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Die Spinne
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Die Spinne

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About this ebook

Im Pfaffenthal, einem Stadtteil von Luxemburg, findet ein Passant in den frühen Morgenstunden die Leiche eines unbekannten Mannes. Kommissar Medernach wird zur Fundstelle gerufen, und schnell steht fest, dass es sich nicht um einen Raubmord handelt, alle Indizien weisen auf einen Auftragsmord hin. Ein Auftragsmord in Luxemburg? In der Sakkotasche des Toten findet der Kommissar einen Post-it Zettel mit einer aufgedruckten Spinne. War der Zettel dem Toten in die Tasche gesteckt worden oder hatte dieser ihn bereits in der Tasche, als er hier eintraf? Die Suche nach dem Täter gestaltet sich schwierig.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateAug 25, 2014
ISBN9783847608516
Die Spinne

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    Die Spinne - Jean-Pierre Kermanchec

    Prolog

    Henri Medernach sah auf seine Armbanduhr, nur noch eine halbe Stunde, und Clara würde auf Findel landen.

    Drei Tage wollte sie in Luxemburg bleiben. Henri hatte ihr bereits am Telefon versprochen, sie vom Flughafen abzuholen und die Tage mit ihr gemeinsam zu verbringen.

    Clara Hartung, eine der reichsten Frauen der Welt, war zu Besuch bei einem ehemaligen Polizeikommissar.

    Henri hatte Clara, bei seinem ersten und einzigen Luxusurlaub, in Ligurien, genauer gesagt, in Santa Margherita kennengelernt. Nach seiner Pensionierung hatte er sich seinen langjährigen Traum, einmal einen Urlaub in einem luxuriösen Hotel zu verbringen, erfüllt. Seine Wahl war auf das Hotel Imperiale, in Santa Margherita gefallen.

    Clara Hartung verbrachte damals einige Urlaubstage in demselben Hotel. Während ihres Aufenthaltes wurden mehrere Attentate auf sie verübt. Als dann noch eine Erpressung hinzukam, sah Henri Medernach sich in der Pflicht, seine kriminalistischen Fähigkeiten einzusetzen und Frau Hartung zu helfen. Dank seiner Mitarbeit war es später gelungen, den Erpresser, einen Mitarbeiter aus dem obersten Management in Claras Firma, zu entlarven und zu verhaften. Seit dieser Zeit sind sie sehr gute Freunde. Henri war von Clara Hartung, in ihr Haus in München und zu kleineren Kreuzfahrten auf ihrer Yacht eingeladen gewesen. Heute nun sollte Clara endlich nach Luxemburg kommen. Er wollte sie durch sein kleines, aber sehr schönes Land führen.

    Henri Medernach stieg in seinen Wagen und fuhr die wenigen Kilometer, von Oetrange zum Flughafen Findel.

    Er stieg die Treppe, die von der Eingangshalle zum Ankunftsgate führte, hinunter und wartete gespannt auf Claras Ankunft. Es waren nur noch wenige Minuten, bis zur Landung der Maschine. Es schien ihm aber eine Ewigkeit zu dauern, bis auf der Bildschirmanzeige unter der Decke, hinter dem Flug München–Saarbrücken-Luxemburg, das grüne Licht zu blinken begann, das die erfolgte Landung der Maschine signalisierte. Danach dauerte es für Henri eine weitere Ewigkeit, bis sich die Tür öffnete und Clara Hartung endlich herauskam. Mit einem fröhlichen Lachen kam sie auf Henri Medernach zu. Henri und Clara begrüßten sich sehr herzlich. Wäre Henri dreißig Jahre jünger gewesen, hätte man meinen können, dass der Freund seine Freundin oder der Mann seine Frau, nach einer langen Abwesenheit begrüßt. So hatte es eher den Anschein, dass der Vater seine Tochter willkommen hieß.

    „Ich freue mich riesig, dass du Zeit gefunden hast, nach Luxemburg zu kommen!", sagte Henri und begrüßte Clara mit, den in Luxemburg üblichen, drei Küsschen auf die Wangen.

    „Auch ich bin froh, dich einmal hier besuchen zu können. Die letzten Tage waren wieder sehr anstrengend und haben mir wenig Zeit gelassen, mich auf diesen Kurzurlaub vorzubereiten."

    Henri nahm Clara ihren Koffer ab, und führte sie zum Ausgang.

