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JOHN ETTER - Privatdetektiv: 5 Kriminalromane auf Tatsachen und Möglichkeiten basierend
JOHN ETTER - Privatdetektiv: 5 Kriminalromane auf Tatsachen und Möglichkeiten basierend
JOHN ETTER - Privatdetektiv: 5 Kriminalromane auf Tatsachen und Möglichkeiten basierend
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JOHN ETTER - Privatdetektiv: 5 Kriminalromane auf Tatsachen und Möglichkeiten basierend

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JOHN ETTER - Privatdetektiv
Die ersten fünf Fälle in einem Band.
Jede einzelne Geschichte ist einzigartig. So einzigartig wie die Fälle, die John Etter löst. Jedes Buch hat seine eigene Dynamik, seinen eigenen Hinter-
grund, seine eigene Sprache.
Den Kriminalromanen von John Etter liegen wahre Fälle der letzten Jahrzehnte Kriminalgeschichte zu Grunde. Jeder Roman nimmt Themen aus dem täglichen Leben der Kriminalität auf und auf der Homepage erhalten Sie vertiefende Einsichten in das jeweilige Gebiet.
Nahe an Realitäten sind sie allemal, auch wenn Orte und Namen teilweise geändert wurden.
Zu jedem Buch finden sie weiterführende Links zu den jeweiligen Hauptthemen auf der jeweiligen Hauptseite der Ausgabe.
In diesem Sammelband:
Verschollen in den Höllgrotten
Stummer Schrei
Lottosechser
Virus
Korrupt
LanguageDeutsch
Publisherepubli
Release dateNov 21, 2019
ISBN9783750254893
JOHN ETTER - Privatdetektiv: 5 Kriminalromane auf Tatsachen und Möglichkeiten basierend

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    Book preview

    JOHN ETTER - Privatdetektiv - John Etter

    John Etter - FIVE

    John Etter - Privatdetektiv

    Verschollen in den Höllgrotten

    Stummer Schrei

    LOTTOSECHSER

    VIRUS

    KORRUPT

    John Etter - Privatdetektiv

    John Etter

    Privatdetektiv

    Verschollen in den Höllgrotten

    Kriminalroman

    Mein Name ist John Etter.

    Ich will mit jedem Buch einige Ereignisse aus meinem Leben erzählen.

    Jedes Buch soll anders werden - nicht mit dem jeweils vorhergehenden Werk vergleichbar. Wie die ersten beiden Bände.

    Lassen Sie sich überraschen.

    Einige Personen und Ereignisse in dieser Geschichte sind frei erfunden, andere nicht. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind meist zufällig und häufig nicht beabsichtigt.

    Kapitel 1: Fall gelöst

    John Etter saß ungemütlich in einer Ecke und wartete. Es war dunkel. Nur ein schwacher Lichtschein der Straßenlaterne erhellte das fremde Hotelzimmer im Erdgeschoss. Er saß schon seit über zwei Stunden hier und fragte sich, ob er das Unternehmen nicht langsam abbrechen sollte. Es war eine Falle, aber es schien, als ob der Köder nicht zog. Die Beute wollte sich nicht zeigen, und es wurde immer später. Wieder einen Abend für nichts vorbeiziehen lassen. Doch noch bestand etwas Hoffnung.

    Das Handy vibrierte in seiner Hose und er zog es hervor. Bevor er auf das Display achtete, hörte er nochmals in die Dunkelheit hinaus, ob sich jemand dem Hotelzimmer näherte.

    Nichts.

    Haben zwei Vermisste – wie sieht es bei dir aus. Erfolg? Sonst doch besser Aktion abbrechen und zurück ins Büro. Seine Sekretärin führte sich auf wie der Chef der Detektei. Susanne Gehrig war die Perle der Detektei. Scheinbar vierundzwanzig Stunden im Einsatz.

    „Mist", flüsterte er sich selbst zu. Er würde der Aktion noch eine halbe Stunde geben, dann würde er zurück ins Büro fahren. Er hatte sich so sehr auf sein Bett gefreut. Daraus würde wohl nichts werden. In Kürze würde die Veranstaltung unten im Hotel zu Ende gehen und der Mieter des Zimmers würde hochkommen. Dann war es zu spät. Dann wäre die Falle nicht zugeschnappt. Ein lukrativer Auftrag flöten gegangen.

    Sein Rücken tat ihm weh und er verspürte langsam Hunger. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es bald Mitternacht schlagen würde. Gib mir noch eine halbe Stunde, dann Abbruch, drückte er aufs Display, schickte die Nachricht ab und verstaute sein Handy.

    Wahrscheinlich würde es heute nichts mehr. John Etter überlegte, ob er aufstehen sollte, als er ein leises Kratzen am Fenster vernahm. Auf einmal war sein Rücken vergessen und er war hellwach und angespannt.

    Eine Weile tat sich nichts und er strengte seine Ohren an, um jedes Geräusch mitzubekommen. Aber er hörte nichts. War es ein Fehlalarm? Er wollte gerade wieder in sich zusammensinken, als ein leichter Luftzug das Zimmer durchstreifte und die Gardinen sich leicht bewegten.

    Hatte er seinen Gehörsinn verloren? Sein Herzschlag dröhnte ihm so laut in den Ohren, dass er sicher noch von den Bewohnern des Nachbarzimmers vernommen werden würde. Eine kühle Brise zog über seine heiße Stirn: Das Fenster schien ganz hochgeschoben zu werden.

    Dann wurde es dunkler, als sich ein Schatten vor den Schein der Straßenlaterne schob. Der Schatten glitt ins Zimmer, schwerelos und absolut geräuschlos.

    Ein dunkler Umriss erschien vor dem dunkleren Hintergrund, fast unsichtbar und hielt einen Moment inne. Es sah aus, wie ein Schattenspiel, das er als Kind einmal gesehen hatte.

    John Etter hielt den Atem an, und war sich sicher, dass ihn alleine sein lauter Herzschlag verraten würde.

    Der Schatten sah sich um, orientierte sich und glitt zielsicher auf den Wandsafe zu, der wie alle Safes im Hotel, außergewöhnlich diskret hinter einem Bild versteckt war. Ohne zu zögern wurde das Bild zurückgeklappt. Die Gestalt holte einen dunklen Beutel hervor und kramte leise einige Gegenstände heraus, mit denen sie sich an dem Safe zu schaffen machte.

    Der Zeitpunkt war gekommen.

    Etter drückte den Alarmknopf, ein kleines Kästchen, das er bei sich trug. Er alarmierte so die Leute draußen im Gang, die Tür flog auf und die Helfer stürmten herein. Gleichzeitig erhellten alle Lampen das Zimmer.

    Die Gestalt fuhr herum und erstarrte, als sie sich den eindringenden muskelbepackten Männern gegenübersah. Sie blickte rasch umher, auf der Suche nach einem Ausweg, den es nicht gab, denn in dem Moment erhob sich Etter aus seinem Versteck und schnitt damit den Rückweg durch das Fenster ab.

    Langsam, unendlich langsam, wie betäubt richtete sich die Gestalt auf und hob die Hände über den Kopf.

    Seine Leute gingen auf die Gestalt zu, nahmen ihr die Gegenstände ab und drehten die Hände auf den Rücken, um sie mit Handschellen zu fesseln.

    Etter ging auf die Gruppe zu und gab dem Nächststehenden einen Wink mit dem Kopf. Der griff nach der schwarzen Gestalt und zog ihr mit einem einzigen Griff die schwarze Maske vom Kopf.

    Zum Vorschein kam ein junges Gesicht: gut geschnitten, fast hübsch, Mitte zwanzig, männlich, mit dunklem, lockigem Haar, das bis über die Augen fiel. Augen, von einem intensiven grün. Er war schlank, die schwarze Montur betonte jede Wölbung seines Körpers. Seine Füße steckten in schwarzen Füßlingen.

    Der Einbruchspezialist war ihnen endlich ins Netz gegangen. Was der Polizei in den letzten drei Jahren nicht gelang, gelang ihm und seinem Team innert zwei Wochen.

    Ein feines Lächeln überzog John Etters Lippen, als er den Schock in den Augen des jungen Mannes erkannte.

    Er gab seinen Leuten einen Wink und sie entfernten die schwarze Gestalt mit leicht unnötiger Brutalität. Sie würden ihn der Polizei übergeben und sein Büro würde das Kopfgeld sowie die großzügige Entlohnung des privaten Auftraggebers einsacken.

    Von „John Etter – Privatermittlungen". Eine von der Polizei nicht immer gerne gesehene Visitenkarte. Außer von seinen ehemaligen Kollegen, mit denen er während seiner Polizistenzeit eng zusammengearbeitet hatte. John füllte mit jedem gelösten Fall jeweils die Blätter des Landes.

    Seine Sekretärin, Susanne Gehrig, war auf dem PR-Gebiet eine Göttin, was man von der äußeren Erscheinung nicht behaupten konnte. Hundertsechzig Zentimeter groß und die gleiche Zahl in Kilogramm. Aber das Aussehen war John Etter egal – sie war ein Profi auf ihrem Gebiet, und seit er sie engagiert hatte, lief sein Laden noch besser. Er hatte ein gutes Dutzend freie Mitarbeiter, die er, je nach Fall, den er zu lösen hatte, aufbot. Die meisten waren lediglich im Nebenjob Detektive, aber alle waren immer zuverlässig. Heute war die „Bodybuilderarmada" dran. Er hatte einst ein paar kräftige Leute für einen speziellen Auftrag mit leichten Einschüchterungstendenzen gebraucht und vier Leute aus einem Fitnesscenter dafür angeheuert. Diese vier brauchte er immer mal wieder, wenn Muskelkraft oder Einschüchterung zur Lösung eines Falles beitrugen.

