Discover millions of ebooks, audiobooks, and so much more with a free trial

Only $11.99/month after trial. Cancel anytime.

The Chronicles of the Gods: All Beauty Must Die
The Chronicles of the Gods: All Beauty Must Die
The Chronicles of the Gods: All Beauty Must Die
Ebook264 pages3 hours

The Chronicles of the Gods: All Beauty Must Die

Rating: 0 out of 5 stars

()

Read preview

About this ebook

Bis vor Kurzem führte Esmeh Walker noch ein unbeschwertes Leben, denn sie erfüllte alle Bedingungen, die die Gesellschaft an eine Achtzehnjährige stellte. Sie war eine begabte Schülerin, lebte in einer wohlhabenden Familie und war zudem wunderschön. Sie hatte gute Chancen im Leben – bis sie binnen eines Wimpernschlags alles verlor …
- Am Anfang war das Ende und das Ende war der Anfang. -
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateDec 16, 2018
ISBN9783746794587
The Chronicles of the Gods: All Beauty Must Die

Related to The Chronicles of the Gods

Related ebooks

Family Life For You

View More

Related articles

Reviews for The Chronicles of the Gods

Rating: 0 out of 5 stars
0 ratings

0 ratings0 reviews

What did you think?

Tap to rate

Review must be at least 10 words

    Book preview

    The Chronicles of the Gods - Marry-Anne Idony Pepper

    M. A. I. PEPPER

    The Chronicles of the Gods

    ALL BEAUTY MUST DIE

    Imprint

    © 2018 Marry-Anne Idony Pepper.

    Marry-Anne Idony Pepper, In der Goldkuhl 27, 52396 Heimbach, m.a.i.pepper@outlook.com 

    »All Beauty Must Die«, als E-Book erschienen am 16.12.2018

    Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers bzw. nur in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Copyright, Designs & Patents Act (1988) oder im Rahmen der Bestimmungen einer von der Copyright Licensing Agency erteilten Lizenz, die ein beschränktes Vervielfältigen erlaubt, in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise, sei es elektronisch oder mechanisch, durch Fotokopie, Aufzeichnung oder anderweitig, egal für welchen Zweck, reproduziert, auf einem Datensystem gespeichert oder übertragen werden.

    Lektorat/Korrektorat: Karsten Balg

    Covergestaltung: Giusy Ame & MAI Pepper

    Konvertierung: Sabine Abels | www.e-book-erstellung.de

    Autorenfoto: Michelle Fraikin | www.michelle-fraikin.de

    published by:  neopubli GmbH, Berlin

    »Das menschliche Dasein ist so beschaffen, daß die meisten Menschen die Höhle niemals verlassen werden.«

    (Claude Sautet)

    Esmeh Walker

    »Ihr wollt meine Geschichte hören?«, erwiderte Esmeh den Göttern in einem beinahe vorwurfsvollen Ton.

    Dann setzte sie sich zu ihnen in den Kreis. Thronte auf ihrem hölzernen mit Fellen und bunten Stoffen belegten Stuhl. Sie schnaubte herablassend, ließ eine kurze dramatische Pause entstehen und erhob dann doch, in den Stuhl sinkend, ihre Stimme.

    »Seid jedoch gewarnt. Vor dieser Welt gab es eine andere. Eine mit Wundern für euch unerklärlich. Zwingt mich nicht, sie euch zu erklären! Das werde ich nicht, ich verschwende doch nicht meine Zeit!«

    Sie sah, dass sich die Götter ansahen, beinahe ratlos, als einer von ihnen seine Stimme erhob:

    »Es ist wichtig. Also erzählt sie uns, Eure Geschichte«

    Sie nickte, denn sie hatte ihnen gesagt, wenn sie etwas ändern wollten, mussten sie aus den Erfahrungen vergangener Reiche lernen. Ob es nun gut oder schlecht umgesetzt werden würde, blieb in den Händen der neuen Götter.

    »Also schön«, sie ließ sich nach hinten fallen, »mein Name ist Esmeh Walker und dies ist meine Geschichte. Also hört gut zu, denn ich werde sie kein zweites Mal erzählen«.

