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Kategorie: Glück
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Ebook226 pages3 hours

Kategorie: Glück

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About this ebook

Es geht in meinem Werk nicht hauptsächlich um den Glücksbegriff ,sondern vorrangig um die Frage, wie man zum Glück gelangen kann. Dazu begebe ich mich in verschiedenste Glücksfelder, innerhalb derer jeder Glück erfahren kann, weil es sich bei diesen Glücksfeldern um Erlebenssphären handelt, die jedem in seinem Leben begegnen, wenn er nur will, Ich zeige auf, dass es nur der Aktivität des Einzelnen bedarf, um innerhalb dieser Glücksfelder sein Glück zu finden. Dabei grenze ich Glück von Zufriedenheit ab und erhalte am Ende gleichsam als Substrat fünf Glückssäulen, wie ich sie nenne:
Bildung Gesundheit, gutes Aussehen, Selbstbeherrschung und positive Freiheit. Auf diese fünf Glückssäulen konzentriert sich schließlich das, was letztlich das Glück ausmachen kann, es liegt beinahe ausschließlich in der Hand eines jeden, was er aus seiner Glückssuche macht. Es fällt auf, dass der Faktor materielles Wohlergehen gar nicht erscheint, das liegt daran, dass Reichtum zwar eine Rolle für die Glückserlangung spielen kann, er schafft es aber immer nur für eine kurze Dauer, den Betreffenden glücklich zu stimmen, nachhaltiges Glück vermittelt sich immer nur innerhalb der von mir ausgeweisenen Glückssäulen.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateJun 4, 2015
ISBN9783738029369
Kategorie: Glück

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    Book preview

    Kategorie - Hans Müller-Jüngst

    Vorbemerkung

    Ich werde im Folgenden den Versuch unternehmen, Erlebenssphären aufzuzeigen und zu schildern, wie sich der Protagonist in ihnen verhält, sich bewährt oder scheitert, sie interpretiert, gegen sie ankämpft, sie sich zunutze macht oder sie verwirft. Da die Erlebenssphären letztlich sein Leben sind, muss er sich mit ihnen auseinandersetzen, je nachdem, wie er mit seiner Person in sie involviert ist, und sie sich intensiv oder oberflächlich zeigen. Erlebenssphären sind Wahrnehmungsräume, ich projiziere meine Sinne auf ihre spezifische Ausprägung und internalisiere das Erlebte, das heißt: ich mache es zu einem Teil meiner Lebenserfahrung. Dieser Prozess ist sehr wichtig für jeden von uns, und er vollzieht sich zumeist unbewusst.

    Die Filter, die darüber befinden, was ich internalisierte und was nicht, sind in mir angelegt und werden kulturell tradiert, ich habe auf sie kaum einen Einfluss. Ich kann natürlich eine bestimmte Erlebenssphäre besonders intensiv betonen und mich ihr verstärkt zuwenden, dann wird das Internalisierungspotenzial sicher groß sein. Oder ich bewege mich in ihnen mit Ablehnung oder sogar Abscheu, vielleicht zwangsweise, dann werde ich nicht so viel internalisieren und das, was ich verinnerliche, werden negative Erinnerungen sein, die ich nicht so gern ans Tageslicht hole.

    Erlebenssphären sind relativ konstante Räume der Lebenserfahrung, die das Leben begleiten, oder es letztlich sogar ausmachen. Es gehören aber auch sich zufällig ergebende Situationen der Lebenserfahrung dazu wie ein plötzliches Zusammentreffen mit Konflikten, in denen aber die Art, wie ich mich bewähre, von der bis dahin gemachten Lebenserfahrung abhängt. Indem ich mich damit festlege und zeige, wie ich mich in der betreffenden Erlebenssphäre verhalte oder verhalten würde, mache ich mich taxierbar. Man wird den Protagonisten, hinter dem ich mich verberge, identifizieren und einschätzen können. Lebenserfahrung macht man, indem man lebt und das Erlebte verinnerlicht, es nach Maßstäben, die gerade gelten, einen Teil seiner selbst werden lässt.

