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Nur von draußen: 16 erzählte Porträts aus der Corona-Zeit
Nur von draußen: 16 erzählte Porträts aus der Corona-Zeit
Nur von draußen: 16 erzählte Porträts aus der Corona-Zeit
Ebook226 pages3 hours

Nur von draußen: 16 erzählte Porträts aus der Corona-Zeit

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About this ebook

In den sechzehn Geschichten aus der Corona-Zeit stehen die Porträts unterschiedlichster Menschen im Vordergrund: die Durchschnittsfamilie im Homeoffice, der sterbende Kurator, die ehrgeizige Pharmazeutin und der Unternehmer mit der Witterung für das große Geld, der Misanthrop und die still lebende Erzieherin, die Charakterköpfe eines Dorfes und viele andere Personenbilder werden liebevoll wie mit feinen Bleistiftstrichen skizziert.
Eingebettet sind die Charakterstudien in die Krisenatmosphäre der jüngsten Vergangenheit. Die Figuren der Geschichten durchleben sie auf die ihnen eigene Weise.
Mal humorvoll, mal ironisch, dann wieder nachdenklich oder kritisch, manchmal auch bissig geht es in diesen Erzählungen zu, die der menschlichen Seele auf den Grund spüren.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateMar 15, 2021
ISBN9783753182735
Nur von draußen: 16 erzählte Porträts aus der Corona-Zeit

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    Nur von draußen - Veronika Beci

    Ein anderer Blick

    Der erste Morgen ihres Lock-Downs ist noch nicht viel anders als alle anderen Morgen. Er erwacht wie immer, steht auf, wie immer leise, um sie nicht zu wecken, er wäscht sich, kleidet sich an und kommt die Treppe hinab wie an jedem Werktag. Und da steht sie auch schon in der Küche wie an allen Tagen und bereitet sein Frühstück und die Brote der Kinder. Natürlich hat sie seinen Wecker klingeln hören. Es ist ihre Angewohnheit aufzustehen, sobald er im Badezimmer verschwindet, um schon einmal das Frühstück für sie alle zuzubereiten, ehe sie selbst ins Bad kann, um sich eilig zurechtzumachen, die Kinder zur Schule zu wecken und, kurz nachdem sie sie mit dem Wagen vor den Schulen abgesetzt hat, zur Arbeit zu hetzen.

    Er bleibt einen Augenblick in der Küchentür stehen. Wie geschwind und flink sie in der Küche herumwirbelt, Schubladen aufzieht und mit einem kleinen Ruck der Hüfte im Wegdrehen wieder zustößt, ein Omelett wendet und mit gelernten Schnitten Tomaten zerteilt! Sie nimmt ihn nicht wahr. Geschäftig tut sie die Handgriffe ihres Alltags.

    „Ich glaube, heute können wir uns Zeit lassen", sagt er, indem er sich an seinen gewohnten Platz am Küchentisch niederlässt.

    „Morgen, Schatz, murmelt sie und reicht ihm eine Tasse Kaffee, wie sie es gewohnt ist, während er sich mit seinem Handy beschäftigt, nachdem er ihr ein 'Guten Morgen' hingelächelt hat. Nun gibt er ihr Bericht über Neuigkeiten. Zuallererst eine lustige Mail eines ihrer Freund und dann die Nachrichten über steigende Inzidenzzahlen und Tote. „Ne, ne, ne, wo soll das nur enden, kommentiert sie kopfschüttelnd, während sie die Omelettes schwungvoll auf einen breiten Platzteller befördert.

    Sie stellt sie auf den Tisch. Sie bleibt unschlüssig stehen. Tja, eigentlich braucht sie ja nun nicht nach oben zu rasen, um sich schnell umzuziehen.

    „Die Kinder können heute ausschlafen", überlegt sie laut.

    „Ein wenig schon", meint er. Sie setzt sich zu ihm an den Tisch, schenkt sich Kaffee ein, nimmt ein Stück Omelette und Tomaten, lässt sich dann aber erst mit einem tiefen Seufzer gegen die Stuhllehne sinken, ehe sie isst.

