einer Geschwindigkeit von annähernd 12.000 km pro Stunde auf uns zu und würde bei einem Aufprall unseren bisher blauen Planeten in eine rote Feuerkugel verwandeln. Die totale Vernichtung allen organischen Lebens drohte. Eine Kollision schien unausweichlich.

    Sieben angstvolle Tage waren es – entweder bis zum Inferno oder bis zum Freudenfest. Praktisch in letzter Minute gelang unserer globalen Asteroidenabwehr die Zertrümmerung des gigantischen Gesteinsbrockens mittels Atomraketen gut zweieinhalb Millionen Kilometer vor unserer Hemisphäre.

    Alle irdischen Sorgen waren vergessen. Die Medien waren voll von erfreulichen Meldungen. Goodnews statt Badnews. Auch die Wirtschaftswelt hatte sich auf das einmalige Ereignis eingestellt und vermarktete es. Kein Produkt, keine Verpackung, kein Verkaufsvorteil mehr ohne einen Hinweis auf die Freude über den Fortbestand unserer Erde.

    Eventfirmen starteten gigantische Kampagnen und offerierten Freundschaftsparties, Länder-, Kontinent- und Weltreisen. Komm' mit auf unsere Party-Tournee rund um unsere schöne Welt! - Genieße unsere einmalige Erde, lass' die Herzen eins werden, fühle den freudigen Pulsschlag des Anderen. - Jeder Tag ist es wert, ihn in vollen Zügen zu genießen!

    Alle sollten auf ihre Kosten kommen, für jeden war was dabei. World-Joy-Tours macht es möglich! Joy comfort. Joy business. Joy premium. Joy first class.

    Doch die Seelen verbindende Freude sollte nur 28 Tage dauern.

    Freudenparty mit Feuerregen

    Trip on P's, die Musikformation, war seit einem Monat auf Partytournee. Nach Stationen in Deutschland, Großbritannien, Niederlande, Frankreich, Österreich, Spanien, Italien, Griechenland, Russland war die MusikCrew auf dem Weg zurück in ihr Heimatland Old-Germany.

    Seit 2036 gab Trip on P's – mit Bob, John, Asuma, Claire und Emilio – Live-Konzerte, überwiegend in Clubs und vor Privatpublikum. Der Gedanke zu dieser noch auf der experimentellen Stufe befindlichen Musikart kam von Bob, der schon als klassischer, singender Gitarrist seine Sporen verdient hatte, wenn man unter klassisch den Trend der 2030er Jahre verstand, der vornehmlich das melodische Spiel mit eigenen Instrumenten lebendig hielt.

    Die P's standen für Physiologie, Psychologie und Psychedelic, für eine Musikform, die an sich nichts Neues war, denn gute Musik brachte seit je her die körperlichen und die psychischen Seiten und Saiten zum Schwingen, sofern sie natürlich den Geschmack der Zuhörer traf. Neu war der Grad der Intensität, mit der das Publikum in einen psychedelischen Kollektivzustand versetzt wurde. Die für diese Gefühlslage entscheidenden Impulse gingen in erster Linie vom Publikum selber aus, wobei sich in wechselwirkender Folge Stimmen, Gesprächsfetzen und Ambiente, gemixt mit den musikalischen Tönen und Sounds der Band zur raumfüllenden Klangarchitektur aufbauten.

    Die Performance entwickelte sich live während des Bühnenauftritts. Meist begann der Auftritt mit einem sachte einsetzenden Ambient-Klang-Gebilde, das sich an der momentanen durchschnittlichen Pulsfrequenz der anwesenden Gäste orientierte. Über deren Köpfen schwirrten Geräusche und Stimmen aufnehmende Mikro-Copter, die die empfangenen Signale an den Rechner weitergaben, um von Emilio, dem Technic-Composer, mit dem variationsreichen Equipment gemixt zu werden.

    Begleitet wurden die eingehenden Impulse von Asumas und Claires improvisierendem Scatgesang und ihren über Sensoren vertonten Körperbewegungen, dazu von live bespielten Instrumenten, der Orgel mit John und der Gitarre, die Bob spielte.

