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Der Herr des Krieges: Teil 1 Feuer und Eis
Der Herr des Krieges: Teil 1 Feuer und Eis
Der Herr des Krieges: Teil 1 Feuer und Eis
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Der Herr des Krieges: Teil 1 Feuer und Eis

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Napoleon kocht vor Wut: seine Marschälle haben bei Talavera wieder eine grauenhafte Niederlage eingesteckt. Der französische Kaiser schwört, dass er Arthur Wellesley, jetzt Lord Wellington, jeden Knochen im Leib brechen wird. Während Bonaparte noch flucht und eine schlecht geplante britische Expedition in Nordeuropa mit einem gewaltigen Reinfall endet, baut Arthur mit Hilfe der Portugiesen heimlich eine gewaltige Befestigungsanlage, um wenigstens Lissabon vor den Franzosen und ihre Verbündeten zu schützen und seine Rückzugslinie zu sichern. Gleichzeitig kämpft er mit dem Mut der Verzweiflung gegen eine Überzahl von Feinden um seinem Chefspion Pater Jack Robertson und dem " Quartett " die Zeit zu geben, in einer gefährlichen und streng geheimen Nacht-und-Nebel Operation das Terrain für eine grosse Offensive nach Spanien vorzubereiten. Der Weg über die Grenze und nach Frankreich ist weit, gefährlich und blutig, doch Arthur und seine Kampfgefährten fangen langsam an daran zu glauben, dass sie das "Monster" Napoleon am Ende vielleicht doch besiegen können, um so diesen grauenhaften und endlos langen Krieg zu beenden.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateApr 28, 2017
ISBN9783742789822
Der Herr des Krieges: Teil 1 Feuer und Eis

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    Der Herr des Krieges - Peter Urban

    Kapitel 1 Mit dem Mut der Verzweiflung

    Arthur Wellesley hatte sich bereits Anfang Oktober heimlich aus Badajoz nach Lissabon verabschiedet; er wollte endlich die Arbeiten zur Verteidigung Portugals organisieren, ohne dabei dauernd von irgendwelchen Hiobsbotschaften aus Sevilla oder London abgelenkt zu werden. Einerseits gefiel die ‚Höchste Junta‘ Spaniens sich nach dem Sieg von Talavera in einem gefährlichen Zustand zwischen Euphorie und Größenwahn und bedrängte ihn mit haarsträubenden Plänen für noch haarsträubendere Kriegszüge gegen die Adler, andererseits zerfleischten Whitehall und die Commons sich leidenschaftlich in einem sinnlosen Streit um eine mißglückte Operation in Nordeuropa, die außer dem Verlust zehntausender britischer Soldaten nichts eingebracht hatte. Und er befand sich irgendwo in der Mitte und bekam von beiden Seiten Prügel, die er mit knapp 300.000 französischen Soldaten auf der Iberischen Halbinsel einfach nicht brauchen konnte. Walcheren war ein Fiasko gewesen, denn die Planer in den Horse Guards hatten in ihre Rechnung nicht einkalkuliert, daß der Sommer in den holländischen Sümpfen Stechfliegen, schales Wasser und tödliches Fieber mit sich brachte. Die Spanier drängten auf eine Entscheidungsschlacht gegen die Marschälle Bonapartes, besaßen dafür aber weder die Kompetenz noch die Truppen noch die nötige Weitsicht. Er selbst verfügte lediglich über ein kaum 30.000 Mann starkes Expeditionskorps, das nach dem Sommerfeldzug 1809 und einer grauenhaften Schlacht, die zwei Tage gedauert hatte, an den Grenzen seiner Belastbarkeit angelangt war. Seine Entscheidung, als Oberkommandierender dieser müden Truppe ein paar Wochen lang unauffindbar zu bleiben, entsprach den Geboten des gesunden Menschenverstandes und denen der Kriegslist! Das alles seinen wüst streitenden Herren in London klarzumachen schien ihm in diesem Augenblick ein sinnloses Unterfangen. Und mit der ‚Höchsten Junta‘ vernünftig reden zu wollen, war unmöglich! Auf die Entsendung zweier spanischer Armeen unter Areizagos und Del Paques hatte er noch mit einem trockenen Memorandum nach Sevilla reagiert, in dem er den Herren Generälen und den Anführern des politischen Widerstandes ausführlich erklärte, was sie von den Franzosen erwarten konnten, wenn sie sich auf einen großen Zusammenstoß in Zentralspanien einließen. Sie hatten ihm nicht zuhören wollen, also hatte er Kopenhagen gesattelt und war auf die andere Seite der Grenze verschwunden, ohne sich weiter um das Schicksal seiner uneinsichtigen Verbündeten zu kümmern.