    In der Regel spielen in den Erlebenssphären immer andere Individuen einen Rolle, entweder direkt, als Teilnehmer oder indirekt, indem sie die Erlebenssspähre mit geschaffen haben. Man kann sich der Lebenserfahrung verschließen, indem man sich abkapselt, wie ein Eremit das tut und in sich geht. Alles, was man dann verinnerlichen kann, entspringt der Kontemplation oder vielleicht irgendwelchen Schriften. Im übelsten Fall entzieht man sich ganz und verzichtet auf jedweden Kontakt mit äußeren Einflüssen, sodass man verkümmert und gar keine Lebenserfahrung sammelt. Ich werde in den sich anschließenden Überlegungen Erlebenssphären des Protagonisten locker aneinanderreihen ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Es soll deutlich werden, wie man Lebenserfahrung sammeln und dabei Glück erfahren kann.

    Kindheit

    Paulo Köhler wurde 1950 geboren, in einer Zeit also, die nicht lange nach dem Kriegsende lag, vom Krieg war aber zumindest für die Kinder kaum noch etwas spürbar, die Erwachsenen litten natürlich noch lange unter den Folgen des Krieges. Paulos Vater war Soldat gewesen, und er hielt große Stücke auf Zucht und Ordnung, zumindest ließ er das nach außen hin immer erkennen. In Wahrheit aber trauerte er der Zeit des Nationalsozialismus nicht nach, und er genoss, genauso wie Paulos Mutter, den ganz allmählich spürbaren wirtschaftlichen Wiederaufstieg.

    Die beiden gaben sich dem lange Zeit vermiedenen Konsum hin, ohne groß zu überlegen, ob der maßlose Konsum um jeden Pries der richtige wäre. Jeder machte es so, jeder kaufte nach dem Krieg, was es mit den bescheidenen Mitteln, über die man verfügte, zu kaufen gab, und das waren vor allem Lebensmittel, bei denen die Eltern besonders während der Kriegszeit darben mussten. Paulo war natürlich Nutznießer des plötzlichen Überflusses, ohne dass er ihn aber als solchen einzuschätzen wusste, denn er kannte ja die Zeit des Mangels nicht. So wuchs Paulo heran, ohne jemals Hunger leiden zu müssen, und er genoss die Zeiten beginnender Prosperität, in der er nicht dick war, er war aber auch kein dünner Hering und nicht von Nahrungsknappheit ausgemergelt. Das Zepter schwang in Paulos Familie eindeutig die Mutter, die sich geschickt dem vermeintlichen Diktat des Vaters zu unterwerfen wusste. Die entscheidenden Weichenstellungen in der Familie liefen aber über sie, besonders, was den Umgang mit Geld betraf. Sie verstand es auf beinahe unnachahmliche Weise, strenge Sparsamkeit mit einem Kaufverhalten zu koppeln, das jedem Familienmitglied immer das Gefühl gab, ausreichend versorgt zu sein. Paulo hatte zwei Brüder, einer war 9 Jahre älter und mit dem hatte er folglich kaum gemeinsame Interessen. Der andere war etwas mehr als ein Jahr älter und mit ihm teilte er seine Freizeit, sie hatten gemeinsame Freunde und unternahmen täglich irgendwelche Dinge mit denen.

    Paulos Mutter kochte gut und gerne, sie wusste immer, mit Lebensmitteln, die gerade günstig zu erstehen waren, etwas Schmackhaftes zuzubereiten.

    Sein Vater lobte sie wegen des guten Essens, und man konnte immer beobachten, wie er mit Bedacht aß. Er hielt Paulo und seine Brüder dazu an, immer ihre Teller leer zu essen. Das nahmen sie zwar zur Kenntnis, sie fühlten sich aber wegen des ständigen Wiederholens dieser Aufforderung gelangweilt. Zum Haushalt von Paulos Familie gehörten ein großer Garten, aus dem sie sich mit Gemüse versorgte und Kleinvieh, das geschlachtet wurde und so auch den Speiseplan erweiterte. Die Versorgung von Garten und Kleinvieh war Sache von Paulo und seinen Brüdern, Paulos Mutter behielt dabei aber die Oberhand. Sein Vater war Polizist und leistete Schichtdienst, er konnte oder wollte sich deshalb nicht so sehr um Garten und Vieh kümmern. Er erging sich immer in ausgedehnten Pausen, wenn er zu Hause war, und dazu gehörte eine mindestens zweistündige Mittagsruhe. Das Haus, in dem Paulos Familie zur Miete wohnte, lag neben zwei Obdachlosensiedlungen, in denen die Ärmsten der Armen dahinvegetierten. Der Unterschied zu den Obdachlosen ließ die eigene Situation blendend erscheinen, was sie in Wirklichkeit nicht war, aber man hatte sein Auskommen und war zufrieden.

