Standards und Evidenzen der logopädischen Stimmtherapie mit Mann-zu-Frau-Transsexuellen
By Leah Kühl
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Um eine qualitativ hochwertige, evidenzbasierte und standardisierte medizinische Versorgung gewährleisten zu können, braucht es einheitliche Standards. Diese sollten evidenzbasiert sein und sich nach aktuellen wissenschaftlichen Standards richten (Cochrane, 1973), um effektiv zu sein (Carding et al., 2017). Dies gilt für die Logopädie generell, die Stimmtherapie und natürlich auch für die spezielle Patientengruppe der MFT.
Das Problem ist, dass Logopäden kaum Kenntnis von der Stimmtherapie mit MFT haben (Lascheit, Marx, & Houben, 2008). Dies liegt auch an einer fehlenden evidenzbasierten Grundlagenliteratur und an fehlenden Evidenzen zu wirksamen Methoden an sich. Selbst die "World Professional Organisation for Transgender Health" hat keine für alle verbindliche Richtlinie zu diesem Thema. Ein erstes aktuelles, deutschsprachiges und umfassendes Buch zur "Stimmtherapie mit Mann-zu-Frau-Transsexuellen" existiert (Kruse, Houben, & Lascheit, 2016). Auf wissenschaftliche Evidenzen wird teilweise Bezug genommen, zu bemerken ist, dass es sich um ein eher praxisorientiertes Werk handelt. Kruse et al. (2016) stellen ebenfalls fest, dass es derzeit kein spezifisches evaluiertes Konzept für die Therapie von MFT gibt.
Dies führt zu einem anhaltenden Abstand der Logopäden zum Thema MFT, aufgrund von Ratlosigkeit oder schlicht Unkenntnis.
Diese Arbeit ist ein Versuch, einen Überblick zu schaffen, über den Forschungsstand der Therapiemethoden und die Bestandteile, die zu einer weiblichen Stimme beitragen. Derzeit gibt es im deutschsprachigen Raum keine evidente Übersicht effektiver Behandlungsmethoden für die Stimmtherapie von Mann zu Frau Transsexuellen. Die vorliegende Arbeit ist eine Betrachtung der derzeitigen Evidenzen und Standards in verschiedenen, für die logopädische Stimmtherapie relevanten Schriftstücken.
Leah Kühl
Ich setze mich seit Jahrzehnten, mit dem Thema Stimme und Transidentität auseinander. 2019 erweiterte ich mein Wissen, mit einem dualen Studium zur Logopädin und akademischen Sprachtherapeutin an der JMU Würzburg. Das hierdurch erlernte evidenzbasierte Arbeiten, ist seither die Grundlage meiner Therapien und Tätigkeiten als Autorin. Die verwendeten Methodiken, habe ich seitdem bereits in Zusammenarbeit mit hunderten Patient*innen erfolgreich angewendet.
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Standards und Evidenzen der logopädischen Stimmtherapie mit Mann-zu-Frau-Transsexuellen - Leah Kühl
Vorwort
In meiner Heimatstadt Berlin hatte und habe ich hin und wieder mit Mann-zu-Frau-Transsexuellen (MFT) in meinem Bekanntenkreis zu tun. So setzte ich mich bereits vor dem Logopädie-Studium mit dieser Patientengruppe auseinander. Ich war neugierig und wollte wissen, wie sie zu ihrer Stimmleistung kamen, die ich selbst oft als angestrengt, unnatürlich bzw. nicht überzeugend weiblich empfand. Mein Empfinden diesbezüglich begründet sich vor dem Hintergrund, dass es im Internet, beispielsweise in englischsprachigen Videos auf YouTube, weitaus überzeugendere Ergebnisse der so genannten Stimmtransition zu finden gab. Daraufhin erlangte ich erstmals Kenntnis vom Fachgebiet der Logopädie. Ich informierte mich weiter und begann mich selbstständig und ohne Fachwissen über die Stimme, mit ihren Aspekten, Bestandteilen, ihrer Modulationsfähigkeit und ihren Grenzen auseinander zu setzen. Nach ein paar Monaten sprachen mich Personen aus der Transsexuellen-Szene, mit denen ich Kontakt hatte an. Sie baten mich, einen Vortrag über meine Erkenntnisse zu halten. Dem kam ich nach kurzer Überlegung nach und erhielt daraufhin sehr positive Resonanz, sowie viele weitere Kontakte. Dies war der Grund, mich mit professionellem logopädischem Fachwissen, bzw. dem Studium selbst zu befassen und führte somit auch zu meiner hier gewählten Forschungsarbeit. Ich halte es für dringend nötig, dass Evidenzen in diese Arbeit Einzug halten. Gerade in der Stimmtherapie gibt es hierzulande scheinbar viele unklare Vorgehensweisen.