    Auf der Höhe von Torres Vedras war Portugal nur etwa 40 Meilen breit. Es galt hier drei Befestigungsringe zu errichten, bevor Bonaparte seine Aufmerksamkeit wieder auf das kleine Land am Atlantik richtete. Der Ire wußte, daß ihm nicht mehr viel Zeit blieb! Sobald die Marschälle Areizagos und Del Paques zerschmettert hatten, würden sie gegen die Grenze ziehen und damit gegen sein kleines Expeditionskorps und eine Handvoll portugiesischer Verbündeter, die zwar allen Mut der Welt besaßen, aber damit nicht die zahlenmäßige Überlegenheit des Gegners wettmachen konnten: Der erste Verteidigungsring würde landeinwärts vom Atlantik, entlang des südlichen Ufers des Zizandre bis nach Torres Vedras verlaufen und dann, in südöstlicher Richtung, über Land bis Alhandra und zum Tejo. Der zweite Ring war parallel zum ersten geplant, nur ungefähr sechs Meilen weiter südlich. Der dritte Wall schließlich mußte westlich der Hauptstadt Lissabon liegen und ein halbkreisförmiges Areal am Atlantik einschließen, von dem aus er im Falle einer verheerenden Katastrophe seine Truppenreste wieder nach Großbritannien evakuieren könnte.

    Das Verteidigungssystem, das General Sir Arthur Wellesley, der sich seit seinem Sieg über die Franzosen bei Talavera Lord Wellington nennen durfte, erdacht hatte, war komplex und ziemlich kompliziert. Obwohl er sich ganz genau vorstellen konnte, wie alles am Ende funktionieren und zusammenpassen würde, fiel es ihm nicht leicht, auf einem Blatt Papier seine ‚Wälle von Torres Vedras‘ zu erklären: Römisch-maurisch-portugiesische Burgen, Burgklöster und Wachtürme thronten auf Bergen, beherrschten die Hügel der Halbinsel, schmiegten sich an sanfte Höhen oder klebten an schroffen Felsen. Einst, in längst vergangener Zeit, wachten sie über das gesamte Umland Lissabons und über die Estremadura bis zur spanischen Grenze. Manchmal waren nur noch traurige Ruinen übriggeblieben; oft jedoch hatte man die Gemäuer über die Jahrhunderte sorgsam erhalten und sie strahlten immer noch Wehrhaftigkeit aus. Um die Hauptstadt des Landes zu beschützen, mußte nur noch jemand die Energie finden und diese manchmal düsteren Festungen, oft aber auch romantischen Märchenschlösser mit kastenförmigen, eng stehenden Türmen ohne Spitzen, mit den sonderbaren Wehranlagen ohne Burg, aber mit gewaltigen, kubischen Mauermassen, miteinander zu verbinden. Flüsse mußten mit Dämmen gebändigt werden, um im Falle eines Angriffs durch die Franzosen kurzfristig künstliche Überschwemmungen zu schaffen, die den Armeen der Adler den Übergang unmöglich machen würden. Die Dämme selbst wollte der Ire zum Schutz vor feindlichen Übergriffen stark befestigen. Die Zitadelle von Torres Vedras und ähnliche steinerne Trutzburgen aus dem Mittelalter würden mit zusätzlichen Schutzwällen modernisiert. Jeder unbebaute Hügel bekam seine Verteidigungsanlage, sowohl entlang des ersten Ringes, als auch entlang des zweiten Walles. Das Gelände selbst war zerklüftet und kaum zugänglich. Tausende von Portugiesen arbeiteten unter Aufsicht der wenigen, britischen Militäringenieure, über die Arthur verfügte, frenetisch an der Verteidigung von Lissabon. Sein gesamtes Konzept beruhte darauf, soviel Land wie nur irgend möglich, mit so wenigen Männern wie unbedingt nötig zu halten, um größtmögliche eigene und portugiesische Truppenreserven bereitzuhaben, die im Rücken eines frustrierten oder geschwächten Feindes manövrieren und kämpfen konnten.