    Paulos Besuch des evangelischen Kindergartens, die Mitgliedschaft seiner Mutter im kirchlichen Mütterkreis und regelmäßige Kirchbesuche ließen Paulos Familie eng an die Kirche heranrücken. Nachdem Paulos Vater über Jahre hinweg seinen Dienst als Presbyter versehen hatte, nachdem regelmäßig der Küster und dessen Frau, aber auch alle Pastoren, die in der Gemeinde eine Rolle gespielt hatten, zu Besuch gekommen waren, verdichtete sich das Verhältnis zur evangelischen Kirche immer mehr. Schließlch wurde Paulos Vater zum Kirchmeister gewählt, das war der Vorsitzende des Presbyteriums und ein Amt, das schon eine gewisse Achtung genoss. Fortan war Paulos Familie Dreh- und Angelpunkt, wenn es darum ging, Entscheidungen zu fällen, die die Kirchengemeinde angingen und bei denen das Presbyterium und Paulos Vater als dessen Vorsitzender mitzubestimmen hatten. Die Pastoren gingen bei Paulos Eltern ein und aus, und weil seine Mutter ein sehr geselliger Mensch war, mit dem man gern zusammensaß, kamen sie auch einfach ohne offiziellen Grund und ohne etwas für die Gemeinde zu erledigen. Auch die Gemeindeschwester kam oft und trank gern einen Schnaps, den Paulos Mutter immer im Kühlschrank hatte. Oft trank sie für ihre Verhältnisse zu viel und fuhr mit ihrem VW, nicht mehr nüchtern, zu ihrer Wohnung über der Kirche zurück. Es hatte sich in Paulos Familie ein regelrecht orthodoxer Protestantismus eingeschlichen, man gab sich gläubig und besuchte immer den Gottesdienst. Das Verhältnis zu den Katholiken war beinahe feindschaftlich, man spottete über deren Fronleichnamsprozession, bei der jemand mit einem Rauchgefäß vorweg ging und es vor einer Monstranz schwenkte.

    Man zwang Kinder, teilzunehmen, wie überhaupt der Katholizismus sehr viel mit Zwang zu tun hatte. Paulos Familie lebte einen, wie seine Mutter und sein Vater meinten, freien Protestantismus, der scheinbar niemanden zwang, sein Verhalten nach ihm auszurichten. Tatsächlich aber bestimmten zum Teil subtile, von der Mutter lancierte Verhaltensnormen das alltägliche Leben. Dazu gehörten das Gebet vor dem Essen, aber auch bei ihr ganz tief sitzende, beinahe an Aberglauben grenzende Zwänge im Verhalten wie das Ermahnen von Paulo und seinen Brüdern, bestimmte Äußerungen doch zu unterlassen, weil sie Gotteslästerung wären oder das permanente Sich-Bekreuzigen. Oder sie gab Redewendungen von sich, die sie aus grauer Vorzeit übernommen hatte und bestimmte Erscheinungen kommentierten, die sich rein zufällig einstellten. Wenn zum Beispiel eine Spinne über den Tisch lief, sagte sie:

    „Spinne am Mittag, Glück am dritten Tag! oder „Spinne am Abend, erquickend und labend! So war auch ihr Glaube angelegt, er saß unverrückbar tief und war ein nicht hinterfragbares Verhaltensreglement, das sie auf die Familienmitglieder zu übertragen suchte. Paulo und seine Brüder folgten im Kindesalter noch ihren Maßgaben, sie lösten sich aber mit den Jahren davon und wandten sich vom Glauben und von der Kirche ab. Paulo unterschied sich von Anfang an von seinen Brüdern, die beide eine Ausbildung absolvierten und so schon früh in Kontakt zum Arbeitsleben kamen.