    Er sieht von seinem Handy auf. Sie setzt sich morgens nie zu ihm an den Tisch. Es ist ihm auch nicht klar gewesen, dass sie unter der Woche frühstückt. Er kann sich nicht helfen, es stört ihn ein wenig, dass sie da plötzlich sitzt, offensichtlich sehr zufrieden. Er räuspert sich. Indem er weiter Nachrichten vorliest, rettet er sich über das Gefühl hinweg, von ihr gestört zu sein. Sie unterhalten sich ein wenig. Klatsch. Belangloses. Dann sagt er: „Jetzt gehe ich mal nach oben. Ich setze mich ins kleine Büro." Sie haben vor einigen Jahren den Dachboden ausbauen lassen, nun, da die Kinder größer werden und zukünftig mehr Raum brauchen. Dabei war ein winziges Zimmerchen entstanden, in das sie einen Schreibtisch gestellt haben – als hätten sie's geahnt -, zweckmäßige Regale und auch die Spielekonsole nebst zwei Sesselchen, denn zuweilen spielen sie gemeinsam. Das ist aber immer seltener der Fall.

    „Oh, sagt sie gähnend, während er ihr und sein Geschirr in die Spülmaschine räumt: „Dann sehen wir uns so um Mittag?

    „Naja, wenn ich dann eine Kaffeepause mache."

    Er verschwindet die Treppe hinauf. Sie hört die Dachbodentür zufallen.

    Sie sitzt da und seufzt wieder tief. Gedankenverloren wischt sie imaginäre Brotkrümelchen von der Tischplatte. Sie genießt es, morgens einfach nur dazusitzen. Sie möchte noch lange so dasitzen, Doch sie erhebt sich rasch. Sie kann doch wohl schlecht so lange einfach zur dasitzen in Schlafanzug und Kapuzenjacke, ungewaschen und ungeschminkt! Sie empört sich vor sich selber, geht eilig hinauf ins Bad und macht sich bereit für den Tag. Sie stellt ihr Laptop auf den Schminktisch im Schlafzimmer und beginnt zu arbeiten. Nachdem sie zwei, drei Mails durchgelesen hat, wird sie unruhig. Sie sieht sich im Zimmer um. Das reinste Chaos! Wenn sie jetzt schon in Videokonferenzen gegangen wäre! Peinlich!

    Sie reißt das Fenster auf zum Lüften. Sie macht das Bett und überdeckt es – anders als sonst – mit einer Tagesdecke, bis es aussieht wie ein großes, glattes, weißes Paket. Sie entrümpelt die Nachttischchen, arrangiert Bilder und Topfpflanzen um und räumt Umherliegendes fort.

    Befriedigt sieht sie sich im Zimmer um und setzt sich wieder an die Arbeit. Ihre Kollegen schicken schwarzhumorige Grüße aus ihrem Homeoffice oder aus dem Büro, die sie beantworten muss. Es wird still im Schlafzimmer.

    Der Junge ist schon längst wach. Er hat auf die Uhr gesehen und zuerst einen Schreck bekommen: verschlafen! Mama hat vergessen, mich zu wecken! Doch im selben Moment geht ein Grinsen über sein Gesicht. Stimmt! Er muss ja heute nicht zur Schule! Ein Donnerstag und er muss nicht zur Schule! Er hüpft aus dem Bett und öffnet vorsichtig die Zimmertür. Im Haus ist alles ganz still. Es duftet nach Omelette. Der Junge merkt, dass er Hunger hat. Er schleicht durch den Flur. Im Elternschlafzimmer hört er es rascheln. Er ist also nicht allein. Mama oder Papa ist da. Aber den Teufel wird er tun, sich ihnen in Erinnerung zu bringen! Da kommen sie vielleicht auf die Idee, ihn doch noch zur Schule zu schicken! Nein, so blöd ist er nicht! Er schleicht die Treppe hinab in die Küche. Dort deckt er sich – leise, leise – mit allem ein, was ihm für ein gutes Frühstück wichtig erscheint. Mit einem übervollen Teller und einem Päckchen Kakao bewaffnet schleicht er zurück in sein Zimmer. Er schaltet seinen Fernseher ein – leise, leise - , setzt sich auf den Boden vor sein Bett und mampft sein Frühstück, während er sich Trickfilme ansieht.

    Heute darf ich länger pennen und da kann ich einfach nicht, denkt das Mädchen und dreht sich wieder und wieder in ihrem Bett herum. Schließlich greift sie nach ihrem Smartphone, um zu sehen, ob auf What's App schon etwas los ist. Tatsächlich melden sich schon viele.