    Die aufgebotene Polizei nahm nun die Spurensicherung auf und John Etter verlies zufrieden das Zimmer. Nicht ohne überlegenen Blick in Richtung der Kommissare, denen nun nur noch die Fleißarbeit übrig blieb.

    Der neue Fall mit den Vermissten musste bis morgen warten, denn jetzt war erst mal Feierabend. Um die Vermissten konnte sich die Polizei kümmern. Er tippte die Erfolgsnachricht noch seiner Pseudochefin, die rund um die Uhr informiert sein wollte, und fuhr nach Hause.

    Am nächsten Morgen betrat John Etter das Diebstahlkommissariat der Polizei. Er musste noch den ganzen Schreibkram vor Ort erledigen, denn die Polizei legte Wert auf ausführliche Rapporte. Ihm war es jeweils ein Graus, aber es musste sein und er hatte dabei jeweils Gelegenheit, auf fremdem Gebiet zu spionieren. Der von ihm Überführte wurde gerade ins Vernehmungszimmer gebracht. Der vernehmende Polizist, Bruno Bär, Abteilungsleiter der Kriminalabteilung Diebstahl war ein alter Bekannter und guter Freund und wohl der einzige Polizist, der das Heu auf gleicher Bühne mit ihm hatte. Bär zeigte Etter mit einer Hand an, dass er sich in den Nebenraum des Vernehmungszimmers begeben sollte.

    Mit unfreundlichen Mienen der dort stehenden Mitarbeiter Bärs wurde er empfangen. Bruno Bär ging alleine ins Vernehmungszimmer, wusste aber seine Mitarbeiter hinter der Glasscheibe als Zeugen und nun auch John Etter.

    Der junge Mann trug mittlerweile nicht mehr seine schwarze Kleidung, sondern an deren Stelle einen einfachen Gefängnisoverall. Er saß an einem kleinen Tisch, die Hände vor sich auf den Tisch gelegt in Handschellen.

    Er blickte auf, als Bär hereinkam.

    Bär ging auf ihn zu:

    „Guten Tag. Ich bin Bruno Bär. Ich war gestern Abend bei der Festnahme am Schluss dabei."

    Er nahm einen Schlüssel aus der Tasche und löste die Fesseln. Der junge Mann ließ die Hände auf dem Tisch liegen, ohne die Handgelenke zu reiben, wie die meisten es tun würden. Er sah Bär ruhig an, sagte aber nichts. Als sie ihn gestern Abend noch erkennungsdienstlich erfassen wollten, machte er keine Angaben zu seiner Person. So wurden ihm lediglich die Fingerabdrücke abgenommen und er wurde mit neuer Kleidung eingedeckt in die Zelle verbracht.

    Bär fragte:

    „Und wie heißen Sie?"

    „Stephan Meier", war die Antwort.

    Bär schien überrascht. Er hatte gedacht, dass der Gefangene vielleicht auf eisernes Schweigen bauen würde, aber nein, er antwortete korrekt auf seine Fragen.

    „Wo wohnen Sie?"

    „Im Moment im Hotel Ochsen in Zug."

    Bär kannte das Hotel. Ein recht gutes Hotel, zentral gelegen.

    „Seit wann wohnen Sie dort?", fragte er weiter.

    „Seit einer Woche ungefähr."

    „Und wo waren Sie vorher?"

    „Ich bin mit der Bahn gereist."

    „Und von wo sind Sie gekommen?"

    „Das kann ich nicht sagen. Ich war dort nicht gemeldet. Der Kondukteur hat mich schwarzfahren lassen, weil ich ihn bestochen habe, darum gibt es keine Unterlagen. Und ich will ihn nicht in Verlegenheit bringen."

    Nun wurde es schon interessanter. Es hätte Bär wohl auch gewundert, wenn ein Profi sich so einfach fangen lassen würde. „Und davor, was gemacht?"

    „Alles, was einfaches Geld bringt. Ich habe auf dem Bau gearbeitet, als Gärtner, als Poolboy, als Kellner und dann meine besten Fähigkeiten entdeckt."

    „Irgendwelche Belege?"

    „Nein. Immer nur bar bezahlt."

    „Haben Sie wenigstens einen Ausweis?"

    „Nein."

    „Einen Führerschein?"

    „Ich fahre kein Auto."

    Bär griff nach der Hand seines Gegenübers, die locker auf dem Tisch lag. Dieser ließ widerstandslos zu, dass Bär sie herumdrehte und die Handfläche ansah. Sie war mit Schwielen übersät.

    Der Punkt ging an den jungen Mann. Natürlich konnten die Schwielen von harter körperlicher Arbeit stammen. Aber Schwielen würde er auch bei einem professionellen Fassadenkletterer erwarten.

    Er fragte weiter:

    „Sie haben einen leichten Akzent. Sind sie kein Schweizer?"

    „Doch, das heißt, ich glaube schon. Aber ich habe schon überall gelebt. Dort, wo ich Arbeit finde, bleibe ich, bis es mich weiterzieht. Ich war vorher lange im Ausland."

    „Wo?"

    „Das kann ich nicht sagen."

    „Wo und wann sind Sie geboren?"

    „Ich weiß es nicht. Meine Jugend habe ich in Österreich verbracht."

    „Wie alt sind Sie?"

    „25 Jahre, glaube ich."

    Bär wirkte leicht säuerlich. Er ließ den Jungen in seine Zelle zurückbringen und schickte seine Leute los ins Hotel, um weitere Erkundigungen einzuholen. Dort musste er sich ja anmelden.

    Dann begrüßte er John Etter. „Hallo alter Kamerad, hast mal wieder unsere Arbeit gemacht."

    „Ja, wenn ihr sie nicht macht", warf John Etter ihm zu. Sie betraten gemeinsam Bärs Büro und Etter musste den Abend Revue passieren lassen. Mit stoischer Ruhe sprach er alle Angaben ins Mikrofon und ging danach mit Bär in die Kantine. In der Zwischenzeit würde der Rapport getippt und er konnte ihn unterschreiben.

    Später am Nachmittag berichtete Bär ihm telefonisch, dass die Geschichte soweit zu stimmen schien. Er hatte ein Zimmer im Ochsen. Dort waren seine Sachen deponiert: ein Koffer mit zwei verblichenen Jeans, ein paar T-Shirts, zwei Pullovern, einer Jacke, Unterwäsche. Aber keine Papiere. Jedoch ein großes Bündel Geld, was aus einem Bruch stammen könnte. Die Papiere, die noch an der Rezeption lagen, waren offensichtlich nicht seine und wäre er nicht so spät am Abend angekommen, wäre dies auch aufgefallen. Er legte gleich fünf Zweihunderter auf den Tisch und faselte etwas von geklauter Brieftasche und dass er keine Kreditkarte habe und sich bald darum kümmern würde. Außerdem hatten sie in der Stadt herumgefragt. Der junge Mann war vor einer Woche angekommen und hatte sich in der ganzen Stadt herumgetrieben. Danach ließ er seine Leute den jungen Mann verhören und er sah hinter der Glasscheibe zu. Stephan Meier erklärte, dass er in einer Bar von einem Mann angesprochen worden war, der ihm Geld geboten hätte, wenn er in dieses Hotelzimmer einsteigen würde. Und er hatte ihm erklärt, wie er den Safe würde öffnen können.

    Bär habe ihn genau beobachtet. Er sah seine leichte Unsicherheit, gespielt oder echt? Er wurde das Gefühl nicht los, dass ihn der Junge komplett an der Nase herumführte.

    Später habe er seine Leute mit Aufträgen eingedeckt: „Ich will wissen, wer er ist. Alle Datenbanken durchsuchen, die wir haben: Fingerabdrücke, DNA, Führerscheine, Einwanderungsbehörde! Er muss doch irgendwann einmal aktenkundig geworden sein. Und ich will, dass ihr allen seinen Aussagen nachgeht. Und dann will ich, dass das Hotel des Einbruchs und die angrenzenden Gebäude überprüft werden. Vielleicht hatte er selbst auch ein Zimmer im Hotel oder einer seiner Komplizen. Oder in der Nachbarschaft. Hat ein Auto auf ihn gewartet? Worauf wartet ihr! Ich will Antworten!"

    Dieser Stephan Meier war scheinbar wirklich ein unbeschriebenes Blatt. Es schien, dass er keine Vergangenheit hatte, und nie existierte, bis vor einer Woche, als er ins Hotel Ochsen eingezogen war. Niemand erinnerte sich an einen Fremden, der mit ihm gesehen worden sein könnte.

    Die Erkundigungen über das Hotel und die Personen anlässlich des Einbruchs waren schwieriger. Am Abend hatte es eine große Gala gegeben mit einer großen Anzahl hochkarätiger Gäste. Es war eine Veranstaltung des internationalen Unternehmerverbandes gewesen mit vielen auswärtigen Gästen. Diese waren nur teilweise im Hotel gebucht. Dazu waren noch einige wenige lokale Produzenten, die nur abends an der Gala-Veranstaltung erschienen, anwesend.

    Auch wenn er sich nicht viel davon erhoffte, ließ Bär sie doch alle überprüfen. Und jetzt kam John Etter wieder ins Spiel. Bär und Etter waren einmal Kollegen und auch heute noch ein gutes Team. Geben und nehmen war für beide eine gute Devise. Sie waren auch privat schon seit ewigen Zeiten gute Freunde.

    „Du kennst doch einige der Leute, die auf dem Empfang waren. Kannst du mir ein paar Tipps geben. Du kennst alle, die in unserem Kanton Rang und Namen haben."

    John Etters Stunde schlug. Er konnte wieder mit seinem Wissen über die Menschen auftrumpfen und hatte bei Bär wieder einen Stein im Brett.

