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Mords-Krach: Ein neuer Fall für Peter Kleinlein
Mords-Krach: Ein neuer Fall für Peter Kleinlein
Mords-Krach: Ein neuer Fall für Peter Kleinlein
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Mords-Krach: Ein neuer Fall für Peter Kleinlein

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Es weihnachtet sehr. Zumindest in und vor dem Hause Kleinlein. Die aufwändige Lichterdekoration funkelt und strahlt rechtzeitig zum ersten Advent, genauso wie die Goldfüllung des Backenzahns, den sich der Hausherr anlässlich der Eröffnungsfeier des festlich geschmückten Weihnachtshauses ausgebissen hat. Da ist guter Rat teuer. Doch nicht nur im Fall des Röthenbacher Hobbydetektivs.
Auch im Haus des Zahnarztes, den Peter noch am späten Abend aufsuchen muss, herrscht eine angespannte Atmosphäre. Sohn Jan ist nach einem Streit um dessen Freundin, einem syrischen Flüchtlingsmädchen, ohne ein Wort aus dem Elternhaus verschwunden. Zunächst glauben die Eltern noch an eine Überreaktion, die sich hoffentlich bis zum Weihnachtsfest wieder einrenken wird. Doch dann wird ein Toter gefunden, der offenbar in Verbindung mit einem Freund des verschwundenen Sohnes stand, ein entlaufener Mörder treibt sich in den Röthenbacher Wälder herum und ein verdächtiger, arabisch aussehender Mann taucht unversehens auf. Die Dinge entwickeln sich in eine völlig andere Richtung
Und so nimmt der sechste Fall für Hobbydetektiv Peter Kleinlein und seine Rödnbacher Hilfstruppen seinen Lauf. Zwischen Zahnarztstuhl und vorweihnachtlicher Röthenbacher Idylle nimmt Peter seine Ermittlungen auf und kommt zu überraschenden Schlüssen.
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateOct 30, 2016
ISBN9783741861291
Mords-Krach: Ein neuer Fall für Peter Kleinlein

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    Book preview

    Mords-Krach - Günther Dümler

    Weitere Bücher aus der Rödnbach-Reihe

    Mords-Kerwa  (Juli 2012)

    Mords-Wut        (Dezember 2012)

    Mords-Urlaub  (Mai 2013)

    Mords-Schuss        (August 2013)

    Mords-Kerle      (November 2013)

    Erstfassung März 2014

    Alle Rechte vorbehalten

    Vorwort

    Die folgende Geschichte ist durchaus nicht frei erfunden, jedenfalls nicht vollständig. Das kann sie auch nicht. Es gibt immer Erfahrungen, die ein Autor in seinem Leben gemacht hat, die auf die eine oder andere Weise in einen Roman einfließen. In die Sprech- und Handlungsweisen seiner handelnden Personen etwa. Einige der zahlreichen, unfreiwillig komischen Begebenheiten im Umfeld der fiktiven  Mordgeschichte haben daher einen durchaus handfesten Hintergrund. Es handelt sich um Szenen, wie sie tagtäglich im fränkischen Alltag vorkommen. Wer kennt ihn nicht, den rundlichen, gemütlichen Typ, der oft nur so lange ausgeglichen erscheint, wie er in seiner eigenen kleinen Gedankenwelt leben darf, der aber auch heftig poltern kann, wenn er gestört wird oder den siebengescheiten Besserwisser, der alle, die zurückhaltend agieren für dumm und einfältig hält.  Einige dieser realen Erfahrungen mit diesen kantigen Typen dienten dem Autor als Inspiration für die zugegebenermaßen hoffnungslos übertrieben komödiantische Ausmalung der einen oder anderen Sequenz, die sich Leser zu Recht im wahren Leben so nicht erwarten würde.

    Die kriminellen Aspekte des Geschehens sind jedoch 100% reine Fiktion und haben niemals stattgefunden. Irgendwelche Ähnlichkeiten jeglicher Art mit wahren Begebenheiten und real lebenden Personen sind rein zufällig und keinesfalls beabsichtigt.

    Als Quelle für die Namensgebung dienten alle einigermaßen fränkisch klingenden Namen, die dem Schreiberling  während der Entstehung der Geschichte begegneten.  Tatsächlich sind sie vornehmlich von Grabsteininschriften, Namensschildern von Busfahrern, Kaufhausmitarbeitern oder von Todesanzeigen in der örtlichen Tageszeitung entnommen, kurzum sie stammen allesamt direkt aus dem fränkischen Alltag.