    Lichter. Gelb. Gleißend. Hell. Schnell. Stehend. Groß. Klein. Kurz. Lang. Massen. Fahren. Laufen. Gehen. Stopp. Schilder. Beton. Straße. Stein. Weg. Splitt. Staub. Sand. Meer. Ruhe. Dunkelheit. Rauschen. Plätschern. Zirpen. Schilf. Gras. Baum. Bäume. Wald. Lichtung. Reh. Ein. Schuss. Blut. Tod. Rot. Licht. Nackt. Haut. Geld. Braut. Tanz. Laut. Hacke. Beil. Fisch. Tisch. Stuhl. Messer. Gabel. Essen. Fleisch. Heiß. Weich. Weizen. Arm. Vegan. Reich. Scheiß. Menschen. Tiere. Mond. Stern. Welt. Weit. Raum. Schiff. Fern. Sehen. Musik. Spielen. Computer. Technik. Guckkasten. Bühne. Heim. Kino. Stadt. Land. Krankenwagen. Polizei. Feuerwehr. Brennen. Schrei. Hilfe. Angst. Geister. Stunde. Zeit. Uhr. Tickend. Außen. Innen. Vögel. Zwitschern. Sonne. Lichter. Strahlen. Scheppern. Wecker, Wecker, Wecker!

    DRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRRR!

    Ich ließ meinen Arm unter der Decke hervorschnellen und schlug blitzartig zu. Erwischte knapp den Störenfried, der meine Träume störte. Doch ich war zu schwach und ließ meinen Arm schlapp hinabfallen. Ein helles »klong« ertönte und der Wecker gab unter dem Gewicht meiner Hand nach, fiel scheppernd zu Boden. Ich wälzte mich herum. Flauschig warm unter der Decke, so musste sich ein Schwein fühlen, dass sich im Schlamm aalt. Kurz erschlug mich ein Traum, ließ mich vergessen. Ich flog wie ein Vogel, unter mir sengende Hitze, Lava und Asche in der Luft. Dann Scheinwerfer, eine Schultafel. FUCK!

    Ich sprang auf, wie eine Sprungfeder. Kämpfte mit der Bettdecke. Ich verlor den Halt, fiel mit halbem Körper von der Bettkante. Mein Gesicht drückte sich gegen den Boden, während ich versuchte, den Wecker zu ergreifen. Ich warf einen Blick auf die Zeiger der Uhr. Es war bereits halb sieben! HALB SIEBEN!

    Erneut kämpfte ich. Irgendetwas hatte sich um mein Fußgelenk gewickelt. Ich kam nicht hoch, fiel wieder hin. Ein dumpfes Geräusch ließ den Boden vibrieren, ich küsste den Boden. Mein restlicher Körper wand sich aus dem Bett. Auf dem Boden angekommen verharrte ich, starrte hoch und kroch wie ein Wurm los, in der Hoffnung, dass ich mich so befreien könnte. Die Decke ließ nach und ich ergriff diesen Moment, um gegen das Stück Stoff zu gewinnen. Ich erhob mich, während ich mir meine Schlafhose und Unterwäsche von den Beinen rupfte, überzog meinen Kopf mit dem Schlafhemd und warf alles irgendwo hin. Dann ergriff ich die Klinke meines begehbaren Kleiderschrankes und öffnete die Tür. Ein kleines Stübchen, meiner würdig.

    Ich ging hinein, suchte mir meine Kleidung und kam angezogen wieder heraus.

    Heute trug ich etwas Einfaches: Eine weiße Bluse von Guess, eine dunkle Jeans von Armani und billige dunkle hohe Schuhe von Homers, schließlich ging ich in die Schule, und teure Schuhe zu tragen wäre eine Verschwendung gewesen.

    Ich schloss den Kleiderschrank und machte einen Schritt zum Fenster rechts neben mir und aktivierte die Rollläden, die laut brummend nach oben fuhren. Ich drehte mich und ging gegenüber aus meiner Zimmertüre, um nach rechts in das danebenliegende Badezimmer zu wechseln.

    Ich führe hier nicht näher aus, was alles in dem Badezimmer geschah, daher unterlasse ich Einzelheiten an diesem Punkt. Denn wichtig ist, dass ich in dem Badezimmer solange festsaß, bis mein Gesicht vollkommen perfektioniert war.

    Das bedeutet: Schminke, die sich wie eine Maske über meine Haut legte. Lippen in der Farbe von zartem Rosé, ein geschwungener schwarzer Lidstrich auf jeder Seite der Augen und die blonden Haare streng zu einem Vogelnest gebunden. Angemessen, denn heute schrieben wir einen Spanischtest. Das richtige Auftreten war an jeden Anlass anzupassen und vor allem äußerst wichtig, denn die Erfolgreichen mussten sich auch entsprechend zu erkennen geben.