    „Wer war denn dabei?"

    Bruno Bär las eine Liste vor und John murmelte immer wieder: „OK, OK, OK - OK." Als die Liste durch war, klärte er Bär über die kantonale Prominenz auf. Viele auf der Liste kannte auch er nicht, handelte es sich doch um einen internationalen Anlass. Aber die Namen, die im Kanton verwurzelt waren, waren ihm alle ein Begriff. Und einige von nationaler Bedeutung kannte er auch.

    Bruno Bär konnte so auf der Liste die Spreu vom Weizen trennen und schickte seine Leute zur Spreu.

    Er besuchte nur die wichtigen lokalen Größen: Herbert Iten und Frau, Gabriel Galliker und Frau sowie Leo Schmid, der mit seiner Tochter an der Veranstaltung teilgenommen hatte.

    Gabriel Galliker war Geschäftsführer der Etter-Distillerie und mit der Tochter des Inhabers verheiratet. Nach dem Besuch bei Galliker, der ergebnislos endete, da diesem weder vor, während, noch nach dem Anlass etwas aufgefallen war, fuhr er weiter zu Herbert Iten, der ein Reiseunternehmen leitet. Der war Ende fünfzig, mit einer wesentlich jüngeren Frau verheiratet und auch ihnen war nichts Verdächtiges aufgefallen. Danach machte er sich auf den Weg zu Leo Schmid. Bär hatte John Etter versprochen, ihn bei diesem letzten Besuch mitzunehmen, da er so wieder zu neuen Kunden kommen könnte. Eine Hand wäscht die andere, so funktionierte ihre Freundschaft. Und die Familie Schmid war ein ganz großes Kaliber, die bestimmt mal seine Dienste in Anspruch nehmen konnte.

    John Etter hatte über den Industriellen gelesen: Er besaß einen Familienbetrieb, der Spielzeuge herstellt und ihn erfolgreich in das einundzwanzigste Jahrhundert geführt hatte, indem er Tradition und Moderne kombiniert hatte. Etter setzte sich in Bärs Wagen und sie fuhren zu dem Stammsitz des Familienunternehmens. Von der modelmäßigen Rezeptionistin ließen sie sich bei der Geschäftsführung anmelden.

    Man schickte sie mit einem Aufzug in den obersten Stock. Dort erwartete sie eine riesige Empfangshalle, ausgelegt mit dicken Teppichen, in denen ihre Schritte geräuschlos versickerten. Die Umgebung war wesentlich luxuriöser, als die der beiden anderen Unternehmer, wie Bär anerkennend feststellen musste.

    Eine junge Frau hinter einem Büro lächelte sie an:

    „Was kann ich für Sie tun?"

    „Bruno Bär, Kantonspolizei! Und John Etter. Wir hätten gerne Herrn Leo Schmid gesprochen." Es war nicht das erste Mal, dass er sich so vorstellte. Bär hatte sich daran gewohnt, im Vorstellungsprozess keinen Fehler zu machen. Die meisten überhörten die Feinheit und dachten sich, dass Etter ebenfalls zur Polizei gehörte. Und da Bär ihm schon einige Gefallen schuldig war, schien dieser Besuch eine gute Gelegenheit, die Waage etwas mehr auszugleichen.

    Die Frau lächelte weiter:

    „Es tut mir leid, aber Herr Schmid ist nicht im Haus. Vielleicht möchten Sie mit Alina Schmid sprechen, der Juniorchefin?"

    John Etter erinnerte sich. Das musste die Tochter sein, die auch auf dem Empfang gewesen war.

    „Ja, wenn das möglich wäre."

    Die Frau drückte eine Taste: „Frau Schmid, verzeihen Sie die Störung. Hier sind zwei Herren von der Kantonspolizei, die Herrn Schmid sprechen wollen. Könnten Sie sie empfangen?"

    Sie horchte auf die Antwort und sagte dann:

    „Gehen Sie bitte durch die Tür da vorne. Frau Schmid erwartet Sie."

    Beide sanken knöcheltief in den Teppich ein, während sie auf die Tür zugingen. Bär klopfte und sie traten ein.

    Das Büro dahinter war ähnlich ausgestattet und hinter dem Schreibtisch saß eine junge blonde Frau mit langen Haaren, die in einem strengen Knoten am Hinterkopf zusammengehalten wurden.

    Die Frau erhob sich und kam auf sie zu. Sie war groß, mittelschlank und steckte in einem engen Businesskostüm, das ihre Formen aufs vorteilhafteste betonte, ohne aber aufdringlich zu wirken.

    Sie hielt ihnen eine Hand entgegen und lächelte sie an:

    „Guten Tag. Ich bin Alina Schmid. Kann ich helfen?"

    Etter blieb die Luft weg, als sie ihn mit meerblauen Augen ansah. Sie war das liebreizendste Wesen, das er seit Langem gesehen hatte. Nur mit Mühe antwortete er:

    „John Etter!"

    Sie lächelte schelmisch: „Was hat mein Vater wieder angestellt? Hat er schon wieder ein Ticket wegen falschen Parkens bekommen?"

    Bär übernahm. „Wegen falschen Parkens kommt die Kantonspolizei nicht. Sie waren gestern Abend auf der Gala im großen Zelt in Zug?"

    Sie zeigte auf eine Sitzgruppe.

    „Setzen sie sich bitte. Ja, ich war mit meinem Vater auf einem Empfang der internationalen Unternehmergesellschaft. Warum fragen Sie?"

    „Wir überprüfen alle Anwesenden, da in der Zeit im Hotel ein Dieb unterwegs war."

    „Oh!"

    Ihr Mund wurde ganz rund.

    „Ein Dieb? Meine Juwelen sind aber alle noch da! Gott sei Dank, denn ich trug ein Diadem, das meiner Mutter gehört hat und nur schwer zu ersetzen gewesen wäre. Was ist denn weggekommen?"

    „Nichts, wir haben den Dieb auf frischer Tat ertappt."

    „Ach, das ist interessant. Ja, ich erinnere mich, dass die Polizei uns angehalten hat, um unsere Personalien aufzunehmen. Aber ich wusste nicht, warum."

    „Ja, ich wollte wissen, ob Sie oder ihr Vater etwas bemerkt haben."

    Sie dachte nach. „Wann, während der Veranstaltung, oder danach?"

    „Davor, danach, während. Haben Sie vielleicht jemanden bemerkt, der sich ungewöhnlich verhielt. Oder ein auffälliges Fahrzeug?"

    Sie schüttelte bedauernd den Kopf und eine bezaubernde kleine Haarsträhne löste sich aus ihrem Knoten:

    „Nein, aber ich war auch sehr mit meinem Vater beschäftigt. Sie wissen vielleicht, dass er im Rollstuhl sitzt und es benötigt immer eine gewisse Logistik, die mich ganz in Anspruch nimmt. Wir sind gestern Abend gegen acht Uhr hingefahren, mein Vater und ich. Mein Vater geht gerne auf diese Veranstaltungen, aber es ist zu mühsam, wenn sie in einer anderen Stadt sind. Also gehen wir nur, wenn es mit dem Auto erreichbar ist und so nahe wie gestern."

    Bär sah sich um. „Scheint gut zu gehen, Ihr Unternehmen."

    Sie lächelte wieder. „Ja, unsere Spielzeuge gehen gut im Moment. Vor allem, was elektronisch gesteuert werden kann."

    Etter hatte sich endlich wieder gefasst und konnte den Blick von ihr lassen. Dann deutete er auf ein Porträt, das hinter ihrem Schreibtisch hing. Es zeigte einen gut aussehenden, älteren Mann sitzend und hinter ihm standen ein junger Mann und ein Mädchen. Das Mädchen hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Alina, obwohl es mindestens 15 Jahre jünger war.

    „Ist das Ihr Vater?"

    „Ja, ist gut gelungen das Bild, aber ich denke, Sie erkennen mich."

    „Ja. Und Ihr Bruder war gestern nicht auf dem Empfang?"

    Sie schüttelte immer noch lächelnd den Kopf. Der junge Mann auf dem Bild hatte blonde Haare wie sie und einen Bart. Er schien mindestens fünf Jahre jünger zu sein.

    „Mein Bruder Daniel leitet unsere Filiale in Hongkong, wo er auch lebt. Er kommt selten, leider. Sie wissen, heutzutage werden die meisten Spielzeuge aus Kostengründen in Asien angefertigt. Wir mussten mitziehen, wenn wir überleben wollten, auch wenn ich gerne die Produktion hierbehalten hätte. Jetzt lassen wir die Rohprodukte in Hongkong herstellen und hier ist nur noch eine Fabrik, die alles zusammensetzt und drauf schreibt: „Made hier vor Ort. So ist es leider."

    „Ist das legal?", fragte John Etter, auch wenn die junge Frau ihm mehr gefiel als ihn die Antwort interessierte. Sie hatte Klasse und Charme.

    „Ja, das ist es, solange der letzte Arbeitsschritt hier stattfindet und der Teuerste ist. Warum, wollen Sie mich festnehmen?"

    Sie hielt ihm ihre Hände demonstrativ entgegen, so als sollte er Handschellen darumlegen. Er nahm die Gelegenheit wahr und nahm ihre Hände in seine:

    „Vielleicht sollte ich das, dann kann ich Sie wiedersehen."

    Sie entzog ihm ihre Hände und sagte: „Das können Sie auch so. Sie dürfen mich heute Abend zum Essen einladen und dann erzählen Sie mir alles über Ihren Bösewicht. Denn jetzt muss ich leider weg, ich habe eine Besprechung. Holen Sie mich um zwanzig Uhr ab, dann kann ich Ihnen auch meinen Vater vorstellen. Aber ich versichere Ihnen schon jetzt, dass er nicht in der Lage ist, irgendwo einzusteigen, um etwas zu stehlen, es sei denn, jemand hebt ihn herein."

