Umweltschutz oder Klimawahn?: Der Paradigmenwechsel der Umweltpolitik
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Buchvorschau
Umweltschutz oder Klimawahn? - Shimona Löwenstein
Vorwort
Es ist eine triviale Feststellung, daß Gesundheit nicht erst bei der Heilung von Krankheiten beginnt – das Hauptargument für unzählige „präventive oder „gesundheitsfördernde
Maßnahmen. Nur beginnt Gesundheit auch nicht bei der Vorbeugung, wie auch immer man diese für erforderlich oder geeignet hält, wenn die Grundlage für ein gesundes Leben fehlt. Diese Grundlage stellt aber nicht das Gesundheitssystem dar, sondern unsere Umwelt in allen ihren Bereichen, beginnend mit der eingeatmeten Luft, dem Trinkwasser und den Nahrungsmitteln, über die sonstigen Einflüsse, denen wir durch unsere Lebensweise zwangsläufig ausgesetzt sind, wie Lärm, Smog, elektromagnetische Strahlung, bis hin zu psychischen Belastungen wie Streß oder Ärger. Ein Beispiel für eine sinnlose „gesundheitsfördernde Aktivität ist das modische „Joggen
durch die Straßen einer Großstadt. Die sich darin betätigenden Menschen meinen, damit etwas Gutes für ihre Gesundheit zu tun, ohne zu berücksichtigen, daß sie während des Dauerlaufs ein Mehrfaches an Schadstoffen aus der durch Abgase verseuchten Luft einatmen. Damit schaden sie möglicherweise mehr ihrer Gesundheit als ihre weniger „sportlichen Mitmenschen. Bei der Sorge um eine gesunde Umwelt, die wichtiger ist als alle „gesundheitsfördernden
Maßnahmen, scheinen jedoch der Staat und seine Repräsentanten kläglich zu versagen. Überall dort, wo Schutz der Natur, der Umwelt oder des Verbrauchers angesagt wird, erweist sich dieser weniger als Chance einer wirklichen Verbesserung der Lebensbedingungen, wie als Anlaß für Aktionismus, Verdienstmöglichkeiten oder Umsatzsteigerung einer bestimmten Interessengruppe.
Schlimmer als das scheint die fortschreitende Ideologisierung und Politisierung der Umweltproblematik zu sein, in der bestimmte umstrittene Sachverhalte als nichthinterfragte Wahrheiten hingestellt, zweifelhafte, ja zuweilen geradezu schädliche Anordnungen beschlossen und die ganze Bevölkerung direkt oder indirekt unter Druck gesetzt wird, sich „umweltgerechte Verhaltensweisen anzueignen. Das betrifft nicht nur die ungeheuer kostspielige Förderung von angeblich nachhaltigen Zukunftstechnologien auf Kosten aller anderen Belange, sondern vor allem die Anmaßung, die geforderten Maßnahmen unabhängig von deren tatsächlicher Relevanz für Natur und Umwelt und demokratischer Legitimierung durchzusetzen und die mit ihnen verbundenen Denkweisen als allgemeine Bürgerpflicht zu etablieren. Dabei geht es gar nicht darum, daß Natur- und Umweltschutz irrelevant oder belanglos wäre; Naturzerstörung und Umweltbelastung bleiben nach wie vor wesentliche Probleme unserer Gesellschaft, deren Lösung in vielen Hinsichten noch bevorsteht. Nur tragen die heutigen ökologischen Konzepte nur selten dazu bei, ja verhindern sogar durch ihre ideologischen Muster echte Ansätze zu tragbaren Lösungen, von denen einige schon in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt wurden. Doch nicht nur der erfolgte Paradigmenwechsel in den ökologischen Theorien sorgte für eine fatale Schwerpunktverschiebung der Umweltpolitik, sondern vor allem die auf ziemlich zweifelhaften Voraussetzungen beruhende Hypothese vom menschenverursachten globalen Klimawandel, die sich zu einer absurden Theorie einer Klimakatastrophe durch mögliche Erwärmung Erde und der Vorstellung der Klimarettung durch Bekämpfung von Kohlendioxid entwickelte. Seitdem diese überall propagierte Auffassung gleichsam den Rang einer neuen Quasi-Religion angenommen hat, deren Kritik in der Öffentlichkeit nicht mehr geduldet wird, treten alle anderen Bemühungen um Naturschutz und sämtliche Umweltbelange in den Hintergrund, ja werden sogar bedenkenlos auf dem Altar der mutmaßlichen Klimarettung geopfert. Die Öffentlichkeit wird nicht nur in bezug auf die vermeintlich umweltfreundlichen Effekte beispielsweise des Wassersparens, der Wärmedämmung von Häusern oder des Biosprits getäuscht, sondern auch einer umfassenden Gehirnwäsche in bezug auf Ursachen und Folgen des Klimawandels und der angeblichen erforderlichen „Rettungsmaßnahmen
unterzogen, die nicht nur ungeheure Kosten, sondern auch erhebliche Schäden an Natur und Umwelt verursachen.