    Er besuchte nach der Grundschule das Gymnasium und ging seine eigenen Wege, zwar blieb der Kontakt zu seinen Brüdern bestehen, er war aber nur oberflächlich. Während seiner Kindheit besuchte er den Kindergarten und anschließend auch den Kinderhort, als er schon in die Schule ging. An seine Grundschulzeit hatte er kaum Erinnerungen, an den Kinderhort schon, denn der fand direkt gegenüber von dem Haus statt, in dem er lebte, und seine Mutter kannte die Leiterinnen gut. Selbstverständlich war das Leben in Kindergarten und Kinderhort christlich geprägt, schließlich handelte es sich um kirchliche Einrichtungen. In den Gruppen wurde regelmäßig gebetet und man sang christliche Lieder, die Pastoren kamen zu Besuch und sahen nach dem Rechten. Einige Schulkameraden von Paulo gehörten mit zu der Hortgruppe, und dort festigten sich langanhaltende Freundschaften und man lief gemeinsam den Schulweg. Nachmittags, nach dem Hort, unternahmen sie etwas zusammen, fast immer steckten sie ein Feuer an, standen daran und starrten in die Flammen. Im Herbst ließen sie selbst gefertigte Drachen in den Himmel steigen, die Baupläne für die Drachen hatten sie von anderen übernommen, und sie kauften sich das Papier und die Latten für die Drachen im Tapetengeschäft, den Leim stellten sie aus gekochten Kartoffeln selbst her.

    Schon sehr viel aufwändiger war es, einen Tomahawk aus einem alten Türscharnier zu schmieden. Die Hülse für die Stielaufnahme war zwar schon vorhanden, es musste aber mit unzähligen Hammerschlägen ein Blatt geformt werden. War die Arbeit so weit vorangeschritten, spannte Paulo das Tomahawk in den Schraubstock und feilte eine Schneide an das Blatt, was ebenfalls seine Zeit in Anspruch nahm. Paulo erlernte während seiner Kind- und Jugendzeit viele handwerkliche Fertigkeiten, er konnte quasi mit jedem Werkzeug umgehen, kannte sich mit der Gartenarbeit, mit Fahrradreparaturen und anderen Arbeiten aus, die im Haushalt anfielen. Das waren Fertigkeiten, die Paul später bei der Ausgestaltung seines Lebensraumes halfen, nicht die Gartenarbeit und auch nicht allein die Fahrradreparatur, vielmehr das handwerkliche Geschick in seiner Summe, er konnte leichte Elektroarbeiten verrichten oder später auch seine Autos selbst reparieren. Er war im Grunde froh darüber, von zu Hause aus so viel mitbekommen zu haben, dass er sich meistens zu helfen wusste, wenn es etwas zu reparieren gab. Allerdings dachte er mit Grausen daran zurück, wie er zu Hause an die Arbeiten herangeführt wurde, denn das vollzog sich beinahe ausschließlich über Druck und Anordnung vonseiten des Vaters.

    Unter Flüchen und mit geballter Faust in der Tasche kam Paulo den Anordnungen immer nach, er musste Land umgraben, Kohlen in den Keller schaufeln, Kaninchenfutter suchen, Holz hacken und Schuhe putzen, alles Arbeiten, die er nur mit großem Widerwillen erledigte. Wie hasste er es, wenn ihm ein Zettel unter die Nase gehalten wurde, auf dem die Anordnungen seines Vaters festgehalten waren, er selbst war auf seiner Schicht bei der Polizei. Oder Paulo sah aus dem Bus, mit dem er aus der Schule kam, bei sich vor dem Haus einen großen Berg Kohlen liegen, und er wusste, dass er den in den Keller befördern musste, auch wenn er noch so fluchte und schimpfte. So wurde Paulo zu Hause geprägt und ein Verhaltensrepertoire in ihm angelegt, das ihn als mündigen Bürger am Leben teilnehmen ließ, und das er an seine eigenen Kinder weitergeben konnte. Einiges ist ihm aber verleidet worden wie die Gartenarbeit, die teilweise wirklich bis an die Grenze der physischen Belastbarkeit ging, und deren Sinn er erst viel später begriff. Auch erst viel später ging ihm auf, dass ihm zu Hause ein hohes Maß an Selbstdisziplin und Selbstbeherrschung auferlegt worden war, deren Wert sich für vielfältigen Erfolg im späteren Erwachsenenleben erst in letzter Zweit erschlossen hat. Ebenso waren Gewissenhaftigkeit und Ausdauer Fähigkeiten, die ihm zu Hause durch die Arbeiten, die er erledigen musste, vermittelt wurden und ihm später sehr zu Diensten waren.

    Wenn man Paulo nach seiner Kindheit fragte, was er an ihr besonders erwähnenswert gefunden hatte, so waren es diese Arbeiten und der damit verbundene Zwang, denen er sich beugen musste.

