Ukraine – Sammlung historischer Werke I: Dr. Wladimir Kuschnir "Die Ukraine und ihre Bedeutung im gegenwärtigen Krieg mit Russland" von 1914
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Book preview
Ukraine – Sammlung historischer Werke I - Wladimir Kuschnir
Vorwort
Vor und während des 1. Weltkrieges galt der Ukraine ein besonderes Interesse der deutschsprachigen Kriegsparteien. Sehr interessant ist es zu lesen, wie historisch genau und real man damals schon die Ukraine, vor allem ihr tragisches Schicksal unter Russland sah. Der Autor, Dr. Wladimir Kuschnir findet sehr deutliche Worte, die man sich heute mehr denn je von Medien und Politik wünscht!
Es war schon längst mein Wunsch, etwas Ausführlicheres über das Schicksal der Ukraine unter moskowitischer Herrschaft vor der Zeit der Bolschewiken zu veröffentlichen. Dr. Kuschnirs Werk bezieht sich zwar hier und da auf die Bedeutung der Ukraine, die sie Anfang des 20. Jahrhunderts für das deutsche und österreichische Reich spielte, sein Werk ist jedoch in genau dem Maß und doch neutral genug, wie ich mir so eine Arbeit vorstelle. Nicht zu lang und ausschweifend geht er auf die Geschichte der Ukraine ein, trotzdem ausführlich genug, um eine Vorstellung von den historischen Höhen und Tiefen zu bekommen, welche die Ukraine durchlebte.
Mit dieser Abschrift und zeitgemäßen Überarbeitung, die hoffentlich den Lesefluss und das Verständnis positiv beeinflusst, möchte ich dieses historisch wichtige Werk wieder an die Öffentlichkeit bringen und habe das Buch um einen Anhang ergänzt, der noch einmal den Vertrag von Perejaslaw ins Bewusstsein holt und die Verbrechen Moskowiens/Russlands bis 1914 tabellarisch aufführt. Es ist vollkommen unverständlich, wie man aus russischer Sicht noch heute auf diesen Vertrag pochen kann, den sie selbst immer wieder gebrochen haben. Nein, nichts ist vergessen, nichts wird unter den Tisch gekehrt.
Noch ein kleiner Hinweis: Dr. Kuschnir hat im Text zur Erklärung einige Fußnoten verwendet. Fußnoten in kursiver Schrift sind weitere Anmerkungen meinerseits. Außerdem habe ich die Schreibweise diverser Orte, Gegenden und Flüsse der heutigen Schreibweise (ukrainische und nicht russische Transliteration) angepasst.
Über den Autor Dr. Wladimir Kuschnir ist leider wenig bekannt. Er lebte von 1881 bis 1938, war Anfang des 20. Jahrhunderts Autor und Herausgeber einer »Ukrainischen Rundschau« und lebte vermutlich im Habsburger Reich, denn viele seiner Werke wurden in Wien herausgegeben. So wie dieses, das für 50 Heller im Jahre 1914 in Wien erschien, im Verlag seiner „Ukrainischen Rundschau" für den Buchhandel Gerold & Co.
Die Ukraine in der Weltgeschichte
Als Galizien im Jahre 1772 an Österreich kam, war der politische Begriff Ukraine nicht inhaltsleer für das Europa jener Zeit. Es bestand damals schon eine ansehnliche geschichtliche Literatur deutscher und französischer Sprache über die Ukraine, als Faktor der osteuropäischen Politik. Die über Veranlassung der österreichischen Diplomatie vom österreichischen Historiker J. Chr. Engel 1796 geschriebene „Geschichte der Ukraine und der ukrainischen Kosaken" ist ein Meisterwerk dieser historischen Literatur. Es ist seither über die ukrainische Frage nie wieder in einer fremden Sprache in so würdevoller und anziehender Form geschrieben worden.
Das politische Schicksal des Landes hat es mit sich gebracht, dass ihm selbst die historische Wissenschaft zur Stiefmutter wurde. Während dem österreichischen Darsteller der Geschichte der Ukraine, dessen Jugendjahre in die Zeit reichten, wo die Ukraine noch ein lebendiges politisches Wesen darstellte, die Kontinuität der ukrainischen Geschichte seit den Anfängen des Kyiver Staates bis zur Annexion der Ukraine durch Russland etwas Selbstverständliches war, gerieten seine Nachfolger in diesem Zweige der Geschichtsschreibung in das Fahrwasser der russischen, tendenziösen Auffassung, welche – indem sie die Orthodoxie und formelle historische Zusammenhänge als Elemente der russischen Geschichte verwertete – parallel mit der Besitzergreifung der ukrainischen Länder durch Russland, auch die altehrwürdige Geschichte dieser Länder als etwas Eigenes und Selbstständiges ausmerzen wollte.
Nicht nur in den russischen Geschichtsbüchern, auch in jedem beliebigen Handbuch der Geschichte überhaupt, bildet die Geschichte der Ukraine einen Stoff, mit dem man nichts anzufangen weiß und der bald in der Geschichte Russlands, bald in der Geschichte Polens untergebracht wird. Jahrhunderte verzweifeltster Gegenwehr reichten nicht aus, dem ukrainischen Volke einen Platz in der Geschichte der europäischen Völkerfamilie zu sichern und den Anspruch durchzusetzen, mit seiner wahren Vergangenheit gehört zu werden gegenüber großartigen Geschichtsfälschungen.
Aber unbekümmert um die Auffassung der Schematiker historischer Ereignisse schreitet die Geschichte ihren Weg, und in dem Maße, als der Krieg, in dem wir stehen, unaufschiebbare Völkerbefreiungen vorzubereiten scheint, hebt