    Die Ausformung der melodisch und rhythmisch gemischten Fragmente ergaben den charakteristischen Stil der Band. Mit der Vielzahl der Signale und dem allmählich anschwellenden Geräuschpegel steigerte sich die Klanggestalt zu einem mystisch anmutenden Arrangement eines großen Orchesters, denn alle Anwesenden wurden zu MitKomponisten.

    Das wesentlich Mystische daran war die allmähliche Anpassung der Herzschlagfrequenzen und der seelischen Gefühlslage zu einem gleichschwingenden Kollektiv. Geschmacksfragen erübrigten sich, weil der Sound unwillentlich als der eigene empfunden wurde. So war der Erfolgsfaktor, sprich das Anwachsen der Follower- und Fangemeinde vorprogrammiert.

    In dieser Weltrettungs-Phase und des daraus quellenden euphorischen Hochs stieß die Musikform offene Türen auf. Die Band wurde ausnahmslos bei allen ihren Auftritten bejubelt, obwohl den Bandmitgliedern der auf den Einsatz von Elektronik zurückgehende Erfolg fast unbehaglich war, so alle zwar technikaffine waren, aber dem Ausmaß der in das tägliche Leben eingreifenden Kontrolltechnologie sehr kritisch gegenüber standen. Besonders Bob quälte ein Unbehagen, denn schon die Mikro-Copter, die die Band zum Einfangen der Worte und Geräusche einsetzte, waren ihm ein Dorn im Auge, assoziierte er sie doch mit den allgegenwärtigen, hinterlistigen, staatlich eingesetzten Überwachungsdrohnen. Letztendlich, das war sein beruhigendes Argument, lieferten die Mikro-Copter wichtige Kompositionselemente, nämlich das Tonmaterial vom Publikum, selbstverständlich mit dessen Einwilligung. Das Zusammenspiel, bestimmend aus den akustischen Signalen der Gäste, der gesanglichen und instrumentalen Improvisation und einer modernen Chip-Technologie, wobei letztere nur eine der Werkzeuge im Gesamtklangbild darstellte, kennzeichnete den Musikstil der Band.

    Anfragen von Wirtschaftskonzernen, die sich von einer Trip-on-P-Performance gar die psychische Beeinflussung von Mitarbeitern und Kunden versprachen, selbstredend nach Vorgaben der Unternehmen, wurden von Bob, mit Zustimmung der anderen, stets abgelehnt.

    Entscheidungen dieser Art standen in diesen Stunden jedoch nicht auf dem Plan. Alle kosteten die schönen Erlebnisse der vergangenen vier Wochen aus. Die sorglose Stimmung hatte, wie fast überall auf der Erdkugel, Besitz ergriffen von den Menschen.

    Flughöhe viertausend Feet, meldete Widger, der Pilot des Oktibus, Wir sind bald zu Hause Leute, soeben haben wir die Alpen hinter uns ... äh, unter uns gebracht … noch ein paar läppische fünfhundert Meilen.

    Die Freundesgruppe flog in einem Oktibus der neuesten Generation, ein Land-Luft-Flugzeug mit kreisförmigem Rumpf, wie eine Torte aussehend, mit acht Rotoren auf dem Dach sowie vier Räderpaaren unter seinem Carbonkörper. Der Oktibus konnte senkrecht starten und landen und besaß ein intelligentes Kommunikations- und Energiemanagement, das den Oktibus zum Beispiel selbständig in die Kette anderer Flugkörper einreihen konnte.

    Im Volksmund sprach man bei der gemeinschaftlichen Fortbewegungsart scherzhaft von Polonaise, benannt nach einem volkstümlichen Tanz, bei dem sich die Leute hintereinander stellten, die Hände auf die Schulter des Vordermannes oder der Vorderfrau legten und sich dann als Schlange über die Tanzfläche bewegten. Ende des 16. Jahrhunderts des vorherigen Milleniums entstand die Form als Prozessionstanz an den Höfen des polnischen Groß- und Kleinadels. Die Bezeichnung Polonaise kam später, als der Tanz sich zunächst in Frankreich verbreitete und danach in den Ballsälen der europäischen Adelshöfe populär wurde.