    „Mein Wagen steht gegenüber vom Ausgang, auf dem sogenannten Kiss and Ride Parkplatz. Wir fahren zuerst zu meinem Haus in Oetrange, laden das Gepäck aus, und du kannst dich ein wenig frisch machen, wenn du möchtest. Danach nehmen wir einen kleinen Begrüßungstrunk, und anschließend zeige ich dir ein wenig von meinem Luxemburg. Ich hoffe, dass du damit einverstanden bist?"

    „Henri, ich bin mit allem einverstanden. Ich freue mich, ein paar Tage Abstand von der Hektik der Firma zu haben und dich wiedersehen zu können. Lass uns auch ein wenig Zeit einplanen, um uns zu unterhalten. Ich habe etwas die Befürchtung, dass du dich in Stress versetzt und mir das ganze Land auf einmal zeigen willst."

    „Zeit für Gespräche habe ich auf jeden Fall eingeplant, bei unserem guten luxemburgischen Wein zum Beispiel, den du unbedingt auch kennenlernen musst."

    Henri lächelte Clara zu, er war schon wieder in seinen alten Eifer verfallen. Sie war noch nicht einmal richtig angekommen, und er stand schon in den Startlöchern zur ersten Besichtigung.

    „Du wohnst sehr schön!", sagte Clara, als sie aus dem Auto ausgestiegen war und das Haus und die Umgebung in Augenschein genommen hatte.

    „Ich bin auch sehr zufrieden hier", meinte Medernach. Er geleitete Clara ins Haus. Er zeigte ihr das Gästezimmer, das er bereits für sie hergerichtet hatte.

    „Das ist sehr hübsch."

    „Kein Vergleich mit deiner Villa, aber ich hoffe, dass es dir für die drei Tage genügt."

    „Ich brauche nicht immer eine Villa Henri, liebe Menschen um mich herum bedeuten mir mehr."

    Henri wurde verlegen und ging nicht weiter darauf ein. Nachdem er ihr das restliche Haus gezeigt hatte, ließ er Clara Zeit, sich von der Reise zu erholen und sich zu erfrischen.

    Zur Begrüßung hatte er, schon am Vortag, eine Flasche luxemburgischen Crémant kaltgestellt. Der Crémant wird in Luxemburg nach der gleichen Methode wie der Champagner hergestellt. Es gibt noch kleine Kellereien, die sogar die Flaschen mit der Hand rütteln. Der Unterschied und damit auch der Geschmack, bestehen in den verwendeten Trauben.

    Clara kam nach einer guten halben Stunde in den Salon. Die Sektkelche standen bereits auf der Rauchglasplatte, des runden Sofatisches vor dem Kamin. Nachdem Clara Platz genommen hatte, holte Henri den Crémant und öffnete gekonnt die Flasche. Henri reichte Clara ein Glas und prostete ihr zu.

    „Nochmals, herzlichst willkommen in meinem bescheiden Haus. Ich freue mich, dass du hier bist."

    „Prost!, sagte Clara, „ich bin auch froh, es endlich einmal hierher geschafft zu haben.

    Sie erzählten sich noch ein wenig, was sie in den letzten Monaten so alles erlebt hatten und fuhren danach in die Stadt Luxemburg.

    Der Spaziergang, den Henri sich vorgenommen hatte, sollte Clara einen ersten Eindruck von der Weltkulturerbestadt Luxemburg vermitteln. Henri führte Clara über die Corniche, ein Weg hoch über dem Tal der Alzette, der über die ehemaligen Stadtmauern führt. Er zeigte ihr die St. Michaels Kirche, aus dem dreizehnten Jahrhundert und die Kasematten auf dem Bockfelsen. Danach führte er Clara von der Oberstadt hinunter nach Clausen, dem aktuellen Zentrum des luxemburgischen Nachtlebens, über den Wenzelweg zu den Bauten von Vauban und durch das Petrussetal zurück ins Zentrum.

    Am späten Nachmittag kehrten sie nach Oetrange zurück und setzten sich auf die Terrasse. Die Sonne schien, und die Temperaturen waren sommerlich.

    Henri holte eine Flasche Weißwein aus seinem Keller. Er wollte Clara, die seiner Meinung nach, besten Weißweine der luxemburgischen Mosel näherbringen.

    Nachdem sie sich über alles Mögliche unterhalten hatten, bemerkte Clara, dass sie nur sehr wenig aus seinem früheren Berufsleben kannte.

    „Erzähl mir doch etwas mehr von deiner früheren Tätigkeit. Was waren das für Fälle, die du bei der Polizei zu lösen hattest? Gab es auch manchmal außergewöhnliche Verbrechen?"