    All diese Arbeiten verliefen unter dem Siegel strengster Geheimhaltung! Der portugiesische Kronrat schwieg, die portugiesischen Arbeiter schwiegen und Wellington selbst ließ trotz der immer härteren Angriffe aus London und dem brutalen Druck, den die Regierung und die öffentliche Meinung seines Landes auf ihn ausübten, kein Wort zu seiner Verteidigung oder Rechtfertigung laut werden. Er konnte und durfte in diesem Augenblick niemanden von den Bauarbeiten zwischen Arruda und Torres Vedras erzählen. Zu groß war die Gefahr, daß ein geltungssüchtiger Politiker zuhause den Plan preisgab, alles in die Presse gelangte und damit ebenfalls zu den Franzosen. Der Erfolg der Wälle von Torres Vedras in Arthurs Gesamtstrategie auf der Iberischen Halbinsel lag nur in ihrer vollständigen Geheimhaltung. Lediglich in einem privaten Brief an Robert Castlereagh ließ der General durchblicken, daß er etwas vorhatte. Doch was, das wollte er auch dem Freund nicht sagen. Robert war zu sehr Politiker, als daß der Soldat Wellington ihm in dieser schwierigen Lage noch sein Vertrauen schenken konnte. Nur an Henry Paget schrieb er: „Besorge dir eine Karte, sieh genau hin und du wirst verstehen, was ich gerade unternehme!" Dann löste er sich für weitere vier Wochen in Luft auf, ohne irgend jemanden zu informieren, wohin oder warum. Er wurde nur noch von Oberst Richard Fletcher begleitet, dem Chefingenieur seines Feldheeres. Don Antonio Maria Osario Cabral de Castro und Pater Robertson mit seinem Quartett verschwanden ebensomysteriös in den Weiten der Iberischen Halbinsel.

    Napoleons ‚Grande Armée‘ hatte im Jahr 1809 wieder eine ihrer verblüffenden Siegesserien gehabt: Bei Tengen, Abensberg, Landeshut, Eckmühl, Ratisbon, Ebersberg und Znaim hatten die Adler die Österreicher geschlagen. Bei Wagram hatte der Kaiser der Franzosen einen großen Sieg errungen. Als Arthur präzise Informationen über diesen 5. und 6. Juli in Händen hielt, erschauderte er. Das kleine Dorf Wagram befand sich nur wenige Meilen von Wien entfernt. Nachdem der Kaiser in einem verzweifelten Zusammenstoß bei Aspern-Esslingen, unter grausamem Blutzoll versucht hatte, die Donau zu überwinden und dabei seinen engsten Waffengefährten, Marschall Jean Lannes, den Herzog von Montebello, verlor, überschritt er in der Nacht vom 4. auf den 5. Juli den Fluß ohne dieses Mal auf österreichischen Widerstand zu stoßen. Erzherzog Karl hatte sich noch nicht mit den Truppen von Erzherzog Johann vereinigen können. Sein Versuch, den Korsen von seinem Brückenkopf abzuschneiden und wieder über den Fluß zu vertreiben, um die Hauptstadt der Donaumonarchie zu retten, schlug fehl. Napoleon gelang es, einen Keil ins Zentrum des österreichischen Heeres zu treiben. Karls Situation war ausweglos, seine Niederlage vollständig! Die Franzosen besetzten Wien, der Kaiser schlug sein Hauptquartier in Schönbrunn auf. Rußland hatte sich der Koalition gegen Bonaparte dieses Mal nicht angeschlossen. Niemand konnte der Donaumonarchie mehr zu Hilfe eilen, und der Habsburger mußte am 10. Juli 1809 den ehemaligen Jakobinergeneral und Revolutionär um Frieden anflehen. Er wurde gezwungen, im Vertrag von Schönbrunn unermeßlich große Teile seines Hoheitsgebietes abzutreten und dem französischen Kontinentalsystem beizutreten. Als Dreingabe forderte Napoleon noch die Hand Marie-Louises von Habsburg! Josephine Beauharnais – seine Kaiserin – hatte ihm keine Söhne schenken können, doch der Korse wollte eine Dynastie gründen. Nach dem Tag von Wagram beschloß er, sein Revolutionärsblut mit dem ältesten Hochadel des europäischen Kontinents zu veredeln – Habsburg! Der Kaiser der Franzosen hatte sich damit zum unangefochtene Herrscher über Europa gemacht.