    Zwar fehlte im Technomanagement der Oktibusse der Lustfaktor eines Tanzes, dagegen war die Energieeinsparung durch Reduzierung des Luftwiderstandes gewachsen und Unfälle sanken praktisch auf Null. Kontinuierlich kommunizierten die Flugkörper miteinander, glichen die Daten, das Ziel, den Flugkanal, die Wunschgeschwindigkeit ab. Ein chinesischer Hersteller von Air-Omnis hatte speziell für das Reisen in Polonaise einen Frontliner entwickelt, der seitlich, oben und unten Flügel ausfahren konnte, wodurch sich der Luftwiderstand für die hinteren Flugkörper verminderte. Der Effekt: Energieeinsparung und Schalldämmung.

    Der Ausblick für die Freunde war zu dieser Stunde fantastisch. Panoramafenster ließen einen Rundumblick zu. Neben, unter und über dem Flugkanal flogen weitere Züge, die Gäste winkten einander zu oder luden sich zum Mitfeiern über die Beamerwalls ein.

    Zwischen den einzelnen Flugkanälen war ein geringer, etwa einhundert Meter messender Abstand, denn die gps- und chip-gesteuerten Maschinen hielten exakt ihren Kurs. Aus Sicherheitsaspekten wurden die Flugkanäle für die Dauer der Welt-Party um fünfhundert Feet nach oben verlegt, um so außer Reichweite der abertausenden Feuerwerke zu sein.

    Wie viele Milliarden werden wohl in diesem Monat in der Luft verpulvert?, sinnierte John, sein Blick wanderte über das Lichtermeer am Boden. Soviel, dass die Industrie auch Freudentänze veranstalten kann. Die Antwort kam von Bob. Beide ahnten nicht, dass sich der Freudenfunkenteppich wie ein Kinderspiel ausmachte im Vergleich zu dem Feuerregen, der bald mit überirdischer Macht folgen sollte.

    Die Stimmung war entspannt. Vier Wochen Bühnenpräsenz forderten ihren Tribut. Die Freunde relaxten, sie genossen das ruhige Dahingleiten und den Abstand zu der feiernden Menge am Boden. Emilio hatte die Mitschnitte ihrer Gigs zu einem Filmclip zusammengefügt und präsentierte seine Ergebnisse auf der Beamerwall. Sein augenblickliches Publikum verfolgte die Bilder mit gelegentlichen Kommentaren, alle waren froh, dass der Partyalarm vorbei war. Sie hatten es sich bequem gemacht.

    Noch vierhundert Meilen bis zum Heimatdock, tönte es leise aus den Boxen. Claire und Asuma, die beiden jüngsten Crewmitglieder juckte es in den Beinen, sie schauten sich an und wie auf Kommando ergriffen sie ihre Bodymikros, um eine Sondervorstellung zum Besten zu geben.

    Soweit kam es nicht, denn statt ihrer tänzerischen Darbietung drängte sich eine eigenartige Klangerscheinung in den Vordergrund.

    He, was ist das, hört ihr das?? Asuma wandte sich an Emilio. Dreh doch mal den Sound runter! Sie lauschten einige Sekunden.

    Ach, nur ein Gewitter ..., meinte Claire.

    Nein, nein, seid mal still, Leute ... Widger, der Pilot, wünschte es sich. Die Diskussionen verstummten.

    Ein mächtiges Grollen, das der Warnung eines in seinem Mittagsschlaf gestörten wilden Tieres aus der Tiefe seiner Höhle gleichkam, näherte sich schnell. Begleitet wurde das Dröhnen von unaufhaltsam anschwellenden Vibrationen, die sich bald des gesamten Flugkörpers bemächtigten. Die Stärke nahm zu, steigerte sich bis zum Schütteln der Maschine, das an die Schleudertrommel eines antiken Wäschetrockners in den letzten Umdrehungen erinnerte, die sich jedoch nicht verlangsamten, sondern stärker wurden. Die Schwingungen kontraktierten die Bauchmuskeln, ergriffen die Knie- und Fußgelenke, um dann die Kiefer der Passagiere, die nicht schon ihre Zähne krampfhaft zusammengebissen hatten, klappern zu lassen. Wie von einem Presslufthammer bearbeitet, wollte eine ungestüme Kraft die Flugmaschine in Einzelteile spalten, wollte sie zerreißen.

