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Krebs-Endstadium! Was nun Joseph?
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Krebs-Endstadium! Was nun Joseph?

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About this ebook

Joseph Fröhlich, ein hoch angesehener und von manchen auch gefürchteter Richter, erfährt kurz vor seiner Pensionierung, dass er Krebs habe. Seine Lebenserwartung beträgt allenfalls noch ein Jahr.
Er beschließt, sich weder operieren zu lassen noch sich einer Chemotherapie zu unterziehen. Den Rest seiner Tage will er im warmen Süden verbringen und um kein Pflegefall zu werden, rechtzeitig selbst Hand an sich legen.
Ohne Verpflichtungen gegenüber anderen will er sein gesamtes Vermögen "durchbringen" und dann selbstbestimmt sterben.
Insbesondere seine Ehefrau Helene, die nichts von seiner Krebserkrankung weiß, soll ihn auf keinen Fall pflegen müssen. Er sucht deshalb einen Scheidungsgrund und findet ihn auch.
Es kommt jedoch alles ganz anders.

Der Autor hat dieses bereits im Juli 2013 erstmals erschienen E-Book überarbeitet und marginale Änderungen vorgenommen.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateAug 28, 2017
ISBN9783742776822
Krebs-Endstadium! Was nun Joseph?

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    Krebs-Endstadium! Was nun Joseph? - Herbert E. Große

    Joseph Fröhlich, ein hoch angesehener und von manchen auch gefürchteter Richter, erfährt kurz vor seiner Pensionierung, dass er Krebs habe. Seine Lebenserwartung beträgt allenfalls noch ein Jahr.

    Er beschließt, sich weder operieren zu lassen noch sich einer Chemotherapie zu unterziehen. Den Rest seiner Tage will er im warmen Süden verbringen und um kein Pflegefall zu werden, rechtzeitig selbst Hand an sich legen.

    Ohne Verpflichtungen gegenüber anderen will er sein gesamtes Vermögen „durchbringen" und dann selbstbestimmt sterben.

    Insbesondere seine Ehefrau Helene, die nichts von seiner Krebserkrankung weiß, soll ihn auf keinen Fall pflegen müssen. Er sucht deshalb einen Scheidungsgrund und findet ihn auch.

    Es kommt jedoch alles ganz anders.

    Kleines Vorwort

    Den geneigten Leserinnen und Lesern dieses Buches sei vorab versichert, dass die Leidensgeschichte, die ich berichte, nicht völlig frei erfunden ist.

    Joseph Fröhlich gab es wirklich, nur sein Name ist geändert.

    Ich habe ihn sehr gut gekannt und zwar so gut, dass ich alles so berichten kann, als wenn ich es selbst erlebt hätte.

    Auch seine beiden wunderbaren Frauen habe ich gekannt und kann sie bestimmt zutreffend beschreiben.

    All das versichere ich, so wahr ich Herbert E. Große heiße.

    Letztlich bitte ich meine französischen Leser um Verständnis dafür, dass ich fast alle französischen Worte und Begriffe „eingedeutscht" habe.

    Narbonne im Sommer 2016

    Der Anfang der Endzeit

    „Der Herr Professor bittet Sie, sich noch 10 Minuten zu gedulden. Ein Notfall verlangt seine Anwesenheit", sagte die Sekretärin.

    „Können Sie und der Herr Professor sich nicht einmal etwas Neues einfallen lassen, sich zu entschuldigen?", fragte ich.

    „Herr Fröhlich, wenn ich nicht wüsste, dass Sie und der Chef gute Freunde sind, würde ich Ihnen das genau erklären."

    „Lassen Sie es. Man musste schon in der Schule immer auf ihn warten, ein schrecklicher Mensch, Ihr Chef. Aber eins muss man ihm lassen, er hat immer attraktive junge Sekretärinnen. In meinem Vorzimmer sitzen stets nur alternde Beamtinnen. Aber ich bin dafür seltener im Büro als Ihr Chef."

    „Darf ich Ihnen eine Tasse Kaffee machen, Herr Fröhlich?"

    „Das ist eine sehr gute Idee. Aber bei dem, was mich gleich erwartet, wäre mir ein großer Cognac lieber."

    Die Sekretärin lächelte ganz lieb, stellte mir eine Tasse Kaffee und einen Cognac auf den kleinen Tisch, an dem ich wartend saß. Sie wusste ganz genau, dass sie mich nicht zu trösten brauchte. Trotzdem versuchte sie verzweifelt, mich in ein Gespräch zu verwickeln, um mich abzulenken.