    Sie neckte ihn und es gefiel John Etter. Bär verfolgte das Geschehen mit perplexem Blick. Aber ein solches Date würde ihm vielleicht auch weitere Erkenntnisse bringen und so mischte er sich nicht weiter ein.

    John Etter und Alina Schmid verabredeten sich. Sie überreichte ihm ihre private Visitenkarte, dann verließen die beiden Freunde gemeinsam das Gebäude. Bruno Bär ging zurück ins Präsidium. John Etter, der sich normalerweise von Verdächtigen fernhielt, verwarf den Gedanken, dass sie verdächtig war, denn sie war immerhin den ganzen Abend bei der Veranstaltung gewesen und ihr Vater wohl auch.

    Und das Zimmer war das Zimmer seines Auftraggebers. Eine Verbindung zwischen seinem Auftraggeber und dem Auftraggeber des Einbrechers würde die Polizei schon noch finden. Für ihn war dieser Fall erledigt. Außer das Date mit Alina natürlich. Dieses würde er aber nicht auf die Spesen nehmen. Seine rote Zora namens Susanne Gehrig musste nicht alles wissen.

    Kapitel 2: Ein neuer Fall?

    Kaum zurück im Büro, läutete das Telefon und Susanne erklärte ihm, dass ihn ein Gabriel Galliker suche.

    „Scheinbar habe ich irgendwo Eindruck hinterlassen", flüsterte er sich selbstzufrieden zu, lehnte sich zurück und hörte, was ihm der Geschäftsführer der Etter Distillerie zu erzählen hatte. Der Name war ihm von der Liste von Bruno Bär her bekannt. Er war auch ein Besucher der Gala der Unternehmer.

    „John Etter."

    „Herr Etter. Hier ist Gabriel Galliker von der Distillerie Etter Söhne AG, grüezi. Wir haben ein Problem. Da ich bei der Polizei niemanden außer den Herrn Bär kenne, der gestern bei mir war und ich in der Zeitung von heute den Bericht über sie gelesen habe, habe ich mir erlaubt, sie anzurufen.

    Wie um Himmels willen hatte Susanne es wohl schon wieder geschafft, dass, kaum war der Fall für ihn erledigt, ein Artikel darüber prominent erschien? Er würde sie mal fragen müssen. Vielleicht war sie ein verkleideter Harry Potter. Woher hatte sie diese Pressekontakte?

    „Schon gut, um was geht‘s?", antwortete John Etter knapp.

    „Wie Sie vielleicht wissen, stellen wir diverse Frucht- und Edelbrände her, haben jedoch seit ein paar Jahren auch einen Singlemaltwhisky im Programm."

    „Ja, ich weiß, ich habe davon schon an der Zuger Herbstmesse gekostet und gekauft. Und mehrfach nachgekauft. Herrlich. Und was ist nicht gut mit dem Whisky?"

    „Wir werden erpresst. Unser Whisky soll verunreinigt werden, wenn wir nicht bezahlen. Bin ich bei Ihnen richtig?"

    „Ja, darum kümmern wir uns auch. Ich mache mich gleich auf den Weg. Sind sie im Büro?"

    „Ja, Sie wissen wo?"

    „Ja klar, welcher Zuger weiß nicht, wo sich ihre Distillerie befindet. Und ich heiße ja auch noch gleich mit Nachnamen. Nicht verwandt und nicht verschwägert, aber trotzdem … Haben sie die Erpressung bereits bei der Polizei gemeldet?"

    „Unsere Sekretärin versucht seit einer halben Stunde erfolglos einen zuständigen Beamten zu erreichen, darum versuche ich es zuerst bei Ihnen."

    „Das ehrt mich, aber ich gebe ihnen die Direktnummer von Bruno Bär. Versuchen Sie diese Nummer zuerst. Ich werde mich morgen früh bei Ihnen melden und ich kann Ihnen dann meine Dienste anbieten, wenn sie dies noch wünschen."

    Gabriel Galliker war überrascht, dass sein Gegenüber am Telefon nicht sofort auf den Auftrag einstieg. Er konnte ja nicht wissen, dass das anfängliche Zögern zur Taktik von John Etter gehörte. Das war ein erster Vertrauensbeweis seinerseits. In diesem Business war das Vertrauen wichtiger als das Geschäft. Denn das Vertrauen war der Grundbaustein für eine optimale Zusammenarbeit. Und John hatte so auch noch etwas Zeit, sich ausführlicher über die Firma zu informieren.

    „Das werde ich gerne tun. Aber ich bin überzeugt, dass wir sie auch trotz der Mitarbeit der Polizei brauchen können. Bei uns heißt das zurzeit: Qualität und der Name sind Geld und der Whisky muss auf alle Fälle sauber bleiben und bewacht oder was auch immer."

    „Gut, Herr Galliker. Ich melde mich morgen früh. Sie werden heute mit der Polizei noch genügend Zeit verbringen. Um welche Zeit sind sie im Büro? Ist sieben Uhr zu früh?"

    „Nein, kein Problem. Um sieben Uhr im Büro. Ich nehme sowieso nicht an, dass ich gut schlafen werde.

    John Etter legte den Hörer auf die Gabel des altmodischen Telefons. Auf dieses Teil war er besonders stolz, sah es doch so aus, wie in alten Filmen, war aber mit der modernsten Technik bestückt.

    „Susanne, zur Firma Etter geh ich morgen früh. Was war mit der Entführung, die du mir gestern noch per SMS mitgeteilt hast?"

    „War etwas aus dem Polizeifunk. Dachte, es könnte dich interessieren. Ein junges Liebespaar ist in oder bei den Höllgrotten scheinbar verschwunden."

    „Soso, Polizeifunk, wie in alten Tagen, aber mit modernsten Mitteln. Du bist mir ja ein Früchtchen. Dir ist nichts heilig genug, um mich mit Arbeit einzudecken. Hast du schon mehr dazu gehört?"

    „Nein leider noch nichts", rief sie um die Ecke und erschrak, als sie bemerkte, dass John Etter gleich hinter ihr stand und über ihre nackten Schultern auf den Bildschirm ihres Computers sah.

    „Mein Gott, spiel hier doch nicht den unhörbaren Ermittler. Ich habe mich fast zu Tode erschreckt", sagte sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Es war ein kleines Spielchen zwischen den beiden, sich unbemerkt an sie anzuschleichen und sie zu erschrecken. Ihm gefiel die rote Hautfarbe, die sich dann schlagartig über ihr Gesicht ausbreitete und es fast so leuchtete wie ihr rotes, langes Haar, das sie zu einem Zopf nach hinten gebunden hatte.

    „Du wirst mir eines Tages dafür dankbar sein. Dein Herz ist auf alle Fälle gut trainiert. Dank mir!"

    „Jaja, schon gut. Ich geb dir durch, sobald ich mehr darüber weiß. Aber vermutlich sind die beiden schon wieder gefunden worden, wie meist bei jungen Liebespärchen. Die haben sie irgendwo vergnügt und die Zeit vergessen. Kennen wir doch alle."

    John Etter sah sie an, grinste und versuchte, seine Gedanken nicht in seinem Gesichtsausdruck aufzuzeigen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass diese Frau jemals etwas mit einem Mann gehabt hätte. Aber, stille Wasser sind tief und sie sprach wirklich nie über ihr Privatleben, falls sie überhaupt eines hatte. Sie war wirklich die Perle seiner Unternehmung.

    Alle kleineren Fälle koordinierte sie selbstständig mit den freien Mitarbeitern. Meist waren dies Überwachungsaufträge von gehörnten Ehemännern oder Ehefrauen, die es genauer wissen wollten. Hierbei ging es immer nur ums Beobachten, im richtigen Moment fotografieren und alles schriftlich niederschreiben. Seine Agentur nahm für die Vermittlung solcher Aufträge jeweils 30 % der Summe, die den Ermittlern bezahlt wurde und Susanne kontrollierte diese Abrechnungen wie ein Adler. Manchmal machte sie sogar nächtliche Kontrollbesuche bei den Ermittlern unterwegs, um festzustellen, ob sie wirklich ihre Arbeit richtig machen. Es waren keine freien Mitarbeiter mehr verfügbar, die diesen Anforderungen nicht nachkamen. Dafür hatte sie gesorgt. Die Perle. Die Perle, die dafür gesorgt hatte, dass die Detektei John Etter innert Kürze zur Nummer eins in der Region geworden war.

    Kapitel 3: Höllgrottengetränk

    Am nächsten Morgen war John Etter blendender Laune. Der Abend war wunderbar gelaufen. Er hatte Alina, wie er sie nun nennen durfte, in ihrer Villa abgeholt. Sie hatte ihn ihrem Vater vorgestellt. Er war um die siebzig, aber gut aussehend und imposant. Seiner Ausstrahlung tat es keinen Abbruch, dass er im Rollstuhl saß.

    Die Villa war im selben Stil gehalten, wie das Büro: modern, imposant und stilsicher. Nach der kurzen Vorstellungsrunde verließen die beiden den älteren Herrn in Richtung The Blinker , ein Restaurant im Industriegebiet einer Nachbargemeinde. John kannte das Restaurant gut, lud er häufig Kunden hierhin ein. Von außen war es unscheinbar oberhalb einiger Verkaufsräume einer Automarke in der Nähe einer Kreuzung. Daher kam der Name The Blinker . Der Blinker nannte sich selbst das flexible Lokal für Gäste, Business und Feste. John war der Standort genehm, denn es gab immer genügend Parkplätze und die Küchenchefin legte sich immer voll ins Zeug. Wenn er sich mit Kunden hier aufhielt, die das Restaurant nicht kannten, konnte er immer sicher sein, dass sie begeistert waren.