    Angstvolle und fragende Blicke blieben ohne Antwort. Die Bedrohung ohne Gesicht war furchteinflößend. Der einzige Gedanke war: festhalten.

    Plötzlich wurde der vor dem Oktibus fliegende Helikopter wie von Geisterhand aus dem Flugkanal gerissen und gut hundert Yards nach oben katapultiert, er überschlug sich auf seinem Schleuderkurs einige Male, prallte gegen das Leitfahrzeug eines anderen Zuges, ein, zwei, drei Explosionen folgten, die brennenden Restteile schossen nach allen Seiten, trafen weitere Flugkörper, welche Feuer fingen oder auseinanderbrachen. Ein Feuerregen, vermischt mit qualmenden Wrack- und zerrissenen Menschenkörpern prasselte auf die darunter fliegenden Maschinen.

    Der Oktibus blieb, trotz des Bebens und der anschlagenden Metallstücke, erstaunlich stabil. Ein weiteres Donnern überrollte das Fluggerät. Mit einem Ruck schwang es sich um fünfundvierzig Grad nach rechts in die Schräge, verblieb aber mit seiner Schieflage in der Flugbahn, schloss sogar die Lücke, die der herausgeschleuderte Heli hinterlassen hatte. Das Energie-Management-System war also noch intakt. Jedoch hatte der abrupte Schwenk den Piloten aus dem Sitz geschleudert, er klebte wie eine verbogene Stoffpuppe an der Seitenscheibe. Wer sich nicht festgeschnallt hatte, den zerrte die Gravitationskraft erbarmungslos nach unten. Bob griff mit der rechten Hand nach Asuma, sie krallte sich mit ihren Fingernägeln in seine Handinnenfläche, es schmerzte, aber es tat gut, Asuma zu spüren. Ihre Beine hatte sie fest unter ihren Sitz verankert. Bobs linke Hand grub sich in den Bezug, seine Füße stemmte er gegen die Rückenlehne des Vordersitzes.

    John war kopfüber unter einen der vorderen Sesseln gerutscht und war nun zwischen den Sitzreihen eingeklemmt, er zappelte mit den Beinen, konnte sich jedoch nicht aus der misslichen Lage befreien.

    Da folgte der nächste Stoß, der den Oktibus mit einer Drehung um die Längsachse nun komplett auf die Seite legte. Die Zentrifugalkraft zehrte an allem. Bob bemerkte, dass er keinen Körperkontakt mehr zu Asuma hatte. Der Platz neben ihm war leer. Mit aller Kraft drehte er den Kopf gegen die Fliehkraft abwechselnd nach links und rechts, doch konnte er seine Freundin nicht erblicken.

    Einem in der linksseitigen, oberen Flugtrasse befindlichen Helicopter brachen die Rotoren ab, sie wirbelten nach unten, knapp an der Pilotenkanzel des Oktibus vorbei. Der flugunfähig gewordene Heli folgte mit rasender Geschwindigkeit. Ein Zusammenprall schien unausweichlich und damit der sichere Tod aller. Noch waren es vielleicht achtzig Meter und die Freunde konnten für Bruchteile von Sekunden die zu Fratzen verzerrten Gesichter erkennen. Die gellenden Angstschreie der eigenen Besatzung gingen durch Mark und Bein. Die letzten Schreie im irdischen Leben? Der Oktibus reagierte spontan mit einer knappen horizontalen Ausweichbewegung. Zwei Meter zischte das von oben stürzende Flugteil am Rumpf vorbei und zerschellte zwei Sekunden später zwischen Hunderten von feiernden Menschen am Erdboden. Zu schnell, um den Vorbeirauschenden einen Abschiedsgruß zuzuwinken.

    Ohne weitere Vorwarnung zog der Oktibus seine Front nach oben, gepolsterte Schotten fuhren aus und teilten den Innenraum in acht Kabinen. Wie auf einer Abschussrampe stand die Torte nun fast senkrecht in der Luft, erst verhaltend, um dann wie eine fliegende Untertasse nach oben zu schießen, mit ruckartigen Schwenkern, die alles durcheinanderwirbelten, was in der Maschine nicht niet- und nagelfest war.