1. Naturzerstörung nach Plan
Trotz der immer wieder aufkommenden Kulturkritik, die auf Schattenseiten unseres zivilisierten Lebens hinweist, wäre es einseitig, den Wandel von einer hauptsächlich agrarisch geprägten zur industriellen und anschließend postindustriellen Lebensweise als eine bedauerliche Entwicklung an sich zu beklagen, sofern man die Bekämpfung von Hunger, die Verbesserung der Lebensbedingungen und die Chancen bisher benachteiligter Bevölkerungsschichten berücksichtigt. Problematisch war diese Entwicklung eher von ihrem Ansatz her als eine durch dirigistische Regulierungsmaßnahmen vorgenommene Rationalisierung des Lebens und der Lebenswelt, einschließlich des Umgangs mit der uns umgebenden Natur, die nur noch unter dem Gesichtspunkt des in wirtschaftlichen Kategorien meßbaren Nutzens bzw. Ertrags betrachtet, unter Kontrolle gebracht, ausgebeutet und reguliert werden sollte. Diese Entwicklung bezog sich vor allem auf die Rationalisierung der nach dem 2. Weltkrieg größtenteils noch familienwirtschaftlich betriebenen Landwirtschaft.
Um landwirtschaftliche Erträge zu steigern, wurde eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die unter dem Namen Flurbereinigung bekannt sind. Die Forderung nach Zusammenlegung und Neueinteilung von zersplittertem oder unwirtschaftlichem Grundbesitz nach „neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten" wurde dann im Flurbereinigungsgesetz vom 16.3.1976 (§ 37) gesetzlich festgelegt. Vom rechtlichen Standpunkt her handelte es sich um eine quasi Entmündigung der Besitzer durch die Annahme, die Flurbereinigungsbehörde könne über die vorgesehene Maßnahme besser entscheiden als die Beteiligten selbst, die als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 16) unter ihre Aufsicht gestellt wurden (§ 17). Ihre Interessen hielt man dabei selbst dann für „gegeben (§ 4), wenn sich die Mehrheit gegen eine Maßnahme ausspricht, während deren Mitwirkung als sog. „Landschaftspfleger
bei der Entscheidung nur „im Benehmen" erfolgt. [1]
Abgesehen von dem großen bürokratischen Aufwand, samt den vielen Einschränkungen und Bestimmungen, und dem Zwangscharakter, mit dem angeblich Interessenkonflikte verhindert werden sollten, erzielte die sog. „Raumplanung" keineswegs nur wünschenswerte Ergebnisse. Im Gegensatz zu den Zusammenlegungen der Felder wäre nach Wolfgang Haber eine „differenzierte Raumordnung" sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich von Vorteil gewesen: [2] Die Vergrößerung der Landflächen und die Konzentration der landwirtschaftlichen Betriebe bedeutete eine Monotonisierung der natürlich oder historisch gewachsenen Landschaft mit überproportionalen nachteiligen Nebenwirkungen auf benachbarte Naturbiotope (Störungs-Syndrom); [3] durch die Beseitigung der „überflüssigen" Zwischenräume, Hecken und sonstigen ungenutzten Flächen und dem Streben nach einem „mittelfeuchten Einheitsort" wurden im Zuge dieser Entwicklung eine Menge Naturbiotope zerstört, was die Hauptursache für das Aussterben vieler einheimischer Tier- und Pflanzenarten ist. [4]