    Hubert Erni, der den Laden mit gutem Gespür für die Gäste managte, kannte John nun auch schon einige Jahre und war überrascht, ihn in Begleitung einer Frau zu begrüßen. In Damenbegleitung war er schon des Öfteren hier, aber immer nur am Mittag und so wie es schien, immer zu Geschäftszwecken. Diese Dame kannte er auch, war sie eine der zukünftigen Erben der Schmid-Unternehmungen und ab und zu schon Gast in seinem Haus.

    Zur Vorspeise bestellte sich Alina eine Spargelcremesuppe mit Crabmeat Wonton und Zitronenquark. John entschied sich für einen kleinen Caesars Salad. Zur Hauptspeise ließ sich John mit einem Black Angus Rindsfilet vom Grill mit Pommes Dauphine und Alina mit einem Gunzwiler Bierschweinkotelett mit Safranrisotto und Spargeln verwöhnen. Bei der Weinbestellung fiel die Wahl noch etwas schwerer. John liebte die österreichischen Cuvées und Alina liebte die Spanier.

    Diesmal entscheide ich und das nächste Mal entscheidest du, hatte sie zu ihm gesagt und so fiel die Wahl auf den Aalto 2014, den John auch liebte.

    Sie genossen das Essen und den Wein und sie hatten sich blendend unterhalten. Sie war charmant und witzig und er hatte ihr etwas über den Dieb Stephan Meier erzählt, aber auch von sich und seiner üblichen Arbeit. Sie hatte wenig über sich geredet und sie hatten ihre gemeinsame Vorliebe für Popmusik und Italien entdeckt. Dann erfuhr er noch einige Firmendetails und dass ihr Bruder der eigentlich wichtige Mann im Unternehmen war. Er kaufte interessante Firmen weltweit auf und das Imperium wuchs dank ihm und seinen vielen Ideen immer weiter. Das Firmenkonglomerat bestand im Moment aus rund siebzig Firmen, die allesamt über den ganzen Globus verteilt und erfolgreich waren.

    Vor einer Woche sei ihr Bruder in Zug gewesen und habe mit ihrem Vater noch einen neuen Deal abgeschlossen. Sie hatten jetzt auch einen Getränkegroßhändler in Indien aufgekauft und mit diesem noch Großes vor. In den drei Tagen, an denen ihr Bruder da gewesen sei, habe sie ihn nur ein Nachtessen lang gesehen, aber das sei völlig normal gewesen. Am Schluss des Abends hatte Alina John eingeräumt, dass sie vielleicht nochmals mit ihm essen gehen würde. Nur schon der Weinwechselbestellung wegen, wie sie augenzwinkernd meinte.

    John Etter sass in seinem Stuhl und träumte vor sich hin. Doch wurde er schnell wieder von der Aktualität ernüchtert. Bruno Bär hatte ihm in der Hoffnung, dass John Etter ihm ein paar weitere Tipps hätte, per Mail Details zum Fall Meier durchgegeben. Alle Untersuchungen der Polizei waren scheinbar fruchtlos geblieben. Dieser Stephan Meier war aus dem Nichts aufgetaucht und dieses Nichts war absolut nicht zu durchdringen. Dann wurde auch ein Anwalt eingeschaltet, der sich als Thomas Gerber vorstellte und verlangte Stephan Meier zu sehen, da er ihn vertrat. Bär sei fast vom Stuhl gefallen. Thomas Gerber war einer der angesehensten Anwälte der Stadt. Warum sollte er einen vermutlich mittellosen Dieb wie Stephan Meier vertreten? Und nach Bärs Wissen hatte Meier nicht telefoniert. Er hätte ihm heute einen Pflichtverteidiger finden müssen.

    John Etter rief Bär an. Bär und Etter waren beide Wenigschläfer und es war normal, schon morgens um sechs zu telefonieren. Bär erzählte ihm das Neueste. Es mache keinen Sinn, dass ein solcher Brocken von Anwalt einen unbekannten Einbrecher verteidigen würde.

    „Du wirst das schon machen, schließlich habe ich ihn auf frischer Tat ertappt und ihr werdet wohl auch noch herausbekommen, wer der Auftraggeber war. Wem das Zimmer gehört, wisst ihr ja in der Zwischenzeit auch. Da habe ich euren Job ja wieder einmal gut gemacht – gell?" Das musste einfach sein. John Etters Ego tat das gut.

    Und Bruno Bär unterstrich die Worte sogar: „Ja, einen wie dich vermisse ich im Team. Aber immerhin habe ich im Verlauf der Nacht ein schriftliches Geständnis für seinen einfachen Einbruch erhalten. Aber keinen Hinweis auf den Auftraggeber. Wie bist du überhaupt an diesen Fall gekommen?", fragte Bär nach.

    „Der englische Industrielle, der mir den Überwachungsauftrag gab, fühlte sich verfolgt. Nachdem er mit mir Kontakt aufgenommen hatte, konnten wir feststellen, dass er scheinbar überwacht wurde. Er erzählte mir, dass er geheime Dokumente mit dabei hätte über den Verkauf einer seiner Firmen und das Geschäft wäre bereits über die Bühne gegangen. Er hätte viel Bargeld zusätzlich zu der bezahlten Summe als Handgeld erhalten und hätte diese mit dabei. Der einzige Moment, in der das Geld und die Dokumente unbeaufsichtigt waren, wären während der Gala. Da wäre alles im Safe im Hotel. Ja und aus dieser Tatsache haben wir die Falle aufgestellt. Eigentlich nur so auf gut Glück – aber wir haben ihn alles sehr auffällig machen lassen. Die Frage nach dem Tresor, nach Versicherungsbedingungen bei einem allfälligen Diebstahl. Er hatte das alles im Beisein von vielen Gästen im Foyer des Hotels ziemlich laut mit der Rezeptionistin von sich gegeben. Ein allfälliger Dieb hätte es sicher mitbekommen."

    „Danke, wir checken mal die Überwachungsbilder dieser Situation im Foyer. Hast mal wieder einen weitern Stein im Brett bei mir".

    „Was weißt du über den Whiskyfall bei Etter?", fragte John Etter unvermittelt nach.

    „Noch nicht viel, aber warum weißt du schon wieder davon?"

    „Ein möglicher Auftrag. Bin um sieben Uhr beim Geschäftsführer."

    „Scheint ziemlich vertrackt. Unsere Spurensicherung ist im Moment gerade in den Höllgrotten. Mehr kann ich leider noch nicht dazu sagen." Fast entschuldigend verabschiedete sich nun Bär von John.

    John Etter betrat das Namensvetter-Gebäude wenig später und fühlte sich gut dabei, ein Haus zu betreten, das gleich hieß wie er, auch wenn er mit dieser Familie keine verwandtschaftlichen Bezüge hatte. Ihm gefiel der Name natürlich und die Tatsache, dass er dabei helfen konnte, die Erpressung aufzuklären. Wie meist war er alleine unterwegs. Er könne alleine besser denken, sagte er zu den allfälligen Fragestellern. Und solche Fälle löste er am liebsten allein. Leute aus seinem Team brauchte er nur, wenn die Situationen etwas gröber zu werden drohten. Das war schon zu seinen Polizeizeiten so. Dass er heute mit Susanne Gehrig zusammen ein Kleinstbetrieb war, musste er niemandem auf die Nase binden. Da waren ja noch sein Dutzend freie Mitarbeiter, die seine Homepage ebenfalls zierten. Aus Diskretionsgründen natürlich nur als reine Zahl mit Aliasnamen.

    Schlussendlich zählte nur der Erfolg und die richtige PR dazu. Seine unorthodoxen Methoden und eine unglaublich hohe Aufklärungsrate unterstrichen dies. Dieselben Methoden hatten ihn damals auch bewogen, eher auf sanften Druck als freiwillig, den Polizeidienst zu quittieren. Und die Tatsache, dass er sich um die kranken Eltern kümmern wollte. Manchmal war das Schicksal eine gute Sache, wenn man in den sauren Apfel biss. Für ihn war es das Beste, was ihm geschehen konnte. Er konnte sich bis zum Schluss um seine kranken Eltern kümmern und gleichzeitig seine Firma aufbauen.

    Um fünf vor sieben Uhr bog er auf den Vorplatz der Firma Etter ein. Er stieg die wenigen Stufen zum Haupteingang hoch, als ihm Gabriel Galliker bereits entgegenkam und sie begrüßten sich. Galliker ging nach links in den Besprechungsraum. An der Wand fielen John drei große Portraits auf, die wohl Bilder der Vorfahren der Etters waren.

    „Was haben die Höllgrotten mit der Erpressung und dem Whisky genau zu tun?", fragte er noch stehend Gabriel Galliker und legte ihm den Detekteivertrag vor.

    „Weil der Whisky dort gelagert wird und gestern an einem Punkt, von wo aus man die Fässer sehen kann, ein Brief in einem Plastikmäppchen angebracht war."

    Galliker holte eine Kopie des Erpresserbriefes hervor. Das Original war bei der Polizei zur Spurensicherung. „Ein Kuvert mit dem Hinweis auf das Mäppchen am Whiskyfass war beim Hinweisschild angebracht. Der Grottenwärter hat diesen am Morgen entdeckt und uns sofort kontaktiert."

    „Wir werden am besten gemeinsam dorthin gehen und vorhandene Spuren ansehen. Die Höllgrotten werden zur Zeit von Beamten der Spurensicherung untersucht. Aber vielleicht dürfen wir trotzdem rein." Gabriel Galliker war ein selbstsicherer Mann, der wusste, von was er sprach. Ein Mann, wie er John Etter gefiel. Geradeaus auf den Punkt. Einer, der sowohl den Vertrag gleichzeitig überfliegen konnte und seine Fragen beantwortete. Gabriel Galliker unterschrieb den Vertrag, behielt seine Kopie und gab das Original zurück.