    Schlagartig ist das Mädchen völlig wach. Es setzt sich mit gekreuzten Beinen aufs Bett und schreibt seinen Freundinnen. Es gibt ja so viel zu erzählen! Hat schon jemand einen in seiner Familie, der mit dem Virus versifft ist? Nein? Warum schieben sie dann alle Panik!

    Es ist neun Uhr. Endlich nimmt sie die Uhrzeit wahr. Sie hat gerade angefangen, alle aufgeschobenen Arbeiten abzuarbeiten. Es gibt doch einiges, das liegengeblieben ist. Der Chef hat Anweisung erteilt, sich darum zuerst zu kümmern. Na gut.

    Halb zehn! Die Kinder! Lange schlafen ist ja gut und schön, aber sie müssen trotzdem lernen, auch wenn sie nicht zur Schule gehen. Sie kann die Kinder doch jetzt nicht herumhängen lassen, sie muss sich kümmern!

    Also klopft sie zuerst bei dem Kleinen an. Der lässt eilig einen Teller unter dem Bett verschwinden, als sie eintritt.

    „Ja, sag' mal, ruft sie empört: „Fernsehen vor der Schule – wir haben schon einmal darüber gesprochen, mein Freund! Er sieht sie verschlagen an: „Aber heute ist doch keine Schule. Also..." Verdammte Kinderlogik, flucht sie innerlich.

    „Trotzdem: aus", befiehlt sie kurz. Er schaltet den Fernseher ab.

    „Geh' dich mal waschen und und vergiss die Zähne nicht wieder. Ich mach hier schon mal das Fenster auf. Wir müssen jetzt mehr lüften", sagt sie. Der Kleine verdreht die Augen und trottet ins Bad. Sie macht sein Bett. Dabei fällt ihr ein Plüschhase vor die Füße. Sie hebt das Tierchen auf und betrachtet es. Es ist sein erstes Kuscheltier gewesen und immer noch sein liebstes. Es ist abgegriffen und schmutzig, ein Ohr hängt am seidenen Faden, aber es wird geliebt. Andere Kuscheltiere sind schon verschenkt oder in den Schrank verbannt worden, aber der Hase hier, den versteckt der Junge morgens unter seinem Kopfkissen und zieht ihn abends heraus, wenn es niemand sehen kann, dass er innig mit ihm kuschelt. Er kann ohne den Plüschhasen immer noch nicht einschlafen.

    Sie ist gerührt, sie weiß nicht, warum. Sie legt den Plüschhasen vorsichtig unter das Kopfkissen. Dann räumt sie einige Sachen zurecht. Als der Junge wieder ins Zimmer kommt, ist es recht gemütlich aufgeräumt. Sie lächelt ihn an.

    „Wie wär's, wenn du jetzt ein wenig lernst. Ihr habt ja Aufgabenblätter bekommen. Damit kannst du anfangen, schlägt sie vor: „Papa und ich arbeiten auch.

    „Ok", sagt der Junge. Er setzt sich an seinen Schreibtisch und kramt in seinem Rucksack. Sie zieht den schmutzigen Teller unter dem Bett hervor, lächelt und geht leise hinaus.

    In der Küche, wo sie den Teller gleich in die Spülmaschine steckt, sitzt die Große auf dem Küchenboard, lässt die Beine baumeln und benagt einen Apfel.

    „Du solltest was Richtiges essen, sagt sie. „Ach, ist das hier etwa aus Plastik, antwortet das Mädchen patzig und hält ihr den Apfel vors Gesicht.

    „Ich habe Omelettes gemacht", übergeht sie die Frechheit. Das Mädchen rümpft verächtlich die Nase.

    „Ich geh' jetzt joggen un' dann mach' ich auf Schule", sagt es, indem es sich vom Schrank gleiten lässt, einen Kopfhörer aus seiner Hosentasche zieht und sich ins Ohr porkelt.

    „Wegen eurer ganzen Scheiße dürfen wir ja jetzt unsere Freunde nicht mehr sehen, aber schön brav online-schooling machen", ätzt die Große im Weggehen.

    „Fräulein", ruft sie drohend hinter dem Mädchen her und will aufbrausen, aber schon ist die Haustür ins Schloss gefallen.