    Noch ein Wort zum fränkischen Dialekt. Er ist so vielfältig wie die Landschaft selbst. In jedem Ort wird er anders gesprochen, noch dazu wird die Aussprache oftmals von den äußeren Umständen nachhaltig beeinflusst. So drückt sich auch ein passionierter Dialektsprecher gelegentlich verständlicher aus, wenn er es mit vermeintlich gebildeten Menschen oder Personen zu tun hat, bei denen er nur geringe Kenntnisse seines eigenen Idioms voraussetzt. Bei Peter Kleinlein kann man das gut beobachten, wenn er mit „Norddeutschen" oder mit Bürgern ausländischer Herkunft spricht. Bei Simon Bräunlein hängt die Tiefe seiner Dialektsprache oftmals vom Grad seiner Erregung ab, je ärgerlicher er ist, umso fränkischer wird er und umso weniger legt er Wert auf Verständlichkeit.

    Wie man sehr schnell erkennen kann ist das Fränkische eine sehr weiche Sprache. Damit entspricht sie ganz der Seele der Einheimischen, die sich oft durch einen schier undurchdringlichen Mantel auszeichnet, der aber nur dazu dient, einen unendlich gutmütigen, samtweichen Kern zu schützen. Ein K kommt als G daher, man unterscheidet zwischen einem harten und einem weichen B, wobei das harte eigentlich ein P wäre. Ebenso hält er es mit den Buchstaben T und D. Den Namen Theodor schreibt man also mit einem harddn D.

    Den „ou"-Laut  im Wort Bou darf man sich übrigens sehr ähnlich dem englischen „ow" in „I know" vorstellen. Für viele Laute gibt es gar keine tauglichen Buchstaben. Als Beispiel mögen die berühmten „3 im Weckla dienen. Ein echter Franke würde es wohl am ehesten als „3 im Weggler oder Weggläh aussprechen. Daher gibt es auch in diesem Buch keine einheitliche Schreibweise für manche Begriffe. Vieles hängt eben auch von dem jeweiligen Sprecher ab.

    Mehr zur Aussprache muss man eigentlich nicht wissen, denn die Rödnbacher gehören allesamt zu der überwiegenden Gruppe der Franken, die beim Balanceakt zwischen dem urwüchsigen Dialekt und dem Hochdeutschen einen Mittelweg bevorzugen. Sie sprechen also mehr oder weniger ein fernsehtaugliches Fränkisch, vergleichbar mit dem Ohnsorg-Platt, dem Millowitsch-Köllsch und dem Komödienstadl-Bayrisch. Es bleibt ihnen schon gar nichts anderes übrig, wenn sie von Außenstehenden verstanden werden wollen.

    Handelnde Personen

    Hinter Schloss und Riegel

    Reiss ab vom Himmel Tor und Tür,

    reiss ab, wo Schloss und Riegel für!

    (aus ‚Oh Heiland reiß die Himmel auf!")

    Eigentlich hätte er sich keine ungünstigere Jahreszeit für sein Vorhaben aussuchen können. Bald würde draußen Schnee liegen, es war kalt, zwar noch nicht so sehr wie zur selben Zeit in den letzten Jahren, aber ohne einen warmen Wintermantel und feste Stiefel würde er erbärmlich frieren. Es würde nicht einfach werden.  Natürlich nicht. Das hatte er auch nicht erwartet.

    Aber einfach war es für ihn schon seit fast drei Jahren nicht mehr, seit man ihn hierher gebracht und ihn von der Außenwelt abgetrennt, auf wenigen Quadratmetern wie ein gefährliches Tier in einem Zwinger hielt, sorgsam abgeschottet von jeglicher Form der Freiheit. Er bekam zu Essen und zu Trinken, hatte sogar einen kleinen Fernsehapparat für die schwierigen Momente, in denen die Einsamkeit zu groß wurde, aber er hatte keine Möglichkeit, seinen Neigungen nachzugehen, die Natur zu genießen, mit Freunden einen unterhaltsamen Abend zu verbringen, nichts von alledem, was sein Leben einst so lebenswert gemacht hatte. Einst! Es war gerade mal ein paar Jahre her und fühlte sich doch wie eine Ewigkeit an. Er war gänzlich in der Hand einer fremden Macht, die jeden seiner Schritte bestimmen konnte, von deren Wohlwollen selbst die winzigste Verbesserung seines Daseins abhing.  Er war auf der Stufe des einsamen Wolfs im Nürnberger Tiergarten angelangt, den er  einst fasziniert und betroffen zugleich beobachtet hatte, wie der schier endlos in seinem Käfig von links nach rechts und wieder zurück schnürte, immer auf dem gleichen schmalen, ausgetretenen Pfad, vorbei an den gaffenden Besuchern, den Blick gebrochen nach unten gerichtet, stundenlang. Immer die gleiche Schleife, eine flache Acht nach der anderen. Seiner wahren Natur beraubt. So wie er in diesem Augenblick.