Aus heutiger Sicht ergibt sich eine Paradoxie aus der Vorstellung der physiokratischen Lehre, welche die Produktivkraft der Natur gerade in der Landwirtschaft erblickte. In Wirklichkeit lösen die menschlichen „Nutz-Ökosysteme" die natürlichen Verhältnisse eines Ökosystems zugunsten bestimmter Pflanzenarten auf und setzten ihre natürliche Regelung außer Kraft. Das war schon immer der Fall, wenn auch nur in begrenztem Ausmaß; die moderne Landwirtschaft zerstört jedoch die natürlichen Ökosysteme auf extreme Weise. Trotz dieser bekannten Zusammenhänge werden „ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft" seitens des Gesetzgebers als kein Eingriff in Natur und Landschaft angesehen, [5] ja es werden ihnen mit dem Hinweis auf ihre „landschaftspflegerische Bedeutung" sogar Verdienste für den Erhalt einer hohen Lebensqualität zugeschrieben. Nach Meinung einiger Umweltökonomen (z.B. Günter Hartkopf und Eberhard Bohne) verletzen diese Landwirtschaftsklauseln das Vorsorge- und das Verursacherprinzip. [6] Denn sie vernachlässigen sowohl die von der Landwirtschaft verursachten Schäden an Natur und Umwelt und die damit verbundenen gesellschaftlichen Folgekosten, als auch notwendige Rücklagen für die Zukunft (etwa den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und der Selbstregulationsfähigkeit der Ökosysteme oder des Agrarmarktes). Genau das ist aber dasjenige, was man ursprünglich unter dem Begriff eines „nachhaltigen Wirtschaftens" verstand, bevor dieser ideologisch mißbraucht wurde.
Der planerische Ansatz zeigte sich, selbst nachdem ökologische Belange zum angekündigten politischen Ziel geworden waren, als ungenügend, zum Teil allein wegen der unterschiedlichen Gewichtungen von Kriterien vermeintlicher Wirtschaftlichkeit und ökologischer Rücksichten. [7] Schließlich führte selbst die neuere, „umweltbewußtere" Flurbereinigung seit etwa Ende der 70er Jahre nur zur weiteren Vergrößerung der Landflächen, zu Biotopenvernichtung und Konzentration der landwirtschaftlichen Betriebe, hauptsächlich unter dem Vorwand vermeintlicher Interessen der Landwirtschaft. [8] Es liegt aber auch in der Logik des manipulativen Zugangs zur Welt begründet, daß ihm jedes Stück Natur jenseits von Reglementierung ein Dorn im Auge, ein „Wildwuchs" ist, was im Wort „Flurbereinigung" deutlich zum Ausdruck kommt. Der verbal proklamierte, gesetzlich verankerte Naturschutz [9] zwecks „Erhalt von Biodiversität" erfüllt bei den Planungsvorhaben eher eine Alibi-Funktion und Betätigungsmöglichkeit für verschiedene Natur- und Tierschutzorganisationen, ohne daß sich am fortschreitenden Artensterben viel geändert hätte. Das verwundert nicht, denn die Naturschutzmaßnahmen werden oft nur kleinflächig und selektiv betrieben, ohne Berücksichtigung ökologischer Zusammenhänge. Meistens werden nur seltene Arten oder Biotope geschützt. Dadurch passiert es manchmal, daß diese Arten (wie z.B. Kormorane) durch die Abwesenheit natürlicher Feinde selbst zu einer Plage werden. Es mutet jedenfalls etwas seltsam an, wenn einerseits Milliarden für das Artensterben in der Landwirtschaft verschwendet, andererseits wieder aufwendige Projekte gestartet oder Bauvorhaben verhindert werden, die viel geringere Schäden für die Natur verursachen, um einzelne Tiere zu retten: Für bestimmte wildlebende Tiere, wie Kröten, Hasen, Eidechsen, Igel oder Feldhamster, werden aufwendige Anlagen, Tunnel, Brücken, Erdwälle und sonstiges gebaut, um sie vor Verkehr, elektrischen Leitungen oder Bauvorhaben zu schützen. Andererseits sterben in Deutschland immer mehr Tierarten aus, weil es nach den Vorstellungen der Landschaftsplaner nicht zulässig ist, ein Stück Land unbewirtschaftet zu lassen.