    Nach kurzer Zeit wurde sie erlöst und der Professor öffnete die Tür zu seinem Zimmer.

    „Hallo Jo, komm rein!"

    In seinem Büro fragte er, wie weit meine Scheidung von Helene sei.

    „Alles läuft problemlos. Nun hör aber auf zu schwätzen und um den heißen Brei herumzureden. Wie sehen die letzten Laborwerte aus?", fragte ich ziemlich grob, um diesen Termin ganz schnell hinter mich zu bringen.

    „Jo, für eine Operation ist es fast schon zu spät, jetzt hilft nur noch ..."

    Manfred war froh, unterbrochen zu werden, als der Notruf erklang. Der Notfall konnte jedoch an einen der Oberärzte delegiert werden.

    Bevor er mit seinen Ausführungen wiederbeginnen konnte, fragte ich ihn ganz direkt, wie lange mein Krebs mir noch Zeit ließe. Er möge aber nicht sagen, dass es darauf ankäme.

    „Jo, also Klartext: maximal ein Jahr, wahrscheinlich aber kürzer. Wahrscheinlicher sind sieben oder acht Monate."

    „Danke für die klaren Worte. Machs gut und schicke bald die Rechnung. In zwei Wochen werde ich nicht mehr erreichbar sein."

    „Was hast Du vor, lieber Joseph?"

    „Mach Dir keine Sorgen. Zunächst werde ich so vor mich hinkrebsen und meinen absterbenden Körper beobachten. Das will ich aber im Süden in der warmen Sonne tun und nicht hier in dieser fast immer trüben Stadt. Außerdem möchte ich für Helene kein Pflegefall werden und rechtzeitig Hand an mich legen können. Ich will meine letzten Tage einfach nur genießen und mein Geld ausgeben. Muss für niemand mehr sorgen und habe auch keine Erben. Nur ein Problem habe ich noch. Wann merke ich, dass die Zeit gekommen ist, dass ich Hand an mich legen muss?"

    „Das merkst Du mit Sicherheit, glaube mir!"

    „Bevor ich verschwinde, sag mir bitte noch, warum es mit dem linken Bein immer schlechter wird?"

    Manfred erklärte mir, dass im Verlauf vieler Krebserkrankungen Schmerzen an verschiedenen Stellen auftreten könnten. Das liege daran, dass der Tumor das ihn umgebende Gewebe verdränge, in Nachbarorgane hineinwachse oder auf Nerven drücke. Es könnte sogar sein, dass fortgeleitete Schmerzen auftreten. Diese würden dann nicht am Ort ihrer Entstehung wahrgenommen, sondern in einer anderen Region des Körpers.

    „Deine malignen Melanome haben schon eine sehr höckerige Oberfläche und Knötchen, was deutlich auf eine vertikale Wachstumsrichtung hinweist. Sie haben auch schon Metastasen gebildet und diese befinden sich in der Leistengegend. Es ist aber unwahrscheinlich, dass Dein Verstand leiden wird."

    „Na, dann bin ich ja beruhigt", antwortete ich und verließ meinen Schulfreund. Die Sekretärin konnte ich nicht mehr grüßen, mein Hals war zu trocken geworden. Ich dachte nur noch daran, dass ich noch acht Monate hätte.

    Helene würde ich nichts von der Diagnose sagen, das stand fest.

    Doris ginge mir nur auf die Nerven, wenn sie wüsste, dass es bald mit mir vorbei sein würde.

    „Wenn ich jetzt einfach die Beziehung zu Doris beende, hätte ich meine Ruhe und sie müsste mich nicht bemuttern, was mich ohnehin entsetzlich stört. Wegen meines fast schwarzen Beines läuft im Bett ohnehin nichts mehr. Ist doch eine reine Vernunftsbeziehung geworden. Außerdem habe ich sie doch nur benutzt, um gegenüber Helene einen Scheidungsgrund zu haben", überlegte ich einen Moment lang.

    „Nein, das ist unfair nach der Zeit, die wir zusammen verbracht haben. Außerdem hat sie sich so auf die Kreuzfahrt gefreut", sagte ich mir.

    In meinem Büro wartete Doris. „Wann wirst Du Dir endlich ein Handy zulegen. Ich versuche schon den ganzen Tag Dich zu erreichen und niemand weiß, wo Du bist."

