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Weggehen: Über meinen Ausstieg aus der Gesellschaft
Weggehen: Über meinen Ausstieg aus der Gesellschaft
Weggehen: Über meinen Ausstieg aus der Gesellschaft
Ebook160 pages2 hours

Weggehen: Über meinen Ausstieg aus der Gesellschaft

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About this ebook

Mit dem Fall der Mauer arbeitslos geworden, beschließt eine Familie mit ihren drei Kindern ihr Glück in Frankreich zu suchen und sich dort ein neues Leben aufzubauen. Sie kaufen ein Stück Land, zwischen Fluss und Wald gelegen, auf dem ein alter, baufälliger Ziegenstall steht. Bauen wollen sie, einen Garten anlegen, Ziegen halten und vom Käseverkauf leben. Doch dann entwickelt sich alles anders, als es gedacht war.

Die Autorin findet sich nach einer Auseinandersetzung mit ihrem Mann mittellos mit ihren drei Kindern auf der Wiese wieder. Mit dem gesamten Geld, dem Auto und allen nützlichen Werkzeugen hat er das Weite gesucht. Er wird nicht mehr zurückkommen. Da sie niemanden weiß, der sie mit den Kindern aufnehmen würde, beginnt sie den vorhandenen Ziegenstall auszubauen.

Die vergangenen Erlebnisse und die veränderte Situation, in der sie sich findet, lassen sie Fragen nach dem Sinn des Lebens, der Bedeutung von Gerechtigkeit, Liebe, Haben und Sein neu überdenken. Plötzlich erkennt sie, dass erst ihr plötzlicher Fall in die völlige Mittellosigkeit, ihre ureigenen Kräfte, ihre Kreativität und verborgene Fähigkeiten hervorgerufen hat.

Auf 15 m2 wird sie die nächsten Jahre ohne Strom und Wasseranschluss mit ihrem jüngsten Kind verbringen, einen Garten anlegen und lernen in und mit der Natur zu leben. Sie waschen sich im nahen Fluss, kochen auf offenem Feuer und schlafen während des Sommers unter freiem Himmel. Überraschend erfährt sie, dass dieses Leben sie rundum glücklich macht.

Das naturverbundene Leben verändert ihr Denken und Fühlen. Aus dem realistischen Sozialismus kommend und einem materiell abgesicherten Leben in der Stadt, lernt sie das Leben neu und gibt ihm andere Wertigkeiten. Sie findet zu sich selbst, muss sich aber auch mit ihren Ängsten auseinandersetzen, um sich letztlich davon befreien zu können.

Bisher Verschüttetes und Verdrängtes tritt an die Oberfläche.
LanguageDeutsch
Publisherneobooks
Release dateDec 19, 2014
ISBN9783738003925
Weggehen: Über meinen Ausstieg aus der Gesellschaft

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    Book preview

    Weggehen - Heidi Prohl

    Prolog

    Bild 184500 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.

    Jedes Leben stellt eine Herausforderung dar und gleich, unter welchen Verhältnissen ein Mensch geboren wird und aufwächst, die Erlebnisse der ersten Monate und Jahre prägen ihn für sein Leben. Später wird er sich vielleicht gut damit arrangieren können oder er bemüht sich, diesen bestimmenden ersten Erlebnissen zu entkommen. Dann sind diese möglicherweise vergessen, liegen vergraben in seinem Unterbewusstsein und er weiß nicht, weshalb es ihn treibt so oder so zu handeln und wegzugehen.

    Doch wie das Leben eines Menschen auch aussieht, es lässt Rückschlüsse zu auf die ersten Erlebnisse seiner Kindheit, denn unbewusst suchen wir nach den Herausforderungen, die zu uns selber und zur Erlösung führen. Zur Erlösung aber gelangen wir oft erst durch das Leid, was wir bestrebt sind zu vermeiden. Somit treffen wir manchmal Entscheidungen, die entgegen unserer Absicht schmerzhafte Prozesse einleiten. Diese schmerzhaften Prozesse können uns jedoch eine innere Wandlung erfahren lassen hin zu Heilung, Vollkommenheit und Glück.

    Das erfuhr ich, als ich nach Südfrankreich auswanderte und sich dort alles anders entwickelte, als es geplant war. Dieser Umzug gipfelte in einem radikalen Ausstieg und ich machte die einprägsamste Erfahrung meines Lebens. Ich verlor meine Beziehung, alles Geld und meine gesamte äußere Sicherheit, als mein Mann mich und die Kinder dort mittellos sitzen ließ. Und ich wusste niemanden, der uns hätte aufnehmen können.