    Mit Spurtgeschwindigkeit erreichte die Flugtorte eine Trasse oberhalb des Höllenszenarios, stabilisierte sich und wechselte langsam in die gewohnte horizontale Position. Die Kabinenschotten fuhren ein und der Oktibus wandelte sich wieder zu einem Großraumflieger mit Reiseatmosphäre – wenn nicht die leeren Sitzplätze wären. Langsam rappelten sich die Reisenden auf, einige verharrten noch benommen am Boden oder auf den Polstern, je nach dem, wo sie die unerwartete Lageveränderung hinbefördert hatte.

    Sie befanden sich nun weit über den in Rauch und Feuer gehüllten Flugbahnen. Flughöhe achttausend Feet, meldete der Autopilot. Ich begrüße euch zu einem bezaubernden Ausflug. Anschnallen ist nicht erforderlich. Das Schicksal konnte auch ironisch sein.

    John schlich sich vom Heck aus nach vorn. Bob kam auf die Beine, er fiel nicht tief, denn das Kabinenschott hatte ihn davor bewahrt. Sein erster Gedanke war: Wo ist Asuma?

    Asuma, Asuma!, schrie Bob. Kein Lebenszeichen. Asuma! Da, nur zwei Sitzreihen entfernt, hob sie ihren Arm, sie war unverletzt, bis auf eine Wunde am Kopf, aus dem ein feiner Rinnsal Blut rieselte. Sie umarmten sich.

    Das Schicksal kann uns nicht trennen. Asuma sagte es in ihrem typisch weiblichweichen Ton, der dieser Situation die Härte nahm. Bob schaute auf die Blutspur, die ihre pechschwarze Haarpracht wie eine modische Strähne zierte. He, warst du beim Friseur? Galgenhumor.

    Asuma, die europäische Asiatin, und Bob, der deutsch-italienische Europäer, waren seit zwei Jahren ein Paar. Bob sah sie auf einer Bühne singend und gestikulierend, wobei ihn ganz besonders ihre ungewöhnliche Gestik interessierte. In seiner Eigenschaft als Journalist bekam er leicht eine Gelegenheit, Asuma näher kennenzulernen und sie zu der merkwürdigen Art ihrer Arm- und Handbewegungen zu befragen. Es handelte sich um die Kommunikation mit Gehörlosen im Publikum. Asuma war die erste Gesangsinterpretin, die die Gebärdensprache in ihre Show einbezog. Schon immer hatte sich Bob für altertümliche Systeme und Techniken interessiert. Natürlich aber war er nicht nur aufgrund seiner beruflichen Funktion und seiner Wissbegierde von Asuma begeistert.

    Ihre für eine zierliche Frau etwas zu dunkle, jedoch wohltuende Stimme, ihre geishahafte Erscheinung in einem hochgeschlossenen, eng anliegenden Kleid, bannten seine Aufmerkamkeit. Kleider tragende Frauen waren rar geworden und Bob wertete Asumas Outfit als Zeichen ihres weiblichen Selbstbewusstseins.

     Ihr wiederum gefiel Bobs authentische, die im Showbusiness selten anzutreffende, natürliche Art, die fern jeder Weichspülerei überzeugte – mit einer Ausnahme: wenn es um Komplimente ging, konnte Bob recht softie werden.

    Das Cockpit war immer noch ohne Pilot. Diese Frage war jedoch, angesichts des Höllenschauspiels ringsherum, zunächst zweitrangig. Doch da kam er auf allen Vieren gekrochen und kreiste einige Male mit dem Kopf, wahrscheinlich um den Stoß abzuschütteln. Auch Claire und Emilio sahen unbeschädigt aus.

    Wir leben!, gellte ein Stimme. Und dann schrien sie alle. Wir leben! Wir leben! Wir leben!" Diese Freudenschreie hatten sie vor knapp einem Monat schon zigtausend Mal gehört, doch in diesen Stunden würden sie anzahlmäßig geringer sein.