    Sie seufzt tief auf. Unserer Scheiße, denkt sie: was soll das denn wieder heißen. Sie zieht sich eine Tasse Kaffee und kehrt an ihre Arbeit zurück.

    So vergeht mehr als eine Woche. Immer im gleichen Rhythmus. Er steht auf, checkt Nachrichten, verzieht sich auf den Dachboden, kommt mittags hinunter, um etwas zu essen, eine Weile im Garten herumzubaseln und dann wieder auf Stunden zu verschwinden.

    Sie steht auf, wirft sich in schmucke Homewear, räumt erst einmal auf, arbeitet, sieht kurz nach den Kindern, kocht sich Kaffee, arbeitet, lauscht kurz auf die Bewegungen im Haus, geht nach der Arbeit einkaufen und erledigt alles übrige wie stets.

    Der Junge wacht auf, sieht fern oder spielt, und wenn er die Eltern hört, die sich aus der Küche Kaffee holen, setzt er sich rasch an seinen Schreibtisch und bekrakelt eines der Arbeitsblätter, die die Schule so reichlich spendiert.

    Das Mädchen schläft lange, quatscht über What's App mit ihren Freundinnen, geht joggen, erledigt dann seinen Schulkram an seinem Laptop, mokiert sich über das technische Versagen einiger seiner Lehrer und Lehrerinnen, erfindet Entschuldigungen für falsch verstandene und nicht gelöste Aufgaben und postet von sich Bilder aus seinem 'Seuchenknast'.

    Als sie eines Morgens in die Küche kommt, hat er bereits das Frühstück gemacht. Er ist noch im Schlafanzug.

    „Lohnt sich doch nicht, sich großartig anzuziehen", beantwortet er lächelnd ihren fragenden Blick. Sie setzt sich zu ihm. Sie ist überrascht, dass auch er leckere Omelette zuzubereiten versteht. Sie unterhalten sich über steigenden Fallzahlen und fragen sich, wie lange das alles wohl noch gehen wird.

    „Lange nicht, sonst liegt unserer Wirtschaft platt am Boden und dann geht es uns allen jahrzehntelang schlecht", überlegt er, utilitaristisch angehaucht.

    „Besser geht’s einem lange schlecht, als dass man tot ist, murmelt sie. Daraufhin ziehen sie sich beide an ihre Schreibtische zurück, aber nicht ohne sich zu sagen: „Bis heute Mittag. Es ist wie eine Verabredung.

    Mittags finden sie sich in der Küche. Sie machen sich das Essen warm. Sie ruft nach den Kindern. Der Junge kommt.

    „Keinen Hunger", brüllt das Mädchen von oben herunter.

    Er zuckt mit den Schultern und tätschelt den Kopf des Kleinen: „Haste für die Schule was gemacht?"

    „Rechnen."

    „Kann ich gleich mal sehen?"

    Der Junge schaut bestürzt auf: „Aber das guckt Mama doch immer nachmittags an. „Kann ich ja heute mal machen, sagt er lächelnd.

    „Das trifft sich gut, denn ich muss noch los, um irgendwo Klopapier zu ergattern", sagt sie. Sie fühlt eine Erleichterung in sich. Sie kann nicht sagen, weshalb.

    Die Tage verlaufen fast unverändert. Nur, dass sie jetzt länger liegenbliebt und sich dann zu ihrem Mann an den Küchentisch setzt, wo sie eine Weile über Gott und die Welt sprechen, ehe sie sich in ihre Zimmer zurückziehen.

    Eines Morgens findet sie ihn aber nicht in der Küche. Nanu, denkt sie, er muss doch schon aufgestanden sein! Sie schaut überall nach und findet ihn im Kinderzimmer. Er sitzt mit dem Kleinen auf dem Boden vor dem Bett. Beide verkrümeln Brot mit Schokocreme und unterhalten sich lachend über den Zeichentrickfilm im Fernsehen. Der Junge erzählt seinem Vater alles, was er über seine Helden weiß.

    „Ach, ich hatte so ähnliche Typen, sagt der Vater: „Käpt'n Balu. War was mit einem Bären, der krass Flugzeug fliegen konnte.

    „Hat der auch immer alle gerettet?"