    Er musste hier raus. Musste wieder freie Luft atmen, seinen Tagesablauf selbst bestimmen, ins Leben zurückkehren. Er hatte sich einen perfekten Plan zurechtgelegt. In zahllosen langen Nächten durchkalkuliert, bis ins kleineste Detail durchdacht, alle Unwägbarkeiten durchgespielt und sich für jede mögliche Überraschung die geeignete Reaktion eingeprägt, unverrückbar eingebrannt. Es würde funktionieren. Es musste! Er musste nur noch etwas warten können bis die Umstände seinem Vorhaben entgegen kamen. Geduld! Eine Eigenschaft, die noch nie zu seinen Stärken gehört hatte. Aber er konnte es sich nicht aussuchen, er musste die Gelegenheit nutzen, wenn sie sich ihm bot. Bis dahin hieß es, aufmerksam sein und warten, auf die Chance lauern.

    Weihnachtliche Vorfreude

    Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen,

    wie glänzt er festlich lieb und mild

    (Deutsches Weihnachtslied, 1871)

    Die Sonne scheint mild, viel zu mild für Mitte November. Nur wenige winzige Wölkchen störten den Eindruck eines sonst makellos blauen Himmels. Die Temperaturen sind für die Jahreszeit viel zu hoch, geradezu angenehme acht Grad Celsius zeigt das Thermometer neben dem Küchenfenster der Kleinleins. Peter, der Hausherr, sitzt, die aufgeschlagene Zeitung vor sich, am Küchentisch und arbeitet sich mühsam durch jeden einzelnen Artikel, angefangen von den deprimierenden Nachrichten aus der hohen Politik, den ebenso erschreckenden Berichten aus der großen weiten Welt, über Kriege und Terror hin zu den lächerlich dekadenten Skandalen der Reichen und Schönen. Er verweilt etwas länger beim ausführlichen Sportteil mit den jüngsten Wasserstandsmeldungen aus dem Lager des 1.FC Nürnberg, die größtenteils, wie in letzter Zeit so oft, aus verzweifelten Durchhalteparolen bestehen. Er überfliegt die Seite mit den Familienanzeigen, die sowohl die Abschnitte betreffend Partnersuche, Geburten, Todesnachrichten, als auch die Eheschließungen friedlich in ein und derselben Rubrik vereint. Ja, sogar die wenigen noch vorhandenen Stellenangebote lässt er nicht aus, obwohl er als Rentner damit nichts mehr am Hut haben müsste. Selbst ein zufällig dazukommender, neutraler Beobachter würde sofort erkennen: Dem Mann ist stinklangweilig.

    Die letzten Arbeiten im Garten sind seit einiger Zeit abgeschlossen, die empfindlichen Pflanzen bereits in den Keller verfrachtet, die Rosen fein säuberlich abgedeckt, das Laub zusammengerecht und entfernt. An dieser Front gibt es für längere Zeit nichts mehr zu tun. Selbst das in liebevoller Kleinarbeit eigenhändig gebastelte, geräumige Vogelhäuschen ist schon aufgehängt, dieses Jahr an einer Stelle, wo die Nachstellungen der feisten Nachbarskatze keinen Erfolg mehr versprechen, jedenfalls nicht ohne eine zirkusreife Luftakrobatiknummer zu riskieren. In den letzten Jahren hatten auch die Eichhörnchen den Vögeln das ausgelegte Futter streitig gemacht und oft stundenlang die Verpflegungsstation blockiert, was Peter Anlass gab, seine Kreativität im Zuge eines groß angelegten Rettungsplanes einzusetzen. Um dieser Zweckentfremdung ein für alle Mal einen Riegel vorzuschieben, hatte Peter schließlich in einer halsbrecherischen Aktion ein langes, aber reichlich dünnes Seil an einem weit ausladenden Ast des uralten Apfelbaumes befestigt und an dessen Ende in etwa eineinhalb Metern Höhe, in der Luft schwebend, das hölzerne Futterhäuschen aufgehängt. Wer hinein will, muss entweder fliegen oder einen halsbrecherischen Versuch unternehmen, an der dünnen Schnur herunter zu klettern. Peter war sehr zufrieden mit sich und seiner Leistung. Damit sollten seine gefiederten Lieblinge vor dem gierigen Kater der Seibolds, seiner Nachbarn zu Rechten, sicher sein. Was die Eichkätzchen betraf, hatte er noch so seine Zweifel. Man musste abwarten, welches Ausmaß an Risikobereitschaft der unvermeidliche Hunger während der kalten Jahreszeit bei diesen niedlichen, aber durchsetzungsfähigen Kletterkünstlern hervor bringen würde.

