Rotmaschti - Augis und Zahnis Sommer mit dem kleinen Rotbarsch
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About this ebook
Es wird viel geritten, nicht nur auf Pferden.
GENAUER:
Die zwölfjährige Auguste, genannt AUGI, ist sehbehindert und wird von manchen KlassenkameradInnen und auch einigen Erwachsenen geringschätzig behandelt.
So auch von ihrer Klassenkameradin Petrete, mit der sie, halb im Scherz, wettet, dass sie auf einem Schwertfisch reiten könnte. Wenn ihr das gelänge, könnte sie erst recht auf einem Pferd reiten. Denn dies will ihr auch der Besitzer des Reitstalles wegen ihrer Behinderung bislang nicht gestatten.
Ihr kleiner Bruder Zacharias, genannt ZAHNI, kommt nach den Ferien in die Schule. Von den Eltern fühlt er sich oft vernachlässigt, da sich die Eltern mehr um seine behinderte Schwester sorgen. So zeigen die Eltern zunächst kein Interesse, als Zacharias ihnen einen verlorenen Milchzahn zeigen möchte.
Auf einer Reise an die Nordsee schließen die Geschwister Freundschaft mit Serena Leonie Klippschulze, der Wirtstochter. Diese zeigt ihnen ein paar Zauberhandtücher, mit denen sie unter Wasser atmen, dem Wasserdruck standhalten und mit den Tieren sprechen können.
Ein solches Zauberhandtuch fungiert auch als Kontakt zur Welt unter Wasser. Auf diese Weise vernehmen die Geschwister den Ruf, eine große Höhle zu finden, in der die Fische sicher vor den Grundschleppnetzen sind. Denn manche Arten, wie die Rotbarsche, sind vom Aussterben bedroht.
Diesem Ruf folgen die Geschwister nach einigem Widerstreben, zum einen weil Auguste in Aussicht gestellt wird, auf einem Schwertfisch zu reiten. Und zum anderen soll Zahni seinen Milchzahn wiederfinden, der in den Ausguss gerutscht ist.
Durch ein Loch in einer Klippe gelangen die beiden mit Hilfe der Zauberhandtücher in die Welt unter Wasser.
Dort treffen sie auf einen Delfin, auf dem sie reiten können, eine Schildkröte mit weißem Panzer, einen Seelöwen mit kurzer Mähne, zwei kluge Quallen sowie eine Krake, die zunächst noch unsympathisch wirkt, die aber später eine wichtige Rolle spielt. Zu ihnen gesellt sich ROTMASCHTI, ein kleiner Rotbarsch, der ihnen auf ihrer weiteren Reise mit seiner Sicht im dunklen Wasser behilflich ist.
Augi wird sich immer bewusster, dass ihr Hör- und Tastsinn, im Gegensatz zu ihrem Gesichtssinn, besonders gut ausgeprägt sind – und mit Hilfe dieser Sinne könnte sie einen Ort entdecken, wo die Fische vor den Netzen der Schleppnetzfischer sicher sind ...
Und ihr Bruder hofft in der Höhle von Zahnweißhaut, einem Weißen Hai, der allerhand Zähne sammelt, seinen verlorenen Zahn wieder zu finden ...
Allerdings ist da noch der Schleppnetzfischer STORTRECKNER, der andere Interessen verfolgt ...
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Book preview
Rotmaschti - Augis und Zahnis Sommer mit dem kleinen Rotbarsch - Norbert Schimmelpfennig
Personenverzeichnis
Menschen
Auguste Krumblum, ein Mädchen von 12 Jahren, genannt „Augi"
Zacharias, ihr Bruder, 6 Jahre alt, genannt „Zahni"
Frau Krumblum, ihre Mutter
Herr Krumblum, ihr Vater
Serena Leonie Klippschulze, 9 Jahre alt, Wirtstochter, genannt „Selenie"
Herr Stortreckner, ein Schleppnetzfischer
Torsten Jens, sein Sohn
Tiere
Rotmaschti, ein kleiner Rotbarsch
Rotmama und Rotbaba, seine Eltern
Weißpanzer, eine Schildkröte
Flippy-floppy, ein Delfin
Oktotussi, eine Krake
Neunhaarbart, ein Seelöwe
Zahnweißhaut, ein Weißer Hai
Quallgal, eine Portugiesische Galeere, also eine große Qualle
Quallitete und Quallificus, zwei weitere Quallen
Schnellschwert, ein Schwertfisch
Und viele weitere
Kapitel 1: Der fischförmige Reitplatz
Auguste, ein zwölfjähriges Mädchen mit rötlichen Haaren, erkannte das Wiehern und rief:
„Roträuber, komm her!"
Dieses Pferd, ein Fuchs, hieß eigentlich „Seeräuber".