    John Etter unterbrach Galliker. „Darf ich schnell meinem Büro ein paar Aufträge in diesem Fall durchgeben? Ohne die Antwort abzuwarten, zupfte er das Handy hervor. „Hallo Susanne. Recherchieren Sie über Erpressungen in letzter Zeit im Bereich Lebensmittel in der Schweiz. Dann noch über die Besitzverhältnisse der Höllgrotten. Allfällige Ungereimtheiten et cetera und pipapo. Verstanden?

    Er steckte das Handy wieder ein. Das per Sie sein war seine Art, seinen Kunden am Telefon zu zeigen, wie respektvoll er mit seinen Mitarbeitern umging. Susanne lachte immer, wenn er ihr Sie sagte. Ab und zu fragte sie ihn, wenn er wieder im Büro war, ob sie wieder Brüderschaft mit ihm trinken müsse, damit sie ihm wieder du sagen durfte.

    „Über den Besitzer der Höllgrotten kann ich noch einiges sagen, da wir ja eine geschäftliche Beziehung haben."

    John Etter setzte sich erst jetzt hin und hörte Galliker zu, was er zu berichten hatte.

    Nachdem Galliker ihm über die Besitzverhältnisse und die Menschen, die dort arbeiten berichtet hatte, konnte er die Menschen von den Toppositionen der Verdächtigen streichen. Dies hieß jedoch bei John nie, dass sie nicht doch in Frage kommen würden. Er würde sich sein eigenes Bild machen.

    „Gut, für mich reichen diese Angaben fürs Erste und wenn wir jetzt gemeinsam noch schnell die Höllgrotten aufsuchen können und vielleicht auch noch in Erfahrung bringen können, was die Polizei bereits herausgefunden hat, dann kann ich mit meiner Arbeit beginnen."

    „Die Polizei gibt Ihnen diese Angaben heraus?", fragte Galliker erstaunt nach.

    „Ja, wissen Sie, mal mach ich was für die und mal machen die was für mich. Das passt schon. Ich war selbst lange genug bei diesem Verein. Und das meine ich nicht abschätzig! Haben Sie etwas über ein verschwundenes Liebespaar gehört, die auch in der Umgebung der Höllgrotten verschwunden sind?"

    „Nein, leider nicht. Erst kürzlich?"

    „Ja, ist erst gerade aufgenommen worden."

    „Eine Frage noch, Herr Etter. Kommen solche Erpressungen häufig vor?"

    John lehnte sich nochmals in seinem Stuhl zurück und holte etwas aus.

    „Jein. Die meisten Erpressungsversuche kommen nicht an die Öffentlichkeit, weil sich Erpresser und Unternehmen einigen können und viele werden von der Polizei oder Detekteien wie meiner gelöst. Es ist schon seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer wieder zu aufsehenerregenden Fällen gekommen. Sobald Verbrecher, anders kann ich sie nicht nennen, ankündigen, Lebensmittel, Spirituosen oder Zigaretten zu vergiften, Sprengsätze in Elektrogeräten zu platzieren, Kosmetika mit Pflanzenschutzmitteln zu versetzen, Glassplitter unter Babynahrung zu rühren oder komplette Produktlinien zu sabotieren, herrscht in Unternehmen Alarmstufe. Vielleicht erinnern Sie sich an den Thomy-Erpresser, der 1998 vergiftete Nestlé-Produkte in Supermärkten verteilte, auf einem Kinderspielplatz deponierte und per Post verschickte. Das, kostete das Unternehmen durch die Beseitigung und den Austausch von 30.000 Produkten knapp 20 Millionen Euro. Die Lösegeldforderung lag bei 13 Millionen Euro. Vor allem der Schaden, der aus einem Imageverlust resultiert, ist nicht so einfach mess- und kalkulierbar. Die Rückgewinnung des Vertrauens der Verbraucher erfordert Geduld und zielgerichtete Maßnahmen, die viel Geld kosten. Problem ist auch das mögliche Auftreten von Trittbrettfahrern, die animiert durch die Meldungen in den Medien, ebenfalls Erpressungsversuche starten.

    Viele solcher Erpressungen gelangen nicht in die Presse. Egal, ob bezahlt wurde oder nicht. Man will Trittbrettfahrer soweit wie möglich vermeiden. Bei Erpressungen in der Lebensmittelbranche ist in erster Linie Sensibilität gefragt, damit bei den Verbrauchern keine Panik ausbricht. Zudem muss die Krisensituation möglichst schnell und nachhaltig gemeistert werden. Selbst bei vielen Trittbrettfahrern sollte grundsätzlich jede Erpressung ernst genommen werden, um unnötige Risiken zu vermeiden. Ein gut funktionierendes Risikomanagement ist daher unabdingbar. Dazu gehören die Erstellung eines Krisenplans und die Etablierung eines speziell ausgebildeten und trainierten Krisenstabs.

    Sie können darauf zählen, dass sowohl die Kantonspolizei mit ihren Leuten wie auch ich solche Fälle kennen. Wesentlicher Bestandteil eines präventiven Risikomanagements ist die Situations- und Risikoanalyse. Fragen wie „Welche Produkte sind aufgrund ihrer Umsatzstärke und Bekanntheit besonders gefährdet?, „Sind wir von einem/wenigen Produkten abhängig oder stark diversifiziert?, „Wie angreifbar sind wir von innen und außen?, „Wie einfach ist eine Manipulation der Produkte oder wird diese durch eine Versiegelung wirksam verhindert?, brauchen klare Antworten. Gerade bei Letztgenanntem ist die Optimierung der Produktsicherheit wichtig. Maßnahmen wie Siegel, Folierung oder Vakuumverschlüsse haben die Sicherheit für die Verbraucher und für die Unternehmen nachhaltig erhöht.

    In Ihrem Fall, Herr Galliker, scheint es einfach zu sein, eine verschmutzte Flasche zu erkennen, muss das Mittel, welches verwendet würde, irgendwie in eine originalverschlossene Flasche gebracht werden."

    „Nun, das beruhigt mich nur zu einem Teil. Meinen Sie, dass es sich hier um Profis handelt?", fragte Gabriel Galliker nach.

    „Das ist im Moment noch schwer zu sagen. Die Spezialisten der Polizei haben bisher ja nur den Brief. Die Wortwahl scheint nicht viel herzugeben und es scheint sich auch um einen Nullachtfünfzehn-Drucker zu handeln, mit dem er gedruckt wurde. Vielleicht haben wir Glück und sie finden DNA auf dem Papier oder dem Kuvert. Und mit noch etwas mehr Glück ist dieses Profil schon einmal auffällig geworden. Aber bei diesen Aussagen ist viel vielleicht mit dabei."

    „Haben Sie selbst schon einmal an einem Fall mitgearbeitet?", fragte Galliker nach.

    „Ja, das kam schon vor. Aber wir konnten sowohl den Fall frühzeitig lösen wie auch die Öffentlichkeit außen vor lassen."

    „Gibt es Beispiele dafür, dass es für die Unternehmen im Ernstfall sehr schmerzhaft werden kann? Galliker schien besorgt um den tadellosen Ruf der Firma, was John sehr gut nachvollziehen konnte.

    „Nun ja, es gab zu meinen Polizeizeiten einen deutschen Erdnussbutter-Hersteller. Der wurde damit erpresst, dass gezielt Lieferungen mit Salmonellen kontaminiert werden. Im Falle einer Lösegeldzahlung in Höhe von fünf Millionen Euro würde die Drohung nicht wahr gemacht werden. Das Unternehmen ignorierte die Ankündigung und führte die Produktion unverändert fort. Wochen später erkrankten in mehreren Ländern nach dem Verzehr der Erdnussbutter rund 600 Menschen. Auch in der Schweiz. Wir konnten den Täter stellen. Die spezielle Versicherung übernahm die angefallenen Kosten und kam für den entstandenen finanziellen Schaden auf. In einem anderen Fall wurde der Geschäftsführer eines Fleischverarbeiters aufgrund seiner Tierhaltungsbedingungen per E-Mail bedroht. Er sollte nachbessern oder die Produktion umgehend einstellen, sonst würden seine Fleischprodukte manipuliert. Der Täter hat seine Drohungen nicht wahr gemacht, sodass es zu keinen weiteren Vorkommnissen kommen konnte. Sie sehen, Herr Galliker, wir kennen solche Fälle und ich kann Ihnen versichern, die Zusammenarbeit mit der Polizei war auf alle Fälle eine richtige Entscheidung."

    Gabriel Galliker schien etwas beruhigt und hoffte, dass sich der Fall in Luft auflösen würde wie beim Fleischverarbeiter.

    Sie standen auf und gingen hinaus. Gabriel Galliker meldete sich ab und sie machten sich gemeinsam in seinem Wagen auf zu den Höllgrotten in Baar.

    Unterwegs holte John Etter wieder sein Handy hervor.

    „Hallo Erika. Kannst du mir die Unterlagen des verschwundenen Paars mailen? Ich sehe da einen möglichen Zusammenhang mit einem meiner Fälle." Er pokerte hoch, wusste er gar nicht, ob es überhaupt einen Fall gab und ob die beiden nicht schon zum Vorschein gekommen waren.

    „Ich frage dich nicht, woher du das schon wieder weißt …", antwortete die Dame auf der anderen Seite. Kommissarin Erika Rogenmoser, die diesen Fall mit ihrem Team bearbeitete, war aber nicht wirklich erstaunt darüber.

    „Wo bist du, es tönt, als wärst du draußen im Gelände irgendwo …", mutmaßte John Etter weiter.