    Viertel nach sieben, ich kam eigentlich zu spät aus dem Bad. Dennoch nahm ich die Treppe hinunter in das untere Stockwerk, machte mich auf in die Küche und nahm das von meiner Mutter vorgefertigte Frühstück aus dem Kühlschrank.

    Alleine durch das streng kontrollierte Essen meiner Mutter konnte ich mein Gewicht von fünfundfünfzig Kilo bei einer Größe von einem Meter achtzig halten. Wieso sollte ich denn nicht den Wünschen meiner Mutter nachkommen?

    Ich hinterfragte die Forderungen meiner Eltern nicht, denn dieses Leben war alles, was ich kannte und nicht nur erschien es mir so richtig, sondern auch normal. Alle anderen Normen oder Lebensweisen waren für mich grundsätzlich falsch. Leute, die sich nicht meiner Norm anpassten, erachtete ich als Schande für die Gesellschaft. Schlichtweg nicht zur Existenz berechtigt! Sie waren ein bedauerlicher Fehler!

    Nach dem Frühstück zog ich mich wieder in mein Zimmer zurück und nahm meine große Gucci-Tasche vom Designerstuhl. In der Tasche befanden sich immer meine Schulsachen, die für den jeweiligen Wochentag benötigt wurden. Alle dazugehörigen Bücher befanden sich auf meinem Tablet. Digital. Wir leben ja hier nicht im Mittelalter!

    Sowieso machte das die Tasche viel leichter zu tragen und weniger zu einem Problem für meine Schultern. Außerdem war sie von Gucci und sah darum auch noch gut aus, aber trotzdem war ICH das Highlight! Einfach alles verblasste neben mir!

    Unten im Eingangsbereich kramte ich unter den Jacken meiner Familie meinen guten Armani-Mantel hervor. Von einem fragilen Glastisch hinter mir entwendete ich aus einer Glasschüssel Daddys Schlüssel für das Porsche-Cabrio. Er hatte sich vor zwei Jahren den Oldtimer gegönnt. Es war ein schicker Wagen, aufbereitet und eigentlich war es mir verboten, damit zu fahren. Doch meinen Vater sah ich so gut wie nie, er war die meiste Zeit bei der Arbeit oder auf Reisen und damit war ich auf der sicheren Seite, nicht dabei erwischt zu werden, solange ich den Tank immer brav auffüllte.

    Draußen ging ich durch unseren mit dichtem Kies gefüllten Vorgarten. Jeder Schritt zu unseren Garagen knisterte. In einer der Garagen stieg ich in das Auto meines Vaters. Ich stellte meinen Bluetooth-Lautsprecher neben mir auf den Beifahrersitz und stöpselte meinen iPod an. Dann fuhr ich aus der Garage und unter den Klängen der neusten Charthits von der Einfahrt ab, raus auf die offene Straße.

    Mein Fuß trat auf die Bremse, die daraufhin einen sehr lauten, quietschenden Ton von sich gab. Dann kam das Fahrzeug zum Stehen und ich stieg aus dem Auto, schloss ab und überquerte die Straße. Ich hatte in einer Seitenstraße gegenüber von meiner Schule geparkt. Genau diesen Platz, an dem Papas Auto thronte, mochte ich am liebsten. Die Parkplätze vor der Schule waren mit losen Kieselsteinen aufgefüllt und ich wollte nicht riskieren, den Lack zu zerkratzen.

    Viertel vor acht. Ich hastete elegant auf die andere Seite der Straße und währenddessen vermehrten sich die Autos wie Karnickel. Innerhalb kürzester Zeit herrschten blanke Naturgesetze auf der Schulstraße. Affen, die am Steuer ihres jeweiligen Wagens versuchten, dem jeweils anderen klar zu machen, dass alleine er selbst im Recht war. Ungebändigte Kinder, die überall achtlos vor die Autos liefen und Fahrradfahrer, die Autos überholten und sich wie Schlangen durch den Metallwald schlängelten, nur um schneller zu sein. Ich kam jeden Morgen drei Minuten früher her, um diese Verkehrsanarchie bewundern zu können.