    Allerdings hob er auch Momente großen Glücks hervor, die er in der starken Familienzusammengehörigkeit verortete und auch in der Geborgenheit begründet sah, die besonders auf das Wirken der Mutter zurückzuführen war, sie war immer allen ein gutes Vorbild und liebte ihre Kinder abgöttisch. Paulo konnte solche Momente großen Glücks auch benennen: da war das Essen nach der Schule, bei dem sich seine Mutter mit zu ihm an den Tisch setzte, da war das samstägliche Bad mit Badesalz, der frische Kuchen und die Samstagsabendsendung im Fernsehen, das Mittagessen am Sonntag und viele weitere Dinge mehr, die er aufzuzählen in der Lage war und ihn über den vielfältigen Zwang hinwegsehen ließen. Allein die Tatsache, dass Paulo so vieles erinnerte, Gutes wie Schlechtes, zeigte ihm, wie wichtig ein gutes Elternhaus für die Kindheit eines jeden war und wie bemitleidenswert all jene waren, die aus zerrütteten Familien stammten, und da musste er an die Familien in den Obdachlosenasylen denken. Paulo fühlte sich alles in allem sehr wohl und war froh, aus einer Familie zu stammen, in der er auch schon als Kind gefordert wurde, denn die Liebe die er erfahren hatte, wog jeden Zwang wieder auf.

    Bildung

    Paulo wurde wie alle Kinder mit 6 Jahren in die Grundschule eingeschult, und er bekam an seinem ersten Schultag eine große Schultüte, die mit allerlei Süßigkeiten gefüllt war. Er trug eine kurze Lederhose und hohe Lederschuhe, das war damals so Standard und wurde von beinahe allen anderen Schulkindern auch getragen. Es wurden Fotos geschossen, und Paulo stand stolz und blickte in die Kamera. An diesem Tag begann für Paulo eine 14jährige Schulzeit, in der ihm beigebracht wurde, was es hieß, zu leben. Und was sich so hochtrabend anhörte, war wirklich so gemeint, denn es ging in der Schule längst nicht nur um Wissensanhäufung. Es ging auch um das Erlernen sozialer Kompetenzen, das war ein Begriff, der damals noch nicht existierte, und der umfassend beschrieb, was neben dem kognitiven Wissenserwerb noch gemeint war, nämlich die Aneignung von Empathie und Rücksichtnahme, von Ausdauer und emotionaler Wärme. Aber diese Qualifikationen spielten erst viel später eine Rolle, zuerst ging es ans Bimsen, und das hieß lernen, lernen und nochmals lernen. Aber das Lernen fiel Paulo leicht, das kleine Einmaleins flog ihm quasi zu, und er erlernte auch schnell das Lesen und Schreiben, denn das hatte er immer schon zu Haue geübt. Seine Mutter hatte mit ihm das kleine Einmaleins rauf und runter gepaukt und ihm Zeitungsausschnitte zu lesen gegeben, die waren zwar nicht in lateinischer Schrift geschrieben, er kam aber mit den Druckbuchstaben schnell zurecht.

    Und so konnte Paulo vor seinen Mitschülern glänzen, wenn er etwas vorlas, oder wenn er Kopfrechenaufgaben wie aus dem Effeff zu lösen wusste. In Paulos Grundschulzeit lernten die Kinder noch auf Schiefertafeln schreiben, dazu benutzten die Schüler einen Griffel, den sie immer anspitzen mussten, und mit dem sie Zeigestöcke oder andere einfache Symbole auf die Tafel kratzten. Sie hatten in einer kleinen Dose ein Schwämmchen, mit dem sie die Tafel sauber wischten und einen Lappen, mit dem sie sie wieder trockneten. Die Schulklassen waren damals groß und bestanden immer aus über 30 Schülern, und man wusste während des Unterrichts gleich, bei wem der Hase wo im Pfeffer lag. Paulo hatte nicht viel von seiner Grundschulzeit im Gedächtnis behalten, was ihm aber unvergessen geblieben war, war die Tatsache, dass er einmal vom Schulrektor mit dem Rohrstock verprügelt worden war. Die ganze Klasse hatte gestanden, um die Lehrerin zu begrüßen, als Paulo den Stuhl seines Freundes und Vordermannes zur Seite geschoben hatte und der, als sich alle wieder setze durften, ins Leere gefallen war und sich dabei wohl wehgetan hatte. Schnell war klar gewesen, dass Paulo der Verursacher des Zwischenfalls gewesen war, und er wurde zum Rektor geschickt. Der zog Paulos Lederhose stramm, damit er die Rohrstockschläge auch gut zu spüren bekam.

    Im Lauf der vier

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