    Während die Portugiesen Tausende von Palisaden und Reisigbündel für die Befestigung der Wälle von Torres Vedras schleppten oder mühsam Straßen durch die Berge bauten, um schwerer Artillerie Bewegungsmöglichkeiten zu geben, wo vormals kaum ein Maultier vorankam, befand Don Antonio Maria Osario Cabral de Castro sich tief im Landesinneren von Spanien. Sein erster Weg hatte ihn in das Bergmassiv des Guadarrama geführt. Dort verbarg sich in der einsamen Schönheit von La Mancha, unweit von Segovia und hoch in den Bergen, ein Mann vor den französischen Häschern, dessen Ruf bereits den Weg über die Grenzen nach Portugal gemacht hatte: Juan Martin Diez. Seine Anhänger und auch seine Feinde nannten ihn nur „El Empecinado" – den Mann vom Strom. Diez führte eine große Bande von Guerilleros an, die den Franzosen mit waghalsigen Übergriffen das Leben zur Hölle machten. Niemand, der eine blaue Uniform trug, war nachts oder in den Wäldern vor den gnadenlosen und flinken Messern der Gefolgsleute von El Empecinado sicher. Don Antonio gelang es, diesen Partisanenführer für die Sache der Briten zu gewinnen. Diez versprach, alle abgefangenen Franzosen sorgfältig auf Depeschen und andere nachrichtendienstlich wertvolle Schriftstücke abzusuchen und peinlichst zu befragen, wenn dies noch möglich war. Alle Informationen würde er Lord Wellingtons Nachrichtendienst zukommen lassen. Nachdem die Männer der Guadalajara-Region fest auf Seite der Alliierten standen, machte Don Antonio sich auf den Weg nach Kastilien, um sich dort der Unterstützung des berühmten Don Julian Sanchez zu versichern, eines Großgrundbesitzers, dessen gesamte Familie auf grauenvolle Weise von den Franzosen abgeschlachtet worden war, weil er sich geweigert hatte, dem Feind Pferde und Proviant zur Verfügung zu stellen. Auch Don Julian erklärte sich schließlich einverstanden, auf Seiten der Briten für die Freiheit seines Landes zu kämpfen. Und er tat noch mehr für Don Antonio: Er versprach dem Portugiesen, alle anderen Guerilleros ebenfalls für die Sache der Alliierten zu gewinnen. Boten galoppierten nach Osten, Westen, Norden und Süden los, und kurze Zeit später fanden sich die Führer sämtlicher Widerstandsgruppen aller spanischer Provinzen um ein Feuer, hoch in den Bergen der Sierra de Gredos versammelt. Dieser mächtigste Gebirgszug westlich von Madrid war nicht nur die Heimat der Steinböcke und Greifvögel, sondern auch der einzige Ort dieses besetzten Landes, zu dem die Franzosen sich nicht vorwagten. Die unwirtliche Nordflanke des Massives trug vorwiegend Granitfelder und dürftiges, niedriges Strauchwerk. Niemand konnte sich nähern, ohne sofort gesehen zu werden. Auf dem fast unzugänglichen Pico Almanzor, der sich mehr als 2500 Meter über den Meeresspiegel erhob, war die illustre Versammlung vor jeglichem feindlichen Zugriff sicher.

    El Minas, ein Guerillero aus Navarra hatte dem jungen Portugiesen aufmerksam zugehört, doch er war skeptisch, ob es sich am Ende lohnen würde, mit den Briten zusammenzuarbeiten: „Don Antonio, was haben wir davon, diesem irischen Aristokraten Informationen zuzutragen? Er, die Franzosen oder ein spanischer Großgrundbesitzer, sie sind doch alle Unterdrücker, die uns einfache Bauern nur ausbeuten! Was kann er uns geben, wenn wir ihm helfen?"

    „Spaniens Freiheit, Amigo!"

    „Freiheit? Wenn die Franzosen weg sind, dann werden unsere eigenen Grundbesitzer uns wieder bis aufs Blut aussaugen! Was macht es für mich für einen Unterschied, wer mich bestiehlt?"