    Aber recht schnell verlagerte sich meine Aufmerksamkeit, ich fokussierte mich wieder auf das Wesentliche und drückte mich gegen die schwere gelbe Eingangstüre unseres öffentlichen Gymnasiums. Ich ging hindurch und stieg dann die Treppen hoch in den nächsten Stock. Meine Eltern hatten gedacht, dass es gut für meine Moral sei, mich an eine öffentliche Schule zu schicken. Doch bis jetzt lernte ich keine Moral, sondern nur, dass alle an meinen Lippen klebten und ich das bekam, was ich verdiente: Aufmerksamkeit und Bewunderung!

    Oben im zweiten Stock begab ich mich zu dem Raum, in dem wir heute unseren Spanischtest schreiben würden und auf den ich absolut bestens vorbereitet war.

    Schließlich hatte ich immer Eins-a-Noten und wollte es dabei belassen. Natürlich war ich die Erste, die vor der Türe kampierte. Ich sah kurz auf meine goldene Uhr. Denn bereits zwei meiner engsten Nacheiferer ‒ oder auch „Freunde" ‒ tauchten vor mir auf. Ich bewunderte zwar ihren Ehrgeiz, doch ihnen fehlte eindeutig etwas Bestimmtes, um meinen Ansprüchen gerecht zu werden: Geld und mein gutes Aussehen!

    »Können wir bei dir abschreiben?«, rief mir Susi entgegen, eine meiner Bewunderer. Eine Bitte, der ich gerne nicht nachging!

    »Nein!«, rief ich entsetzt. Wer nicht lernt, ist selber schuld.

    Susi war vorlauter als ihre Begleiterin Yvonne, sie hatte ihre blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und sich mit ihrem billigen Make-up einen makellosen Teint gemeißelt.

    »Och Menno … «, gab Susi zurück und zog an Yvonnes Unterarm.

    Yvonne war größer als Susi, sogar ein wenig größer als ich selbst. Sie hatte die braunen Haare zu einem wilden Nest hochgesteckt aus dem mehrere Haarfetzen baumelten.. Sie trug viel zu viel Schmuck und war, wie Susi, durch ihre billig Make-up Tuben, mit einem makellosen Teint gesegnet.

    Susi zog Yvonne an der Bluse herum, hinüber zu „Ente" Emma, einer abartigen Gestalt, die auf dem Boden hockte. Sie erinnerte mich mit ihrer Matte schwer an ein Schaf, das man seit Jahren nicht geschoren hatte.

    „Ente war im Übrigen ein netter Spitzname, den ich mir für sie ausgedacht und an der Schule in Umlauf gebracht hatte. Das hässliche Entlein trug keine „guten Klamotten und erinnerte mich immer an einen Penner auf der Straße. Emma schien ihre Kleidung nicht einmal farblich abzustimmen. Wenn man sie mit allen möglichen und unmöglichen Farben sah, hätte man sie auch genauso gut als Öko-Tante bezeichnen können. Ihre Haare waren ungebändigt, sodass ihr krauses, dickes Haarkleid durch die Gegend spross. Ihre Akne war eine Beleidigung für jeden in ihrer Umgebung und ihre Brille hatte dicke Milchgläser. Grottig. Wie konnte sie überhaupt etwas sehen?

    Ihre ganze Person war für mich ein Schandfleck in der Gesellschaft und ich konnte sie kaum ertragen. Doch sie lief uns immer hinterher, wie eine Glucke oder ein Ein-Frau-Fanclub, und das, obwohl keines von uns anderen Mädchen je eine Gelegenheit verpasste, sie zu demütigen.

    »Emma, wir schreiben bei dir ab«, legte Susi einfach fest und Yvonne beugte sich beinahe bedrohlich zu Emma hinab.

    »Ihr wollt bei Ente abschreiben?«, mir entwich ein kurzes verächtliches Lachen.

    »Ja, das wird schon gehen«, bestätigte Yvonne.

    Yvonne war etwas seltsam, sie benahm sich wie eine Lady, aber ihre Stimme war dunkel und bedrohlich. Emma zuckte lediglich ignorant mit den Schultern und schaute weiter wie ein schüchternes Schäfchen zu Boden.

    Wo zuvor nur vereinzelt Schüler im Gang gestanden hatten, strömten genau in jenem Moment mehrere Menschen in den Flur, und prompt läutete die Glocke. Daraufhin wurde den Lehrern der Weg geebnet. Der Unterricht wurde eingeleitet, als unsere Spanischlehrerin ‒ ein regelrechtes Miststück von etwa Ende zwanzig ‒ uns die Klassentüre öffnete.