    Nur auf meine eigenen Kräfte und Ideen konnte ich bauen. Dies leitete einen Prozess der Veränderung meines Denkens und Fühlens ein und bestimmte meine Werte neu. Mehr und mehr ließ ich mich auf das neue Leben ein. Eine Wahl war mir ohnehin nicht geblieben. Doch nach und nach lernte ich die Situation anzunehmen und zunehmend wurde ich neugierig, wo dieses unabhängige Dasein in der Natur mich hinführen würde. Diese Erfahrung sollte sich später als das Beste erweisen, was mir hätte passieren können.

    Diese große Herausforderung hatte ich nicht gewollt, doch erst sie hat mich in meine Kraft gebracht. Meistens haben wir die Wahl, Herausforderungen anzunehmen oder uns vor ihnen zu verdrücken und so zu tun, als sei alles in Ordnung, als gäbe es diese Herausforderung nicht. Hätte ich wählen können, dann wäre ich einen anderen Weg gegangen, denn ich hätte mich vor dieser Möglichkeit gefürchtet. Insofern war das Leben gnädig zu mir, indem es eine Wahl nicht erlaubte.

    Eine Scheu vor großen Herausforderungen ist verständlich, denn sie erschüttern die Fundamente, auf denen wir unser Leben aufbauen, reichen bis tief in unsere Wurzeln hinab und verändern, was uns sicher scheint. Sie können unser Leben kräftig durcheinanderbringen und Angst machen. Wer diese Angst zu überwinden vermag, wird gleichzeitig einen Weg des Widerstands gegen sich selbst gehen müssen. Er muss sich aus vermeintlichen Sicherheiten lösen und auf unsicheren Boden begeben, lernen auf eigene Kräfte zu vertrauen, die endlich Gelegenheit erhalten, sich zu entfalten. Unsicherheit in den Lebensumständen bringt unser schöpferisches Potential zu Tage. Dann können Gewohnheiten aufbrechen, die uns lange schon träge gemacht haben und wir können unser Leben wieder kreativ gestalten. Indem sich alte Kräfte neu zeigen, lösen sich schließlich Ängste auf und eine neue Sicherheit entsteht, aus dem eigenen Vermögen erwachsen.

    Einige erleben einen ungewöhnlichen Weg eines anderen möglicherweise als Bedrohung. Wer die eigenen Herausforderungen scheut, kann sich an Ängste erinnert fühlen, von denen er sich abhalten lässt, seinen Weg zur Erlösung zu gehen. Andere wieder entdecken ihren Mut, ein Leben nach eigenem Muster zu leben.

    Wer seine Ängste jedoch nicht zu überwinden vermag, beginnt sich meist zu rechtfertigen, denn es ist schwer, sich seine eigenen Ängste einzugestehen und noch schwerer, sich vor Freunden und in der Familie zu ihnen zu bekennen. Ein solcher Mensch umgibt sich nicht selten mit Lügen und versteckt sich vielleicht hinter vermeintlichem Recht und Ordnung, um sich nicht für seine Entscheidungen verantwortlich zeigen zu müssen. Diese Lügen können sich zur Lebenslüge auswachsen.

    Alle Lügen verlangen mit der Zeit nach Stützen, die sie auf wackeligem Grund halten. Sie müssen mit vielen Argumenten aufrechterhalten, laut verkündet und immer wiederholt werden, um auch den Verkünder selbst überzeugen zu können. Auf diese Weise vergrößern sie sich und gewinnen an Raum. Je mehr Raum sie beanspruchen, umso mehr Energie muss aufgewendet werden, damit sie bestehen bleiben können. Auf Dauer schwächt das den Menschen, die Lüge wird seine Kräfte aufzehren und er wird vielleicht sogar krank.

    Beide Wege scheinen mir gleichermaßen schwer, der Weg der Lüge und der Weg der Wahrheit. Doch nur ein Weg führt zu uns selber und macht zufrieden. Daher ist es gut, ab und an auf sein Leben zu blicken und eine Art Revision durchzuführen. Die Stunde der Wahrheit kommt für jeden.