    Der junge Portugiese sah den bärtigen Alten aus Navarra lange an. Es fiel ihm unendlich schwer, auf diese Äußerungen eines einfachen Mannes aus dem Volke eine Antwort zu geben, denn El Minas hatte im Grunde recht: Wenn die Franzosen fort waren, dann würde die spanische Grandezza die Bauern wieder plündern, so wie sie es seit Jahrhunderten tat. Doch dieses Problem konnte ein alliiertes Feldheer nicht lösen. Er beschloß, dem Navarener gegenüber einfach ehrlich zu sein: „Du hast richtig erkannt, daß es für euch keinen Unterschied macht, wer euch bestielt. Es ist auch richtig, daß der Ire ein Aristokrat und sein Ziel in diesem Kampfe nicht die Befreiung der spanischen Bauern ist. Dabei kann und wird er euch nicht helfen! Er ist von seiner Regierung auf die Iberische Halbinsel geschickt worden, um die Franzosen zu vertreiben. Wenn ihm dies gelingt, wird er in sein Land zurückkehren. Wenn er versagt, wird er auf spanischem Boden sterben! Er ist nur ein Soldat und ich bin mir selbst nicht einmal sicher, ob er überhaupt so etwas wie eine politische Überzeugung hat. Der General wird sich nicht in die inneren Angelegenheiten Spaniens einmischen. Alles, was ich zu seiner Verteidigung sagen kann, ist folgendes: Lord Wellington ist ein mutiger und aufrechter Mann! Er wird euch nicht benutzen und er wird euch nie anlügen. Wenn ihr ihm etwas gebt, dann wird er es euch auf die eine oder andere Art zurückzahlen. Sag mir deine Bedingungen! Was willst du von ihm, um gemeinsam mit uns gegen die Franzosen zu kämpfen?"

    El Minas hatte diese direkte Antwort nicht erwartet. Er blickte den Portugiesen beschämt an. Verlegen kratzte er seinen langen Bart: „Ja, was will ich eigentlich? Meine Freiheit kann er mir nicht geben! Die spanischen Großgrundbesitzer kann er nicht vertreiben und die Gesetze dieses Landes wird er nicht ändern! Sag deinem irischen Generalissimo, daß die Männer Navarras ihm trotzdem helfen werden! Wir haben gesehen, wie er sich bei Talavera mit den Franzosen geschlagen hat, obwohl der Feind mehr als doppelt so stark war. Unsere Armee ist davongelaufen. Seine nicht! Die roten Röcke haben gekämpft, wie die Löwen und ihr Generalissimo hat sich vor den Kugel des Feindes auch nicht versteckt. Er ist verwundet worden und hat trotzdem sein Schlachtfeld nicht verlassen. Ich vermag einen Mann für seinen persönlichen Mut zu achten, selbst dann wenn er ein verdammter Aristokrat und Ausbeuter ist!"

    El Minas Entscheidung bewegte auch die letzten, noch ein wenig wankelmütigen Guerilleros, sich auf die Seite der Alliierten zu schlagen. Don Antonio Maria Osorio Cabral de Castro versprach allen, daß die Briten sie mit Waffen und, wenn notwendig, mit Ausbildern versorgen würden. Wie auch den portugiesischen Widerstand, so hatte Lord Wellington seinem Adjutanten aufgetragen, so würde er die spanischen Guerillero in das alliierte Feldheer integrieren, sobald ausreichend Männer vorhanden waren um eigene Regimenter zu formen. Nach einem anstrengenden Monat kehrte der junge Portugiese müde, aber zufrieden nach Badajoz zurück. Er war der erste der kleinen Gruppe, der heimkehrte. Gespannt wartete er auf die anderen und darauf, welche Resultate und Neuigkeiten sie mitbrachten.

    Kurze Zeit später erreichte dann ein ebensomüdes wie zufriedenes Quartett das britische Hauptquartier an der Landesgrenze zwischen Spanien und Portugal. Doch sie durften und konnten sich dem neugierigen Don Antonio noch nicht anvertrauen! Das einzige, was Hauptmann Cabral de Castro aus Pater Robertson und Oberst Grant bei einem gemeinsamen Abendessen in der Zitadelle herausbekam, war ein fröhliches Augenzwinkern. Obwohl Wellington wußte, daß auf all diese Männer, die er in geheimer Mission losgeschickt hatte, absoluter Verlaß war und niemand den anderen je verraten würde, hatte er doch beschlossen, daß außer ihm in diesem Moment keiner mit dem gesamten Plan vertraut gemacht werden sollte. Es stand zuviel auf dem Spiel, als daß er auch nur bereit war, das geringste Risiko einzugehen.