    Viele noch vor wenigen Minuten harmonisch in ihrer organisierten Bahn dahingleitenden Flugkörper brannten, spiehen Feuer aus ihren Bäuchen, kollidierten mit anderen Maschinen oder umherfliegenden Wrackteilen, um dann wie metallene Fackeln auf dem Erdboden aufzuschlagen. So musste es in der Empfangshalle der Hölle aussehen, Rauchfontänen, die ihr Gift hoch in die Atmosphäre pusteten und im Sekundentakt immer wieder Detonationen, berstende Flugkörper, es regnete Metall und menschliche Körperteile, Arme, Beine, Torsen von bis vor einer Viertelstunde noch in Freuden taumelnden, fröhlichen Menschen.

    Das Tageslicht hatte sich weitgehend verabschiedet, zwischen den schwärzlichen Rauchwolken drang ab und an ein heller Fleck durch, der einen fernen, blauen Himmel erahnen ließ. Das Anlanden in der Heimatregion war unmöglich. Niemand von den Freunden wusste zur Stunde, was genau sich abgespielt hatte. Dass eine Katastrophe mit gigantischem Ausmaß fast ein halbes Land in Mitteleuropa dem Erdboden gleichgemacht hatte, würden sie erst viel später erfahren.

    Das geschah 2038, vor zwölf Jahren.

    *  DYSTOPIE  *

      Im Jahre 2050 ist die Erdbevölkerung auf mehr als dreizehn Milliarden Menschen angeschwollen. Die großen Städte, so genannte Gravitations-Centren, wachsen auf zwanzig Millionen Einwohner an. In diesen Mega-Stadtmetropolen verdichtet sich das Volumen zu einer undefinierbaren Masse, die kein gesundes Sozialgefüge mehr zulässt, die psychische Verfassung der Menschen ist krankhaft verzehrt, die Verhaltensweisen und das Zusammenleben sind entartet, sie gleichen dem wilden, unkontrollierbaren Wachstum von Krebsgeschwüren. Egoismus, Einzelgängertum, Abgesondertheit und Gartenzaundenken blähen sich in nie gekanntem Ausmaß in allen privaten Bereichen auf und die ätzende Säure wird immer noch mit den Worthülsen Individualismus und Selbstverwirklichung gelobt. Allein die Machtbesessenen nutzen dieses Blendwerk für ihre Absichten.

    Im Kleinen wie im Großen. Was das schemenhafte Leben der Mehrzahl der Einzelnen prägt, macht sich ebenso in den größeren Organismen, den Nationen der Erde, bemerkbar. Der Schritt zu einer übergeordneten Kraft ist auf dieser Ebene jedoch vollzogen. Viele ehemals selbständige Nationen gingen per freundlicher Übernahme in die vier alles beherrschenden Großmächte auf. Schon in den frühen Dreißigern entglitt den Kleinen ihre Majorität in eine führungsschwache Bedeutungslosigkeit, weltweit, aber auch innerhalb ihrer eigenen Völker. Überdies konnten sie ihre unvorstellbar hohen Schuldenberge nicht mehr tilgen, die Folgen waren Kollaps, Absturz in den Ruin und schließlich der Verlust ihrer Selbständigkeit.Regierungen gibt es in dem Verständnis der Jahrzehnte zuvor nicht mehr. Nach der Weltwährungsreform im Jahre 2033 erfuhr die Mächteverteilung eine neue Gewichtung. Aus ihr gingen die Räte der Menschheit hervor.

    Vier Großmächte

    Unser Planet Erde wird 2050 von vier Großmächten gesteuert, die sich übereinstimmend Councils of Humanity nennen.

    Erstens: Die USW United States of the World, wozu die damalige USA, die Länder und Nationen Südamerika, Alaska, Australien, Großbritannien, Japan und Kanada gehören;

    Zweitens: Die UFA – United Folks of Asia, die von China, Russland, Indien, Korea, Vietnam und Iran gestellt wird;

    Drittens: Die SAA – States of Africa Arabica bestehend aus Afrika, den Arabischen Staaten und seinen Anrainern;

    Viertens: Die AOE – Alliance of Europe, die sich aus den europäischen Ländern und denen jenseits der SAA bis zum Nordpool rekrutiert.