„Flurbereinigung stand bis vor kurzem für Kahlschlag, Zerstörung, Gleichschaltung, Monotonisierung der Landschaft durch rücksichtslose Beseitigung von allem natürlich oder historisch Gewachsenen, ja greift inzwischen auch auf weitere Bereiche über als die „unwirtschaftliche
bäuerliche Landwirtschaft. Der planerische Machbarkeitswahn bezog sich nicht nur auf den Ackerbau; ebenso mußten Wälder und Gewässer unter Kontrolle gebracht, d.h. begradigt und bewirtschaftet werden, was sich bald ebenfalls als Fehlprojekte mit unabsehbaren Folgen erwies. Die großen Überschwemmungen von 2002 waren schließlich keine bloße Naturkatastrophe, mit der sich gut Wahlkampf veranstalten ließ, sondern wurden von einer Reihe menschlicher Versagen mitverursacht: Begradigte Flüsse und geschädigte Wälder trugen dazu bei, daß der Boden nicht genug Wasser aufnahm, so daß ein Teil oberflächlich abfloß. Der Aufbau von Infrastrukturen, Ackerland und Gewerbeflächen in Auengebieten, kombiniert mit unzureichendem Hochwasserschutz, waren ebenfalls Fehler, indem aus angeblich wirtschaftlichen Gründen Umweltgefahren (in diesem Fall des Hochwassers) ignoriert wurden. [10]
Die scheinbare Rationalität hat sich als trügerisch und kontraproduktiv erwiesen; die Natur rächt sich für die durch kurzfristige Nützlichkeitserwägungen verursachten Schäden. Es sind nicht nur unerwartete Katastrophen, sondern auch weitere unberücksichtigte Folgen und Nebenwirkungen für Wirtschaft, Umwelt und Gesundheit. Inzwischen sammeln diverse Naturschutzvereine Spenden, um beispielsweise zuvor begradigte Flüsse und Bäche wieder zu renaturalisieren, weil durch die Begradigungen bestimmte Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind. Dieses Anliegen ist nichtsdestoweniger schon deswegen fragwürdig, weil die Spender durch freiwillige Beiträge wiedergutzumachen helfen, was andere zuvor, oft mit staatlichen Zuschüssen (d.h. für ihr Steuergeld), zerstört haben. Mit Ausnahme einiger Tausend nicht allzu großen und selbstverständlich von menschlichen Eingriffen abhängigen Naturschutzgebieten gibt es in Deutschland kaum noch unberührte Natur, die sich selbst überlassen bleibt. Was als Natur gilt, wird aufwendig und kostenintensiv gepflegt, wobei die Pflege auf eine Weise von demselben planerischen Ansatz herrührt, wie die Zerstörung. Das gilt nach Gernot Strey auch für die sog. „Renaturalisierung" von Lebensräumen. „Das Gestalten von Ökosystemen durch solche ‚Pflegemaßnahmen’ ist eher geeignet, unser Gewissen wegen anderer Schäden an der Nutzung zu beruhigen. Solche Aufrechnungsmentalität kann nicht tragen. (...) Das Ergebnis ist oft eine weit überdimensionierte ‚Pflege’. Leider kommt solches Tun noch unserer Machermentalität entgegen." [11]
Diese gilt nicht nur für die flurbereinigte Landwirtschaft; selbst ungepflegte Gärten, die kleine Biotope mit großer Artenvielfalt darstellen, oder geöffnete Dachbodenfenster und alte Scheunen, die Unterschlupf für Fledermäuse bieten, überhaupt etwas weniger ordentliche Verhältnisse, werden in Deutschland ungern gesehen. Der Rasen und die sonstige Gestaltung privater Grundstücke muß stets den örtlichen beschränkten ästhetischen Vorstellungen angepaßt werden. Mit dem Artensterben wird diese Ordnungssucht nicht in Zusammenhang gebracht, das schlechte Gewissen wird mit Spenden für verschiedene Rettungsprojekte kompensiert. Zuweilen verursachen sogar bestimmte Regelungen und Vorschriften, wie z.B. zur Verwendung kleinmaschiger Netze für den Fischfang das Gegenteil dessen, was sie als solche eigentlich verhindern sollten. Die feinmaschigen Netze führen zum Überfischen der Meere, weil darin auch Fische gefangen (und oft ohne Verwendung getötet) werden, die sich noch nicht vermehrt haben. Langfristig bewirkt diese unsinnige Politik den Verlust des Fischbestands und das Aussterben bestimmter Fischarten. [12]