    Eine Lüge bleibt immer eine Lüge. Es ist eine Frage der Zeit, wann sie in sich zusammensinkt und die Wahrheit erkennen lässt. Spätestens mit dem Beginn des Sterbeprozesses dämmert diese Wahrheit hindurch. Der Tod aber ist sicher und ihm kann sich niemand entziehen. Wer nicht wahrhaftig gelebt hat, muss ihn sein Leben nicht reuen? Solch eine Reue ist auf dem Sterbebett nur schwer zu ertragen, denn spätestens dann wird klar, dass der Prozess nicht umkehrbar ist. Der Tod nimmt uns Titel, Geld und Macht, er nimmt jegliche Verstellung und jeglichen Tand. Dafür lässt er uns in einen großen Spiegel schauen, in dem wir völlig ungeschminkt erscheinen. Dort müssen wir uns sehen, wie wir sind. In diesem Moment können wir uns hinter nichts mehr verstecken. In diesem Moment stehen wir völlig allein. Unsere Seele schaut sich selbst, bloß und muss die Ängste wahrnehmen, die Lügen erkennen und ungenutzte Möglichkeiten.

    Möge jeder Mensch es wagen, das Leben zu leben, welches für ihn vorgesehen ist, möge jeder den Mut finden, nach seinen Bedürfnissen zu handeln und auf seine unverwechselbare Weise nach dem Glück zu suchen, so dass der Moment des Sterbens für jeden zu einem Augenblick der Freude wird.

    Dieses Buch stellt meine persönliche Suche nach dem Glück dar, meinen individuellen Weg zu Zufriedenheit. Dieser Weg ist ein besonderer, wie ihn nicht jeder zu gehen vermag. Darum geht es aber nicht. Es geht darum zu zeigen, dass man manchmal ungewöhnliche Wege nehmen muss, entgegen den Vorstellungen, die sich Familie, Freunde und die Gesellschaft von uns gemacht haben. Niemand muss die Erwartungen anderer erfüllen, wenn sie nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen. Jeder ist für seinen eigenen Weg verantwortlich, für sein eigenes Glück, ebenso für sein eigenes Unglück. Mögest Du Deinen eigenen Weg finden, gehen und glücklich werden, denn erst das Glück des Einzelnen schafft eine glückliche Gesellschaft.

    1.Teil - Aufbruch

    Bild 184501 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.

    Niemals war mir ernsthaft der Gedanke gekommen, ins Ausland überzusiedeln. Fremdsprachen gehörten in der Schule nicht zu meinen Lieblingsfächern und die Kultur ferner Länder zu ergründen interessierte mich nicht, hatte ich doch schon genug damit zu tun, die Handlungen meiner Mitmenschen in Deutschland zu begreifen.

    Innerhalb Deutschlands war ich öfter umgezogen, immer nach dem idealen Lebensraum suchend und eine Verbesserung der Lebensqualität erhoffend. So hatte ich auf kleinen Dörfern mit funktionierenden Dorfgemeinschaften gewohnt, in Großstädten gelebt, in Kleinstädten studiert und Zeiten auf alleinliegenden Höfen verbracht. Überall fand ich das Leben lebenswert und liebenswerte Menschen. Überall war es besser als in meinem angestammten Elternhaus, das ich langsam zu vergessen gedachte. Das Beste, was mir zu diesem Thema einfiel. Ich wollte leben, endlich meine Kraft und Lebendigkeit spüren und nicht versuchen, eine Vergangenheit zu bewältigen, die mich zu ersticken drohte.

    Doch wir können dem, was in uns ist, nicht entkommen und so fügte sich mein Leben in einer Weise zusammen, die ausschließlich auf Heilung ausgerichtet war und sich folgerichtig an die Kinderzeit anschloss. Um das zu erfahren, musste ich bis in den Wald in die Pyrenäen gehen, dorthin, wo die Erinnerung mich finden konnte, der ich ausweichen wollte.

    Vorher erlebte ich mitten im Osten eine weitgehend unbeschwerte Jugendzeit. Meine Volljährigkeit entließ mich in die Freiheit. Endlich 18, endlich frei, dachte ich und blickte auf eine ganze Welt voller Möglichkeiten. Nein, nur eine halbe Welt und noch genauer, nicht einmal das, denn ich wohnte in der DDR, in einem kleinen Land mit dichten Grenzen, die nur in Richtung Osten und Südosten etwas durchlässiger waren, wo die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien, Länder die zum sozialistischen Lager gehörten, bereist werden konnten.