    „Nun, die gab es sicherlich auch, aber die meisten Fälle hatten ähnliche Hintergründe. Eifersucht, Diebstahl, Unterschlagung, Erpressung und Betrug waren die häufigsten Auslöser für einen Mord. Nur einmal lag die Sache völlig anders, und war sehr verworren, damals hatten wir es mit einem Auftragskiller zu tun."

    „Das interessiert mich, erzählst du mir davon?"

    „Das wird aber eine lange Geschichte, meinte Henri. „Ich bin nicht sicher, ob die drei Tage, die du hier verbringen willst, ausreichen.

    „Egal, erzähl einfach, wenn es mir zu lang wird, werde ich dich bremsen, einverstanden?" Clara sah Henri an und nippt an Ihrem Wein, der ihr ausgezeichnet schmeckte.

    Henri nickte zustimmend und begann zu erzählen.

    Kapitel 1

    Es hätte ein wunderschöner Tag werden können, wenn da nicht dieser Anruf gewesen wäre. Medernach wollte gerade seine Angel und das vor drei Wochen begonnene Buch nehmen und für einige Stunden in die Gegend der Goebelsmühle fahren und seiner Leidenschaft, der Angelei nachgehen. Seit mehr als drei Monaten hatte er keine Gelegenheit mehr gehabt, sich an das Ufer eines Baches zu setzen, seinen Köder ins Wasser zu werfen und, während er auf den ersten Biss wartete, ein wenig zu lesen. Er hatte sich sehr darauf gefreut und jetzt dieser Anruf.

    „Chef, wir brauchen Sie, möglichst sofort, im Pfaffenthal, wir haben einen Toten in der Rue de Stavelot", teilte ihm sein Kollege, Roby Weis telefonisch mit.

    „Ich komme sofort, gib mir zwanzig Minuten", antwortete Medernach und stellte seine Angel wieder in die Ecke der Garage zurück, warf sein Buch, das er immer noch in der Hand hielt, auf den Rücksitz, verließ seine Garage und fuhr ins Pfaffenthal.

    Um diese Uhrzeit dauerte es nur wenige Minuten, um über Moutfort und Sandweiler in Richtung des Verteilers Irrgarten zu gelangen. Er nahm den Weg über den Kirchberg und nicht durch die Stadt. Die Strecke war vielleicht etwas weiter, aber dafür schneller. Als er die Val des Bons Malades hinunterfuhr, sah er bereits die Absperrung der Polizei.

    Medernach musste nicht einmal seinen Ausweis vorweisen, jeder schien Medernach, den langjährigen Chef der Mordkommission, zu kennen. Er war ja auch schon seit mehr als dreißig Jahren dabei. Chef der Mordkommission war er seit dem plötzlichen Tod, seines Freundes und Kollegen Düsseldorf, der bei einem Autounfall in Spanien, vor einigen Jahren, ums Leben gekommen ist. Medernach fuhr seinen schwarzen Mercedes an die rechte Straßenseite und stieg aus. Roby hatte seinen Chef kommen gesehen und kam ihm entgegen.

    „Ein unbekannter Toter, vermutlich wurde er mit einer neun Millimeter Waffe erschossen. Das Alter des Mannes liegt etwa bei vierzig Jahren. Es handelt sich wohl nicht um einen Raubmord, er hatte über tausend Euro in seinem Portemonnaie. Außer Kreditkarten und seinem Ausweis fehlt nichts."

    Roby hatte seinem Chef damit die wesentlichen Details mitgeteilt, bevor er danach fragen würde.

    „Wer hat den Toten gefunden?", fragte Medernach, als er an die Leiche herantrat.

    „Der Rentner dort drüben." Roby zeigte auf einen älteren Mann, in einer Jeans und einem dünnen grauen Pullover, der geduldig an einer Hauswand wartete, bis man ihn befragen würde.

    Medernach schlug das Leintuch, das die Kollegen über den Toten ausgebreitet hatten, zurück und sah sich das Gesicht an. Es war das Gesicht eines gepflegten Mannes, auch er hätte ihn auf etwa vierzig Jahre geschätzt. Seine Haare waren ganz kurz geschnitten. Er trug keinerlei Schmuck, weder um den Hals noch in den Ohren. Medernach zog das Tuch weiter herunter. Nun konnte er die Einschussstelle, direkt am Herzen, erkennen. Der Mann musste augenblicklich tot gewesen sein.