Liegt eine Stimmstörung vor, wird eine interprofessionelle Gruppe von behandelnden Experten aktiv. Diese Gruppe setzt sich aus Phoniatern, Neurologen, Hals-Nasen-Ohren-Ärzten, Psychologen, Sprachheilpädagogen und Logopäden zusammen. Stimmstörungen selbst teilen sich ebenfalls in verschiedene Gruppen, wie etwa nach Symptomen und Ursachen auf. Wiederum gibt es für jede einzelne Art der Stimmstörung diverse Therapiemethoden. Aus diesem Methoden-Pool sind längst nicht alle evidenzbasiert. Durch die Kombination all dieser Faktoren, fällt es schwer, einen Überblick zu behalten.
Um eine qualitativ hochwertige, evidenzbasierte und standardisierte medizinische Versorgung gewährleisten zu können, braucht es einheitliche Standards. Diese sollten evidenzbasiert sein und sich nach aktuellen wissenschaftlichen Standards richten (Cochrane, 1973), um effektiv zu sein (Carding et al., 2017). Dies gilt für die Logopädie generell, die Stimmtherapie und natürlich auch für die spezielle Patientengruppe der MFT.
Das Problem ist, dass Logopäden kaum Kenntnis von der Stimmtherapie mit MFT haben (Lascheit, Marx, & Houben, 2008). Dies liegt auch an einer fehlenden evidenzbasierten Grundlagenliteratur und an fehlenden Evidenzen zu wirksamen Methoden an sich. Demnach scheint es bisher keine allgemeingültigen Standards zur Behandlung von MFT zu geben. Es gibt allerdings bereits Bemühungen den fehlenden Evidenzen entgegenzusteuern, wie die Anmeldung zu einem neuen Leitlinienvorhaben für die Diagnostik und Therapie von Störungen der Stimmfunktion (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., 2017) zeigt. Auch das deutsche Standardwerk für Stimmtherapie (Hammer & Teufel-Dietrich, 2017), hat in seiner neuesten Auflage nun ein eigenes Kapitel zur Evidenzbasierten Praxis. Organisationen wie etwa die „World Professional Organisation for Transgender Health berufen zur Qualitätsverbesserung im Abstand von einigen Jahren Kongresse ein, doch eine für alle verbindliche, wie auch allgemein bekannte Richtlinie liefert auch sie nicht. Ein erstes aktuelles, deutschsprachiges und umfassendes Buch zur „Stimmtherapie mit Mann-zu-Frau-Transsexuellen
existiert (Kruse, Houben, & Lascheit, 2016). Auf wissenschaftliche Evidenzen wird teilweise Bezug genommen, zu bemerken ist, dass es sich um ein eher praxisorientiertes Werk handelt. Kruse et al. (2016) stellen ebenfalls fest, dass es derzeit kein spezifisches evaluiertes Konzept für die Therapie von MFT gibt.
Dies führt zu einem anhaltenden Abstand der Logopäden zum Thema MFT, aufgrund von Ratlosigkeit oder schlicht Unkenntnis. „Was wirkt wie? und „Warum wirkt es?
sind oft gestellte, offene Fragen, deren Beantwortung hohe Dringlichkeit hat.
Abkürzungsverzeichnis
EbM = Evidenzbasierte Medizin
f0 = Grundfrequenz der Tonhöhe
F1 = erster Formant
F2 = zweiter Formant
F3 = dritter Formant
F4 = vierter Formant
HRL = Heilmittelrichtlinien
HT = Halbton
KVK = Konsonant-Vokal-Konsonant
MFT = Mann-zu-Frau-Transsexuelle
SLP = speech-language pathologist (dt. in etwa Sprech- und Sprach-Pathologe)
SOC = Standards of Care
1 Einleitung
Diese Arbeit ist ein Versuch, einen Überblick zu schaffen, über den Forschungsstand der Therapiemethoden und die Bestandteile, die zu einer weiblichen Stimme beitragen. Derzeit gibt es im deutschsprachigen Raum keine evidente Übersicht effektiver Behandlungsmethoden für die Stimmtherapie von Mann zu Frau Transsexuellen. So schreibt eine Studie „Gültige Standards der logopädischen Therapie existieren nicht" (Meister et al., 2016, p. 775). Die vorliegende Arbeit ist deswegen eine Betrachtung der derzeitigen Evidenzen und Standards in verschiedenen, für die logopädische Stimmtherapie relevanten Schriftstücken.
Standards werden durch diverse Organisationen aufgestellt. Da es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich ist, alle zu erfassen, wird hier lediglich eine reduzierte Anzahl beleuchtet. Die Auswahl erfolgte anhand ihrer Bedeutung im Gesundheitssystem bzw. für die Logopädie und die hier behandelten Fragen.
Um einen weltweiten Eindruck zu bekommen, werden die Standards of Care (SOC) betrachtet, da diese internationale Relevanz haben. Für Deutschland sind hier die Leitlinien, als auch die Heilmittelrichtlinien (HRL) als relevant eingestuft worden. Ebenfalls werden Arbeiten betrachtet, welche Bestandteile sowohl weiblicher als auch männlicher Stimmen behandeln. Im Anschluss werden einzelne Methoden und Studien zur Feminisierung der Stimme analysiert, welche sich mit der Stimmtherapie bei MFT befassen. So soll es dem Leser ermöglicht werden, die nach dem derzeitigen Forschungsstand bestmögliche Therapie zusammenzustellen. Dies soll einen