    Während Peter in Gedanken versunken vor sich hin sinnierte, sortierte seine Ehefrau Marga anscheinend die Küchenschublade mit den diversen Backzutaten wieder einmal neu. Wer sie näher kennt, der weiß, dass Ordnung eine der tragenden Säulen ihres Haushalts ist, Ordnung und Sauberkeit.

    „Woss machsd nern dou, Marga? Findsd woss nedd?", erkundigte sich der gelangweilte Ehemann mitfühlend, nicht weil er es wirklich wissen wollte, sondern lediglich um den gefährlichen Verdacht von Desinteresse an den Dingen des Haushalts zu vermeiden.

    „Woss werrin scho soung? Schau amal auf dein Kalender, na wassd woss lous is. Mir homm heid scho den fümfzehndn November und ich hobb nu kann aanzichn Lebkoung baggn, vom Stolln gar nedd zu redn."

    Der so aufgeklärte Zeitungsleser blickte kurz von seiner ohnehin nur mäßig spannenden Lektüre auf und brummte: „Sinn doch nu fasd sechs Wochn bis Weihnachtn, dou brauchsd doch nedd glei in Banik verfalln."

    Das hätte er besser nicht sagen sollen, schon in seinem eigenen Interesse, denn nun setzte Marga zu einer von rekordverdächtig hoch gezogenen Augenbrauen und beängstigend heftigem Augenrollen begleiteten Rede an.

    „Dei Rouh mächerd ich amal haben. Wergli wahr! A gscheider Stolln brauchd einfach so seine fümf bis sechs Wochn, dasser richdi mürb werd und aa wenn du scheinds nix zum dou hosd, ich schau hald, wossi nu alles kaufn muss, wenni morgn mitn Blätzlerbaggn anfanger will."

    Und als ob das kleine Rededuell sie auf eine weitere Idee gebracht hätte, fügte sie eilig hinzu: „Und fallsd ers nedd selber scho gmergd hosd, in nedd amal zwaa Wochn werd der Christkindlersmarkd eröffnet, dann hommer nämlich scho den erschdn Advend."

    Das Folgende hätte sie gar nicht hinzufügen müssen. Peter wusste auch so, was nun unweigerlich folgen musste.

    „Und am erschdn Advend, dou hängd unser gesamde Weihnachdsbeleuchdung, im Haus und außerhalb. Wennsd du etz nedd bald in die Gäng kummsd, dann mach is hald heier selber, des schaffi dann aa no, wenns nedd andersch gäihd. Suwoss muss mer etzerdler machen, wo äs Wedder nu schäi iss, wenns amal regnd odder schneid brauchsd nimmer naus!"

    Die Wetterlage im Hause Kleinlein schien, ganz im Gegensatz zum Prachtwetter draußen, eindeutig ins Negative umzuschlagen. Minusgrade machten sich breit. Natürlich dachte Marga nicht im Traum daran, selbst auf die mittlerweile mehr als haushohe Edeltanne im Vorgarten hinauf zu klettern. Diese Drohung war rein rhetorisch, verfehlte aber trotzdem ihre Wirkung  nicht. Peter war schlagartig klar geworden, dass die stille Zeit, wie man die Wochen vor Weihnachten auch gerne bezeichnete, zumindest für ihn, nun endgültig der Vergangenheit angehören würde. Er legte resignierend die Zeitung beiseite und erhob sich, mangels dafür empfänglichen Publikums allerdings völlig unnötig, unter Mitleid heischendem Ächzen und Stöhnen von der Küchenbank. Das Kreuz tat ihm jetzt schon weh, das konnte ja heiter werden.