    Alle drängelten sich wie Hühner in der Massenzucht durch den Türrahmen. Als könnten sie die Stunden, in denen sie mit Wissen gefüttert wurden, nicht abwarten. Ich war die Erste, die hindurchglitt, und setzte mich an meinen Stammplatz: ganz vorne. Dort war ich sicher vor Ablenkungen und wurde somit für dieses Miststück von Lehrerin zu einem Musterbeispiel von einer Schülerin.

    Emma setzte sich nach ganz hinten in die letzte Reihe, dicht gefolgt von Susi und Yvonne, die wie angekündigt bei ihr abschreiben wollten. Als die wilde Horde saß, und wir waren zu viele, um auseinandergesetzt zu werden, verteilte unsere strenge ‒ für mich ziemlich abartige ‒ Lehrerin die Testbögen. Vorbildlich, sie hatte doch tatsächlich einen Vokabeltest vorgefertigt. Er bestand aus zehn deutschen und spanischen Wörtern, die in die jeweils andere Sprache übersetzt werden sollten, zusätzlich aus einem Lückentext und einer kurzen Grammatikaufgabe bestehend aus einem Lückentext. Dafür hatten wir genau zwanzig kostbare Minuten Zeit. Unsere Lehrerin betonte, dass dies eine ebenso große Verschwendung sei, wie absolut jede Weitergabe von Wissen an uns armselige Geschöpfe.

    Ohne mich um die Anderen zu kümmern, kritzelte ich wie eine Irre drauf los, als sei dieser Test ein Wettrennen. Hinter mir vernahm ich, neben dem Geschreibe der anderen Mitschüler, ein leises Kichern. Als ich gerade meine letzten Wörter schrieb, passierte alles Schlag auf Schlag.

    »EMMA!«, brüllte die Lehrerin angepisst und ließ ein Papierrauschen durch das Zimmer schallen. Sie hatte Emma das Blatt unter der Nase weggerissen.

    »Das hätte ich von DIR nicht gedacht!«, rief sie vorwurfsvoll.

    Emma war mit guten Zeugnissen gesegnet, die recht nah an die Zeugnisse der Stufenbesten – also meiner – herankamen, aber anscheinend hatte das in jenem Moment kein Gewicht. Natürlich nicht!

    Für Emma war der Test zu Ende, sie kassierte eine Sechs, während Susi und Yvonne nur darüber kurz lachten und dennoch mit einer knappen mittleren Note davonkommen würden. In diesem Moment drehte ich mich nicht zu dem Schauspiel um, dafür aber all die anderen Gaffer im Klassenraum. Ich blieb konzentriert, kam aber nicht daran vorbei mitzuhören, denn das konnte man nicht ignorieren. Die Szene zerfloss in meinem Kopf wie Butter in einer Pfanne, es breitete sich ein Genuss aus, den man mit einer Art inneren Gänsehaut vergleichen könnte. Es war Befriedigung. Allein bei der Vorstellung, wie Emmas Gesicht dabei jegliche Farbe verlieren musste ‒ auch wenn es da nicht mehr viel zu verlieren gab ‒, ließ mich den Test mit mehr Freude beenden, als es zuvor möglich gewesen wäre. Denn eines stand definitiv fest: Emma hatte diese Strafe ganz eindeutig verdient.

    In der Pause – die ich als Zeitverschwendung empfand – kamen die Mädchen unserer Stufe, die versuchten mir nachzueifern, in einer kleinen Gruppe zusammen. Susi und Yvonne waren auch darunter und aßen gemeinsam ihre Brote und was sie sonst so dabeihatten. Ich hingegen aß in der Schule nie etwas.

    Alles was ich brauchte, war genug zu trinken.

    Statt nur zu essen, nutzten wir die Pause, um in den neuesten Zeitschriften zu blättern, die aktuellen Modetrends anzuschmachten oder über die Probleme der anderen zu diskutieren. Einige der Mädchen, die auch zu meinen Freunden zählten, redeten gerade über einen Sex-Artikel in der Glamour. Mein Interesse an Sex war eher mäßig, deshalb verzog ich mich in jenem Moment ganz schweigsam. Musste ja nicht jeder wissen, dass ich hinter Leon her war.