    Die Councils of Humanity werden aus Vertretern und Gesandten weltweit agierender Interessengruppen gebildet, sie schwingen das Zepter, größtenteils miteinander, doch auch konkurrierend. Seit Jahren sind Bestrebungen der UFA im Gange – beispielhaft sind die Etablierung eigener, autarker Kapital- und Handelsmärkte, Weltbanken und Börsen – sich mit den States of Africa-Arabica zu verbünden, um somit als vereinigte AAA – Asia-Africa-Arabica die absolute Topstellung in der Weltherrschaft anzustreben.

    In immer schärfer werdender Konkurrenz treffen besonders die USW und die UFA bei dem Besitzanspruch auf die Arktis und Antarktis aufeinander, denn die Kontinente um Nord- und Südpol gelten als die letzten unausgeschöpften Erdöl- und Gas-Reservoires des blauen Planeten.

    Energieformen und Rohstoffe

    Die schwindenden oberflächlichen Ressourcen zwingen dazu, andere Wege zu suchen, nämlich zu den tiefer liegenden Energiereserven. Das Erdinnere mit dem ewigen Magma ist Ziel von waghalsigen Experimenten, aber waghalsig waren die oberflächlichen Atomkraftwerke auch.

    Vulkane sind mit ihren Schloten der direkte Draht zu einer ewig währenden Energiequelle. Neue Kraftwerke auf den Vulkanen wandeln die schier unerschöpfliche Hitze des Erdkerns, die Gase in den Magmakammern sowie den Wasserdampf in anwendbare Energie um. Auch sind die Vulkankraftwerks-Betreiber bestrebt, seltene Metalle und sogar Gold aus dem Vulkangestein zu lösen.

    Ehemals wirtschaftlich im Abseits gestandene Regionen, wie die des Schwarzen Kontinents oder die Tausende von Inseln umfassende Pazifikregion, nehmen den Platz der ehemaligen Ölförderländer ein und wachsen zu starken Wettbewerbern auf dem Energieweltmarkt.

    Der nähere Weltraum wird langsam erobert. Edelmetalle wurden schon früher in einer Vielzahl von Asteroiden vermutet und der wirtschaftliche Ehrgeiz führte im letzten Jahrzehnt zum Bau der ersten planetaren Minen.

    Klima

    Der mediale Hype um den Klimawandel, um die bedrohliche Ederwärmung, beginnend bereits in den 90ern des vorigen Jahrtausends und vor rund drei Jahrzehnten in Hysterie ausufernd, wurde durch die Erde selber ab absurdum geführt. Zwei kurz aufeinander folgende Vulkanausbrüche waren dafür verantwortlich, dass sich Teile unseres Planeten  in frostige und düstere Landschaften verwandelten. Jahrelang in der Atmosphäre schwebende Aschewolken behinderten die Sonneneinstrahlung, mit dem Effekt, dass die Temperaturen sanken. Jedoch begünstigte die globale Abkühlung auch das Wiederaufblühen von Population und Vegetation in anderen Erdteilen wie in den Weltmeeren.

    Politik ohne Parteien

    Politische Parteien sind längst Geschichte. Deshalb macht der parlamentarische Lobbyismus keinen Sinn mehr; die Einflussnahme fließt nun direkt. Es werden keine Personen mehr als Volksvertreter gewählt. Stattdessen kann das Volk mitentscheiden, welche der vorgegebenen Themen und Programmen sie favorisieren. Gestaltet und vorgelegt werden die Programme von Finanzkonsortien, Wirtschaftskonzernen, Hightech-Formationen, IT-Giganten, Wohltätigkeits-Stiftungen, Religionsgemeinschaften oder Einzelunternehmen. Ganz bewusst wird die Vielzahl der Themen hochgetrieben, um sie für den einzelnen Wähler unüberschaubar zu halten. Vermarktet wird dieser nebulöse Umstand als das Recht auf detaillierte Mitbestimmung und Mitgestaltung.

    Die enormen Auswahlmöglichkeiten und deren Selektion zwingen zum Einsatz von weltweit vernetzten Quantenrechnern  der Informations-Wirtschaft und folgend daraus zur Anwendung der personifizierten Chip-Technologie.