    Man muss dazu wissen, dass das Kleinlein‘sche Anwesen anlässlich des bevorstehenden Weihnachtsfests alljährlich eine vollkommene Verwandlung erfährt, hin zu einer funkelnden Pracht, gegen die Käthe Wohlfahrts Weihnachtsland zuweilen etwas schlicht erscheint. Innen wie außen wird dekomäßig aufgerüstet, wobei Peter für die umfangreichen Außenarbeiten zuständig ist. Kein Baum oder Strauch im gepflegten Vorgarten kommt ungeschoren davon. Jeder einzelne Zweig wird mit elektrischen Lichtern versehen. Bunte Lämpchen sind bei Peter allerdings streng verpönt, denn wie er gleich zu Beginn des Kleinlein’schen Doppelbeschlusses (Aufrüstung innen und außen) klargestellt hatte, handelt es sich bei Weihnachten um ein besinnliches Fest. Die Beleuchtung soll daher dezent sein und lediglich in den langen Nächten die ansonsten oft so erdrückende Dunkelheit aufhellen, halt ein bisschen Leben in die trostlose Finsternis bringen. In allen Farben wie wild flackernde Lichterketten eignen sich nach Ansicht der Kleinleins allenfalls für die Fahrgeschäfte auf der Rödnbacher Kerwä. Und die findet ausschließlich im Mai statt. Trotzdem gibt es genug Röthenbacher Mitbürger, die über den Aufwand der Familie Kleinlein verständnislos den Kopf schütteln. Zugegeben, die Anzahl der Lämpchen ist gewaltig und führte im ersten Jahr dazu, dass ein besorgter Nachbar erschrocken die freiwillige Feuerwehr alarmiert hätte, als er, ahnungslos von der Arbeit zurückkehrend, das beleuchtete Haus irrtümlich für in Brand geraten hielt. Seither nennt der eine oder andere Rödnbacher das Kleinlein’sche Eigenheim schon einmal hinter vorgehaltener Hand „Das brennende Haus". Doch Peter und Marga stört das nicht, ihnen gefällt es und auf eine nicht so ernst gemeinte Frozzelei seitens seines Freundes und Dorfmetzgers Simon Bräunlein hatte Peter schlagfertig geantwortet:

    „Wenigsdns im Dezember is unser Häusler absolud einbruchsicher. Dou draud si ka Einbrecher auf wenicher wäi zwanzg Meder näher kummer, mir homm die ideale Alarmanlaach!"

    Dies alles ist notwendig zu wissen, um einigermaßen zu verstehen, warum Peter geschlagene zwei Wochen braucht, bis alles an Ort und Stelle und fachmännisch verkabelt ist. Glücklicherweise misst er gute Einsneunzig. Das erspart es dem Geplagten wegen jedes kleinen Handgriffs eigens eine Leiter hinauf- und wieder herunter zu steigen. Es reicht aber auch so.

    Am Freitag vor dem ersten Advent findet alljährlich, genau wie auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt, die feierliche Eröffnung statt. Nur mit dem Unterschied, dass sich die Marga nicht in ein Engelsgewand mit langer blonder Perücke und goldener Krone zwängen muss. Und ihr Prolog richtet sich auch nicht an die „Herrn und Frau’n, die Ihr einst Kinder wart, die Kleinen, am Beginn der Lebensfahrt, sondern an den, zu einem zünftigen Umtrunk mit Glühwein, Plätzchen, Lebkuchen und gegrillten Bratwürsten (natürlich ausschließlich Bräunlein’sche Spitzenqualität) vollzählig versammelten engeren Freundeskreis, mit anderen Worten: die Bräunleins und die Schwarms. Und ihre Worte werden wie immer lauten: „No rei mit eich, Ihr hobbd beschdimmd an gscheidn Hunger und an Dorschd. Ich hobb nadürli aweng a Gleinichkeid vorbereided!

    Bis es so weit ist wird er jetzt jeden Abend todmüde in sein Bett sinken und von streikenden elektrischen Birnchen, Schaltplänen, heillos verknoteten Lichterketten und in einander verkeilten Doppelsteckern träumen. Aber es hilft ja nichts. Befehl ist Befehl.

    Zwei Wochen später, Freitag, der 28. November

    Es ist so weit. Endlich! Drei in mattem Gelb leuchtende Rentiere weiden friedlich im Kleinlein’schen Vorgarten, der Nikolaus auf seinem Schlitten thront, mit einer elektrischen Laterne winkend und fröhlich lachend auf dem Vordach über der Haustüre und die mittlerweile zwölf Lichterketten, teilweise eingearbeitet in einen Strang aus künstlichem Tannenreisig mit eingeflochtenen rotbackigen Plastikäpfeln, vergoldeten Tannenzapfen und gleichfarbigen Zimtstangen, sind am Türgebälk und rund um die

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