Wegen seiner besonders starken Rotfärbung hatten ihn die Kinder jedoch vor einiger Zeit „Roträuber" getauft.
Der Zaun um den Reitplatz, der gleich neben der Halle für schlechteres Wetter lag, war wie ein Fisch geformt. Dadurch wollte Herr Quallensen, der Besitzer, an seine Heimat am Meer erinnert werden, die mehr als hundert Kilometer entfernt lag. Und der Sand auf dem Platz erinnerte ihn an den dortigen Strand.
Auch Auguste konnte sich so schon auf ihren bevorstehenden Urlaub an der Nordsee einstimmen.
Auf Roträuber ritt Petra, aus ihrer Klasse, die sie immer „Petrete" nannten, deren blonde Haare unter ihrer Reitkappe größtenteils verborgen lagen und die ihr zurief:
„Was willst du denn hier, Augi? Ist doch viel zu gefährlich, wenn du auf einem Pferd sitzt! Du würdest es ja nicht einmal sehen, wenn ich dem Pferd das Geschirr aus dem Maul nehme und an deinem Steigbügel befestige!"
Trotz der Hitze trugen beide Mädchen lange Hosen und Stiefel – Auguste Jeans und Gummistiefel, Petrete richtige Reithosen und Reitstiefel. Oben trugen sie Tops ohne Ärmel.
Petretes Armreifen klapperten beim Galoppieren. Trotzdem hörte Auguste deutlich die Schritte hinter sich, roch zudem einen bekannten Schweiß, und drehte sich um.
„Du kannst mich nicht erschrecken, Alficus!, sagte sie zu dem Jungen, der ihr nun gegenüber stand. Die rote Schrift auf dessen weißem T-Shirt konnte sie nicht eindeutig entziffern, aber sein Gesicht und seine blonden Locken schon noch. Er war ebenfalls aus ihrer Klasse und hieß Alfred Marcus, wurde von allen „Alficus
genannt.
„Das nächste Mal werde ich noch leiser sein!", erwiderte er, und Petrete sagte:
„Kannst du lesen, was auf seinem T-Shirt steht? Dort steht nämlich geschrieben: Augi darf nicht reiten, höchstens auf einem Schaf!"
„Komm, Petra, lass sie!", rief Herr Quallensen vom anderen Ende des Platzes. Er kam auf die Kinder zu und sagte:
„Im Ernst, Auguste: Ich könnte es auch nicht verantworten, dich reiten zu lassen! Du musst verstehen, dass es riskant wäre, mit deiner Sehbehinderung!"
Heute roch er nicht nur nach Stall, sondern auch nach Fisch – offenbar war seine Schwiegermutter aus Baxhaven zu Besuch. Diese brachte immer alle möglichen Fische und Meeresfrüchte mit, auch schon ältere.
Petrete meinte:
„Sag ich doch! Du würdest ja die Brennnesseln dort drüben überhaupt nicht sehen! Aber … falls du in den Ferien auf einem Fisch, gar einem Schwertfisch reiten kannst, wirst du das auch auf einem Pferd schaffen!"
Auguste erwiderte halb missmutig, halb trotzig:
„Ok, die Wette gilt!"
„Heiß heute, nicht?", sagte Herr Quallensen und schüttelte den Kopf.
Kapitel 2: Die Zauberhandtücher
Grafik 4Ankunft am Urlaubsort in Meeresnähe; noch ohne Zauber, dafür mit Träumen
Gerade träumte Auguste so schön von einem Aquarium. Darin starrte sie ein Fisch, der ähnlich wie ein Goldfisch aussah, mit großen Augen an.
Zacharias träumte von der Schultüte, die er bald erhalten sollte, an seinem ersten Schultag. Darin befanden sich Schokoladenplätzchen, bei deren Anblick ihm das Wasser im Mund zusammen lief. Aber keine Plätzchen in Form von Tieren – die liebte seine Schwester bereits zur Genüge. Bei ihm sollten es lieber schnelle Autos sein. Oder Waffen, mit denen er etwa einen Drachen oder Löwen besiegen könnte. Löwen mochte er schon eher; diese hatten eine ähnlich rote Mähne wie seine Schwester, an deren Haaren er immer wieder gerne zog.
Jäh wurden beide aus ihren Träumen gerissen, als das Auto anhielt und ein plötzlicher Regenschauer gegen die Scheiben prasselte.
„Das schöne Wetter vom Juli scheint vorbei zu sein", meinte Frau Krumblum, die Mutter der beiden Kinder.
Herr Krumblum, der Vater der Kinder, erwiderte:
„In den nächsten Tagen soll sogar ein Sturm aufkommen!"
„Alle rasch aus dem Auto!", rief die Mutter aus.