    Während der Portugiese dem Benediktiner noch einmal Wein nachschenkte, in der Hoffnung vielleicht so seine Zunge zu lösen, stand Colquhoun Grant vom Tisch auf und holte Bleistift und Papier. Er schrieb ein paar Sätze nieder und streckte sie Don Antonio hin: „Anstatt uns auszufragen, wie ein altes Fischweib, mein Freund, solltest du dich lieber nützlich machen. Sag mir, was das ist?"

    Der Portugiese betrachtete das Blatt, seine Stirn legte sich nachdenklich in Falten. Dann schüttelte er unzufrieden den Kopf: „Es ist verschlüsselt, irgendein Code! Doch was das bedeuten kann ... Granto, ich weiß es nicht! Darf ich den Fetzen behalten? Der Husarenoberst nickte: „Wir haben es alle reihum versucht, aber keiner kann’s verstehen! Nicht einmal die klugen Padres von Braga, Tomar oder Santa Clara können sich einen Reim darauf machen. Mal sehen, was Sir Arthur selbst davon hält! Der hat in Indien ja offenbar die ganze Zeit mit Codes, Chiffres und Spionagenetzen gespielt. Wo der Chef nur steckt?

    Obwohl es ihm schwerfiel, nicht herauszuplatzen, zuckte Don Antonio nur die Schultern. Seit dem Abend in der Posada wußte er um die Wälle von Torres Vedras, doch Arthur hatte ihn als Freund gebeten, den Mund zu halten. Der Portugiese vermutete, daß der Ire angefangen hatte, an seinem Traum zu bauen, denn seit einiger Zeit schon gingen überall Gerüchte um, daß nun, nach dem Sieg über Österreich und dem Friedensschluß von Schönbrunn, Bonaparte selbst das Kommando über die französischen Armeen auf der Iberischen Halbinsel übernehmen würde und daß er es sich zum Ziel gemacht hatte, den schleichenden englischen Leoparden zurück ins Meer zu treiben und dem aufrührerischen Sepoy-General alle Knochen im Leib zu brechen. Der Kaiser hatte an den östlichen Grenzen seines Reiches Frieden erzwungen, seine Alte Garde marschierte auf Bayonne und es hieß, daß seine Wagen bereits auf dem Weg nach Madrid waren, um dort sein Hauptquartier vorzubereiten. Während eines ganzen Jahres mindestens, würde der Korse jetzt seine gesammelten Kräfte auf Spanien und Portugal richten können. Wellington mußten in seinem Versteck die gleichen Schreckensmeldungen zu Ohren gekommen sein!

    Der bewährte Rowland Hill wartete genausoungeduldig wie die Männer des Quartetts und Don Antonio auf Arthurs Rückkehr. Er fühlte sich mit jedem Tag unwohler in seiner Haut. Der Ire hatte ihm einen großen Stoß unterschriebener, weißer Blätter in Badajoz zurückgelassen und ihn beauftragt – wie er es nannte –, Oberkommandierender zu spielen! Hill brachte täglich bange Stunden damit zu, Kuriere der Junta aus Sevilla hinzuhalten und negative Antworten seines Chefs auf Operationspläne zu erfinden. Die spanische La Mancha-Armee befand sich nun am Vorabend einer großen Aktion gegen die Adler und in den Augen Rowland Hills sicher auch am Vorabend ihrer totalen Zerstörung durch einen überlegenen und gerissenen Feind. General Areizago hatte sich ausgerechnet Marschall Soult als Gegner ausgewählt und marschierte auf Oçaña. Eine spanische Armee aus Galizien unter Del Parque bewegte sich durch die Ebenen von Leon auf Salamanca. Er würde General Marchand und das 6. Französische Armeekorps auf seinem Weg finden. Und unweit von Salamanca, in Alt-Kastilien, trieben sich die gefürchteten Dragoner des finsteren Generals Kellermann herum, zusammen mit drei Schweizer und vier oder fünf französischen Infanteriebataillonen, die General Marchand jederzeit verstärken konnten.