    Menschen ohne diese technische Ausstattung – also ohne ID-Chip - wird die politische Mitbestimmung und soziale Mitgestaltung unmöglich gemacht, ebenso wird ihnen der Zugang zu allen anderen so genannten Annehmlichkeiten des Erdenlebens erschwert.

    Würde des Menschen

    Aufgrund des zunehmenden Verlustes der politischen Regierbarkeit, besonders der Mega-Ballungsräume, sehen sich die Councils of Humanity zu neuen globalen Konzepten genötigt. Sie verkünden pathetisch und überschwänglich ein ehrenhaftes gesellschaftliches Verständnis zum Wohle der Menschheit.

    Laut internationaler Verfassung ist die Würde des Menschen immer noch unantastbar, der Passus hat jedoch eine Erweiterung erfahren, wonach sich die Würde nunmehr an der Entwicklung und dem Wohlergehen der Menschheit als Kollektiv orientiert. Das Recht des Individuums wird zwar noch gepredigt, aber am Nutzen oder Schaden für die Gesellschaft als Ganzheit gemessen. So werden Menschen ohne ID-Chip als Gegner der Kollektiv-Würde gebrandmarkt. Der Chip wird als das  zentrale Instrument zum Erreichen des sozialen und wirtschaftlichen Wohlstands gepriesen.

    ***

    Denn selbst der Satan kann sich

    in seiner Gestalt in

    einen Engel des Lichts verwandeln.

    Es ist also daran nichts Sonderliches,

    wenn auch seine Diener

    Masken und  Kostüme

    der Gerechtigkeit tragen werden.

    ***

    Völkerwanderung und Religion

    Obgleich auf fast identischen Grundmanifesten fußend, ist die Welt, insbesondere die europäische, in zwei große Religionsgemeinschaften gespalten: Christen und Moslems. Welche der beiden Richtungen sich behaupten und zur beherrschenden Weltreligion aufsteigen wird, erahnen nur wenige. Auf einem gesellschaftlichen Segment hat die interkulturelle Zusammenführung den größten Effekt erfahren, nämlich bei der Annäherung an die Kulturen, die der reizenden Weiblichkeit schon seit biblischen Zeiten einen züchtigen Vorhang diktierten. Naturgegebene weibliche Attribute zu zeigen, ist gefährlicher denn je. Erst durch die Anpassung der abendländischen Sichtweise an die verhüllende Kleiderordnung sind Frauen gegen die alltäglich gewordenen Bedrohungen, Belästigungen und Schändungen einigermaßen gewappnet.

    Bereits vor fünfunddreißig Jahren begann eine auf Europa überschwappende Flüchtlings- und Asylantenwelle, vornehmlich aus Krisengebieten des afrikanischen und orientalischen Kontinents kommend, die unaufhaltsam zu einer Völkerwanderung anwuchs. Von einem hypertoleranten Verhalten der abendländischen Völker und einer pervertierten Jung-Generation begünstigt, entglitt die Willkommenskultur zu krankhaft-masochistischem Gebahren und der Strom von Flüchtigen, Vertriebenen, Asylsuchenden mutierte zu einer Maskerade, der sich kriminelle und terroristische Subjekte untermischten.

    Ein zwischen vielen Nationen der Welt getroffenes globales Migrationsabkommen gegen Ende des zweiten Jahrzehnts sollte die Flüchtlingsströme international geordneter und sicherer machen, doch die Fluchtursachen wurden damit nicht behoben.

    Bis in die dreißiger Jahre hinein waren sich die Regierungen uneins mit dem Umgang der dramatischen Übervölkerung.

    Manche Nationen sahen im Zusammenstoß der Kulturen ein großes gesellschaftliches Zukunftsproblem, andere hießen Refugees als Mitbürger willkommen. Ein harmonisches Mitbürgertum, gedacht in der Form einer friedlichen Koexistenz, wurde nie erreicht.

    Ein Rückblick in die Geschichte zeigt - mit zeitlich angepassten Nuancen - die Unvereinbarkeit. Im sechsten Jahrhundert (nach westlicher Zeitrechnung) begannen muslimische Kriegsheere, das südliche bis mittlere Europa zu erobern, keineswegs um zu missionieren, sondern mit der Entschlossenheit, den ihrer Ansicht

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