    „Ja, fahre jetzt zu den Höllgrotten und befrage die Angestellten des Restaurants und die beim Eingang. Wo bist du?"

    „Gleich auch dort. Wir sehen uns..", dann wurde die Leitung unterbrochen.

    John sah ungläubig aufs Handy, was Gabriel Galliker bemerkte. „Kein Empfang hier hinten."

    „OK, das passt", antwortete John, verstaute das Handy und schon bald fuhren sie bei den Höllgrotten auf den Parkplatz.

    Gemeinsam gingen sie zum kleinen Kiosk beim Eingang und schon kurze Zeit später gesellte sich Erika Rogenmoser dazu. Sie begrüßten sich wie sehr gute Freunde, was sie früher auch einmal waren. Sehr gute Freunde. Wenigstens für eine Nacht.

    „Das ist doch wohl kaum ein Zufall, dass gleichzeitig ein Paar bei den Höllgrotten verschwindet und in den Höllgrotten ein Erpresserschreiben hinterlegt wird?", begann Etter.

    „Könnte einen Zusammenhang haben, pflichtete ihm die ebenfalls in Zivil gekleidete Kommissarin bei. „Ich habe dir hier die Akten ausgedruckt. Die beiden wurden gestern als vermisst gemeldet, aber wir hatten bisher noch keinen Anhaltspunkt auf ein Verbrechen. Es handelt sich um ein junges Liebespaar und wir gehen davon aus, dass sie, wie oft, innert ein paar wenigen Tagen auftauchen – aus dem Liebesurlaub sozusagen.

    „Hoffen wir’s", antwortete John Etter knapp und blätterte durch die Akten. Das junge Liebespaar war erst seit zwei Wochen zusammen und ihm erschien die Aussage seiner Ex-Kollegin durchaus akzeptabel, wenn auch das Zusammentreffen von zwei Ereignissen am selben Ort ihn stutzig machten.

    „Wer hat die beiden als vermisst gemeldet?", fragte John nach.

    „Der Nachbar des Mannes, der die beiden zum Essen erwartet hatte und dem aufgefallen war, dass sie sich nicht meldeten. Er hat sie auf dem Handy auch nicht erreicht. Wir haben den Fall aber noch nicht priorisiert. Kann auch einfach ein Liebesfall sein. Du weißt." Sie schaute ihn vielsagend an und John nickte.

    „Falls wir heute noch nichts hören, werden wir morgen die Ermittlungen aufnehmen. Die Frau wohnt im Kanton Zürich. Dann wird es ein echter Fall. Der orange Wagen steht vorne auf dem großen Parkplatz. John nickte nochmals. Dann deutete er auf Gabriel Galliker und fragte Erika: „Dürfen wir schon rein? Herr Galliker möchte mir zeigen, was es mit den Whiskyfässern in den Höllgrotten auf sich hat?

    „Nein, erst am späteren Nachmittag. Wir sind noch mit der Spurensuche dran. Es gab noch einen zweiten Brief auf einem der Fässer, die ganz hinten gelagert waren. Die wollten sichergehen und das machen wir auch. Der Inhalt war lediglich die Kopie des ersten Briefes. Nachdem uns Herr Galliker informiert hatte, wurden die Höllgrotten sofort durch eine Streife geschlossen und niemand hatte mehr Zutritt."

    „Dann sucht mal weiter, ich melde mich, wenn mir in meinen Ermittlungen etwas auffällt." Ohne sich zu verabschieden, drehte er ab und lief in Richtung Parkplatz um den verlassenen orangen Wagen des Paares in Augenschein zu nehmen.

    „Unhöflicher Holzkopf, wie konnte ich nur …", hörte er Erika Rogenmoser noch sagen und ging verschmitzt lächelnd weiter. Sein Ruf war in seinen Augen mal wieder gerettet. Für beide war es ein Ausrutscher der besonderen Art gewesen. Abwechslungsweise verdrängten sie jene Nacht und zeigten gegen Außen keine Gefühle. Weder Gute noch Schlechte.

    Ein unauffälliger gelber Fiat Panda älteren Modells stand auf dem größeren Parkplatz. Verschlossen. Keine Anhaltspunkte, was geschehen sein könnte. John machte ein paar Handyfotos, damit er keine Notizen machen musste. Im Innenraum war auch nichts, was John weiter bringen würde.

    Die zwei Verliebten konnten sich überall aufhalten. Irgendwo im Wald, wild zeltend. Oder sie waren wandern gegangen und hatten sich irgendwo verschanzt. Der Tag war noch jung und die Chancen, dass sie wieder unversehrt auftauchten, groß. Die Liebe brachte viele Menschen dazu, Dinge zu tun, die sie sonst nie taten. Die meisten Vermisstenmeldungen, die Jungverliebte betrafen, lösten sich üblicherweise innert weniger Tage von selbst.

    Wenig später fuhren Galliker und Etter die idyllisch schmale Straße zurück nach Baar, als ihnen ein Krankenwagen entgegen fuhr. „Was hat das jetzt wieder zu bedeuten? Schienen alle mehr oder weniger gesund, die dort herumstanden. Naja, wir werden es erfahren. Ich erreiche Erika jetzt ja eh nicht im Funkloch."

    Als sie bei der Distillerie Etter angekommen waren, verabschiedet sich John Etter von seinem neuen Auftraggeber. „Treffen wir uns heute um siebzehn Uhr bei den Höllgrotten? Bis dahin sollte die Polizei wohl ihre Arbeit erledigt haben."

    „Ich werde dort sein", antwortete Galliker und sie verabschiedeten sich.

    Im Büro setzte sich John Etter an den Computer und wandte sich kurz dem Fall Meier zu. Lange würden sie ihn nicht mehr eingesperrt lassen, dafür würde sein Anwalt schon sorgen und der Einbruch würde wohl nur als Einbruchsversuch gelten und die Strafe äußerst gering ausfallen. John Etter lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Irgendetwas ist faul an der Sache". Er würde ein Auge auf den Meier haben – auch in Zukunft.

    Er machte sich über den Monatsabschluss her, den ihm seine Perle auf den Tisch gelegt hatte. Wie immer in den letzten Monaten, entwickelte sich sein Geschäft prächtig. Verbrechen lohnt sich – wenigstens für ihn und seine kleine Firma.

    Dann wand er sich wieder dem Fall Etter zu. Er holte sich alles aus dem Internet, was hilfreich sein konnte. Er notierte sich Namen und weitere Anhaltspunkte. Nach einem von Susanne zubereiteten, guten Kaffee, ging er nach Hause, um sich frisch zu machen.

    Da es noch viel zu früh war, um zu den Höllgrotten zurückzukehren, konnte er sich noch einen Abstecher zu seiner neuen Bekannten erlauben.

    Kapitel 4: Techtelmechtel?

    Auf seinem Weg zum Firmengebäude von Schmid Enterprise hielt er an einem Blumenladen und kaufte ein riesiges Rosengesteck. Dann ging er zu Alinas Büro. Ihre Sekretärin bestätigte, was er sowieso befürchtete, denn seinen Handyanruf beantwortete nur das Band: Alina war außer Haus und kam erst heute Abend wieder.

    Etter lief schwungvoll an der Sekretärin vorbei:

    „Ich weiß, aber ich wollte ihr nur die Blumen hinstellen, damit sie sie findet, wenn sie wiederkommt. Bleiben Sie nur sitzen, ich mach das schon."

    Er öffnete die Tür zu ihrem Büro und ging hinein. Die Sekretärin ließ ihn gewähren, denn sie kannte ihn mittlerweile und wusste, dass er mit Alina ausging.

    Etter ging zu Alinas Schreibtisch, stellt das Gesteck ab und drapierte seine Karte davor. Dann nahm er schnell sein Handy aus der Tasche und fotografierte das Bild an der Wand. Dann war er wieder draußen. Er grinste die Sekretärin an:

    „Schon passiert. Sagen Sie, ich brauche einen guten Juristen. Können Sie mir einen empfehlen? Schmid Enterprise muss doch Juristen und Anwälte haben. Ist da keiner dabei, den ich anheuern kann?"

    Die Sekretärin lächelte:

    „Wir arbeiten mit der Kanzlei Gerber, aber ich glaube kaum, dass sie Privatkunden annehmen."

    „Schade, dann muss ich woanders fragen. Ich habe die Blumen auf ihren Schreibtisch gestellt. Falls es länger dauert, schauen Sie nach dem Wasser?", fragte er die Sekretärin, um vom Thema abzulenken. Dann fiel ihm die andere Tür auf, die ins Büro von Daniel Schmid führte. Ein Namenschild war angebracht, auch wenn er die Tür noch nie offen gesehen hatte. Er fragte die Sekretärin unschuldig:

    „Daniel Schmid ist wohl nicht oft hier. Ich habe ihn jedenfalls noch nicht kennengelernt."

    „Er kommt sehr unregelmäßig. Jetzt war er schon einige Monate nicht da, außer letzte Woche für drei Tage. Er vertritt unsere Filiale in Hongkong und macht die weltweiten Akquisitionen."

    „Was ist eigentlich das S. in Daniel S. Schmid?"

    „S. steht für Stephan."

    Dann war John Etter wieder draußen. Schade, dass er Alina nicht antraf, doch so hatte er noch Zeit, das Foto zu bearbeiten.

    Als er in seinem Büro ankam, kopierte er das Portrait des jungen Mannes heraus. In der Vergrößerung entfernte er den Bart. Er hatte eine Ahnung, doch er würde den richtigen Zeitpunkt abwarten, um dieses Foto zu benutzen.