    Ich gab ihr keine Antwort.

    Sie wusste ganz genau, dass ich außerhalb des Büros für niemanden erreichbar sein wollte. Und im Büro lief jeder Anruf über die Geschäftsstelle und die Zimmerfrau, so nannte ich die Beamtin, die eigentlich Zimmermann hieß. Sie ließ ohnehin kaum ein Gespräch durch.

    Heute hatte ich sie offenbar mit „Frau Zimmermann" angesprochen und sie reagierte darauf sehr erstaunt.

    „Seit mehr als fünf Jahren sagen Sie „Zimmerfrau zu mir, was ist mit Ihnen los?, fragte sie mich und sagte dann gleich: „Wir haben nicht damit gerechnet, dass Sie heute noch einmal kommen würden. Es ist alles erledigt und auch schon an Ihre Vertreterin delegiert und zu deren Unterschrift umgeschrieben."

    „Was hätte ich all die Jahre nur ohne diese Frau gemacht?", dachte ich mir und ging wortlos in mein Büro.

    Doris fuhr das Auto nach Hause. Sie redete wie ein Wasserfall, wobei es immer nur um die Kreuzfahrt ging, zu der ich mich hatte überreden lassen. Ich hörte nicht wirklich zu, sagte aber von Zeit zu Zeit: „Ja, ja." Gott sei Dank wollte Doris zu sich nach Hause. Ich war richtig froh darüber, dass sie nicht über Nacht blieb.

    „Was hatte Manfred, der Professor, gesagt? Maximal noch ein Jahr; wahrscheinlich aber weniger", überlegte ich erneut.

    „Was, oder wie lange ist weniger? Ein Jahr hat 365 Tage. Aber wie viele Tage sind weniger? Wenn ich die Melanome an meinem Bein betrachte, wird es wohl eher weniger sein.

    Zuerst waren es nur münzgroße Melanome. Jetzt haben sie schon die Leiste befallen. Also beschließe und verkünde ich, der Richter, für mich und nur für mich allein, dass ich wahrscheinlich noch 30 Wochen habe", erzählte ich mit mir selbst.

    „Diese Woche zähle ich aber nicht mehr mit, man muss ja nicht zu pingelig sein. Und nächste Woche steht die einvernehmliche Scheidung von Helene an. Na gut, diese Woche werde ich schon mitzählen", überlegte ich.

    Noch 30 Wochen

    „Beide Parteien erklären, dass sie auf ein Rechtsmittel gegen den soeben verkündeten Beschluss verzichten. So soll es im Protokoll stehen?", fragte der Richter.

    Helene und ich antworteten mit einem klaren „Ja".

    „Damit sind Sie nunmehr geschieden. Die Sitzung ist geschlossen."

    Helene war ganz flott aufgestanden, hatte ihren Mantel vom Kleiderhaken genommen und schaute mir zu, wie ich mich mühsam von meinem Stuhl erhob. Ich wollte mein Problem mit dem linken Bein kaschieren, was mir aber nicht besonders gut gelang; musste den neu erworbenen Gehstock benutzen.

    „Ist es noch schlimmer geworden?", fragte sie und stützte mich.

    Als wir den modernen und großzügigen Sitzungssaal verließen, fragte mich Helene, warum dieser Kollege als Familienrichter eigentlich Jura studiert haben müsse und warum wir, also die Zivilkammern beim Landgericht, in kleinen muffigen Sitzungssälen säßen.

    Ich hatte keine Lust, das alte Thema neu zu diskutieren; zumal der Kollege Familienrichter am Anfang seiner beruflichen Laufbahn in meiner Kammer Assessor war und ich ihm wegen seiner juristischen Fähigkeiten empfohlen hatte, sich statt mit großen juristischen Problemen zu beschäftigen, doch lieber Familienrichter zu werden.

    „Hast Du Lust, essen zu gehen? Wir könnten zum Italiener, fragte ich und Helene antwortete wie erwartet: „Jo, das ist eine gute Idee. Ich habe alle meine Nachmittagstermine verlegt und alle Zeit der Welt.

    „Gut, dann auf!"

    Sobald ich einige Schritte gegangen war, ging es ohne Stock. Nur mit dem Autofahren wurde es immer komplizierter. Trotzdem fuhren wir mit meinem Auto zum Restaurant.

    „Wollen wir nicht doch noch die Autos tauschen?", fragte Helene.