    „Klar. Und manchmal war das richtig gefährlich."

    Sie zieht leise die Türe wieder zu. Die beiden haben sie nicht bemerkt. Sie lächelt.

    „Ey, warte mal kurz", ruft das Mädchen in ihr Smartphone. Es lauscht. Woher kommt das Lachen? Es wendet sich wieder seinem Smartphone zu. Aber nach einem kurzen Plausch merkt es wieder auf.

    „Du, Lena, sorry, ich muss da mal was checken. Ich glaube, meine familiy dreht ein bisschen ab. Corona-Koller, oder so. Ich meld' mich gleich wieder! Tschüssi!" Sie wirft das Gerät aufs Bett und geht die Treppe hinab, dem Lachen nach.

    Da sind Mama, Papa und ihr Bruder im Wohnzimmer. Sie spielen mit einem Luftballon. Sie spielen tatsächlich mit einem Luftballon! Wie Mama kichert und Papa ihr den Luftballon zuschmettert und der kleine Knirps vergeblich hochspringt, um den hoch über seinem Kopf zischenden Luftballon zu fangen, wie Mama ihm jetzt absichtlich den Ballon zufliegen lässt, und der Bruder nun seinen Papa abschmettert, der so tut als hätte ihn eine Kanonenkugel getroffen und wie albern sie dabei lachen!

    Mama sieht sie an der Türe stehen. „Pia, komm, spiel' mit, ruft sie. Aber Pia schnaubt nur verächtlich: „Kindergarten. Sie dreht sich auf dem Absatz um und steigt wieder hinauf in ihre Zimmer. Als sie die Tür hinter sich zugeworfen hat, muss sie doch ein bisschen lächeln. Meine verrückte Familie, denkt sie beinahe schon zärtlich. Sie wirft sich aufs Bett. Das muss sie gleich ihren Freundinnen schreiben.

    Es ist schon kein Zufall mehr, dass sie sich alle in der vierten Woche des Lock-Downs beim Frühstück treffen. Papa bereitet es vor, Mama deckt den Tisch und dabei unterhalten sie sich über alles und jeden.

    „Hast du gut geschlafen, Benny", fragt Mama, wenn der kleine Bruder auftaucht und sich hungrig an den Tisch setzt. Dabei küsst sie ihn hinters Ohr, einen extra dicken Kuss, den er sich mit gespieltem Ekel abwischt, aber doch gerne gefallen lässt. Dann unterhalten sie sich zu dritt und haben viel zu lachen. Als letzte gesellt sich Pia dazu, die sich immer halb ausgeschlafen und mürrisch stellt, aber eigentlich findet sie es sehr schön so. Sie nagt an ihrem Apfel, schlürft einige Löffel Müsli und verdreht gekonnt die Augen, wenn es wieder heißt, dass sie richtig essen soll.

    „Guck mal, Pia, versucht Benny zu provozieren: „Ich esse jetzt Palmöl. Er beißt in sein Schokobrot. Natürlich hält Pia nun allen einen Vortrag über den bedrohten Regenwald und giftet Benny als Umweltzerstörer an.

    „Also ich habe mich entschlossen, so etwas nicht mehr einzukaufen", sagt Elena unvermittelt. Über den Tisch hinweg begegnet ihr Blick dem ihrer Tochter.

    „Ehrlich, fragt Pia. In dem Blick ihrer Mutter liegt die volle Bestätigung und noch so viel anderes, Pia kann nicht sagen, was alles! Aber sie fühlt sich sehr, sehr wohl. Sie lächelt kurz und sagt dann mit hochmütiger Miene zu ihrem Bruder: „Siehste, wenigstens wir Frauen sind vernünftig, ich wusste es! Benny und Papa strecken ihr die Zunge heraus, aber das übersieht sie mit erwachsen-würdiger Miene.

    Sein Blick findet den ihren. Wie hübsch Elena ist, wenn sie lächelt, denkt er.

    Wie schön Ollis Augen leuchten, wie damals, denkt sie.

    Olli legt seine Hand auf Elenas. Für eine geraume Weile sehen sie einander nur an.

    „Müsst ihr nicht arbeiten", mault Pia, die mit Benny Blicke tauscht, die da bedeuten: was für ein peinliches Geschmuse – wir zwei halten dagegen zusammen!

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