Nach Ulrich Hampickes Meinung (von 1978) liege die Hauptursache der Naturzerstörung und Ausrottung der Arten in der Fehlallokation von Mitteln, insbesondere durch die öffentliche Hand, während ihr bloßer Abbau einen Großteil des erwünschten Naturschutzoptimums zum Nulltarif gewährleisten und die übrigen Kosten viel geringer ausfallen würden, wenn man auf aufwendige naturzerstörende, vordergründig der Produktionssteigerung nutzende Investitionen verzichtete. [13] Daran scheint sich seitdem wenig geändert zu haben. Dabei sind die Motive der Naturzerstörung keineswegs immer durch ökonomische Rentabilität gerechtfertigt: „Wie erklärt es sich dann, daß dort, wo keine ökonomischen Anreize für die Naturzerstörung bestehen, wo es unter heute gegebenen Umständen rentabler wäre, pfleglicher mit der Natur umzugehen – daß selbst dort Tier- und Pflanzenarten, sprudelnde Bäche, alte Bäume und derartiges einfach nicht geduldet werden? Obwohl die Forstwirtschaft in Deutschland über ihre roten Zahlen klagt, weigert sie sich, mehr als 0,3 % des Waldes (!) unbewirtschaftet wachsen zu lassen. Nach seiner Ansicht ginge es ihr ökonomisch besser, wenn sie es täte. Wasserbau, Dränage und Flurbereinigung verschlingen Milliardenbeträge pro Jahr, ohne daß dem, abgesehen von ökologischen Belangen, eine ökonomische Rechtfertigung beigemessen werden könnte. „Der Staat ächzt unter Finanzlasten und Verschuldung und treibt, anstatt Milliarden einzusparen, lieber Pfennige ein bei denen, die ohnehin nichts haben.
[14]
1.1. Tiere als industrielle Eiweißmaschinen
Abgesehen davon brachte die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion in bezug auf tierische Erzeugnisse einen häßlichen Nebeneffekt mit sich, der die moralischen Aspekte des Umgangs des Menschen mit seinen Haustieren betrifft. Seitdem sich die ökologische Einstellung verbreitet hat, bringen die Medien regelmäßig Berichte über brutale Bedingungen der Massentierhaltung [15] und industrielle Schlachtung von lebenslang gequälten und schließlich (mit Hilfe von europäischen Exportzuschüssen) über Tausende von Kilometern ohne Wasser und Nahrung hin und her transportierten Tiere. In anderen Berichten wurde die Tatsache angeprangert, daß bei der Produktion von Legehennen die männlichen Küken nach dem Schlüpfen massenweise vergast werden, weil sie nicht gebraucht werden. Als Lösung wurde eine (kostenaufwendige) Früherkennung des Geschlechts des Tieres angeboten, so daß seine Beseitigung bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen kann: Die männlichen Küken zu Brathähnchen aufwachsen zu lassen, wäre wohl unter einer so spezialisierten Produktion nicht möglich. Nach langem Hin und Her erzielten die Grünen an der Regierung einen Riesenerfolg: Die Hühnerkäfige wurden um ein paar Zentimeter größer. Und auf dem Markt können seit einiger Zeit neben Eiern aus Käfighaltung auch aus sog. „Bodenhaltung (die nicht viel besser ist, da die Hühner auf engem Raum zusammengedrängt leben) sowie aus vermeintlicher (oft gefälschter) „Freilandhaltung
erworben werden. Mit dem tatsächlichen Umgang der auf tierische Erzeugnisse spezialisierten „Bauern mit ihren „Eiweißmaschinen
hat dies wenig zu tun.
Mit der Tierquälerei sind die Nachteile dieser Spezialisierung und Massenproduktion noch keineswegs erschöpft. Es ist schwer verständlich, warum der Schlachtungsort so weit vom Aufzuchtsort entfernt liegen muß; durch Gülle völlig verseuchte Felder und gleichzeitig intensiver Gebrauch von chemischen Düngemitteln sind für den gesunden Menschenverstand keine nachvollziehbare Handlungsweise. [16] Da die Landwirtschaft ohnehin kräftig subventioniert wird, kann hierbei auch das Kostenargument kaum tragen. Es treten auch immer Tierseuchen auf, wie die Schweinepest, die Schwarzkopfkrankheit bei Puten oder die Klauenseuche. Es ist klar, daß sich Krankheiten unter den Tieren nicht nur bei Massenhaltung, sondern auch aufgrund der „modernen" Zuchtmaßnahmen mit künstlicher Befruchtung und Züchtung von genetisch gleichartigen Tieren besser ausbreiten können als bei genetischer Vielfalt und herkömmlichen Zuchtbedingungen eines Bauerhofs. Außerdem handelt es sich dabei um eine leichtsinnige Reduktion des „genetischen Pools" unserer Haustiere, deren Folgen noch schwer abschätzbar, aber jedenfalls nicht umkehrbar sind.