Deren schwarze, kurz geschnittene Haare und braune Augen schienen gar nicht zur Familie zu passen: Beide Kinder hatten die blonden bis rötlichen Haare und die grünen Augen von ihrem Vater. Dafür hatte Zacharias die schlanke Gestalt von seiner Mutter geerbt, die für eine Frau ziemlich groß war.
Auguste hingegen schien eher ihrem Vater nachzueifern, der kaum größer als seine Frau und ziemlich rundlich war. Beide Elternteile waren jetzt sechsunddreißig Jahre alt.
„Reicht uns doch bitte schon mal die Schirme von hinten!", bat der Vater seine Kinder und drehte sich nach hinten um. Die Kinder kraulten erst einmal kurz seinen dichten, rotblonden Vollbart, dann holten sie die Regenschirme hervor.
Nun standen sie auf dem Parkplatz vor einem zweistöckigen Gebäude aus roten Ziegeln, darauf ein großes Schild mit der Aufschrift „Pension Heimdall".
„Dies wird also unser Heim für die nächsten Wochen sein", meinte Auguste, worauf ihr Vater erwiderte:
„Ja; aber Heimdall war ein germanischer Gott – kann ich euch demnächst näher erklären!"
Zwar hatte Herr Krumblum möglichst nahe der Eingangstür geparkt, doch konnten sie trotz der Schirme nicht gänzlich verhindern, dass Teile ihrer Kleidung nass wurden: Ihre Jeans wie auch ihre Strümpfe, die beim Vater und den Kindern in Sandalen steckten. Nur die Mutter trug sogar im Urlaub noch Lackschuhe und einen grauen Hosenanzug.
„Willkommen" stand auf einem bunten Schild am Eingang, doch dies beachteten sie in ihrer Eile kaum. Drinnen mussten sie sich erst einmal kurz schütteln, bevor sie an den Tresen traten.
Hier befanden sie sich in einer kleinen Empfangshalle, die an ein Esszimmer grenzte. Der Boden war mit einem roten Teppich ausgelegt, und an den Wänden hingen Bilder vom Meer und von Fischern.
„Schönes Wetter haben Sie uns mitgebracht!", meinte lachend die Wirtin am Tresen, eine etwa dreißigjährige Frau mit langen, braunen Haaren und einem weißen T-Shirt.
„Ich bin Frau Klippschulze, führe mit meinem Mann diese Pension", sagte sie und fuhr fort:
„Tragen Sie sich bitte hier ein, dann zeige ich Ihnen die Zimmer!"
Sie schob Herrn und Frau Krumblum ein dickes Gästebuch hin, worin die beiden ihre Unterschrift leisteten.
Anschließend nahm sie zwei Schlüssel vom Brett hinter sich und stieg mit ihren neuen Gästen eine Holztreppe hoch. Die Stufen knarrten leicht, und die Flip-Flops der Wirtin klatschten hörbar darauf. Es roch nach altem Holz, aber dies vermischte sich schon mit dem frischen, salzigen Geruch des nahen Meeres.
Oben war der Gang mit einem gelben Teppichboden ausgelegt, und durch ein Fenster an dessen Ende konnte man auf ein paar Wiesen sehen, dahinter schließlich auf den Strand und das Meer.
Als Frau Klippschulze die erste Tür aufschloss, erklärte sie:
„Manchmal klemmen die Türen hier ein bisschen; da muss man nur ein wenig kräftiger drücken!"
In diesem Zimmer hingen, ähnlich wie im Erdgeschoss, Gemälde vom Meer und von Fischerbooten, darunter auch eines von Caspar David Friedrich. Der Großteil des Raumes war von einem zugedeckten Doppelbett ausgefüllt, und an den Wänden standen ein paar Holzschränke.
Durch das Fenster sah man auf einen Weg, der zum Strand führte.
Im Raum daneben waren die Möbel ähnlich angeordnet. Aber hier hing neben einem merkwürdigen Meeresbild, das sie sich erst noch näher ansehen mussten, ein Foto von einem alten Auto, und darunter war ein hölzernes Rad befestigt.
Dieses Rad sah aus wie auf einem Piratenschiff, oder wie an Zacharias’ Bett daheim. Bemalt war es mit Vögeln – Möwen oder Albatrossen – und Fischen, aber auch mit Autos, die am Wasser entlang fuhren. Zudem war es mit Griffen versehen, an denen man drehen konnte. In seiner Mitte befand sich ein biegsamer Zeiger aus Gummi, der irgendeinen der Griffe immer berührte.
Durch das Fenster waren in der Ferne ein paar Klippen zu erkennen.
„Das ist das Kinderzimmer!", rief Zacharias sogleich aus und rannte auf das Rad zu, fasste an dessen hölzerne Griffe und drehte das Rad schwungvoll.
Auguste