    „Neun Millimeter, sagte er, als er die Wunde näher betrachtete. „Der Schuss wurde aber aus einer gewissen Entfernung abgegeben. Es sind keine Schmauchspuren zu sehen. Es muss ein guter Schütze gewesen sein.

    „Kann auch ein Zufallstreffer gewesen sein", meinte Roby und sah Henri erwartungsvoll an.

    „Kann sein, meinte Medernach, „aber wenn wir uns den Einschusswinkel ansehen, dann müsste der Mann oder die Frau mindestens zwei Meter groß gewesen sein, wenn er oder sie aus kurzer Entfernung geschossen hat. Schau dir doch einmal den Schusskanal an.

    Henri trat etwas zurück und ließ Roby nun einen genaueren Blick darauf werfen. Henri hatte Recht. Die Kugel hatte den Mann aus einem Winkel von mindestens fünfzehn Grad getroffen. Aus einer kurzen Entfernung wäre das nur dann möglich gewesen, wenn der Täter erhöht gestanden hätte. Der Schuss ist entweder aus einem Haus oder von einer Stelle am Hang abgegeben worden. Wenn der Körper nicht bewegt worden ist, müsste der Schütze mindestens fünfzig bis hundert Meter entfernt gestanden haben. Mit einer Pistole, ein Präzisionsschuss.

    „Aber Henri, wenn der Tote mit einer neun Millimeter Pistole erschossen wurde und das aus einer großen Entfernung, dann könnte doch eine …"

    „…Walter p99 infrage kommen, mit Zielfernrohr", ergänzte Henri, den soeben von Roby begonnen Satz.

    „Das wäre dann aber schon ein Profi."

    Roby war sich sicher, dass auch Henri in diese Richtung dachte. Ein Profi als Täter, das hat es in Luxemburg schon lange nicht mehr gegeben. Sollte der Tote zur Mafia gehört haben? War er ein Mitglied einer kriminellen Bande? Es gab jede Menge Fragen, die es zu klären galt.

    „Ich wollte einmal wieder an einem Wochenende zum Fischen und jetzt dieser Fall, Roby ich vermute, dass wir länger brauchen werden, den Fall zu lösen."

    „Sehe ich genau so, wir sollten nicht lange zögern und gleich eine Sonderkommission einrichten. Was meinst du?" Roby sah seinen Freund und Chef an.

    Henri Medernach nickte stumm und betrachtete den Toten.

    „Was sagt die Spurensicherung, gibt es weitere, verwertbare Ergebnisse?" Die Frage richtete er an Roby, denn er selbst war bis jetzt noch nicht dazugekommen, sich den ganzen Tatort anzusehen.

    „Nein, absolut nichts, bis jetzt. Ich werde aber veranlassen, dass auch die weitere Umgebung in Augenschein genommen wird. Wenn der Schuss wirklich aus einer größeren Entfernung abgegeben worden ist, dann finden wir vielleicht noch einige brauchbare Hinweise."

    Roby Weis ging auf die Kollegen von der Spurensicherung zu und wechselte einige Worte mit ihnen. Als er wieder zu Henri zurückkam sah er, wie sein Freund gerade einen Zettel aus der Sakkotasche des Toten herausfischte. Roby trat näher. Henri, der inzwischen ein paar Handschuhe übergestreift hatte, hielt ein Blatt von einem gelben post-it Block zwischen seinem Daumen und Zeigefinger. Auf dem Blatt war eine Spinne aufgestempelt. Seltsam, dachte sich Medernach. War der Zettel dem Toten in die Tasche gesteckt worden oder trug dieser ihn bereits in der Tasche, als er hier eintraf?

    „Wie ist der Mann denn hier hergekommen?", fragte er Roby und sah von dem kleinen Blatt auf.

    „Vermutlich mit dem Auto. Wir haben zwar noch keine Schlüssel gefunden, aber ich nehme fast an, dass es sich um den blauen BMW 530 handelt, der dort drüben steht. Es ist eher unwahrscheinlich, dass der Wagen hier nur parkt." Roby sah Henri an.

    „Möchtest du nicht mit dem Mann sprechen, der den Toten gefunden hat? Er steht schon seit geraumer Zeit dort drüben."

    „Du hast Recht Roby, ich befrage ihn gleich einmal." Henri drehte sich um und ging zu dem Rentner, der geduldig am Rande des Tatortes wartete.