    Mitten durch meine Heimatstadt Berlin verlief eine Mauer, ein ganzer breiter Grenzstreifen, durch hohe Stacheldrahtzäune vom Rest der Welt abgeteilt, vermint, mit Selbstschussanlagen gesichert und von Grenzsoldaten mit Schießbefehl auf Aussichtstürmen bewacht. Manchmal knallte dort ein Schuss durch die Nacht, drang in meine Ohren, wenn ich schlaflos in meinem Bett lag und beendete ein Leben. Auch wenn man uns gelehrt hatte, dass solches notwendig sei, erschreckten solche Notwendigkeiten und ließen Unverständnis zurück. Wie verzweifelt musste einer sein, der den Mut aufbrachte, diese Grenzanlage überwinden zu wollen.

    Ich selber wollte mich gegen kein System auflehnen, sondern im Gegenteil, hineinwachsen, einen Platz finden, an dem ich dazugehören konnte und endlich der Einsamkeit und Missachtung entkommen, die ich in meiner Familie ertragen musste. Ich wollte nicht außerhalb stehen, sondern mittendrin. Gute Leistungen sollten mir Anerkennung und Liebe verschaffen und ich wollte ein wertvolles Mitglied der sozialistischen Gesellschaft sein.

    Nach dem 2. Weltkrieg rangen die Mächtigen weiter um Macht und Einfluss. An Schulen und in Betrieben wurde versucht, Grenzen quer durch die Köpfe der Menschen ziehen. Diese sollten uns einengen, einseitig denken lassen und wir suchten sie zu überwinden. Wir wuchsen mit der Pionierorganisation und der FDJ - die Jugendorganisation in der DDR - auf und unsere Väter und Mütter gehörten in vielen Fällen eine der vier existierenden Parteien an, die alle dasselbe sagten. Eine freie Meinung war nicht erwünscht, eine ehrliche Äußerung oft gefährlich.

    Doch alle offiziellen Zwänge galten nichts im Verhältnis zu der Freiheit, die mich erwartete, als ich endlich so weit war, das Elternhaus verlassen zu können. Alle mir vorher durch Vater und Mutter auferlegten Zwänge fielen weg und ich entkam der ständigen Angst und Bedrohung, die einen ganz privaten Charakter hatte. Inmitten eines der beschränktesten Länder fühlte ich mich mit 18 Jahren frei und glücklich und nahm alles wahr, was zu meiner Verfügung stand. Ich tauchte ein in eine große Freundesschar, feierte und tanzte, diskutierte, reiste und probierte das Leben und die Liebe.

    Die siebziger Jahre schenkten uns eine wundervolle Jugendzeit. Die Ideen der 68er, Beatmusik und der Geruch von freiem Leben schwappten über die Mauer. Gerade rechtzeitig mit dem Erwachen unseres sexuellen Interesses wurde die Pille erfunden, Aids kannten wir nicht und die verkrusteten Moralvorstellungen der älteren Generation zu durchbrechen, gab uns ein wundervolles Gefühl. Wir waren die Generation, die nach dem Krieg aufatmete und mit der Welle eines neuen Zeitgefühls schwimmend ein neues Lebensgefühl genoss. Und ich hatte Glück. Meine frei geäußerten Meinungen erreichten nie das Ohr eines verräterischen Spitzels, so dass mir persönlich von staatlicher Seite kein Leid geschah.

    Wir hatten uns von den Schrecken des Krieges gelöst, mit denen unsere Eltern noch verstrickt waren und wuchsen in eine bessere Welt hinein, die Alten hinter uns traumatisiert zurücklassend. Das Alte interessierte mich wenig und die Geschichte meiner unmittelbaren Vorfahren interessierte mich gar nicht. Ich blickte nach vorn.

    Es gab noch kein Internet und keine Handys, die meisten im Osten besaßen nicht einmal ein Telefon. Das Fernsehen beschränkte sich auf einen Sender im Osten und zwei im Westen, die erst nachmittags zu senden begannen. Auch die Zeitschriftenlandschaft war überschaubar. Die Informationen, die uns erreichten, konnten noch verarbeitet werden.

    Freunde trafen sich abends spontan, da ein vorheriges Verabreden schlecht möglich war. Viele Türen standen für viele Menschen offen. Unsere Partnerschaftsprobleme besprachen wir ebenso, wie die Verhältnisse in Ost und West. Solidarität und Hilfe waren selbstverständlich. Babysitter waren noch nicht erfunden. Eltern, die

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