    Auch Arthur Wellesley kannte diese Gerüchte: Sie waren ihm bis in die Berge zwischen Arruda und Torres Vedras zugetragen worden, obwohl er sich nie länger als einen Tag am selben Ort aufhielt. Kaum einer, der mit seinen geheimnisvollen Befestigungsarbeiten zu tun hatte, gleich ob einfacher Arbeiter oder Marschall Sir John Beresford, verstand, was er eigentlich plante. Doch der General strahlte in diesen Augenblicken soviel Selbstvertrauen aus, daß niemand seine sonderbaren Forderungen oder Ansprüche zu hinterfragen wagte. Zehn Tage lang war er kreuz und quer über Land geritten. Über steinige Bergpfade, hinunter in enge Täler, gelegentlich durch eine Ebene, entlang jedes Flusses und Flüßchens, hatte er jeden Stein, jedes alte Mauerwerk, jedes solide Bauernhaus und jeden Signalturm aus der Römerzeit in Augenschein genommen. Im Anschluß an diesen Erkundungsritt wußte nicht einmal mehr Oberst Fletcher, der Ingenieur, der Arthur begleitet hatte, wo der Oberkommandierende sich aufhielt. Fletcher hatte eines Morgens lediglich ein ellenlanges Memorandum in einem Umschlag vorgefunden, aus dem exakt hervorging, was er zu bauen hatte. Der General selbst war wieder einmal einfach vom Erdboden verschwunden.

    Arthur hatte sich in diesen Tagen an das einfache Landgasthaus bei Arruda dos Vinhos, hoch in den Bergen erinnert, wo die Idee der Wälle von Torres Vedras geboren worden war. Doch dieser Ort lag gleichzeitig zu nahe an seinen geheimnisvollen Bauarbeiten und zu weit von sicheren Nachrichten über das Treiben der Spanier und der Franzosen. Er beschloß aus diesem Grunde, nach Tomar zu reiten und den dortigen Prior um Unterschlupf und ein wenig Diskretion zu bitten: Seit er auf der Iberischen Halbinsel gelandet war, hatten die Männer Gottes ihn noch nie enttäuscht, und ein Kloster war genau der richtige Ort, um von niemanden beim Nachdenken gestört zu werden oder auch um einfach zu vermeiden, daß irgendein störender Befehl aus London ihn doch irgendwie erreichen konnte.

    Schon von weitem konnte der Ire den großen Felshügel erkennen, auf dem das Convento do Cristo stand, das erst Templer-, dann Christusritterburg und nun Refugium der mächtigen Jesuiten war. Die Stadt Tomar selbst lag ausreichend weit vom Kloster entfernt, am rechten Ufer des Rio Nabao, einem Nebenfluß des Tejo, in der Nähe der ehemaligen, römischen Siedlung Nabantia, von der nur noch Grundmauern und verwitterte Mosaike erhalten geblieben waren.

    Der General war schon die halbe Höhe zum Burghügel hinaufgeritten, als er seinen Fuchs-Hengst unweit der schlichten Igreija de Nossa Senhora da Conceicao, einem Meisterwerk der Renaissance, dessen auffällige ionische Eckpfeiler und giebelgekrönten Fenster ihn bereits bei seinem ersten Besuch in dieser Gegend beeindruckt hatten, zügelte: Versonnen betrachtete er das Tonnengewölbe, das auf korinthischen Säulen mit geradem Gebälk ruhte. An diesem stillen, geschichtsträchtigen Ort fiel es ihm irgendwie leichter nachzudenken! Arthur konnte es sich nicht logisch erklären, aber er spürte genau, wie die Spanier in diesem Augenblick irgendwo im Herzen ihres Landes einer französischen Nemesis begegneten. Er wollte nicht, daß sein kleines Feldheer, das sich nun langsam, aber sicher von der Schlacht bei Talavera und dem Rückzug durch das Guadiana-Tal erholte, plötzlich zwischen die Fronten geriet und aufgerieben wurde, nur weil irgendein Politiker ihn dazu zwang nachzugeben!

    Der Prior von Tomar empfing den Iren herzlich und versprach, ausnahmsweise auch einmal seinen Freund Pater Jack Robertson im Dunkeln zu lassen. Der General verbrachte drei ruhige Wochen in der klösterlichen Stille, hauptsächlich in der großen, alten Bibliothek über Karten Spaniens gebeugt. Das Jahr 1810 würde der Wendepunkt des Feldzuges auf der Iberischen Halbinsel werden. Arthur

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