    „Henri Medernach, von der Mordkommission", stellte er sich dem Herrn vor.

    „Erzählen Sie mir doch bitte, wer Sie sind, und wie Sie den Toten gefunden haben."

    „Jean Molitor, ich wohne etwa achthundert Meter weit entfernt von hier. Wie jeden Tag, spazierte ich auch heute hier entlang. Dann sah ich den Toten da liegen und habe sofort die Polizei informiert."

    „Haben Sie irgendetwas gesehen oder gehört?"

    „Nein nichts, der Tote lag auf dem Seitenstreifen, so wie er jetzt noch immer daliegt. Die Straße ist nicht sehr stark befahren um diese Zeit, und so nehme ich an, dass ich bestimmt der erste war, der ihn entdeckt hat."

    „Sie haben auch keine Schlüssel gefunden?" Medernach sah dem Mann ruhig in die Augen.

    „Nein, gar nichts, ich habe bestimmt nichts weggenommen."

    „So war das auch nicht gemeint, erwiderte Medernach, „manchmal vergisst man aber in der Aufregung, etwas zu erwähnen, und dann ist es hilfreich, wenn wir danach fragen. Wenn Sie dem Beamten noch ihren Namen und ihre Anschrift geben, falls wir noch Fragen haben. Dann können sie nach Hause gehen.

    Jean Molitor nickte und sah, wie der junge Polizist, den Medernach herbeigewunken hatte, zu ihm trat.

    Medernach ging zurück zu Roby Weis und versuchte ein kurzes Resümee zu ziehen.

    „Wir haben einen Toten, vermutlich aus größerer Entfernung, mit einer neun Millimeter Pistole erschossen. Der Mann sieht wie ein Geschäftsmann aus, was seine Kleidung betrifft, kein auffallender Schmuck, und es sieht auch nicht nach einem Raubmord aus. Seine Identität müssen wir klären, da sowohl sein Personalausweis als auch Kreditkarten fehlen, die uns Hinweise geben könnten. In seinem Sakko befand sich ein post it, mit dem Abbild einer Spinne. Nicht gerade sehr viel." Medernach sah Roby fragend an.

    „Nein, wirklich nicht, aber wir hatten auch schon manchmal weniger." Roby grinste ein wenig, als er Henri ansah. Henri nickte zustimmend.

    Kapitel 2

    Es blieb Wollmann noch etwas Zeit, bevor er seine Wohnung verlassen musste, um zu dem vereinbarten Treffpunkt zu fahren. Er hatte den Anruf gegen einundzwanzig Uhr erhalten. Der Anrufer wollte sich mit ihm, kurz nach dreiundzwanzig Uhr, treffen. Als Ort hatte er ihm nur die Einmündung, der Rue de Stavelot in die Rue Saint- Mathieu, genannt. Er sollte seinen dort Wagen parken und an genau dieser Stelle auf ihn warten. Wollmann kannte weder den Namen des Anrufers noch seine Identität. Er wusste nur, dass er von diesem Mann wichtige Dokumente erhalten würde. Wollmann hatte sich seit Monaten mit den EU Subventionen, im Agrarbereich, an die verschiedenen Mitgliedsstaaten der Union, beschäftigt. Dabei waren ihm einige Ungereimtheiten aufgefallen, denen er jetzt, in seiner Eigenschaft als Journalist, nachging. Seine Story sollte der absolute Knaller werden, kurz vor den Wahlen zum neuen EU Parlament. Die Kommission und die Kommissare würden es sehr schwer haben, dem neuen Parlament, die Zustimmungen zu den Subventionen in dieser Höhe, abzuringen. Ihm fehlten noch verschiedene Dokumente, die den Missbrauch eindeutig belegten. Einen Teil würde er wohl nachher erhalten.

    Seltsam war es schon gewesen, als dieser Unbekannte angerufen und ihm die Dokumente angeboten hatte. Der Mann wollte weder seinen Namen noch die Abteilung nennen, für die er arbeitet. Er sagte nur, dass das Material mehr als brisant sei, und er es nur persönlich übergeben würde.

    Er war jetzt schon seit mindestens einem Jahr dabei, die Informationen zu sammeln. Drei kurze Artikel waren in der Zwischenzeit bereits von ihm erschienen. Stets wurden die entsprechenden Vorwürfe umgehend dementiert. Sie betrafen vor allem den Kommissar Alain Brieuc de Montfort, zuständig für die Landwirtschaft.

    Seit mehr als sechs Jahren war de Montfort

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