    Er dachte an Alina. Er sah sich wieder im Restaurant The Blinker sitzen, bevor sie weggefahren war. Er hatte ihre Hände gehalten und den Handrücken gestreichelt. Ihre tiefblauen Augen zogen ihn an. Auch wenn er nur an sie dachte, fühlte er ihre Nähe, sah das tiefe Blau vor sich und wollte in ihr versinken.

    Ein Schlag auf die Schulter ließ ihn zusammenzucken. „Unentschieden!" Susanne war sichtlich stolz, dass es ihr gelang, sich von hinten unbemerkt an John Etter anzuschleichen und ihn zu erschrecken.

    „Höchstens zehn zu zwei", antwortete John Etter bereits wieder gefasst.

    „Ok, du bist der Boss. Hast du den Monatsbericht durch?"

    „Aber sicher! Danke Susanne."

    „Läuft gut, gell!" Susanne schaute, nun vor ihm stehend, starr in die Augen.

    „Ja. Danke Susanne", wiederholte John, ohne dass Susanne den Blick veränderte. Er wusste, worauf Susanne wartete.

    „Ok, dein Lohn, ich weiß. Ich habe es versprochen und das halte ich auch. Wir sind über das Gröbste schon länger hinweg und du kannst dir ab nächsten Monat zehn Prozent mehr ausbezahlen. Stimmt das für dich?"

    Susannes Augen veränderten schlagartig den Ausdruck. Mit so viel hatte sie nicht gerechnet. John wusste, dass er Susanne schon wieder überrascht hatte und er wusste auch, dass er, sollte er Susanne mal ersetzten müssen, gleich zwei Personen anstellen müsste. So gesehen waren zehn Prozent mehr Lohn ein Klacks. Und er hatte noch genügend Luft, um ihr Ende Jahr eine größere Provision auszubezahlen. Das würde dann die nächste Überraschung geben.

    Susanne trat ganz nahe an John Etter heran und umarmte ihn fest. John musste seine Muskeln fest anspannen, sonst hätte ihm Susanne wohl sämtliche Knochen im Oberkörper gebrochen. Dankbarkeit hatte viele verschiedene Gesichter und Susanne zeigte, dass sie John Etter sehr dankbar war.

    „Ist schon gut, Susanne, bitte bring mich nicht um, sonst ist es vorbei mit Lohn …"

    „Entschuldige, aber bei dir fühle ich mich zum ersten Mal im Geschäftsleben geschätzt. Bisher wurde ich immer nur als durchschnittliche Mitarbeiterin angesehen, auch wenn ich immer mehr als Andere arbeitete. Ich wurde immer gehänselt und bei dir, bei dir fühle ich mich wohl. Susannes Gesichtsfarbe änderte sich sofort in Hochrot. „Ich, -- ich, äh, ich meine natürlich auf rein geschäftlicher Ebene. Nicht, dass du meinst, ich will etwas von dir. Sicher nicht. Versprochen.

    „Schon gut, schon gut, liebe Susanne. Ich verstehe dich schon richtig."

    Susanne verlies das Büro so flink und leise, wie sie es betreten hatte und John Etter wunderte sich, wie sie das mit dem Gewicht überhaupt konnte. Er lächelte selbstzufrieden, denn er wusste, zufriedene Mitarbeiter waren die besten Mitarbeiter und er wusste auch, dass Susanne für ihn die beste Mitarbeiterin war, die er sich wünschen konnte.

    Nun musste er sich aber sputen, stand auf und fuhr mit leicht überhöhter Geschwindigkeit zu den Höllgrotten, wo Gabriel Galliker ihn bereits erwartete.

    Sie betraten die Höllgrotten und Galliker führte John direkt zum Ort des Geschehens. An einem Punkt in der Höhle war ein Hinweisschild. Hier war der Hinweis auf die Fässer, die weit hinten lagerten.

    „Hier hat der Grottenwart den Brief gefunden und ihn mit zurück in den Kiosk genommen. Auf dem Umschlag stand in großen Lettern geschrieben: AN DIE FIRMA ETTER . Er hat mich informiert und ich habe einen Mitarbeiter geschickt, um den Brief abzuholen. Als ich ihn öffnete, habe ich unserer Sekretärin gleich den Auftrag gegeben, die Polizei zu informieren. Da dies mir etwas zu lange dauerte, habe ich Sie informiert. Etwas über einen zweiten Brief habe ich erst jetzt erfahren."

    Gabriel Galliker und John Etter machten sich kurze Zeit später ins Restaurant Höllgrotten auf. Die Sonne versank gerade hinter dem Wald und sie setzten sich draußen hin. Weil es an diesem Abend viele Gäste hatte, verschob John den Plan, gleich mit den Wirtsleuten und Angestellten zu sprechen. Vielleicht hatte jemand vom Restaurant etwas beobachtet.

    Sein Handy vibrierte lautlos. Das war üblich um diese Tageszeit, hatte er es so eingestellt, dass es nach zweiundzwanzig Uhr auf lautlos eingestellt war. Aline schickte ihm eine SMS.

    Was für schöne Rosen! Vielen Dank, lieber John. Du bist großartig! Hast du Zeit?

    Das Nachtessen war vorüber und John Etter wusste alles, was er zu wissen hoffte. Er kannte den Namen der Wirtin und wusste, dass eine Übergabe des Restaurants an eine neue Wirtin geplant war. Dies würde die junge blonde Dame sein, die sie zuvorkommend bedient hatte. Freundlich verabschiedete er sich von Gabriel Galliker und der Gerantin. Draußen auf dem Parkplatz rief er keine fünf Minuten nach der SMS Alina an.

    „Hallo Alina. Einen guten Tag gehabt?"

    „Es geht. Geschäfte halt, aber das ins Büro zurückkommen hat mir den ganzen Tag gerettet. Vielen Dank nochmals."

    „Gern geschehen", antwortete John trocken.

    „Wo bist du?"

    „Ich fahre gerade von den Höllgrotten nach Hause."

    „Kommst du noch auf einen Drink bei mir vorbei?", fragte Alina und John war froh, dass sie fragte.

    „Gerne, ich bin in fünfzehn Minuten bei dir."

    „Nimm den hinteren Eingang beim Haus, dann kommst du direkt in meinen Wohnteil. Mein Vater muss ja nicht geweckt werden, nur weil ich Besuch habe."

    „Verstanden, bis bald."

    John fuhr verträumt in Richtung Schmidvilla. Vor dem Haus angekommen schaute er nochmals in den Rückspiegel. „Doch, doch, das geht schon", war sein Urteil über sich selbst.

    Er ging auf den Hintereingang zu und die Türe war nur angelehnt. Von drinnen hörte er Musik, trat ein und ging den Gang entlang zum mit Kerzenschein erhellten Wohnzimmer.

    „Hallo Fremder", begrüßte ihn Alina mit zwei Gläsern Rotwein in den Händen.

    „Hallo schöne Frau", antwortete John Etter.

    „Komm her zu mir", forderte sie ihn auf und kam ihm auch ganz langsam etwas entgegen.

    John tat, was ihm geheißen und als sie sich ganz nahe standen, stellte Alina die Gläser auf den Kaminsims neben sich, nahm mit beiden Händen Johns Kopf und zog ihn zu sich hin.

    John ließ es geschehen. Schon lange hatte er keine Frau mehr geküsst. Die Letzte war Erika Rogenmoser und das war schon zwei Jahre her. Und an die Jahre mit Nicole wollte er auch nicht mehr denken.

    Die Augen geschlossen, ließ er Alina machen. Er wusste, dass er heute nicht mehr nach Hause kommen würde.

    Sie ließ ihn los, nahm die Gläser und reichte ihm eins. Nachdem sie sich auf das bequeme Sofa gesetzt hatten und die Gläser nach einigen Gesprächen und Küssen geleert waren, stand Alina auf.

    „Warte kurz, ich muss schnell nach oben und werde dich in Kürze rufen." Sie lief davon und John konnte die Augen kaum von ihr lassen.

    Einige Minuten später hörte er ihre Stimme ihn rufen und er ging denselben Weg wie sie davor.

    Heute Abend wollte Alina es riskieren und herausfinden, ob ihre Anziehungskraft soweit ging, wie sie glaubte und hoffte. John Etter war ein Mann, der ihr gefiel. Bei dem Gedanken daran, was sich heute alles abspielen könnte, wenn er wirklich anbiss, wurde sie ganz nervös aber auch erregt.

    Die Fesseln lagen auf dem Bett und eine Augenbinde hielt sie in der Hand. Es erschien Alina wie eine Ewigkeit bis zum erlösenden, leisen Klopfen an der Tür. Sie ließ John herein, ohne sich ihm zu zeigen. Erst als Alina die Tür hinter ihm geschlossen hatte, sah John, dass sie nur in Unterwäsche gekleidet war. John klappte die Kinnlade herunter und er starrte sie einen Moment nur an. Der Anblick, der sich ihm bot, brachte ihn aus der Fassung. Endlich riss er sich aus seiner Starre los und schloss den Mund. Alina stand immer noch vor ihm und sah ihn mit leicht schief gelegtem Kopf fragend an.

    „Äh ... ja also ... ich ... ähm ... Wow!", stammelte John.

    Alina lächelte ihn an und kam auf ihn zu. Sie legte eine Hand auf seine Brust, sah im tief in die Augen und flüstere: „Du vertraust mir doch oder?"

    Die Antwort bestand nur aus einem Kopfnicken, denn zu mehr war John im Augenblick nicht in der Lage. Alina ging um ihn herum, wobei sie mit der Hand über seine Brust strich. Er schluckte schwer und dann war alles dunkel.

    Vorsichtig tastete er einmal etwas unsicher die Augenbinde ab, die Alina ihm schnell umgebunden hatte.

    „Lass sie dort", flüsterte sie. Sie nahm John an der

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