    Ich schlenderte gelassen vom Schulhof und ging auf den nahegelegenen Parkplatz, der zum angrenzenden Schwimmbad gehörte. Dort stand Leon in seiner Rauchergruppe, darunter auch ein paar schäbig gekleidete Mädchen. Leon gab sich mit diesen Leuten nun mal ab, auch wenn ich wusste, dass er aus einem höher gestellten Haushalt stammte. Zwar war sein Vater nicht so gut bezahlt wie meiner, aber trotzdem reichte es, um ihn meinem Stand zuzuordnen. Vorübergehend und ausschließlich als Übungsobjekt sollte er genügen.

    Leon war erst seit einem Jahr auf unserer Schule und eigentlich hegte ich noch nie ein sonderlich großes Interesse am anderen Geschlecht., wenn man bedachte, was für Idioten hier so herumliefen. Leon sah gut aus, was bereits sein Potenzial steigerte, benahm sich jedoch widerlich, was sein Potenzial wieder senkte. Eigentlich sprach vieles gegen ihn und ich könnte sagen, dass ich ihn trotz alledem für meine große Liebe hielt. Jedoch stimmte das absolut nicht.

    Aufregung und damit verbundenes Herzklopfen?

    Nicht im Geringsten.

    Liebe?

    Nein.

    Aber die Tatsache, dass Emma in ihn verliebt war?

    Einfach grandios!

    Noch nie hatte ich mich so gefreut, etwas Delikates herausgefunden zu haben wie darüber, dass Emma in Leon verliebt war. Für eine alte Tasche von Gucci hatte ich ihre beste Freundin Stella zum Reden gebracht. Was ist schon eine Gucci Tasche im Vergleich zu solch famosen Auskünften?

    Ich hatte die Information benötigt, um die lästige Klette endlich loszuwerden, denn egal, wo wir hingingen, Emma war nicht weit. Ich konnte diese abnormale Gestalt nicht mehr ertragen.

    Ich begrüßte Leon und die anderen freundlich, denn ich hatte lange gebraucht, um mich in diese Gruppe einzuschleichen. Ich nahm mir sogar eine meiner Zigaretten heraus, um ein wenig daran zu ziehen. Ich versuchte den Pegel unten zu halten und seit einiger Zeit wieder vom Nikotin wegzukommen. Schwerer als man denkt …

    Lange hatte es gebraucht, aber jetzt war ich mit jedem hier befreundet und hörte mir sogar die Probleme der Mädchen an, obwohl es für mich eine einzige Qual war. Doch nichts bereitete mir mehr Freude, als dieses Gefühl, endlich in Emmas leidendes Gesicht blicken zu können.

    Leon und ich sprachen auch ab und zu miteinander, und dann kam jener Moment, auf den ich so lange hingearbeitet hatte. Viele seiner Muskeln hatte ich sanft berühren und loben müssen. Oft hatte ich meine Haare zurückwerfen und mit den Augen dumm klimpern müssen. Beinahe jeden Tag hatte ich die Leute ertragen müssen. Doch endlich war es so weit:

    »Kannst du mir morgen nach der Schule in Mathe helfen?«, flüsterte er mir ein wenig verstohlen zu.

    Ich willigte ein. Mathe war ja schließlich ein Codewort für ein Date, denn wer brauchte schon Hilfe in Mathe?

    Natürlich könnte ich euch jetzt mit meinem tollen Leben in meiner Villa nerven. Groß erzählen, wie ich meinen Tag so verbringe. Größtenteils bin ich aber in der Schule oder nehme meine vielen außerschulischen Aktivitäten wahr, wie etwa Reiten, Synchronschwimmen, Cellounterricht, Klavierunterricht, Kunstunterricht und meine Arbeit als Model.

    Ich könnte euch natürlich ebenso von meinen geheimen Vorlieben erzählen, darunter das nächtliche Lesen von Mangas. Doch lassen wir Einzelheiten lieber achtlos links liegen.

    Alles was ihr Wissen müsst: Jeder Tag war genauso wie der andere. Vollgepackt. Ich hatte zwischen Schule und Freizeitaktivität genau zwei Stunden, die ich nicht mit Essen verschwendete. In der Zeit kümmerte ich mich um zu erledigende Hausaufgaben oder nahm Gelegenheiten, wie diese eine mit Leon, wahr. Und wenn der Tag dann zu Ende ging, ich ‒ neben dem Üben für meine Hobbys, dem Lernen und den Hausaufgaben ‒ noch ein wenig Zeit für mich selber hatte, dann ging das Ganze auch schon wieder von vorne los. Bei diesen Abläufen sah ich die anderen Familienmitglieder, darunter meinen

    Enjoying the preview?
    Page 1 of 1