    Im Vorfeld unserer Scheidung hatten wir uns über alles freundschaftlich und einvernehmlich geeinigt.

    War ja auch nicht schwierig, da wir beide über je ein ausreichendes Gehalt verfügten und Helene unser Haus erhalten sollte. Für eine Übergangszeit wollte ich lediglich die Souterrainwohnung nutzen, womit Helene einverstanden war. Wegen unserer Autos hatte ich das Gefühl, dass Helene lieber den Mercedes als den BMW wollte. Ich hatte keine besondere Beziehung zu einem Auto, sodass es mir egal war.

    „Der Mercedes ist doch für Dich bequemer, zumal es mit Deinem Bein offenbar schlechter wird", sagte Helene.

    Während des Essens hatte sie mich vom Wechseln der Autos überzeugt. Sie hatte noch immer die besondere Gabe, mir kein schlechtes Gewissen zu machen.

    „Hans will demnächst zu mir ins Haus ziehen. So richtig begeistert bin ich davon nicht. Eine eventuelle Trennung wird mit Sicherheit nicht so einfach wie mit Dir", sagte Helene fast nebenbei.

    Ich gab ihr keine Antwort, warum auch?

    „Wie wird es mit Doris und Dir weitergehen?"

    Eine verbindliche Antwort konnte ich nicht geben, weil es doch in letzter Zeit in meiner Beziehung zu Doris recht oft ruckelte und sie doch nur ein Vorwand war, mich von Helene zu trennen.

    „Ich weiß es nicht. Nächste Woche machen wir eine Mittelmeerkreuzfahrt; mal sehen, was danach wird", gab ich letztlich doch als Antwort.

    „Das glaube ich Dir nicht, Jo. Du und eine Kreuzfahrt?"

    „Ja, ich habe mich überreden lassen."

    „Jetzt wirst Du aber wirklich alt. Demnächst gehst Du auch noch in ein Musical", sagte Helene.

    „Manfred meinte, unbedingt operieren zu müssen. Doch ich will nicht. Auf der Kreuzfahrt will ich aber nochmals alles bedenken."

    „Ist es so schlimm mit Deinem Bein?, fragte jetzt Helene und fuhr zugleich fort: „Du weißt, dass Du auch weiterhin auf meine Hilfe zählen kannst. Hans wird erst dann bei mir einziehen, wenn Du mich nicht mehr brauchst.

    „Lass ihn ruhig einziehen. Ich will keine Hilfe von Dir", sagte ich ihr.

    Jetzt war ja erreicht, was ich wollte. Helene müsste mich im Notfall auf keinen Fall pflegen. Wenn ihr das bewusstwird, was wird sie mich dann beschimpfen.

    „Du wirst Dich nicht mehr ändern, alter Jo. Aber bitte erzähl mir später ausführlich von Deiner Kreuzfahrt."

    „Mach ich", sagte ich gedankenverloren und bestimmt etwas traurig, weil ich Helene ja nie den wirklichen Grund für meinen Scheidungswillen gesagt hatte.

    Gut, dass ich mich schon übermorgen auf Kreuzfahrt begebe, dann laufe ich auch nicht Gefahr, Helene versehentlich den wahren Grund für unsere Scheidung zu nennen.

    Noch 29 Wochen

    I.

    Der Tag nach der Scheidung war furchtbar. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und wusste nicht, aber auch gar nicht, mit mir anzufangen. Meine Krebserkrankung und das baldige Ende meines Daseins machten mich so zornig, dass ich es jetzt nicht mehr erwarten konnte, mit Doris loszufahren. Gut, dass Doris in ihrer eigenen Wohnung geblieben war; ich hätte sie heute nicht ertragen können.

    Nach meinem Selbstgespräch, oder besser gesagt, nach meiner Selbsterkenntnis packte ich meinen kleinen Koffer für die Kreuzfahrt.

    In meinem Schrank befanden sich nicht mehr viele saubere Unterwäscheteile.

    Ich verstaute noch drei weiße Hemden und zwei karierte Flanellhemden, eine Jeans und eine Cordhose. Danach hatte ich keine Lust mehr zum Packen und trank noch eine Flasche Champagner. Im Kühlschrank fand ich noch eine Palette Räucherlachs und etwas Käse. „Was will man mehr, Champagner, Lachs und einen guten Ziegenkäse?", sinnierte ich und versuchte einzuschlafen.