Ein weiterer bedenklicher Aspekt der sich häufenden Skandale in bezug auf diverse mit Massentierhaltung zusammenhängende Krankheiten sind die immer wieder festgestellten gesundheitlichen Risiken, die mit dem Konsum qualitativ minderwertiger Fleischprodukte verbunden sind. Der Zusammenhang zwischen „BSE" bzw. „Rinderwahn bei Tieren und einem analogen Gehirnzerfall bei Menschen konnte zwar niemals wirklich nachgewiesen werden; die Abschlachtung Tausender Kühe war aber ein so überstürzter Aktionismus, daß die Vermutung naheliegt, die Massenschlachtung habe der Ablenkung der Aufmerksamkeit von anderen Problemen oder als geeigneter Vorwand zur Beseitigung von Überschüssen gedient. Die Minister stritten sich hauptsächlich darum, wer die BSE-Folgekosten tragen solle, während die EU und die Naturschützer die Menschen aufforderten, sogar mehr Rindfleisch zu essen, damit die beschlossene Tötung von Risikotieren umgangen werden könne. [17] Daß ihre Appelle mit dem rührenden Hinweis auf die „seelische und materielle Betroffenheit der Bauernfamilien
eine Anmaßung gegenüber den verängstigten Verbrauchern darstellen, fiel weder den Interessenvertretern noch den zuständigen Politikern ein. Nur war der BSE-Skandal nicht das einzige, ja nicht einmal das wesentliche Problem, sondern wies nur auf die lange Zeit vertuschte Problematik der Massentierhaltung und ihre Folgen hin, welche die Menschen inzwischen unter dem Eindruck weiterer Skandale wieder vergessen zu haben scheinen.
Es gab insbesondere in den 80er Jahren ethische Diskussionen darüber, daß es den Menschen nicht zusteht, andere Lebewesen auszurotten, zu quälen, oder sie mit bloßen Nützlichkeitserwägungen zum Mittel menschlicher Bedürfnisbefriedigung zu degradieren. Die Schlußfolgerungen waren Forderungen nach Erweiterung des Tierschutzes auf artgerechte Behandlung und Verpflegung, bis hin zu Meyer-Abichs Ruf nach einer verfassungsmäßigen Regelung einer Rechtsgemeinschaft mit der Natur und damit auch mit den Tieren. [18] Man erwog somit nicht nur Naturschutzgesetze im Interesse der Menschen, sondern Tier- und Pflanzenrechte neben den Menschenrechten. Deren theoretische Begründung blieb indessen problematisch: So müsse nach Ansicht von Joel Feinberg die Postulierung von Rechten an bewußte tatsächliche oder zumindest potentielle Interessen geknüpft werden. [19] Diese nur an persönlichen Interessen oder Bedürfnissen orientierte Einstellung, die in der utilitaristischen Ethik ebenso wie in den Naturschutzbegründungen aus menschlichen Interessen zum Ausdruck kommt, wurde auch von anderen Autoren (Triebe, Spaemann) kritisiert. [20] Gegen die „deontologische Normbegründung" von Tierrechten allein durch „moralische Pflichten der Menschen zu sich selbst" wurde wiederum eingewendet, daß Pflichten gegenüber den Tieren ihrer selbst willen aufgrund ihrer Leidensfähigkeit postuliert werden könnten. [21] „Den Pflichten gegen sich selbst korrespondieren nämlich keine einklagbaren Rechte. Das Verhältnis zu sich selbst ist kein durch Regeln der Gerechtigkeit normiertes Verhältnis, äußerte beispielsweise der konservative Philosoph Robert Spaemann. [22] Ebenso sei es abwegig, das Verbot der Tierquälerei in den Empfindungen der Tierfreunde begründet zu sehen. „Gerade jene Menschen, auf deren Mitgefühl sich die zuerst genannte Begründungsvariante beruft (...), würden darauf beharren, daß der Schutz primär den Tieren selbst und nicht den eigenen zarten Empfindungen gilt.
[23]
Eine praktikable Lösung wäre allenfalls die Einführung