    Es war bereits neun Uhr, als ich wach wurde.

    Auf dem Anrufbeantworter leuchtete die Zahl drei. Alle drei Anrufe stammten von Doris. Ich hatte das Telefon leise gestellt und deshalb das Läuten nicht gehört, wollte es auch nicht hören. Die drei Anrufe löschte ich, ohne sie abgehört zu haben.

    Der Kühlschrank war gestern Abend leer geworden, sodass ich mir nur eine Tasse Kaffee machen konnte. Noch vor dem ersten Schluck klingelte das Telefon. Doris wollte wissen, wann ich bei ihr sein würde.

    „Ich fahre in einer viertel Stunde los", antwortete ich ihr.

    Auf der Autobahn wurde Doris ruhiger. Sie wollte unbedingt, dass ich das „Navi" einschalte. Ich konnte ihr nicht verständlich machen, dass man auf einer Autobahn kein Navi benötige, weil die Staumeldungen ohnehin im Radio gesendet würden und es meist sinnlos sei, einen Stau weiträumig zu umfahren.

    „Und woher weißt Du, wohin Du fahren musst?", fragte sie.

    Meine Antwort, dass ich doch die Wegweiser immer noch selbst lesen könne und dafür keinen Vorleser brauche, überzeugte sie nicht. Schließlich gab ich nach, um meine Ruhe zu haben. Ich hatte allerdings den Ton abgeschaltet, sodass auch Doris bald nicht mehr auf die Anzeige des „Navi" schaute.

    Gegen Mittag passierten wir das Frankfurter Kreuz und Doris war mit ihrem Make-up endlich fertig; dafür begann sie, wieder laut zu reden.

    Ich war mir sicher, dass sie das Schminken und laute Reden auch dann nicht gelassen hätte, wenn sie gewusst hätte, wie mich das nervt.

    Helene hatte sich kaum geschminkt, war ruhig und gab nur gescheites Zeug von sich.

    Hinter Heidelberg schlief Doris endlich mit offenem Mund ein.

    Ich gab mir Mühe, sehr gleichmäßig zu fahren, damit sie recht lange schlafen und ich sie so einige Zeit ertragen konnte.

    Am Kaiserstuhl wurde sie wach und wir hielten an der nächsten Raststätte.

    Ich hatte immer noch nicht begriffen, dass man zuerst pinkeln gehen muss, um danach den Kaffee mit dem Pinkelbon zu bezahlen.

    Doris hatte schon oft versucht, mir das plausibel zu machen. Mir war dieses Ritual zu blöd. Wenn ich pinkeln muss, dann muss ich Pinkeln, und wenn ich einen Kaffee will, kaufe ich mir einen Kaffee.

    Doris hatte ja recht, dass man das Pinkelgeld gleich wieder zu Kaffee machen könne, bevor man den Bon verlöre. In letzter Zeit wollte ich aber irgendwie nicht mehr das machen, was Doris vorschlug.

    Nach der Weiterfahrt war ich gedankenverloren.

    Bevor ich weiter sinnieren konnte, wurden im Autoradio die aktuellen Fußballergebnisse bekannt gegeben. Ich hatte für den Moment vergessen, dass Doris ein großer Fußballfan war und man sich mit ihr überhaupt nicht mehr vernünftig unterhalten konnte, wenn es um Fußball ging. Die Vita jedes Spielers war ihr bekannt. Sie kannte jede Kleinigkeit von „ihrer" Mannschaft, insbesondere was und wie es der Trainer ausdrückte.

    Mir fiel wieder der Kommentar eines meiner Beisitzer ein: „Aber immerhin „chapeau! vor den Trainern, die es schafften, eine Gruppe nicht gerade hochbegabter und meist noch spät pubertierender jüngerer Männer dazu zu bringen, auf dem Spielfeld das zu tun, was sie, die Trainer, wollen. Das führt dann auch noch dazu, dass zigtausend Fans in den Vereinsfarben gekleidet, brüllend oder singend in Jubelstürme oder Buhrufe ausbrechen und nach dem Spiel fachkundig diskutieren. Dabei sind sie dann die größten Fachleute aller Zeiten und wissen zu analysieren, was wer falsch oder richtig gemacht hat und wie viele Millionen der einzelne Spieler bei objektiver Betrachtung wert ist. Selbst der Schiedsrichter wird dabei nicht ausgenommen.

    Und dann fiel mir noch

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